Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 04.07.2007, Az.: 11 A 3781/05

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
04.07.2007
Aktenzeichen
11 A 3781/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 62287
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2007:0704.11A3781.05.0A

Amtlicher Leitsatz

Ist eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis wegen der irrtümlichen behördlichen Annahme der Ausländer sei ein sog. Kontingentflüchtling (§ 1 Abs. 1 HumHAG) erteilt worden, scheidet ein Widerruf des Aufenthaltstitels nach §§ 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 103 Satz 2 AufenthG aus. Allerdings kann die behördliche Verfügung nach den Regelungen über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes (§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) gerechtfertigt sein.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen sind albanische Staatsangehörige. Die am 6. September 1952 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der Klägerin zu 2), welche am 25. August 1996 zur Welt gekommen ist.

2

Am 15. Juli 1990 reiste die Klägerin zu 1) mit ihrem (früheren) Ehemann und Vater der Klägerin zu 2), Herrn F., als sog. Botschaftsflüchtling in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie erhielt vom Landkreis D. am 2. August 1990 eine bis zum 30. Januar 1991 befristete Aufenthaltserlaubnis und am 12. November 1990 vom Landkreis Soltau-Fallingbostel eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis sowie einen Reiseausweis für Flüchtlinge, in dem vermerkt worden ist, dass sie die Rechtsstellung nach § 1 Abs. 1 HumHAG (sog. Kontingentflüchtling) besitze.

3

Die Klägerin zu 2) erhielt erstmals am 25. Oktober 1996 eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die zuletzt am 30. September 2003 bis zum 19. September 2005 verlängert worden ist.

4

Die Klägerin zu 1) ist strafrechtlich erheblich in Erscheinung getreten: Am 26. August 1991 ist sie vom Amtsgericht W. wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt worden und am 16. April 1992 vom Amtsgericht N. wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 8 Tagessätzen. Das Amtsgericht W. und das Amtsgericht L. sprachen die Klägerin zu 1) am 2. Juni und 8. September 1993 jeweils des Diebstahls geringwertiger Sachen schuldig. Das Amtsgericht L. hat hierfür eine Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen gebildet.

5

Am 4. April 1995 wurde die Klägerin zu 1) vom Amtsgericht Wilhelmshaven wegen versuchten Diebstahls geringwertiger Sachen in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt und am 6. Oktober 1995 vom Amtsgericht Mönchengladbach wegen Diebstahls zu 30 Tagessätzen. Am 5. März 1996 erkannte das Amtsgericht W. wegen Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenunterdrückung auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen und am 24. Juni 1996 das Amtsgericht W. wegen gemeinschaftlichen Diebstahls auf 50 Tagessätze.

6

Das Amtsgericht W. sprach die Klägerin zu 1) am 26. Juni 1997 des gemeinschaftlichen Diebstahls und des Diebstahls geringwertiger Sachen, das Amtsgericht D. sie am 24. Juli 1997 des gemeinschaftlichen Diebstahls schuldig. Mit Urteilen des Amtsgerichts W. vom 4. Oktober 1999 bzw. des Landgerichts O. vom 6. März 2000 wurde wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren unter Einbeziehung der Verurteilungen aus dem Jahre 1997 eine zehnmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängt. Darüber hinaus erhielt die Klägerin zu 1) wegen Diebstahls geringwertiger Sachen eine dreimonatige Bewährungsstrafe. Schließlich ist sie vom Amtsgericht Wilhelmshaven am 9. Februar 2006 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden.

7

Der (frühere) Ehemann bzw. Vater der Klägerinnen ist nach Widerruf der Rechtsstellung nach dem HumHAG und Ausweisung durch die Stadt L. am 5. Mai 2000 in sein Heimatland abgeschoben worden.

8

Mit Bescheid vom 9. November 2000 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Rechtsstellung der Klägerin zu 1) nach § 1 HumHAG. Die hiergegen gerichtete Klage ist mit Urteil des erkennenden Gerichts vom 10. Dezember 2003 - 5 A 4367/00 - abgewiesen worden. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, dass der erwähnte Bescheid die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze, weil sie die Rechtsstellung nach dem HumHAG gar nicht erworben habe. Der Widerruf des Bundesamtes gehe ins Leere.

9

Mit Schreiben vom 29. Januar 2004 hat die Beklagte den Klägerinnen Gelegenheit gegeben, zu einem Widerruf ihrer Aufenthaltserlaubnisse Stellung zu nehmen. Die Klägerinnen haben daraufhin vorgetragen: Die Straftaten der Klägerin zu 1) seien Kleinstdelikte wie Ladendiebstähle. Sie sei acht Monate erwerbstätig gewesen, davon vier Monate in einem Kino und vier Monate bei einem Fischhändler. Sie habe ihre Arbeit unverschuldet wegen der wirtschaftlichen Situation verloren. Sie habe sich auch um ihre Tochter, die Klägerin zu 2), kümmern müssen. Sie habe zeitweise gearbeitet, obwohl ihr dies nach sozialrechtlichen Grundsätzen gar nicht hätte zugemutet werden können. Sie bemühe sich auch weiterhin um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Sie verstehe die deutsche Sprache gut, spreche sie lediglich etwa holprig. Sie sei bemüht, mit der Klägerin zu 2) Deutsch zu sprechen, um deren schulische Entwicklung zu fördern. Die Klägerin zu 2) sei hier geboren und habe ausschließlich in Deutschland gelebt, sie spreche nicht die albanische Sprache. Eine Abschiebung des Kindes sei für dessen Entwicklung katastrophal. Sie sei mit den im Heimatland herrschenden Sitten und Gebräuchen nicht vertraut. Bei einer Abschiebung wäre das Kindeswohl gefährdet, zumal dauerhafte psychische Schäden zu erwarten seien. Darüber hinaus seien schwerste Repressalien durch den Ehemann bzw. Vater zu befürchten. Er habe es der Klägerin zu 1) aus kulturellen und religiösen Gründen sehr übel genommen, dass sie sich von ihm getrennt habe und sie in Deutschland geblieben sei. Er sei äußerst gewalttätig und habe vor Zeugen angekündigt, dass er sie bei einer Rückkehr aufs schwerste misshandeln würde. Er werde die Klägerin zu 2) sofort an sich nehmen. Dies könnten die erwachsene Tochter und der Schwiegersohn bestätigen. Die Staatsgewalt in Albanien sei nicht Willens und nicht in der Lage innerfamiliäre Übergriffe zu verhindern.

10

Mit Bescheid vom 26. Februar 2004 widerrief die Beklagte u.a. die unbefristete Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu 1) und die befristete Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu 2). Sie forderte die Klägerinnen außerdem zur Ausreise binnen drei Monaten auf und drohte anderenfalls die Abschiebung nach Albanien an. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden: Der Widerruf der Aufenthaltserlaubnisse der Klägerinnen stehe im Ermessen. Das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege das private Interesse der Klägerinnen an ihrem Verbleib in der Bundesrepublik. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis sei allein wegen der Rechtsstellung der Klägerin zu 1) als ausländischer Flüchtling erteilt worden. Es sei zwar auch zu berücksichtigen, dass sie seit ihrer Einreise im Jahre 1990 rechtmäßig in Deutschland sei. Sie habe aber den Großteil ihres Lebens in Albanien verbracht. Ihren Lebensunterhalt bestritten die Klägerinnen vollständig aus Sozialhilfemitteln. Auch wenn es der Klägerin zu 1) nach sozialrechtlichen Grundsätzen nicht zuzumuten sei zu arbeiten, sprächen wegen des Sozialhilfebezuges zumindest fiskalische Gründe für eine Beendigung des Aufenthalts. Zudem sei die Klägerin zu 1) während ihres gesamten Aufenthalts kontinuierlich straffällig geworden. Es sei im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass kriminelle Ausländer ausreisen müssten. Die Straftaten seien auch der Hauptgrund für die Einleitung des Widerrufsverfahrens beim Bundesamt gewesen. Das Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 2) sei von vornherein abhängig von dem der Klägerin zu 1) gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2) bisher ausschließlich im Bundesgebiet gelebt. Es sei jedoch bereits im Jahre 2000 ein Widerrufsverfahren betreffend die Flüchtlingseigenschaft der Klägerin zu 1) eingeleitet worden. Die Klägerin zu 1) hätte die Klägerin zu 2) deshalb auf die Rückkehr nach Albanien vorbereiten können. Dass die Klägerin zu 2) der albanischen Sprache nicht mächtig sei, sei wegen der relativ schlechten Deutschkenntnisse der Klägerin zu 1) nicht glaubhaft. Jedenfalls sei es der Klägerin zu 1) möglich, die erforderlichen Sprachkenntnisse zu vermitteln. Die befürchteten Repressalien durch den bereits abgeschobenen Elternteil rechtfertigten einen dauerhaften Verbleib in der Bundesrepublik nicht. Die Klägerinnen könnten sich in Albanien dem Zugriff des (früheren) Ehemannes bzw. Vaters entziehen.

11

Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerinnen ist mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. August 2005 zurückgewiesen worden.

12

Am 12. September 2005 haben die Klägerinnen Klage erhoben. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit er die Klägerin zu 2) betroffen hat.

13

Die Klägerin zu 1) trägt ergänzend vor: Ihre Sprachkenntnisse seien so gut, dass sie sich ihrem Bevollmächtigten ausreichend verständlich machen könne. Sie habe keine Arbeit, weil sie sich sehr intensiv um die Klägerin zu 2) gekümmert habe. Sie habe sich zwischenzeitlich um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bemüht, es sei jedoch für eine Ausländerin sehr schwierig eine Halbtagstätigkeit zu bekommen. Es sei auch nicht möglich, die Klägerin zu 2) auf ein Leben in Albanien vorzubereiten. Die Klägerin zu 2) verbringe den überwiegenden Teil ihres Tages in der Schule und mit gleichaltrigen Freundinnen. Sie sei in das hiesige Leben integriert. Die Vorbereitung auf ein Leben in Albanien würde bei ihr nur auf Unverständnis stoßen. Die Rückkehr würde dauerhafte psychische Schäden hervorrufen. Familiäre Repressalien würden in Albanien mit erheblichem Nachdruck betrieben. Es sei nicht einmal in der Bundesrepublik Deutschland möglich sog. Ehrenmorde zu verhindern. Sie könnten sich daher im Heimatland nicht verstecken.

14

Die Klägerin zu 1) beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2005 aufzuheben, soweit darin ihre unbefristete Aufenthaltserlaubnis widerrufen und die Abschiebung nach Albanien angedroht worden ist.

15

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Sie trägt ergänzend vor: Die Klägerin zu 1) habe seit Januar 2005 keine anrechenbare Erwerbstätigkeit ausgeübt. Eine Halbtagsstelle sei ihr aber zuzumuten. Die Klägerin zu 2) gehe sei einiger Zeit zur Schule. Die Klägerin zu 1) könne sich nur auf einfache Weise in der deutschen Sprache verständlich machen. Sie erscheine beim Sozialamt meistens mit Verwandten, die sie bei den Gesprächen unterstützten. Es sei daher nicht glaubhaft, dass die Tochter die albanische Sprache nicht beherrsche. Jedenfalls habe sie genügend Zeit gehabt, um der Klägerin zu 2) die erforderlichen Sprachkenntnisse zu vermitteln.

17

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

18

Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten in Bezug auf die Klägerin zu 2) den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

19

Im Übrigen, hinsichtlich der Klägerin zu 1), ist die Klage unbegründet. Die Aufhebung ihrer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und die Androhung der Abschiebung sind im Ergebnis rechtmäßig.

20

Rechtliche Grundlage für die Aufhebung der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu 1) sind - wie auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - nicht §§ 103 Satz 2, 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Danach kann ein Aufenthaltstitel widerrufen werden, wenn die Rechtsstellung nach § 1 Abs. 1 HumHAG gem. §§ 2 a oder 2 b HumHAG erlischt oder unwirksam wird. Nach dem Urteil des erkennenden Gerichts vom 10. Dezember 2003 - 5 A 4367/00 - hat die Klägerin zu 1) diese Rechtsstellung jedoch zu keinem Zeitpunkt besessen. Der Widerruf der Rechtsstellung durch den Bescheid des Bundesamtes vom 9. November 2000 ist daher ins Leere gegangen.

21

Eine entsprechende Anwendung der §§ 103 Satz 2, 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG ist ausgeschlossen, da das AufenthG - wie schon der Wortlaut des § 52 ergibt ("nur") - eine abschließende Regelung der Widerrufsgründe enthält und ein Rückgriff auf die allgemeinen Bestimmungen des § 49 VwVfG ausgeschlossen ist (vgl. Schäfer in: GK-AufenthG, Stand: Februar 2007, Rn. 30 zu § 52; Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, Rn. 2 zu § 52).

22

Rechtsgrundlage sind allerdings die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte (§§ 48 Abs. 1 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG). Insoweit enthält das AufenthG keine abschließenden Bestimmungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1995 - 1 C 3.94 - BVerwGE 98, 298 [BVerwG 23.05.1995 - 1 C 3/94]<304> ) . Die Änderung der Rechtsgrundlage ist dabei auch ohne Umdeutung (§§ 47 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG) zulässig, da eine Rücknahme im Ergebnis auf die gleiche Rechtsfolge wie ein Widerruf, nämlich die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, gerichtet ist (vgl. BVerwG a.a.O.). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zudem erklärt, dass sie die Aufhebung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu 1) auch in Anbetracht eines nicht auszuschließenden Anspruchs auf Ausgleich von Vermögensnachteilen (§§ 48 Abs. 3 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG) unter dem Gesichtspunkt einer Rücknahme aufrechterhält.

23

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach §§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG liegen vor, da die Erteilung dieses Aufenthaltstitels von vornherein rechtswidrig war. Es bestand hierauf nach § 1 Abs. 3 HumHAG kein Anspruch, weil - wie bereits ausgeführt - die Klägerin zu 1) tatsächlich kein sog. Kontingentflüchtling gem. § 1 Abs. 1 HumHAG gewesen ist

24

Die gerichtlich nur im Rahmen des § 114 VwGO überprüfbaren Ermessenserwägungen im angefochtenen Bescheid der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Es waren - wie auch geschehen - das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung und die schutzwürdigen privaten Belange der Klägerin zu 1) gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2006 - 1 C 20.05 - NVwZ 2007, 470 [BVerwG 05.09.2006 - 1 C-(3) 20/05]<471>) .

25

Wie die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt haben, ist einleuchtender Hauptgrund für die Aufhebung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gewesen, dass die Klägerin zu 1) während ihres gesamten Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland kontinuierlich - vor allem wegen Diebstahlsdelikten - straffällig geworden ist, so dass sie 12 Mal verurteilt werden musste. Insgesamt sind hierfür Freiheitsstrafen von 16 Monaten verhängt worden. Eine Läuterung der Klägerin zu 1) lässt sich insoweit nicht festzustellen, zumal sie noch Anfang August 2005, während des Laufs des Widerspruchsverfahrens, einen weiteren Diebstahl begangen hat.

26

Zutreffend ist die Beklagte ferner davon ausgegangen, dass die unbefristete Aufenthaltserlaubnis allein aufgrund der Annahme, die Klägerin zu 1) besitze den Kontingentflüchtlingsstatus, erteilt worden ist. Die recht lange Dauer ihres rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik seit Mitte 1990 ist bei der Beurteilung ausreichend in Rechnung gestellt worden. Dem ist mit der zutreffenden Erwägung weniger Gewicht beigemessen worden, dass die Klägerin zu 1) zuvor fast 38 Jahre in Albanien gelebt hat.

27

Die Klägerin zu 1) hat ihren Lebensunterhalt während ihres Aufenthalts vorwiegend durch Sozialhilfemittel bestritten. Es war rechtlich fehlerfrei, dass dieser Gesichtspunkt auch ohne diesbezügliches Verschulden der Klägerin zu 1) berücksichtigt worden ist. Die Beklagte hat insoweit in dem angegriffenen Bescheid ausgeführt, dass dennoch fiskalische Gründe für eine Beendigung des Aufenthalts sprächen und damit dem Sozialhilfebezug bei der Ermessensentscheidung nur geringeres und kein allein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen (vgl. dazu: OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. März 2007 - 10 ME 64/07 -).

28

In Bezug auf die Klägerin zu 2) durfte Berücksichtigung finden, dass ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland stets von dem der Klägerin zu 1) abhängig gewesen ist. Es entspricht zudem der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1. September 2006 - 8 LA 101/06 -), bei der Frage der sich aus einem längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ergebenden Schutzwirkungen eine familienbezogene Gesamtbetrachtung von Eltern und ihren minderjährigen Kindern vorzunehmen.

29

Rechtlich nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung der Beklagten, dass die Klägerinnen bereits seit Einleitung des (überflüssigen) Widerrufsverfahrens durch das Bundesamt im Jahre 2000 mit einer Rückkehr in das Heimatland rechnen mussten und es daher der Klägerin zu 1) seit längerer Zeit möglich ist, die Klägerin zu 2) in sprachlicher und kultureller Hinsicht hierauf vorzubereiten. Dass die Klägerin zu 2) in der Bundesrepublik Deutschland geboren und aufgewachsen ist, durfte unter diesen Umständen geringere Bedeutung beigemessen werden. Für eine dauerhafte psychische Schädigung der Klägerin zu 2) im Falle einer Rückkehr in das Heimatland bestehen keine etwa durch ein ärztliches Attest belegten Anhaltspunkte.

30

Soweit die Klägerin zu 1) geltend machen, sie habe Repressalien durch ihren (früheren) Ehemann zu befürchten, ist dies im vorliegenden Verfahren nicht nachzuprüfen. Die Klägerin zu 1) hat im gerichtlichen Verfahren 5 A 4367/00 (Schriftsatz vom 20. Dezember 2000, Seite 3) u.a. geltend gemacht, dass sie und ihr Ehemann in Albanien unmittelbarer politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen seien. Ihr Ehemann sei wegen politischer Aktivitäten inhaftiert worden. Auch sie selbst sei immer wieder von der politischen Polizei und der Geheimpolizei aufgesucht, geschlagen und mit dem Tode bedroht worden. Diese Äußerung ist als Asylbegehren im Sinne des § 13 AsylVfG anzusehen. Sie hatte daher zur Folge, dass für die Beurteilung aller zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote (hier: § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) zuständig geworden ist (§ 24 Abs. 2 AsylVfG, vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. März 2006 - 1 B 126.05 - InfAuslR 2006, 347 [BVerwG 03.03.2006 - BVerwG 1 B 126.05]).

31

Die Jahresfrist der §§ 48 Abs. 4 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG ist beachtet worden, weil diese erst mit Beendigung des mit Schreiben der Beklagten vom 29. Januar 2004 eingeleiteten Anhörungsverfahrens zu laufen begonnen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - NVwZ 2006, 707 [BVerwG 01.11.2005 - BVerwG 1 C 21/04]<711>

32

Die Androhung der Abschiebung der Klägerin zu 1) findet ihre rechtliche Grundlage in § 59 AufenthG.

33

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Es entsprach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen, weil sie sich zu deren Übernahme bereit erklärt hat.