Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.04.2003, Az.: 16 U 129/02

Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines gescheiterten Bauvertrages; Rücktritt von einem Bauvertrag wegen fehlender konkreter Möglichkeit der Vertragsdurchführung; Unangemessene Benachteiligung durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB); Verpflichtungen des Bauunternehmers bei nicht ausdrücklicher Vereinbarung über den Beginn der Bauarbeiten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.04.2003
Aktenzeichen
16 U 129/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33972
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:0401.16U129.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 03.05.2002 - AZ: 8 O 4201/01

Fundstellen

  • BrBp 2003, 162
  • IBR 2003, 406
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 343-345
  • ZfIR 2004, 563 (amtl. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2003
durch
den Vorsitzenden Richter .......,
die Richterin ....... und
den Richter .......
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 3. Mai 2002 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.607,15 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23. Januar 2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger 66%, die Beklagte 34% zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren : 7.214,31 EUR.

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines gescheiterten Bauvertrages. Wegen des zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

2

Das Landgericht hat (unter anderem) den Zeugen J ....... Z ....... vernommen (Bl. 48 ff.) und die Klage schließlich durch das angefochtene Urteil (Bl. 79 ff.) abgewiesen. Dabei hat es sich auf die Zeugenaussage Z ....... gestützt und ausgeführt, es sei plausibel, dass die Ausführung des Bauvorhabens von der Rekrutierung eines Bauherrn habe abhängen sollen. Damit seien die Voraussetzungen der Nr. 4 der Vertragsbedingungen zur Geltendmachung eines pauschalierten entgangenen Gewinns nicht gegeben.

3

Dieses Urteil greift der Kläger mit der Berufung insoweit teilweise an, als der pauschalierte Schadensersatz in Höhe von 7% des Festpreises nicht zuerkannt worden ist. Insofern beanstandet er die Beweiswürdigung und rügt die unterbliebene Anhörung des Klägers im Verhandlungstermin vor dem Landgericht.

4

Demgegenüber verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil. Ferner behauptet sie, die Gegenzeichnung des Vertrages durch ihren Geschäftsführer sei erst im März 2001 erfolgt. Sie vertritt die Auffassung, erst zu diesem Zeitpunkt sei der Vertrag zustande gekommen. Dabei ist unstreitig, dass zu diesem Zeitpunkt (aufgrund eines Gesprächs im Februar 2001 zwischen dem Kläger und dem Zeugen J ....... Z ....... ) der Kläger Kenntnis von dem Umstand hatte, dass die Beklagte die Durchführung des Bauvertrages vom Finden eines Käufers für die streitgegenständliche Doppelhaushälfte abhängig machen wollte.

5

Wegen der vom Senat ergänzend getroffenen Feststellungen wird auf den Beweisbeschluss des Senats vom 26. November 2002 (Bl. 155 f. d.A.), die Sitzungsniederschrift vom 23. Januar 2003 (Bl. 170 ff. d.A.), den Hinweisbeschluss des Senats vom 27. Januar 2003 (Bl. 189 ff. d.A.) und die Sitzungsniederschrift vom 13. März 2003 (Bl. 210 f. d.A.) Bezug genommen.

6

II.

Die zulässige Berufung ist zur Hälfte begründet.

7

Der Kläger kann von der Beklagten nach Ziffer 4., 2. Absatz der Vertragsbedingungen (Bl. 6 d.A.) pauschalierten Schadensersatz verlangen, nachdem er gemäß Ziffer 4., 1. Absatz der Vertragsbedingungen von dem Bauvertrag zurückgetreten ist.

8

Der Kläger kann sich mit seinem Anspruch auf die von der Beklagten selbst vorgegebenen Vertragsbedingungen stützen. Denn diese sind in der Bauvertragsurkunde unter "Vertragsgrundlagen, Anl. 4" ausdrücklich erwähnt und damit Vertragsgrundlage geworden. Dabei bedarf es auch hinsichtlich Ziffer 4. der Bedingungen keiner Inhaltskontrolle nach dem AGBG. Denn auf die Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen kann sich nur der Vertragspartner des Verwenders berufen, wenn er gegen das Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird (§ 9 Abs. 1 AGBG). Nicht hingegen kann sich der Verwender selbst auf ihre Unwirksamkeit berufen, wenn, wie im vorliegenden Fall, sein Vertragspartner ihn an seinen AGB festhalten will.

9

Greift somit Ziffer 4. der Vertragsbedingungen ein, war der Kläger danach zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, weil die Beklagte ihm in terminlicher Hinsicht keine konkrete Möglichkeit der Vertragsdurchführung aufgezeigt, sondern sich - ohne Angabe eines Zeitrahmens - darauf zurückgezogen hat, erst und überhaupt nur dann zur Durchführung bereit zu sein, wenn ein Bauherr für das Objekt gefunden sei.

10

Zwar behauptet die Beklagte, eben dies sei zwischen den Parteien mündlich von vornherein klar gewesen und daher vereinbart worden. Insoweit ist sie jedoch letztlich beweisfällig geblieben. Denn der Kläger räumt die Kenntnis der von der Beklagten aufgestellten Bedingung erst ab dem Gespräch mit dem Vater des Geschäftsführers im Februar 2001 ein, sodass diese Bedingung nur dann Vertragsgrundlage geworden sein könnte, wenn der Vertrag erst danach zustande gekommen wäre. Eben dies hat die Beklagte aber nicht beweisen können. Denn der Vertrag trägt das Datum vom 22. Januar 2001, sodass die Beklagte den Beweis für ein späteres Zustandekommen, hier durch Gegenzeichnung ihres Geschäftsführers, hätte erbringen müssen (vgl. Ziffer 2. des Hinweisbeschlusses vom 27. Januar 2003, Bl. 189 f. d.A.). Dies ist ihr nicht gelungen. Insoweit haben der Geschäftsführer der Beklagten, gestützt durch die Zeugenaussagen seines Vaters und seines Mitarbeiters O ......., einerseits und der Kläger, gestützt durch die zeugenschaftliche Bekundung seiner Ehefrau, andererseits gegensätzliche Darstellungen gegeben, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass derjenigen des Geschäftsführers der Beklagten der Vorzug zu geben wäre.

11

Weiterhin reichen, entgegen der Auffassung des Landgerichts, die Angaben des Zeugen J ....... Z ......., der Baubeginn habe erklärtermaßen vom Finden eines Bauherrn abhängen sollen, nicht aus, um mit der erforderlichen Sicherheit feststellen zu können, dass nicht nur der Baubeginn offen gelassen worden ist, sondern die Durchführung des Vertrages überhaupt unter der aufschiebenden Bedingung des Findens eines Bauherrn stehen sollte.

12

Auf der anderen Seite kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass mit den Bauarbeiten binnen 8 Tagen begonnen werden sollte (Nr. 8, 6. Absatz der Vertragsbedingungen, Bl. 8 d.A.). Der Kläger selbst hat nämlich mehrfach betont, dass die vorliegende vertragliche Konstellation, bei welcher die Beklagte sich nicht in der Position des Auftragnehmers, sondern in der Position des Bauherrn befindet, ungewöhnlich war, eine Ausnahme darstellte und der schriftliche Vertrag, das Begleitschreiben vom 23. Januar 2001 und alle sonstigen Äußerungen und Begebenheiten vor diesem Hintergrund gesehen werden müssten.

13

Allerdings folgt gerade hieraus, dass von einem sofortigen Baubeginn oder einem solchen binnen 8 Tagen ab Vertragsabschluss nicht ausgegangen werden konnte. Die Verpflichtung, innerhalb von 8 Tagen mit dem Bau zu beginnen, beinhaltet lediglich eine Pflicht gegenüber dem (privaten) Bauherrn in gewöhnlichen Fällen. Sie ist ausgelegt auf die normale Situation eines privaten Bauherrn, der sichergestellt wissen möchte, dass der Bauunternehmer nicht irgendwann in ferner Zukunft, wenn es ihm gerade gelegen kommt, weil er vielleicht freie Kapazitäten hat, sondern alsbald nach Abschluss des Vertrages tatsächlich anfängt zu bauen.

14

Diese Situation passt nicht auf die Interessenlage zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits, denn es handelt es sich um einen geschäftlichen Kontakt zwischen Baufirmen, wobei auch für den Kläger die Situation und Interessenlage der Beklagten evident war. So trägt der Kläger selbst vor (Bl. 30 ff. d.A.), er habe die Verhandlungen über die Errichtung der streitgegenständlichen Doppelhaushälfte mit der Beklagten bereits seit Juli 2000 geführt, wobei auch die Erwägung im Raum gestanden habe, diese Doppelhaushälfte als Musterhaus zu errichten. Die Beklagte habe in Minden eine neue Niederlassung gründen wollen. Diese Niederlassung habe ihr Büro in dem Musterhaus haben sollen. Die Gründung dieser Niederlassung sei jedoch gescheitert, weil die Beklagte sich mit ihrem Hausverkäufer, R ....... H ......., über die Provisionen nicht habe einigen können. Der Verkäufer H ....... habe deshalb am 15. August 2000 seine Tätigkeit bei der Beklagten aufgegeben. Das Vorhaben der Eröffnung einer Niederlassung in Minden sei deshalb fallen gelassen worden.

15

Nunmehr seien die Eheleute K ....... auf den Plan getreten, die auf dem Nachbargrundstück ....... eine Doppelhaushälfte mit der Beklagten gebaut hatten und die darauf bestanden, dass die streitgegenständliche Doppelhaushälfte angebaut werde, um auf diese Weise die erforderliche Wärmedämmung ihrer Giebelwand zu gewährleisten. Gegenüber den Eheleuten K ....... hatte die Beklagte einen Baubeginn zum 15. November 2000 zugesagt, ab diesem Zeitpunkt hatte der Kläger auch bereits mit der Ausschreibung an Bauhandwerker begonnen, nach seinem eigenen Vortrag wurde der Baubeginn dann aber immer weiter hinausgeschoben und der streitgegenständliche Bauvertrag zwischen ihm und der Beklagten ist schließlich erst am 22. Januar 2001 zustande gekommen.

16

Hatte der Kläger diese von ihm selbst dargestellte Entwicklung mitbekommen und wusste er insbesondere, dass die Errichtung des Musterhauses gescheitert war und die Beklagte nunmehr "händeringend" einen Käufer für die Doppelhaushälfte suchte, musste er mit weiteren Verzögerungen rechnen.

17

Fehlte es damit an einer ausdrücklichen Vereinbarung über den Beginn der Bauarbeiten, war die Beklagte gemäß § 5 Nr. 2 VOB/B verpflichtet, auf das Verlangen des Klägers (vgl. vorprozessuales Schreiben des Klägers vom 29. Mai 2001, Bl. 9 d.A.) Auskunft über den voraussichtlichen Leistungsbeginn zu geben (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB 14. Aufl., B § 5, Rn. 15 ff. ).

18

Diese vertragliche Nebenpflicht hat die Beklagte verletzt. Die Beklagte wäre nämlich, konnte sie zum damaligen Zeitpunkt noch kein konkrete Frist für den Baubeginn nennen, verpflichtet gewesen, dies dem Kläger zu erläutern, gegebenenfalls einen Zeitrahmen (nach Auffassung des Senats von bis zu zwei Jahren) zu setzen und innerhalb dieses Rahmens mit angemessener Frist von sich aus einen Baubeginn zu nennen (vgl. Ingenstau/Korbion, a.a.O., Rn. 16). Stattdessen hat sie darauf beharrt, das Finden eines Bauherrn im Sinne einer aufschiebenden Bedingung als Voraussetzung dafür zu machen, dass der Vertrag überhaupt durchgeführt werden sollte. Dem Kläger war es allerdings nicht zumutbar, sich ohne zeitliche Vorgabe und Begrenzung und ohne zu wissen, ob es jemals zur Durchführung kommen werde, ständig vertragsbereit zu halten.

19

Die somit bereits im Jahre 2001 (nach Zugang der Anfrage des Klägers vom 29. Mai) begangene Nebenpflichtverletzung wird auch nicht dadurch geheilt, dass die Beklagte auf der Grundlage des Hinweisbeschlusses des Senats vom 27. Januar 2003 (Bl. 189 f. d.A.) durch Schriftsatz vom 5. Februar 2003 (Bl. 200, 202) erneut die Bereitschaft erklärt hat, den Vertrag doch noch durchzuführen und im Termin vor dem Senat am 13. März 2003 schließlich auch einen Baubeginn Anfang Juni 2003 konkret angeboten hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Vertragsverhältnis schon gescheitert, nachdem der Kläger bereits mit Schreiben vom 31. Juli 2001 vom Vertrag zurückgetreten war. Das Angebot eines Baubeginns Anfang Juni 2003 kann daher nur als Angebot eines neuen Vertrages (zum Zwecke gütlicher Einigung) angesehen werden, nicht aber Auswirkungen auf die Beurteilung der Rechtslage bei der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits haben.

20

Die Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht, eine nach Treu und Glauben für beide Seiten zumutbare Frist zu nennen, hat grundsätzlich ein Rücktrittsrecht des Klägers nach § 9 VOB/B und Nr. 4. der Vertragsbedingungen des Bauvertrages ausgelöst. Von dieser Kündigungsmöglichkeit hat der Kläger durch vorprozessuales Anwaltsschreiben vom 31. Juli 2001 Gebrauch gemacht. Grundsätzlich wäre die Beklagte daher nach Nr. 4. 2. Absatz der Vertragsbedingungen zum pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 7% der Bausumme verpflichtet.

21

Nach § 254 Abs. 1 BGB ist die Beklagte wegen eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers aber nur zum hälftigen Schadensersatz verpflichtet. Eine Mithaftung des Geschädigten gemäß § 254 BGB kommt nicht nur in Fällen deliktischer Haftung in Betracht. Vielmehr ist § 254 BGB als besondere gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Falle bauvertraglicher Schadensersatzansprüche anwendbar (BGH NJW 1993, 1191; OLG Celle in OLG Report 2003, 101).

22

Das Mitverschulden des Klägers am Scheitern der Vertragsbeziehung ist darin zu sehen, dass er sich seinerseits zu früh vom Vertrag gelöst hat. Nach der vorstehend sowie unter Ziffer II. des Hinweisbeschlusses des Senats vom 27. Januar 2003 dargestellten besonderen Interessenlage, die dem Kläger, wie ebenfalls dargelegt, bekannt war, hätte die Beklagte dem Kläger auf dessen Anfrage vom 29. Mai 2001 nicht sogleich einen konkreten Termin nennen müssen, sondern stattdessen darlegen dürfen, dass ihr dies wegen des noch nicht gefundenen Bauherrn noch nicht möglich sei. Unter Berücksichtigung von Treu und Glauben hätte die Beklagte, wie vom Senat bereits in dem zitierten Hinweisbeschluss erläutert, dann eine Frist von bis zu 2 Jahren gehabt, um dem Kläger einen konkreten Baubeginn - unaufgefordert von sich aus - mitzuteilen (vgl. Ingenstau/ Korbion, a.a.O., Rn. 16). Die Fälligkeit dieser Pflicht der Beklagten wäre dann (erst) 2 Jahre nach Vertragsabschluss, also zum 23. Januar 2003 eingetreten. Indem der Kläger, obwohl er um die Probleme der Beklagten, einen Käufer für die zweite Doppelhaushälfte zu finden wusste, lange vor diesem Fälligkeitszeitpunkt und ohne der Beklagten insoweit ein zeitliches Zugeständnis zu machen, bereits mit vorprozessualem Schreiben vom 31. Juli 2001 Schadensersatz gefordert und am 30. August 2001 die vorliegende Klage erhoben hat, hat er zum Scheitern des Vertrages in zurechenbarer Weise beigetragen. Dies rechtfertigt die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens.

23

Die zugesprochenen Prozesszinsen folgen aus §§ 288 Abs. 1, 291 ZPO, wobei wegen der verfrühten Kündigung auf den vorgenannten Fälligkeitszeitpunkt abzustellen war.

24

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine gesetzliche Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

25

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.