Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 20.07.2007, Az.: 13 A 3210/05

Alterssicherung; Anschein; Ausbildungsförderung; Bestandsinteresse; Bewilligungszeitraum; Depotinhaber; Ermessen; Fahrlässigkeit; Familienangehöriger; Forderung; Formular; Freibetrag; Freistellungsauftrag; Fremdvergleich; Geldanlage; Gesamtgläubiger; Gleichheitssatz; Großvater; Heilung; Jahresfrist; Kurswert; Laufzeit; Nachrangigkeit; Neubescheidung; Oder-Depot; Rechtsvermutung; Rückforderung; Rücknahme; Rücknahmeinteresse; Rückzahlungsanspruch; Selbstbindung; Sorgfaltspflicht; Sperrvermerk; Treuhand; Vergangenheit; Vermögen; Vertragsdokument; Vertrauensschutz; Verwaltungsakt; Verwaltungspraxis; Verwaltungsvorschrift; Verwirkung; Verzicht; Wertpapier; Wertpapierdepot; Zugriffsmöglichkeit

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
20.07.2007
Aktenzeichen
13 A 3210/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71706
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Der Bescheid des Studentenwerks Oldenburg vom 26. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15. Juli 2005 wird aufgehoben, soweit die darin festgesetzte Rückforderung mehr als 13.725,12 Euro beträgt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 94 % und die Beklagte zu 6 %; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten über die Rücknahme und Rückforderung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

2

Die Klägerin beantragte am 18. Oktober 1999 beim Studentenwerk ... Ausbildungsförderung für ein Lehramtsstudium der Fächer Deutsch und Physik, das sie zum Wintersemester 1999/2000 bei der Beklagten aufnahm. In dem Antragsformular gab sie ein Vermögen in Höhe von 3.550,63 DM an. Mit Bescheid vom 8. Dezember 1999 bewilligte das Studentenwerk ..., das im Auftrage der Beklagten handelte, der Klägerin Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 1999 bis September 2000 in Höhe von monatlich 1.030,00 DM.

3

Am 27. Juli 2000 beantragte die Klägerin Ausbildungsförderung für den Folgezeitraum, nach einem Fachrichtungswechsel nunmehr für ein Lehramtsstudium der Fächer Deutsch und Biologie. In dem Antragsformular gab die Klägerin ein Vermögen in Höhe von 42,75 DM an. Durch Bescheid vom 17. August 2000 stellte das Studentenwerk ... fest, dass die Ausbildung der Klägerin nach dem Fachrichtungswechsel dem Grunde nach weiterhin förderungsfähig sei. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2000 bewilligte es der Klägerin für den Zeitraum Oktober 2000 bis September 2001 Ausbildungsförderung in Höhe von 1.030,00 DM monatlich. Durch Bescheid vom 5. Juni 2001 erhöhte das Studentenwerk die Ausbildungsförderung für den Zeitraum April 2001 bis September 2001 auf monatlich 1.135,00 DM.

4

Am 20. August 2001 beantragte die Klägerin Ausbildungsförderung für den Folgezeitraum. In dem Antragsformular gab sie ein Vermögen in Höhe von -52,38 DM an. Durch Bescheid vom 28. Januar 2002 bewilligte das Studentenwerk ... ihr Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 2001 bis September 2002 in Höhe von monatlich 1.135,00 DM.

5

Durch Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen wurde dem Studentenwerk ... im Januar 2002 bekannt, dass die Klägerin im Jahr 2000 bei drei Kreditinstituten Freistellungsaufträge für Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 1.515,00 Euro in Anspruch genommen hatte. Mit Schreiben vom 27. Mai 2002 forderte das Studentenwerk die Klägerin auf, ihre Vermögensverhältnisse durch Vorlage geeigneter Unterlagen offenzulegen. Daraufhin reichte die Klägerin Belege über die Vermögensstände der folgenden vier Geldanlagen in den Bewilligungszeiträumen Oktober 2000 bis September 2001 sowie Oktober 2001 bis September 2002 ein:

6

a) Deutsche Bank, Wertpapierdepot Investa (Depot-Nr. ...);

7

b) Sparkasse Bremen, Bundesschatzbriefe (Depot-Nr. ...);

8

c) Sparkasse Bremen, Sparbuch Nr. ...;

9

d) Sparkasse Bremen, Wertpapierdepot DeKa rent international (Depot-Nr. ...).

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In dem Begleitschreiben der Klägerin hieß es:

11

„b) - d) entstammen nicht dem von mir Gespartem, sondern sind von meinem Opa/Großvater angelegt. Sie sind so etwas wie das Erbe vor seinem Tod. Von ihrem Vorhandensein (besonders d) erfuhr ich erst vor Kurzem (siehe Adresse dieser Bescheinigung). Trotzdem war mein Antrag auf BAföG nicht gerechtfertigt.“

12

Weiterhin war dem Schreiben der Klägerin folgende von ihrem Großvater, ... ..., unterschriebene Erklärung beigefügt:

13

„Hiermit erkläre ich, ... ..., dass meine Enkelin ... ... über das Depot, was ich für sie anlegte, nichts gewusst hat. Ferner bin ich gleichberechtigt Depotinhaber und gedenke dies als meine Altersabsicherung zu betrachten, falls ich finanzielle Reserven benötige. Ich habe es als Vorerbe angelegt, mit der Möglichkeit jederzeit voll Zugriff auf dieses Depot von der Sparkasse Bremen (Anlageform: DeKa rent international) zu haben.“

14

Dem Schreiben lag weiterhin eine Ablichtung des von den Eltern der Klägerin unterschriebenen Depoteröffnungsantrages vom 21. März 1990 bei, in dem die Klägerin als erste Depotinhaberin sowie der Großvater der Klägerin als zweiter Depotinhaber eingetragen waren. Außerdem enthielt das Schreiben der Klägerin den Hinweis, dass von den 23,497 Anteilen der Geldanlage zu a) bis zum 31. Dezember 2002 21,9617 Anteile gesperrt seien.

15

Im 4. November 2002 bat das Studentenwerk ... die Klägerin, ausführlich zu erklären, wann und wie sie von dem Depot, das ihr Großvater für sie angelegt habe, erfahren habe; außerdem sollte sie Kopien der für dieses Depot unterzeichneten Freistellungsaufträge für Kapitalerträge sowie Nachweise über ihr Vermögen im Zeitraum Oktober 1999 bis September 2000 vorlegen. Daraufhin reichte die Klägerin einen von ihr am 8. November 1992 unterschriebenen Freistellungsauftrag für das bei der Sparkasse Bremen geführte Depot Nr. ... ein. In ihrem Begleitschreiben erklärte sie, dass sie sich nicht mehr erinnern könne, diesen Freistellungsauftrag unterschrieben zu haben. Sie habe die Unterschriften vor zehn Jahren beiläufig und ohne Bewusstsein über deren rechtliche Bedeutung geleistet. Einen weiteren Freistellungsauftrag habe sie nicht unterzeichnet. Bis jetzt sei das Depot auch ausschließlich von ihrem Großvater verwaltet worden. Deshalb habe sie zum Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung nicht mehr an die sieben Jahre zuvor geleistete Unterschrift gedacht. Das von ihrem Großvater angelegte Wertpapierdepot habe zudem dessen Altersicherung gedient und sie - die Klägerin - sei daher erst nach dessen Tod Begünstigte des Vermögens.

16

Weiterhin war dem Schreiben der Klägerin folgende von ihrem Großvater unterzeichnete Erklärung beigefügt:

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„Hiermit möchte ich folgenden Besitzanspruch auf das Wertpapierdepot der Sparkasse Bremen, DeKa rent international, Nr.: ... klären. Dieses Depot wurde von mir eingerichtet und alle Einzahlungen von mir geleistet. Es dient für mich ausschließlich der Alterssicherung und fällt erst im Todesfall meiner Person an die oben angeführte BAföG-Empfängerin, also meine Enkelin ... ... . Diese ist erst im Todesfall meiner Person Begünstigte.“

18

In einem Gespräch mit der zuständigen Mitarbeiterin des Studentenwerks ... im März 2003 wiederholte die Klägerin sinngemäß noch einmal ihr bisheriges Vorbringen zu dem Wertpapierdepot bei der Sparkasse Bremen. Sie - die Klägerin - habe sich nun jedoch kundig gemacht und gehe nunmehr davon aus, dass sie über das Depot in voller Höhe hätte verfügen können. Sie wolle von diesem Recht jedoch keinen Gebrauch machen, weil sie sich an die Absprache mit ihrem Großvater gebunden fühle.

19

Im Februar 2004 wies das Studentenwerk ... die Klägerin nochmals darauf hin, dass bisher keine Nachweise über ihre Depotguthaben zum 31. Dezember 1998 vorlägen. Zudem wurde die Klägerin nochmals aufgefordert, darzulegen, wann genau sie von der Existenz des Depots ihres Großvaters erfahren habe und eine Bestätigung der Sparkasse Bremen einzuholen, dass sie nach dem 1. Januar 2000 keinen neuen Freistellungsauftrag für das Depot unterschrieben habe. Daraufhin reichte die Klägerin Belege über ihre Wertpapierguthaben zum Stichtag 31. Dezember 1998 ein. Weiterhin erklärte sie nochmals, dass sie von dem von ihrem Großvater angelegten Depot erst durch Rücksprache mit ihrer Familie nach dem Anschreiben des Studentenwerks im Mai 2002 erfahren habe. Einen weiteren Freistellungsauftrag habe sie für dieses Depot nicht unterzeichnet.

20

Mit Schreiben vom 31. August 2004 teilt das Studentenwerk ... der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, die Bewilligungsbescheide vom 8. Dezember 1999, 30. Oktober 2000 und vom 5. Juni 2001 gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen und räumte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme ein.

21

Durch Bescheid vom 26. November 2004 hob das Studentenwerk ... im Auftrage der Beklagten die Bewilligungsbescheide vom 8. Dezember 1999, 30. Oktober 2000 und 28. Januar 2002 für die Bewilligungszeiträume Oktober 1999 bis September 2000, Oktober 2000 bis September 2001 und Oktober 2001 bis September 2002 und ggf. ergangene Änderungsbescheide auf und forderte von der Klägerin Ausbildungsförderung in Höhe von 14.576,11 Euro zurück. Zur Begründung hieß es in dem Bescheid: Da die Klägerin Inhaberin des Wertpapierdepots bei der Sparkasse Bremen gewesen sei, müsse ihr auch diese Geldanlage als eigenes Vermögen zugerechnet werden. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne sie sich nicht berufen, da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorlägen. Die Bewilligungsbescheide würden auf Vermögensangaben beruhen, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig erteilt habe. Die Erklärung ihres Großvaters, dass er das Depot aus Gründen der Alterssicherung angelegt habe, erscheine unglaubwürdig; es liege eher eine Schenkung vor. Da die Klägerin selbst den Freistellungsauftrag unterschrieben habe, sei ihr auch bekannt gewesen, dass ihr Großvater auf ihren Namen Vermögen angelegt habe. Sie hätte sich daher vor ihren ersten Anträgen auf Ausbildungsförderung darum bemühen müssen, die Höhe des auf ihren Namen angelegten Vermögens zu erkunden. Im Übrigen habe die Klägerin auch die Höhe ihres weiteren Vermögens nicht ordnungsgemäß angegeben und insoweit sogar vorsätzlich gehandelt. Auch die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei gewahrt. Die Frist sei erst in Gang gesetzt worden, nachdem die Klägerin Ende Februar 2004 die erforderlichen Nachweise über den Wert ihrer Geldanlagen im ersten Bewilligungszeitraum vorgelegt habe. Bezüglich der Bescheidrücknahme für die Vergangenheit sei eine Interessenabwägung vorzunehmen. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der Bescheide übersteige das Bestandsinteresse der Klägerin, da sie Leistungen durch falsche Angaben erlangt habe, derer sie nicht bedurft hätte. Ein überwiegendes öffentlichen Interesses an der Rücknahme folge insbesondere aus dem Vorsatz bzw. der groben Fahrlässigkeit, mit der die Klägerin falsche Angaben zu ihrem Vermögen gemacht habe.

22

Am 7. Dezember 2004 legte die Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und begründete diesen wie folgt: Der Bescheid vom 26. November 2004 sei rechtswidrig, weil die Jahresfrist aus § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bei Erlass des Bescheides bereits abgelaufen sei. Dem Studentenwerk seien spätestens Ende November 2002 sämtliche entscheidungsrelevanten Tatsachen bekannt gewesen. Zudem könne ihr - der Klägerin - nicht vorgeworfen werden, das von ihrem Großvater angelegte Depot grob fahrlässig verschwiegen zu haben, da sie zum Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung keine Erinnerung mehr an ihre Unterzeichnung des Freistellungsauftrages gehabt habe.

23

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die zur Begründung angeführten Erwägungen entsprachen im Wesentlichen denjenigen des Ausgangsbescheides.

24

Die Klägerin hat am 3. August 2005 Klage erhoben. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor: Die Rücknahmefrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei bei Erlass des Rücknahmebescheides selbst dann abgelaufen gewesen, wenn sie mit ihrem Schreiben an das Studentenwerk vom 25. November 2002 und den beigefügten Unterlagen noch nicht in Gang gesetzt worden sei. Spätestens in dem Gespräch im März 2003 hätte das Studentenwerk den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig aufklären können. In dieser Besprechung seien aber lediglich Fragen der Freistellungsaufträge und der Verfügungsgewalt über das Depotguthaben erörtert worden. Sie sei bei der Einladung zu diesem Gespräch auch nicht aufgefordert worden, noch fehlende Nachweise über ihr Wertpapierguthaben beizubringen. Es könne deshalb nicht zu ihren Lasten gehen, dass das Studentenwerk nach diesem Gespräch fast ein weiteres Jahr benötigt habe, um weitere Unterlagen anzufordern. Im Übrigen sei die Behauptung, dass sie - die Klägerin - zum Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung die Unterzeichnung des Freistellungsauftrages vollständig vergessen hatte, nachvollziehbar und glaubhaft. Sie habe dem Freistellungsauftrag bei dessen Unterzeichnung wegen ihres jugendlichen Alters keinerlei Bedeutung beigemessen, zumal es sich um Vermögen ihres Großvaters gehandelt habe und die Unterschrift für sie daher lediglich eine Formalie gewesen sei.

25

Die Klägerin beantragt,

26

den Bescheid des Studentenwerks ... vom 26. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15. Juli 2005 aufzuheben

27

sowie

28

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

29

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

31

Sie verteidigt ihren Rücknahme- und Rückforderungsbescheid wie folgt: Das Depot bei der Sparkasse Bremen sei der Klägerin in vollem Umfang als eigenes Vermögen zuzurechnen. Es handele sich insoweit um eine verdeckte Treuhand, die ausbildungsförderungsrechtlich stets als Vermögen des Treuhänders zu werten sei. Unbeachtlich sei, dass der Großvater der Klägerin als zweiter Depotinhaber eingetragen war, da die Kontoauszüge stets an die Klägerin adressiert worden seien. Im Übrigen sei der im Verwaltungsverfahren erfolgte Vortrag der Klägerin zur Vermögenszuordnung widersprüchlich. Zunächst sei sie davon ausgegangen, dass ihrem Großvater nur die Hälfte des Depots zustehe. In seiner ersten schriftlichen Erklärung habe der Großvater die Anlage sodann als Vorerbe beschrieben, die seiner Alterssicherung diene. Nach seiner zweiten Erklärung sollte es sich dagegen um eine Schenkung auf den Todesfall handeln. Die Klägerin habe in ihren Anträgen auf Ausbildungsförderung auch grob fahrlässig falsche Angaben zu ihrem Vermögen gemacht. Ihre Behauptung, dass sie die Unterzeichnung der Freistellungsaufträge vollständig vergessen habe, sei nicht glaubhaft. Im Erörterungstermin am 27. Juni 2006 habe sie sich an diesen Vorgang wieder relativ genau erinnern können. Zudem müsse sie mit der Sparkasse Bremen auch nach der Unterzeichnung des Freistellungsauftrags weiteren Schriftverkehr zu dem von ihrem Großvater eingereichten Depot geführt haben. Außerdem sei nicht glaubhaft, dass über das Wertpapierdepot seit der Volljährigkeit der Klägerin in deren Familie nicht mehr gesprochen worden sei. Weiterhin habe die Klägerin in ihrer Ausbildungszeit noch weitere Freistellungsaufträge unterzeichnet. Es sei daher davon auszugehen, dass sie sich dabei jeweils darüber informiert habe, welche Freistellungsaufträge sie bereits anderen Geldinstituten erteilt habe. Auch die Jahresfrist aus § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei nicht abgelaufen. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren zunächst nur Unterlagen zu ihrem Vermögen bezüglich der Stichtage für den zweiten und dritten Bewilligungszeitraum vorgelegt. Eine Berechnung der Rückforderung sei daher erst möglich gewesen, nachdem die Klägerin im Februar 2004 auch Unterlagen zu ihrem Vermögen im ersten Bewilligungszeitraum vorgelegt habe.

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Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat den Bescheid vom 26. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2005 im Erörterungstermin am 8. Juni 2007 aufgehoben, soweit die darin festgesetzte Rückforderung mehr als 14.013,48 Euro beträgt. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

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Im Übrigen hat die zulässige Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden durfte (§ 101 Abs. 2 VwGO), in der Sache nur in dem tenorierten Umfang Erfolg. Der Bescheid des Studentenwerks ... vom 26. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15. Juli 2005 ist - soweit nach den Erledigungserklärungen noch Gegenstand des Verfahrens sind - nur insoweit rechtwidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten, soweit die darin festgesetzte Rückforderung mehr als 13.725,12 Euro beträgt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Zwar hat das Studentenwerk ... gegen § 24 Abs. 1 SGB X verstoßen, weil sich das Anhörungsschreiben vom 31. August 2004 nur auf die Bewilligungszeiträume Oktober 1999 bis September 2000 sowie Oktober 2000 bis September 2001 und die für diese Zeiträume ergangenen Leistungsbescheide vom 8. Dezember 1999, 30. Oktober 2000 und 5. Juni 2001 bezieht. Die Klägerin wurde somit vor Erlass des belastenden Bescheides vom 26. November 2004 nicht zur Rücknahme der durch den Bescheid vom 28. Oktober 2001 gewährten Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 2001 bis September 2002 angehört. Dieser Rechtsfehler ist jedoch mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X).

37

Der angegriffene Bescheid ist zum überwiegenden Teil auch materiell rechtmäßig.

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Die Rücknahme der Leistungsbescheide, mit denen der Klägerin Ausbildungsförderung gewährt worden ist, beruht auf § 45 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, soweit er rechtswidrig ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).

39

Die aufgehobenen Leistungsbescheide des Studentenwerks ... vom 8. Dezember 1999, 30. Oktober 2000, 5. Juni 2001 und 28. Oktober 2001 sind überzeugend rechtswidrig.

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Gemäß § 1 BAföG besteht ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nur dann, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Ausbildungsförderung wird nach § 11 Abs. 1 BAföG für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. Gemäß § 11 Abs. 2 BAföG ist auf diesen Bedarf das Vermögen des Auszubildenden anzurechnen, zu dem nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG auch Forderungen zählen. Der Wert einer Forderung ist nach § 28 Abs. 1 BAföG in der für Bewilligungszeiträume, die vor dem 31. März 2005 beginnen, maßgeblichen Fassung nach dem Wert im Zeitpunkt der Antragstellung, bei Wertpapieren jedoch nach dem Kurswert am 31. Dezember des Jahres vor Antragstellung zu bestimmen (vgl. Art. 1 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 2 des 21. Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 2. Dezember 2004, BGBl. I, S. 3127). Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG sind von dem so ermittelten Betrag des Vermögens die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen. Vom Vermögen bleiben außerdem die in § 29 Abs. 1 BAföG aufgeführten Freibeträge anrechnungsfrei. Nach § 30 BAföG ist auf den monatlichen Bedarf des Auszubildenden der Betrag anzurechnen, der sich ergibt, wenn der Betrag des anzurechnenden Vermögens durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird.

41

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17. Januar 1991 - 5 C 71/86 -, BVerwGE 87, 284) konkretisieren die §§ 27 ff. BAföG den Grundsatz der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung, der in § 1 BAföG zum Ausdruck kommt. Diesen Rechtsvorschriften ist die Wertung zu entnehmen, dass Aufwendungen für eine Ausbildung, die auf die Vermittlung einer beruflichen Qualifikation hinzielt, die maßgebliche Investition des Auszubildenden für die Schaffung seiner künftigen Lebensgrundlage darstellen und es deshalb einem Auszubildenden im Regelfall zuzumuten ist, vorhandenes Vermögen für diesen Zweck einzusetzen. Angesichts der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung können vertragliche Bindungen und Beschränkungen, die eine objektive Zugriffsmöglichkeit unberührt lassen, die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung nicht rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2000 - 5 B 182/99 -, juris). Entscheidend ist allein, ob und inwieweit bestimmtes Vermögen überhaupt dem ausbildungsbedingten Verwertungszugriff des Auszubildenden unterliegt. Nur soweit ein Zugriff auf das Vermögen aus rechtlichen Gründen ganz oder teilweise ausscheidet, ist es gerechtfertigt, die betreffenden Gegenstände aus dem anzurechnenden Vermögen auszuklammern (BVerwG, a.a.O.).

42

Unstreitig zählten zum Vermögen der Klägerin in den hier maßgeblichen Zeiträumen das Wertpapierdepot bei der Deutschen Bank (Nr. ...), die Bundesschatzbriefe bei der Sparkasse Bremen (Depot-Nr. ...) sowie das Sparbuch Nr. ... bei der Sparkasse Bremen. Bezüglich der Bundesschatzbriefe und dem Sparbuch hatte die Klägerin im Verwaltungsverfahren zunächst zwar angegeben, dass es sich um Geldanlagen ihres Großvaters handele, von denen sie erst kürzlich erfahren habe. Im Erörterungstermin am 8. Juni 2007 hat sie jedoch erklärt, dass diese Behauptungen unzutreffend waren. Sie habe zum Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung beide Geldanlagen schon seit Jahren auf eigenen Namen und eigene Rechnung selbst verwaltet.

43

An der grundsätzlichen Zurechnung des Wertpapierdepots bei der Deutschen Bank ändert sich auch dadurch nichts, dass die Anteile an diesem Depot überwiegend bis zum 31. Dezember 2002 gesperrt waren. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass ein rechtsgeschäftlicher Sperrvermerk die objektive Zugriffsmöglichkeit des Inhabers eines Sparkontos auf sein Vermögen unberührt lässt und daher ausbildungsförderungsrechtlich irrelevant ist (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2000, a.a.O.). Außerdem ist der Kammer aus anderen Verfahren bekannt, dass die Banken aus Kulanz auch Geldanlagen mit festen Laufzeiten vorzeitig auflösen, soweit der Forderungsinhaber aus Gründen einer akuten Bedürfnislage - wie etwa der Aufgabe einer Berufstätigkeit und der gleichzeitigen Aufnahme eines Hochschulstudiums - darauf dringt.

44

Allerdings hätte die Beklagte bei der Berechnung der Rückforderung 10 % des Kurswertes des bei der Deutschen Bank geführten Wertpapierdepots als Schulden und Lasten gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG vom Vermögen der Klägerin absetzen müssen. Gemäß Tz 28.3.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföGVwV 2001) vom 15. Oktober 1991 (GMBl., S. 770) sind bei prämienbegünstigten Sparverträgen und/oder Bausparverträgen, die dem Vermögen des Auszubildenden zugerechnet werden, pauschal 10 vom Hundert des Guthabens abzuziehen, soweit die Festlegungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die BAföGVwV entfaltet als Verwaltungsvorschrift zwar keine unmittelbaren Rechtswirkungen zwischen der Klägerin und der Beklagten. Als Ausdruck einer ständigen Verwaltungspraxis führt sie jedoch zu einer aus dem allgemeinem Gleichheitssatz folgenden Selbstbindung der Verwaltung und der daraus folgenden Verpflichtung, die Verwaltungsvorschrift pflichtgemäß anzuwenden (BVerwG, Urteil vom 19. März 1996 - 1 C 34.93 -, BVerwGE 100, 335, 339 f. m.w.N.).

45

Gemäß den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Depotsauszügen handelt es sich bei dem Wertpapierdepot Investa bei der Deutschen Bank um eine Geldanlage, auf die vermögenswirksame Leistungen im Rahmen der früheren Berufstätigkeit der Klägerin eingezahlt worden sind und deren Anteile überwiegend bis zum 31. Dezember 2002 gesperrt waren. Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin dieses Vermögen zum Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung nicht hätte verwerten können, ohne dass Verbindlichkeiten für die vorzeitige Auflösung - wie etwa die Rückzahlung vom Prämien und Zinsen oder Auflösungsgebühren - fällig geworden wären.

46

Dem Vermögen der Klägerin ist auch das Depot Nr. ... bei der Sparkasse Bremen in vollem Umfang zuzurechnen, da sie auf den gesamten Depotinhalt objektiv zugreifen konnte. Das Wertpapierdepot wurde 1990 auf Namen und Rechnung der damals minderjährigen Klägerin eröffnet und der Depoteröffnungsantrag von ihren Eltern als gesetzlichen Vertretern unterschrieben. Die Klägerin ist daher nach der zivilrechtlichen Rechtslage gegenüber der Bank Forderungsinhaberin geworden.

47

Unerheblich ist für die Vermögenszurechnung nach § 27 BAföG, dass der Großvater der Klägerin auf dem Depoteröffnungsantrag als zweiter Depotinhaber eingetragen wurde und im Verwaltungsverfahren erklärt hat, dass er das Depot als Alterssicherung betrachte, auf das die Klägerin erst nach seinem Tod zugreifen könne. In dem Depoteröffnungsantrag von 1990 heißt es in der Rubrik „Verfügungsberechtigungen“: „Über das Depot verfügen die Depot-Inhaber einzeln/gemeinschaftlich“, wobei das Wort „gemeinschaftlich“ handschriftlich durchgestrichen ist. Daher waren sowohl die Klägerin als auch ihr Großvater unabhängig voneinander berechtigt, über den Gesamtbestand des Depots zu verfügen. Das Wertpapierdepot entsprach damit in seiner vertragsrechtlichen Ausgestaltung einem sogenannten „Oder-Depot“. Bei einem „Oder-Depot“ besteht eine vertraglich vereinbarte Gesamtgläubigerschaft (vgl. zu „Oder-Konten“ Grüneberg in: Palandt, BGB-Kommentar, 65. Aufl. 2006, § 428 Rdnr. 3 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Diese Gesamtgläubigerschaft führt dazu, dass die Bank als Schuldner an jeden fordernden Gläubiger leisten muss (§ 428 BGB). Daher war die Klägerin im Außenverhältnis zur depotführenden Bank rechtlich befugt, auf den gesamten Depotinhalt zuzugreifen. Dass ihrem Großvater als zweiten Depotinhaber die gleiche Befugnis aus § 428 BGB zustand, ändert an der Vermögenszurechnung nichts, da die objektive Zugriffsmöglichkeit der Klägerin dadurch nicht eingeschränkt wurde.

48

Die Stellung des Großvaters als zweiter Depotinhaber führt auch nicht dazu, dass die Verfügungsbefugnis der Klägerin über das Wertpapierdepot im Innenverhältnis mit einem Rückzahlungsanspruch des Großvaters belastet war. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG sind Schulden und Lasten zwar vom Vermögen des Auszubildenden abzusetzen. Ein ausbildungsförderungsrechtlich relevanter Rückzahlungsanspruch besteht hier jedoch nicht.

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Zwar sind Gesamtgläubiger nach der Rechtsvermutung des § 430 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Vermutung für eine Berechtigung nach gleichen Anteilen im Innenverhältnis bei einem „Oder-Depot“ - anders als bei einem „Oder-Konto“ aber nur schwach ausgeprägt. Die Vermutung kommt nicht zu Zuge, wenn sich aus dem Parteiwillen etwas anderes ergibt oder wenn sie der Sachlage nicht gerecht wird (BGH, Urteil vom 25. Februar 1997 - IX ZR 321/95 -, NJW 1997, 1434). Im Übrigen folgt der Begriff der abzugsfähigen Schuld in § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG nur im Grundsatz, jedoch nicht ausnahmslos der zivilrechtlichen Rechtslage. Jedenfalls dann, wenn der Rückzahlungsanspruch die gesetzlich gewollte Subsidiarität staatlicher Ausbildungsförderung untergräbt, kann eine ausbildungsförderungsrechtlich relevante Schuld nicht anerkannt werden. Das gilt etwa für den Rückzahlungsanspruch eines Dritten, für den der Auszubildende Vermögen in verdeckter Treuhand verwaltet, soweit er diesen Umstand in seinem Antrag auf Ausbildungsförderung nicht offen gelegt hat (VG Oldenburg, Urteil vom 27. April 2007 - 13 A 1100/05 -, juris; BayVGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - 12 B 05.3317 -, juris; Beschluss vom 28. Februar 2007 - 12 ZB 06.2581 -; VG Augsburg, Urteil vom 7. Februar 2006 - Au 3 K 05.00813 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 23. Februar 2005 - 10 K 1096/04 -, juris). Außerdem müssen zivilrechtliche Vereinbarungen unter Familienangehörigen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls klar und eindeutig von verschleierten Schenkungen oder Unterhaltsgewährungen abgrenzbar sein. Das setzt voraus, dass eine rechtliche Verpflichtung zur Begleichung der Forderung besteht und der Schuldner ernsthaft mit der Geltendmachung der Forderung durch den Gläubiger rechnen muss (s. zu Darlehensgewährungen unter Familienangehörigen VG Oldenburg, Urteil vom 26. Januar 2007 - 13 A 4168/05 -; OVG Saarlouis, Urteil vom 24. April 2006 - 3 Q 60/05 -, juris; VG Bremen, Urteil vom 25. Mai 2005 - 1 K 1477/03 -, juris; VG Weimar, Urteil vom 23. Februar 2006 - 5 K 234/05.We -, juris).

50

Bei Anwendung dieses Maßstabs besteht hier keine abzugsfähige Schuld, da zwischen der Klägerin und ihrem Großvater keine Vereinbarungen ersichtlich sind, die in hinreichender Weise von einer verschleierten Schenkung abgrenzbar sind. Nach einem Teil der Verwaltungsrechtsprechung begründen Vereinbarungen unter Familienangehörigen nur dann eine abzugsfähige Schuld, wenn sie den zum Steuerrecht entwickelten Kriterien des sogenannten „Fremdvergleichs“ standhalten, also insbesondere in einem schriftlichen Vertragsdokument festgehalten worden sind (VG Aachen, Urteil vom 5. Juli 2005 - 5 K 3571/04 -, juris; VG Göttingen, Urteil vom 22. Juli 2006 - 2 A 51/05 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 23. März 2005 - 10 K 4181/03 -, juris). An einer schriftlichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Großvater fehlt es hier. Auch eine mündlich vereinbarte Rückzahlungsvereinbarung ist nach dem Vorbringen der Klägerin nicht ersichtlich. Die Klägerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren vorgetragen, dass zwischen ihr bzw. ihren Eltern als gesetzlichen Vertretern und ihrem Großvater bei oder nach der Einrichtung des Depots klare mündliche Verabredungen über die Verwendung der Geldanlage getroffen worden sind.

51

Nichts anderes ergibt sich aus den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten zwei schriftlichen Erklärungen ihres Großvaters. Zunächst widersprechen sich diese beiden Erklärungen gegenseitig, da sich der Großvater der Klägerin in der ersten als gleichberechtigten Depot(mit)inhaber bezeichnet, in der zweiten dagegen als alleinigen Inhaber. Die letztere Aussage steht zudem im Widerspruch zu den rechtlich fixierten Vereinbarungen mit der depotführenden Bank, nach denen die Klägerin erste Depotinhaberin war. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass beide Erklärungen, die der Großvater ... ... unterzeichnet hat, von der Klägerin formuliert worden sind. Bei der ersten Erklärung vom 22. Juli 2002 ist dies ohne weiteres ersichtlich, weil sie von der Klägerin handschriftlich verfasst worden ist. Hinsichtlich der zweiten Erklärung hat die Klägerin auf Befragen des Berichterstatters im Erörterungstermin am 8. Juni 2007 angegeben, dass sie auch diese verfasst und ihrem Großvater zur Unterschrift vorgelegt habe. Das Schreiben sei auf ihr Betreiben zustande gekommen. Sie habe eine Erklärung ihres Großvaters haben wollen, die hinreichende Klarheit schaffe, dass das Depot erst nach seinem Tod an sie fallen werde. Ihr Großvater sei auch bereit gewesen, ihr das - wie von ihr gewünscht - zu unterschreiben. Aufgrund dieser Umstände erscheint es naheliegend, dass der Großvater die von der Klägerin verfassten Erklärungen in erster Linie deshalb unterschrieben hat, um ihr in der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Studentenwerk behilflich zu sein und tatsächlich nicht vorhatte, das Depot als Alterssicherung für sich zu verwenden.

52

Dafür sprechen auch die weiteren Umstände. So hat der Großvater nach Auskunft der Klägerin für alle Enkelkinder in vergleichbarer Höhe Wertpapierdepots angelegt. Zudem hat er der Klägerin nach deren Auskunft im Jahr 2002 - nachdem das Studentenwerk begonnen hatte, die Vermögensverhältnisse der Klägerin aufzuklären - die Unterlagen zu dem Depot zur eigenen Verwaltung überreicht, und damit zum Ausdruck gebracht, dass er selbst nicht beabsichtige, das Vermögen oder Teile desselben für sich zu verwenden. Sie - die Klägerin - habe den Depotinhalt dann in den Folgejahren für sich verbraucht, ohne darüber mit ihrem erst Ende 2006 verstorbenen Großvater noch einmal Rücksprache zu halten. Dies sei aus ihrer Sicht nicht erforderlich gewesen, da ihr Großvater in finanziell gesicherten Verhältnissen gelebt habe und daher auf das Depotvermögen nicht angewiesen gewesen sei. Aufgrund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Depot(mit)inhaberschaft des Großvaters nur der Vermögensverwaltung diente und nicht den Zweck hatte, ihm eine Verwertung des Vermögens zu ermöglichen.

53

Demnach verfügte die Klägerin im ersten Bewilligungszeitraum von Oktober 1999 bis September 2000 über ein Vermögen in Höhe von 28.261,01 DM. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Kurswert des Sparkassen-Depots am 31. Dezember 1998 in Höhe von 17.783,07 DM, dem Kurswert des bei der Deutschen Bank geführten Wertpapierdepots am 31. Dezember 1998 in Höhe von 3.441,22 DM abzüglich 10 % des Kurswertes (344,12 DM), dem Kurswert der bei der Sparkasse Bremen angelegten Bundesschatzbriefe am 31. Dezember 1998 in Höhe von 7.000,- DM sowie dem Guthaben auf dem Sparbuch bei der Sparkasse Bremen am 18. Oktober 1999 (Datum des Antrags auf Ausbildungsförderung) in Höhe von 380,84 DM. Setzt man den Freibetrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG in der damals geltenden Fassung (vgl. die Neubekanntmachung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 6. Juni 1983, BGBl. I, S. 645) in Höhe von 6.000,- DM ab, verbleibt ein anrechenbares Vermögen in Höhe von 22.261,01 DM, was in dem zwölfmonatigen Bewilligungszeitraum einem monatlich anrechenbaren Vermögen in Höhe von 1.855,08 DM entspricht. Dieser Betrag übersteigt die im ersten Bewilligungszeitraum geleistete Ausbildungsförderung von monatlich 1.030,- DM. Die Klägerin hat somit im ersten Bewilligungszeitraum 12.360,- DM (1.030 DM x 12) zu Unrecht erhalten, was 6.319,57 € entspricht.

54

Im zweiten Bewilligungszeitraum von Oktober 2000 bis September 2001 verfügte die Klägerin insgesamt über ein Vermögen von 32.871,23 DM. Diese Summe setzt sich zusammen aus dem Kurswert des Sparkassen-Depots am 31. Dezember 1999 in Höhe von 20.702,32 DM dem Kurswert des bei der Deutschen Bank geführten Depots am 31. Dezember 1999 in Höhe von 5.740,48 DM abzüglich 10 % des Kurswertes (574,05 DM), dem Kurswert der bei der Sparkasse angelegten Bundesschatzbriefe am 31. Dezember 1999 in Höhe von 7.000,00 DM sowie dem Guthaben auf dem Sparbuch bei der Sparkasse Bremen am 27. Juli 2000 (Datum des Antrags auf Ausbildungsförderung) in Höhe von 2,48 DM. Von diesem Vermögen ist die für den ersten Bewilligungszeitraum zu Unrecht gezahlte Ausbildungsförderung abzusetzen, weil die Klägerin bei rechtmäßigem Verhalten Vermögen in dieser Höhe verbraucht hätte, anstatt Ausbildungsförderung in Anspruch zu nehmen. Somit verbleibt ein Vermögen von 21.511,23 DM.

55

Für die weitere Berechnung des anrechenbaren Vermögens muss zwischen den ersten sechs Monaten und den zweiten sechs Monaten des zweiten Bewilligungszeitraums differenziert werden. Die Ausbildungsförderung für die ersten sechs Monate des Bewilligungszeitraums gewährte die Beklagte durch den Bescheid vom 30. Oktober 2000, die Ausbildungsförderung für die zweite Hälfte des Bewilligungszeitraums durch den Bescheid vom 5. Juni 2001. Durch Artikel 1 Nr. 23, Art. 14 Abs. 1 des Ausbildungsförderungsreformgesetzes vom 19. März 2001 (BGBl. I, S. 390) erhöhte sich der Freibetrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG zum 1. April 2001 von 6.000,00 DM auf 10.000,00 DM. Da Artikel 14 Abs. 1 des Ausbildungsförderungsreformgesetzes anders als Abs. 2 und Abs. 3 der Vorschrift keine Übergangsregelung für bereits begonnene Bewilligungszeiträume enthält, gilt der erhöhte Freibetrag somit auch für nach dem 1. April 2001 ergangene Entscheidungen über Bewilligungszeiträume, die bereits vor dem 1. April 2001 begonnen haben.

56

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 30. Oktober 2001 hatte das Studentenwerk Oldenburg noch den alten Freibetrag in Höhe von 6.000,00 DM zugrunde zu legen. Somit ergab sich ein anrechenbares Vermögen in Höhe von 14.511,23 DM, was in einem zwölfmonatigen Bewilligungszeitraum einem monatlich anrechenbaren Vermögen in Höhe von 1.209,27 DM entspricht. Dieses Vermögen übersteigt die in den ersten sechs Monaten des Bewilligungszeitraums geleistete Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 1.030,00 DM. Der Beklagte hat somit in den ersten sechs Monaten des Bewilligungszeitraums 6.180,00 DM (6 x 1.030,00 DM) zu Unrecht geleistet, was 3.159,78 Euro entspricht.

57

Zum Zeitpunkt der Neubescheidung am 5. Juni 2001 für den zweiten Teil des Bewilligungszeitraums galt bereits der erhöhte Freibetrag in Höhe von 10.000,00 DM. Die Beklagte hatte daher in dieser Entscheidung ein monatliches Vermögen in Höhe von 10.511,23 DM zugrunde zu legen, was in einem zwölfmonatigen Bewilligungszeitraum einem monatlich anrechenbaren Vermögen in Höhe von 875,94 DM entspricht. Gemäß dem Bescheid vom 5. Juni 2001 hat die Beklagte einem Anspruch auf monatliche Ausbildungsförderung in Höhe von 1.135,00 DM festgesetzt. Abzüglich des monatlich anrechenbaren Vermögens verbleibt davon ein Restbetrag von 259,06 DM, der gemäß § 51 Abs. 3 BAföG auf 259,00 DM abzurunden ist. Die Beklagte hat somit von April bis September 2001 monatlich 876,00 DM, insgesamt 5.256,00 DM (= 2.687,35 Euro) zu Unrecht bewilligt.

58

Im dritten Bewilligungszeitraum verfügte die Klägerin über ein Vermögen von 36.846,21 DM. Dieses setzt sich aus dem Kurswert des Sparkassen-Depots am 31. Dezember 2000 in Höhe von 24.307,25 DM, dem Kurswert des bei der Deutschen Bank geführten Depots am 31. Dezember 2000 in Höhe von 5.623,93 DM abzüglich 10 % des Kurswertes (562,39 DM), dem Kurswert der bei der Sparkasse deponierten Schatzbriefe am 31. Dezember 2000 in Höhe von 7.000,00 DM sowie dem Guthaben des Sparbuchs bei der Sparkasse Bremen am 28. August 2001 (Antrag auf Ausbildungsförderung in Höhe von 477,42 DM) zusammen. Von diesem Vermögen sind der damals geltende Freibetrag in Höhe von 10.000,00 DM sowie die zu unrecht gewährte Ausbildungsförderung für die vorherigen Bewilligungszeiträume in Höhe von 12.360,00 DM, 6.180,00 DM und 5.256,00 DM abzusetzen. Somit verbleibt ein anrechenbares Vermögen in Höhe von 3.050,21 DM, was in dem zwölfmonatigen Bewilligungszeitraum einem monatlich anrechenbaren Vermögen in Höhe von 254,18 DM entspricht. Zieht man dieses monatlich anrechenbare Vermögen von der bewilligten Ausbildungsförderung in Höhe von 1135,00 DM ab, so verbleiben 880,82 DM, gemäß § 51 Abs. 3 BAföG aufzurunden auf einen monatlichen Anspruch auf Ausbildungsförderung in Höhe von 881,00 DM. Die Beklagte hat somit im letzten Bewilligungszeitraum monatlich 254,00 DM zu Unrecht geleistet, was in dem zwölfmonatigen Bewilligungszeitraum 3.048,00 DM (= 1.558,42 Euro) entspricht.

59

Insgesamt hat die Klägerin somit für alle in Rede stehenden Bewilligungszeiträume 13.725,12 Euro zu Unrecht erhalten (6.319,57 € + 3.159,78 € + 2.687,35 € + 1.558,12 €). Deshalb ist der angegriffene Rücknahmebescheid in der nach dem Erörterungstermin vom 8. Juni 2007 aufrecht erhaltenen Fassung rechtswidrig, soweit darin über diesen Betrag hinaus eine Rückforderung in Höhe von weiteren 288,36 € - insgesamt in Höhe von 14.013,48 € - festgesetzt worden ist.

60

Soweit der angegriffene Rücknahmebescheid rechtmäßig ist, durfte die Beklagte die Bewilligungsbescheide gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, da sich die Klägerin gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Die Klägerin hat die rechtswidrigen Bewilligungsbescheide durch in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben erwirkt. Hinsichtlich des bei der Deutschen Bank geführten Wertpapierdepots, der bei der Sparkasse Bremen verwalteten Bundesschatzbriefe sowie des bei der Sparkasse Bremen geführten Sparbuches hat sie dabei vorsätzlich, hinsichtlich des Depots bei der Sparkasse Bremen jedenfalls grob fahrlässig gehandelt. Die Klägerin kann mit dem Vordringen, dass ihr hinsichtlich des Sparkassen-Depots höchstens leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, nicht durchdringen.

61

Grundsätzlich gilt, dass das fehlerhafte Ausfüllen eines verständlichen Formulars als grob fahrlässig einzustufen ist. Soweit der Auszubildende annimmt, dass ihm eine Geldanlage gänzlich oder zum Teil nicht als eigenes Vermögen zuzurechnen ist, liegt gerade darin sein grob fahrlässiges Verhalten. Verlässt sich ein Auszubildender bei der Ausfüllung des Antragsformulars auf seine Rechtsmeinung, anstelle den im Antragsformular ausdrücklich abgefragten Sachverhalt umfassend darzulegen, so begründet dies einen groben Verstoß gegen die jedermann offenkundige Sorgfaltspflicht im Rechtsverkehr (VG Oldenburg, Urteil vom 27. April 2007, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 1990 - 7 S 257/89 -, juris; VG Weimer, a.a.O.). Die Klägerin kann sich daher nicht darauf berufen, dass sie sich zum Zeitpunkt ihrer Unterschrift unter den Freistellungsauftrag wegen ihres jugendlichen Alters keine Gedanken über dessen Bedeutung gemacht habe. Die Klägerin hat einen Freistellungsauftrag über 2.000,00 DM unterschrieben. Bei einem Freistellungsauftrag in dieser Höhe hätte sich auch einer 18-jährigen Person aufdrängen müssen, dass die Unterschrift eine Geldanlage mit erheblichen Vermögenswerten betrifft (vgl. zu einem Freistellungsauftrag über 2.800,00 DM: Nds. OVG, Beschluss vom 29. Mai 2007 - 4 LA 88/07 -).

62

Die Klägerin kann auch nicht mit der Behauptung durchdringen, dass sie ihre Unterschrift unter den Freistellungsauftrag aus dem Jahre 1992 zum Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung vollständig vergessen hatte.

63

Insoweit hegt die Kammer zunächst Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin, da diese auch hinsichtlich weiterer Geldanlagen sowohl in ihren Anträgen auf Ausbildungsförderung als auch in dem der Rücknahme der Bewilligungsbescheide vorausgehenden Verwaltungsverfahren wissentlich unwahre Auskünfte erteilt hat. Die Klägerin hat in ihren drei Anträgen auf Ausbildungsförderung jeweils nur ein geringes bzw. gar kein Vermögen angegeben. Ihr Vermögen überstieg jedoch in allen drei Bewilligungszeiträumen selbst ohne das Depot bei der Sparkasse Bremen die gesetzlichen Freibeträge. Zudem hat die Klägerin, nachdem das Studentenwerk ... sie zur Klärung ihrer Vermögensverhältnisse aufgefordert hatte, zunächst behauptet, dass sie auch von dem Sparbuch bei der Sparkasse Bremen sowie den bei der Sparkasse Bremen verwalteten Bundesschatzbriefe zum Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung keine Kenntnisse gehabt habe. Im Erörterungstermin am 8. Juni 2007 hat sie jedoch zugegeben, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Die beiden Geldanlagen hätten vielmehr ihren Ursprung in zwei Sparbüchern über 10.000,00 DM, die ihr Großvater ihr bereits Anfang der 90er Jahre geschenkt und zur eigenen Verwaltung ausgehändigt habe. Eines der beiden Sparbücher habe sie im Folgenden aufgelöst und das darauf angelegte Geld für den Kauf der Bundesschatzbriefe verwendet. Demnach hat die Klägerin im Verwaltungsverfahren versucht, das Studentenwerk über ihre Kenntnis über diese beiden Geldanlagen zu täuschen. Aufgrund dessen vermag die Kammer nicht auszuschließen, dass auch die Behauptung der Klägerin unwahr ist, sie habe ihre Unterschrift unter die Freistellungsaufträge in den anschließenden Jahren verstandesmäßig vergessen und in dieser Zeit auch weder mit ihrem Großvater noch mit anderen Familienangehörigen über diese Geldanlage geredet.

64

Im Übrigen ist die Behauptung der Klägerin, dass sie die Unterzeichnung des Freistellungsauftrages zum Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung vollständig vergessen hatte, auch unglaubhaft. Auf Befragen des Berichterstatters äußerte die Klägerin im Erörterungstermin am 27. Juni 2006 eine relativ genaue Erinnerung daran, dass sie den Freistellungsauftrag für Kapitalerträge unterschrieben hatte. Sie habe den Freistellungsauftrag im November 1992 bei einem Besuch bei ihrem Großvater unterzeichnet. Der Großvater habe ihr das Formular im Esszimmer seiner Wohnung zur Unterschrift vorgelegt. Über die Bedeutung der Unterschrift sei seinerzeit zwar nicht gesprochen worden. Sie - die Klägerin - habe damals aber gedacht, dass diese „Geschichte“ gut für sie sei. Sie habe diese Begebenheit am Esstisch ihres Großvaters in emotional positiver Erinnerung behalten. Aufgrund der detaillierten Erinnerung, die die Klägerin im Sommer 2006 an den Vorgang aus dem Jahre 1992 hatte, ist es nicht glaubhaft, dass die Klägerin dieses Geschehen zum Zeitpunkt ihrer Anträge auf Ausbildungsförderung in den Jahren 1999 bis 2001 vollständig vergessen haben will.

65

Die Rücknahme erfolgte entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X. Nach dieser Vorschrift muss die Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, über die Rücknahme entscheiden. Die Kenntnis davon, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, setzt für sich alleine diese Frist nicht in Lauf. Die Regelung verlangt vielmehr, dass der Behörde sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Hierzu gehören alle Tatsachen, die ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsaktes entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände. Die Frist beginnt demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden (sh. zu § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG: BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr. Sen. 1 und 2.84 - BVerwGE 70, 356, 362 f.).

66

Vollständige Tatsachenkenntnis hatte das Studentenwerk ... erst, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 20. Februar 2004 Belege über den Kurswert ihrer Depots am 31. Dezember 1998 eingereicht hatte. Erst aufgrund dieser Informationen konnte das Studentenwerk errechnen, wie hoch das Vermögen der Klägerin im ersten Bewilligungszeitraum war und in welcher Höhe sie deshalb Ausbildungsförderung zu Unrecht erhalten hatte.

67

An diesem Ergebnis ändert sich auch dadurch nichts, dass das Studentenwerk ... in der Zeit zwischen März 2003 und Februar 2004 über einen Zeitraum von rund elf Monaten das Verwaltungsverfahren nicht betrieben und keine weiteren Schritte zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat. Zwar beruht § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X auf dem Gedanken der Verwirkung und schließt deshalb die selbständige Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Verwirkung nicht aus (sh. zu § 48 Abs. 4 VwVfG: Kopp/Ramsauer, VwVfG-Kommentar, 9. Auflage 2005, § 48 Rn. 147 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine Verwirkung kann hier jedoch nicht angenommen werden. Dieses Rechtsinstitut setzt nicht nur einen längeren Zeitablauf, sondern auch ein Umstands-moment voraus: Die Behörde muss durch ihr Verhalten den Anschein erweckt haben, dass sie von ihrer Befugnis zur Rücknahme keinen Gebrauch mehr machen wolle. Die Klägerin beruft sich lediglich darauf, dass das Studentenwerk ... die Angelegenheit über einen längeren Zeitraum nicht bearbeitet habe. Eine zögerliche Bearbeitung erweckt an sich jedoch noch nicht den Anschein, dass die zuständige Behörde von ihrer Befugnis zur Rücknahme keinen Gebrauch mehr machen wolle. Zudem enthalten die Verwaltungsvorgänge keine Hinweise darauf, dass das Studentenwerk ... der Klägerin im Laufe des Verwaltungsverfahrens ausdrücklich oder in Andeutungen mitgeteilt hat, auf eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide verzichten zu wollen. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 27. Mai 2002 sowie vom 4. November 2002 aufgefordert, sich über ihre Vermögensverhältnisse zu erklären. Am 12. März 2003 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin und der zuständigen Mitarbeiterin des Studentenwerks statt. Der in den Verwaltungsvorgängen enthaltene Gesprächsvermerk enthält keine Hinweise darauf, dass die zuständige Mitarbeiterin des Studentenwerks ... der Klägerin in Aussicht gestellt hat, dass das Rücknahmeverfahren nicht weiter betrieben werde. Einen derartigen Gesprächsinhalt hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Unerheblich ist das Vorbringen der Klägerin, sie sei in dem Gespräch am 12. März 2003 nicht mehr aufgefordert worden, noch fehlende Nachweise über den Kurswert ihrer Depots im ersten Bewilligungszeitraum beizubringen. Diesem Umstand kann alleine nicht der Erklärungswert beigemessen werden, dass das Studentenwerk ... den Anschein erweckt habe, auf eine Rücknahme verzichten zu wollen.

68

Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X steht die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes im Ermessen der Behörde. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. In der Begründung der Anlage zu dem Bescheid des Studentenwerks ... vom 26. November 2004 heißt es: „Wir haben uns für eine Rückforderung entschieden.“ Das Studentenwerk ... hat somit erkannt, dass die Entscheidung über die Rücknahme in seinem Ermessen steht. Die Annahme des Studentenwerks, dass aufgrund der vorsätzlichen bzw. grob fahrlässigen fehlerhaften Angaben der Klägerin über ihr Vermögen das öffentliche Rücknahmeinteresse das Bestandsinteresse überwiege, überschreitet die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht und ist unter Berücksichtigung der durch § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit des Gerichts rechtlich nicht zu beanstanden.

69

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind zu Unrecht gewährte Leistungen zu erstatten, ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessen zusteht.