Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 20.03.2024, Az.: 2 B 105/24

Anordnungsgrund; Existenzgefährdung; Vorwegnahme der Hauptsache; Ablehnung einer einstweiligen Anordnung auf Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger mangels Anordnungsgrund

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
20.03.2024
Aktenzeichen
2 B 105/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 13675
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0320.2B105.24.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigender Anordnungsgrund liegt bei der Berufung auf finanzielle Einbußen nur dann vor, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die soziale, berufliche oder wirtschaftliche Existenzgrundlage des Antragstellers gefährdet ist.

  2. 2.

    Eine Existenzgefährdung wird nicht schon dann glaubhaft gemacht, wenn der Antragsteller vorträgt, dass seine fliegerärztliche Tätigkeit derzeit seine einzige Einkommensquelle darstellt. Der Antragsteller muss darüber hinaus jedenfalls glaubhaft machen, dass es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, ausreichende Einkünfte durch eine Tätigkeit als angestellter oder selbstständiger Arzt zu erzielen.

  3. 3.

    Eine Beeinträchtigung der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit genügt nicht, um die Vorwegnahme der Hauptsache zu rechtfertigen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vom Luftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: LBA) die vorläufige Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger, die vorläufige Anerkennung seiner Praxisräume als fliegerärztliche Untersuchungsstelle sowie die vorläufige Freigabe seines Zugangs zu der flugmedizinischen Datenbank "EMPIC".

Der Antragsteller ist 70 Jahre alt und war seit dem Jahr 1996 als flugmedizinischer Sachverständiger (aeromedical examiner, AME) tätig, zunächst nur für die Klasse 2, ab dem Jahr 2000 auch für die Klasse 1, zuletzt aufgrund des Anerkennungsbescheides des LBA vom 14.12.2020, befristet bis zum 31.12.2023.

Zuletzt war der Antragsteller in einer Gemeinschaftspraxis mit einer Allgemeinmedizinerin in E. tätig. Der Antragsteller nahm in dieser Praxis bis zu 1.000 fliegerärztliche Untersuchungen pro Jahr vor und erzielte damit im Jahr 2022 einen Umsatz von 68.393,55 Euro bzw. abzüglich der Betriebsausgaben einen Gewinn von 35.953,66 Euro.

Mit E-Mail an das LBA vom 12.06.2023 kündigte der Antragsteller den geplanten Umzug seiner fliegerärztlichen Praxis von der bisherigen Anschrift F. in E. zur neuen Anschrift G. in A-Stadt an. Mit Antrag vom 17.06.2023 beantragte er förmlich die Verlegung seiner fliegerärztlichen Untersuchungsstelle an die neue Adresse.

Mit Schreiben vom 06.07.2023 sprach die Inhaberin der Gemeinschaftspraxis in E. gegenüber dem Antragsteller die fristlose Kündigung aus.

Am 22.10.2023 führte das LBA eine Besichtigung und Auditierung der neuen Praxisräume durch, die ohne Beanstandungen blieb.

Am 02.11.2023 beantragte der Antragsteller beim LBA die Verlängerung seiner Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger.

Nachdem in der Folgezeit jedoch keine Anerkennung der neuen Praxisräume des Antragstellers erfolgt war, teilte das LBA dem Antragsteller auf Nachfrage mit E-Mail vom 08.11.2023 mit, dass Beanstandungen hinsichtlich seiner AME-Tätigkeit in der Vergangenheit festgestellt worden seien, die zunächst geprüft werden müssten.

Mit weiterer E-Mail vom 21.12.2023 hielt das LBA dem Antragsteller vor, dass er in den neuen Praxisräumen bereits Tauglichkeitsuntersuchungen als flugmedizinischer Sachverständiger durchgeführt habe. Dem hielt der Antragsteller mit E-Mail vom selben Tag entgegen, dass er jeden Bewerber um ein Tauglichkeitszeugnis von der aktuell fehlenden Anerkennung in Kenntnis gesetzt habe.

Am 31.12.2023 ist die Anerkennung des Antragstellers als flugmedizinischer Sachverständiger aufgrund von Zeitablauf erloschen.

Mit Bescheid vom 10.01.2024 lehnte das LBA den Antrag des Antragstellers auf Verlegung seiner fliegerärztlichen Untersuchungsstelle und auf Verlängerung seiner Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger ab. Es begründete die Ablehnung im Wesentlichen damit, dass eine anteilige Prüfung der durch den Antragsteller im Zeitraum vom 01.10.2022 bis zum 01.10.2023 durchgeführten bzw. dokumentierten 1003 Tauglichkeitsuntersuchungen ergeben habe, dass dieser eine Vielzahl der Untersuchungen nur unvollständig durchgeführt bzw. dokumentiert habe. In der Regel fehle die zwingend zu dokumentierende Kopie des unterschriebenen Tauglichkeitszeugnisses. Zudem seien in zahlreichen Fällen EKG dokumentiert worden, die keine Personendaten der untersuchten Person aufwiesen und daher nicht zuordnungsfähig seien oder die trotz Personendaten kein Erstelldatum beinhalteten. In verschiedenen Fällen seien zudem falsche EKG dokumentiert, da diese nachweislich von anderen Personen stammten. Darüber hinaus habe der Antragsteller in einzelnen Fällen die aus einem Konsultationsverfahren resultierenden verpflichtenden regelmäßigen Auflagen nicht in Form von kardiologischen, augenfachärztlichen oder lungenfachärztlichen Berichten dokumentiert. Augenfachärztliche Untersuchungen entsprächen im Einzelfall in Art und Umfang nicht den rechtlichen Anforderungen bzw. Vorgaben. In einem Fall habe der Antragsteller eine Bewerberin allein wegen ihrer Schwangerschaft rechtswidrig als untauglich bewertet. In einem weiteren Fall sei die Herausnahme einer Brillenauflage veranlasst, das ausgestellte Tauglichkeitszeugnis jedoch nicht entsprechend korrigiert worden. In einem Einzelfall habe der Antragsteller keine nennenswerten Auffälligkeiten in einem ärztlichen Bericht dokumentiert, obwohl das erstellte EKG nach Auswertung einen inkompletten Linksschenkelblock des Bewerbers ausgewiesen habe. Schließlich habe der Antragsteller auch in mindestens einem Fall ein Tauglichkeitszeugnis außerhalb der zwingend hierfür vorgesehenen elektronischen flugmedizinischen Datenbank EMPIC ausgestellt und dem Bewerber ausgehändigt. Bei letzterem Verstoß handele es sich um eine besonders schwerwiegende Auffälligkeit, weil der Antragsteller diesbezüglich bereits in der Vergangenheit mehrfach behördlich belehrt bzw. abgemahnt worden sei. Es sei nicht anzunehmen, dass der Antragsteller seine Rechte gemäß den Bestimmungen des Teil-MED der Verordnung (EU) 1178/2011 ausübe, und er habe nicht entsprechend dem von der zuständigen Behörde festgelegten Verfahren nachgewiesen, dass er weiterhin über die flugmedizinische Befähigung verfüge. Sowohl die Anzahl als auch die Vielschichtigkeit der festgestellten Auffälligkeiten bzw. Beanstandungen offenbare eine gravierende fehlende Sorgfalt des Antragstellers hinsichtlich der Durchführung bzw. Dokumentation der von ihm verantworteten Untersuchungen. Ergänzend wies das LBA darauf hin, dass der Antragsteller seinem Verlängerungsantrag keine Belege über die von ihm im bisherigen Anerkennungszeitraum absolvierte Auffrischungsschulung in Flugmedizin beigefügt habe.

Mit Schreiben vom selben Tag, eingegangen beim LBA am 12.01.2024, legte der Antragsteller Widerspruch gegen diese Entscheidung ein.

Am 18.01.2024 hat der Antragsteller einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht gestellt.

Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig und argumentiert, er werde dadurch in seinen Grundrechten aus Art. 12 GG und Art. 14 GG beeinträchtigt. Die Überprüfung seiner fliegerärztlichen Tätigkeit habe das LBA bereits eingeleitet, als er noch gar keinen Antrag auf Verlängerung seiner Anerkennung als AME gestellt hatte. Zudem habe das LBA ihn von der Durchführung der Überprüfung nicht unterrichtet und seine verfahrensrechtlich gebotene Anhörung unterlassen. Das LBA habe die Anerkennung der Verlegung seiner fliegerärztlichen Untersuchungsstelle nicht ablehnen dürfen, weil die Auditierung der Praxisräume keine Beanstandungen ergeben habe. Die vermeintlich fehlende Fortbildung habe der Antragsteller vom 13.10.2023 bis zum 15.10.2023 absolviert und einen entsprechenden Nachweis dem LBA vorgelegt. Auch liege kein Grund für einen Widerruf des Tauglichkeitszeugnisses vor, insbesondere keine Täuschung seinerseits. Er habe dem LBA nicht die EKGs anderer Personen als der bezeichneten Bewerber vorgelegt, sondern es sei allenfalls aufgrund eines technischen Fehlers in der Praxissoftware zu fehlerhaften Bezeichnungen der Personen auf dem Ausdruck des jeweiligen EKG gekommen. Letzteres bestätigte der Antragsteller mittels einer eidesstattlichen Versicherung.

Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass er durch die Nichtverlängerung seiner Anerkennung in eine existentielle Bedrohungslage gerate. Die fliegerärztliche Tätigkeit stelle seine einzige Einkommensquelle neben einer Nebentätigkeit bei der Polizei dar. Bis er seine fliegerärztliche Tätigkeit fortsetzen könne, müsse er zur Überbrückung auf seine der Altersvorsorge dienenden Ersparnisse zurückgreifen. Die Vorwegnahme der Hauptsache sei zulässig, weil die Verwirklichung seines Grundrechts aus Art. 12 GG während der zu erwartenden jahrelangen Dauer des Hauptsacheverfahrens vereitelt zu werden drohe. Monatlich entstünden ihm Kosten von 1.500,00 Euro für den Erhalt der neu angemieteten Räumlichkeiten in A-Stadt. Später konkretisierte er, für die Praxis entstünden Mietkosten in Höhe von 800,00 Euro und Leasingkosten für die Geräte in Höhe von 411,24 Euro pro Monat. Darüber hinaus habe er monatlich 120,00 Euro Nebenkosten, 100,00 Euro Kfz-Kosten und Kosten von 385,00 Euro für eine Baufinanzierung und von 215,00 Euro für seine Lebensversicherung, mithin monatlich Gesamtkosten von 2.031,24 Euro. Demgegenüber stünden eine monatliche Rente von nur 1.847,43 Euro sowie unregelmäßige Einkünfte aus einer Nebentätigkeit bei der Polizei von jeweils 500,00 Euro. Ihm verblieben mithin nur 316,19 Euro für den Lebensunterhalt.

Daneben drohe er während der Dauer des Hauptsacheverfahrens auch seine Patienten zu verlieren, da diese sich an einen anderen flugmedizinischen Sachverständigen wenden müssten. Es sei ihm nicht möglich, anstelle der fliegerärztlichen Untersuchungsstelle in den neuen Räumlichkeiten eine Hausarztpraxis zu betreiben, denn dafür müsste die neu eingerichtete Praxis zunächst umgebaut werden, bevor sie durch die Kassenärztliche Vereinigung genehmigt werden könne; zudem müsse Personal eingestellt und eine Anbindung an ein Labor hergestellt werden. Für die spätere Anerkennung als fliegerärztliche Untersuchungsstelle müsste die Praxis dann erneut umgebaut werden, weil die Anforderungen unterschiedliche seien. Eine Privatinsolvenz könne der Antragsteller lediglich abwenden, indem er eine Tätigkeit als Allgemeinmediziner in der Praxis eines Kollegen aufnehme, doch auch dies setze eine Genehmigung seiner Tätigkeit durch die Kassenärztliche Vereinigung voraus. Er verfüge nicht über Ersparnisse und abgesehen von dem mit seiner Ehefrau bewohnten Eigenheim auch nicht über Grundbesitz. Es sei zu berücksichtigen, dass das Hauptsacheverfahren inklusive Rechtsmittelinstanz bis zu zehn Jahre lang dauern könne.

Der Antragsteller beantragt,

  1. 1.

    die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die ihm bis zum 31.12.2023 befristet erteilte Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu verlängern;

  2. 2.

    seine Praxisräume in G., A-Stadt- als fliegerärztliche Untersuchungsstelle bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig anzuerkennen und in die Liste der flugmedizinischen Untersuchungsstellen aufzunehmen;

  3. 3.

    ihm vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache den Zugang zu dem System "EMPIC" freizuschalten.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt, sich nicht im Verfahren geäußert und dem Gericht ihre Verwaltungsvorgänge nicht übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

Er ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässig. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist nicht gem. § 123 Abs. 5 VwGO vorrangig, weil in der Hauptsache im Falle eines erfolglosen Abschlusses des laufenden Widerspruchsverfahrens eine Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage, also entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine Anfechtungsklage statthaft wäre.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 123 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hierzu sind nach § 123 VwGO i. V. m. §§ 935, 936, 920 ZPO die Dringlichkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) und das Bestehen des gefährdeten Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Verfahren ist ergänzend zu berücksichtigen, dass es nicht um den Entzug einer Rechtsposition geht, welche der Antragsteller bereits innehat, sondern um eine Anerkennungsentscheidung, deren Erteilung er begehrt. Da der Antragsteller seinen Rechtskreis damit erweitern will, strebt er eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO an. Eine im Wege der einstweiligen Anordnung ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Anerkennung des Antragstellers als AME, zur Anerkennung seiner Praxisräume als fliegerärztliche Untersuchungsstelle und zur Freigabe seines Zugangs zu der flugmedizinischen Datenbank "EMPIC" würde damit dem Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens vorgreifen.

Ein Anordnungsgrund ist gleichzusetzen mit einem spezifischen Interesse gerade an der begehrten vorläufigen Regelung. Dieses Interesse ergibt sich regelmäßig aus einer besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung. Dabei ist einem - wie hier - die Hauptsache vorwegnehmenden Antrag im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn durch das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes ist Rechnung zu tragen (Nds. OVG, Beschluss vom 11.07.2022 - 13 ME 141/22 -, juris Rn. 20 m. w. N.). Ein solcher, unzumutbarer und anders nicht abwendbarer Nachteil kann dann gegeben sein, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die soziale, berufliche oder wirtschaftliche Existenzgrundlage des Antragstellers gefährdet ist und dies seine Grundrechte aus Art. 12, 14 GG berührt (Nds. OVG, Beschluss vom 27.04.2022 - 14 ME 116/22 -, juris Rn. 15). Allein der etwaige Verlust wirtschaftlicher Vorteile für die Dauer des Hauptsacheverfahrens rechtfertigt nicht die Vorwegnahme der Hauptsache (Nds. OVG, Beschluss vom 24.08.2022 - 14 ME 288/22 -, juris, Leitsatz Nr. 1; Hamb. OVG, Beschluss vom 11.05.2022 - 3 Bs 293/21 -, juris Rn. 52).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Gemessen an den ausgeführten Maßstäben hat der Antragsteller einen die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsgrund nicht gem. § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller hat geltend gemacht, dass die fliegerärztliche Tätigkeit seine einzige Einkommensquelle darstelle und dass ihm dadurch, dass er diese infolge der Entscheidung des LBA nicht fortsetzen könne, erhebliche finanzielle Einbußen drohten. Diese Nachteile sind nach den vorliegenden Unterlagen aber weder unzumutbar noch anders nicht abwendbar und auch nicht existenzbedrohend. Zum einen hat der Antragsteller auch auf Nachfrage des Gerichts nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens Einkünfte durch eine Tätigkeit als angestellter oder selbstständig tätiger Allgemeinmediziner zu erfüllen. Er hat nicht näher dargelegt, welche Umbauten zu diesem Zweck in den von ihm angemieteten Praxisräumen in A-Stadt notwendig wären und warum diese nicht umsetzbar sein sollten. Auch die erforderliche Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung stellt kein unüberwindbares Hindernis dar. Zum anderen hat der Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm selbst im Falle einer vollständigen Unterbrechung seiner ärztlichen Tätigkeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine Privatinsolvenz oder eine Gefährdung seiner finanziellen Existenzgrundlage drohen. Auch wenn ihm sodann nur noch Einkünfte von 1.847,43 Euro monatlich aus der Ärzteversorgung und ca. 500,00 Euro monatlich aus seiner Tätigkeit für die Polizei zur Verfügung stünden, müsste er mit diesen Einkünften nicht weiterhin die Mietkosten für die Praxisräume und die Leasinggebühren für die medizinischen Geräte bestreiten, sondern könnte diese Nutzungsverträge kündigen. Folglich stünden dem Antragsteller auch unter Berücksichtigung seiner sonstigen laufenden Ausgaben wie Lebensversicherung, Baufinanzierung und Nebenkosten noch über 1.500,00 Euro monatlich zur Verfügung. Wohnungsmiete braucht er wegen seines in seinem Eigentum stehenden Eigenheims nicht aufzubringen. Ferner hat der Antragsteller nicht, etwa durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder Vorlage eines Vermögensverzeichnisses oder von aktuellen Kontoauszügen, glaubhaft gemacht, dass er trotz seiner jahrzehntelangen Berufstätigkeit nicht über nennenswerte Ersparnisse verfügt.

Zwar wird dadurch, dass der Antragsteller infolge der ablehnenden Entscheidung des LBA nicht berechtigt ist, seine Tätigkeit als flugmedizinischer Sachverständiger fortzusetzen, seine Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Eine solche Grundrechtsbeeinträchtigung genügt jedoch nicht, um die Vorwegnahme der Hauptsache zu rechtfertigen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27.04.2022 - 14 ME 116/22 -, juris Rn. 22). Sofern der Antragsteller dem den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 09.09.2021 (6 S 1507/21 -, juris Rn. 3 ff.) entgegenhält, so führt dieser ebenfalls aus, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache auch voraussetzt, dass andernfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (VGH Baden-Württemberg, a. a. O., Rn. 4). Entgegen der Auffassung des Antragstellers nennt der Senat die Voraussetzung, dass der Antragsteller die Genehmigungsvoraussetzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt, lediglich als zusätzliche - und nicht als einzige - Anforderung (VGH Baden-Württemberg, a. a. O., Rn. 5).

Mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes lässt die Kammer offen, ob der Antragsteller über einen Anordnungsanspruch verfügt. Jedenfalls ergibt angesichts der Vielzahl der vom LBA im Bescheid vom 10.01.2024 aufgeführten Verstöße gegen Dokumentationspflichten nicht bereits eine summarische Prüfung, dass ihm ein Anordnungsanspruch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, a. a. O., Rn. 5) bzw. eindeutig erkennbar (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27.04.2022 - 14 ME 116/22 -, juris Rn. 23) zusteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Der Streitwert richtet sich orientiert am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57) nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Verdienstes unabhängig davon, ob man den Antragsteller als flugmedizinischen Sachverständigen nach Nr. 26.4 zum Luftfahrtpersonal im weiteren Sinne zählt oder nach Nr. 54.1 die Richtlinien für die Gewerbeerlaubnis analog anwendet. Der Antragsteller hat seinen bisherigen Jahresverdienst (abzüglich der laufenden Kosten) für das Jahr 2022 auf 35.953,66 Euro beziffert. Eine Halbierung des Streitwerts ist nach Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs nicht angezeigt, weil der Antragsteller eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.