Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.04.2003, Az.: 18 WF 12/03
Anfechtbarkeit einer Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung; Möglichkeit einer Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nach Erlass des Urteils
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.04.2003
- Aktenzeichen
- 18 WF 12/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 33973
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:0402.18WF12.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stade - 20.12.2002 - AZ: 42 F 347/02
- nachfolgend
- OLG Celle - 15.05.2003 - AZ: 18WF 12/03
Rechtsgrundlagen
- § 707 Abs.2 ZPO analog
- § 769 Abs.1 ZPO
- § 770 ZPO
Fundstelle
- FamRZ 2003, 1674-1675 (Volltext)
Verfahrensgegenstand
Ehegattenunterhalt (Vollstreckungsgegenklage)
hier: einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung
In der Familiensache
...
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
die Richterinnen am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 2. April 2003
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin (1) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stade vom 20. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
I.
Die Parteien waren miteinander verheiratet. Seit dem 27. November 2001 ist die Ehe rechtskräftig geschieden. Der Kläger wurde durch Senatsurteil vom 19. November 1999 (Az. 18 UF 45/99) zur Zahlung von Trennungsunterhalt und durch Senatsurteil vom 8. Februar 2002 (Az. 18 UF 150/01) zur Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts und Zugewinnausgleich verurteilt. In vorliegendem Verfahren hat er im Rahmen seiner Vollstreckungsgegenklage beantragt, die Zwangsvollstreckung aus beiden Urteilen für unzulässig zu erklären. Daneben hat er in der Klageschrift und erneut mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. Juli 2002 die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt.
Durch am 17. Dezember 2002 verkündetes Urteil hat das Familiengericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Zwangsvollstreckung aus den beiden oben genannten Urteil für unzulässig erklärt, hat über die Verfahrenskosten entschieden und das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Durch Beschluss vom 20. Dezember hat es sodann die Zwangsvollstreckung aus beiden Urteilen einstweilen eingestellt.
Mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen den Beschluss über die einstweilige Anordnung der Zwangsvollstreckung. Zwischenzeitlich hat sie zudem gegen das amtsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Zwar ist die Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung grundsätzlich analog § 707 Abs.2 ZPO unanfechtbar. Dies gilt jedoch ausnahmsweise nicht, soweit erstinstanzlich die Grenzen der Ermessensentscheidung verkannt oder eine sonst greifbar gesetzeswidrige Entscheidung getroffen wurde. Dies ist vorliegend der Fall, denn das Amtsgericht war nach Erlass seines Urteils vom 17. Dezember 2002 nicht mehr befugt, die Anordnung zu treffen.
Nach § 769 Abs.1 ZPO kann das Prozessgericht vor einer Entscheidung in der Hauptsache auf Antrag u.a. anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in § 767 ZPO bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung eingestellt wird. Dies ist hier nicht geschehen. § 770 ZPO gibt dem Prozessgericht ferner die Möglichkeit, (auch von Amts wegen) in dem Urteil, durch das über die Einwendungen entschieden wird, die im § 769 ZPO genannten Maßnahmen zu erlassen. Auch davon hat das Familiengericht keinen Gebrauch gemacht. Das Urteil enthält vielmehr weder einen Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit in der Hauptsache noch eine Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Ist eine Entscheidung nach § 770 ZPO versäumt worden, so kommt eine Nachholung derselben allenfalls im Wege der Urteilsergänzung analog §§ 716, 321 ZPO in Betracht. Im Übrigen ist das Gericht an seine Entscheidung, die in seinem Endurteil enthalten ist, gebunden (§ 318 ZPO) mit der Folge, dass es ein von ihm erlassenes Urteil weder aufheben, ändern noch ergänzen darf. Ungeachtet des Umstands, dass eine Ergänzung nur aufgrund mündlicher Verhandlung und in Form eines Urteils hätte erfolgen können, war das Amtsgericht hier auch materiell an einer Urteilsergänzung gehindert, da ein entsprechender Antrag von keiner der Parteien binnen der 2-wöchigen Frist gemäß § 321 Abs.2 ZPO gestellt worden ist. Für eine Anordnung, wie sie in dem angefochtenen Beschluss nach Erlass des Urteils ergangen ist, fehlt es daher an einer Rechtsgrundlage.
Schließlich steht dem Erfolg der sofortigen Beschwerde auch nicht entgegen, dass eine Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung, die nach § 770 ZPO im Urteil oder in Verbindung mit § 321 ZPO im Ergänzungsurteil ausgesprochen worden ist, nur mit dem gegen das Urteil statthaften Rechtsmittel, hier also der Berufung anfechtbar ist. Da die amtsgerichtliche Entscheidung nicht entsprechend §§ 770, 321 ZPO im Urteil oder durch Ergänzungsurteil, sondern durch nachträglichen gesonderten Beschluss ergangen ist, ist hiergegen nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz die sofortige Beschwerde gegeben.
Die Entscheidung war daher aufzuheben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 GKG, § 91 ZPO.
(1) Amtl. Anm.: