Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.02.2015, Az.: 13 Verg 11/14

Ausschließung eines Angebots wegen offenbaren Missverhältnisses zwischen den angebotenen Preisen und Leistungen i.R.d. Ausschreibung von Schülerbeförderungsdienstleistungen; Ausschluss eines Angebots bzgl. Ausschreibung von Schülerbeförderungsleistungen wegen unangemessen hoher Preise für die angesetzten Besetztkilometer; Ausschließung eines Angebots wegen offenbaren Missverhältnisses zwischen den angebotenen Preisen und Leistungen im Rahmen der Ausschreibung von Schülerbeförderungsdienstleistungen; Ausschluss eines Angebots im Rahmen der Ausschreibung von Schülerbeförderungsleistungen wegen unangemessen hoher Preise für die angesetzten Besetztkilometer

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.02.2015
Aktenzeichen
13 Verg 11/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 23239
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0219.13VERG11.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VK Niedersachsen - 22.09.2014

Fundstellen

  • IBR 2015, 567
  • VS 2015, 79
  • Vergabe-Navigator 2015, 18-19
  • ZfBR 2015, 728

Redaktioneller Leitsatz

Ein Angebot ist unangemessen hoch i.S. von § 19 Abs. 6 VOL/A-EG, wenn es ungewöhnlich viele und hohe Preisaufschläge bzw. Risikozuschläge auf den Selbstkostenpreis vorgenommen hat.

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird dem Antragsgegner - insoweit unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 22. September 2014 - untersagt, den Zuschlag bei dem Los 2 auf das Gebot der Beigeladenen zu 5 zu erteilen.

II. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragsgegners sowie die durch das Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB verursachten Kosten hat die Antragstellerin zu tragen.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 730.990,90 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom 5. März 2014 die Beförderung von Schülerinnen und Schülern im freigestellten Schülerverkehr europaweit im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag gem. EG-VOL/A ausgeschrieben. Die Leistung war in acht Lose unterteilt, auf die insgesamt oder auch einzeln geboten werden konnte. Insgesamt haben zum Ende der Angebotsfrist acht Bieter Angebote auf verschiedene Lose abgegeben. Die Antragstellerin (Bieter 2) hat als einzige auf alle Lose geboten und blieb in den Losen 7 und 8 die einzige Bieterin.

Einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Nach Ziff. 12.1 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots war je Los ein Leistungspreis anzugeben. Dieser setzte sich aus dem sogenannten Besetztkilometerpreis, d. h. dem Preis pro besetzt gefahrenen Kilometer und der Fahrleistung zusammen. Die Bieter sollten den Leistungspreis anhand einer Musterwoche kalkulieren. Im Rahmen der Preiskalkulation sollten die Bieter die in dem abzuschließenden Schülerbeförderungsvertrag vorgesehene Preisanpassungsregelung berücksichtigen. Diese sah vor, dass eine Preisanpassung erst dann erfolgen würde, wenn die tatsächlich erbrachte Fahrleistung um mehr oder weniger als 25 % von den angebotenen Besetztkilometern pro Schuljahr abweichen würde. Nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe sollte der Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Niedersachsen vom 14. September 2001 i. d. F. des 4. Änderungsvertrages vom 13. April 2010 (TV-N Nds.) zur Anwendung gekommen. Es wurde ferner die Abgabe einer Tariftreueerklärung gefordert.

Im Rahmen der Angebotsbewertung stellte der Antragsgegner im Verhältnis zu den anderen Bietern ihm ungewöhnlich hoch erscheinende Besetztkilometerpreise der Antragstellerin fest. Er klärte daher die Preise der Antragstellerin durch Prüfung ihrer Preiskalkulation auf und hielt das Ergebnis in dem Vermerk vom 9. Juli 2014 fest. Der Antragsgegner schloss daraufhin die Angebote der Antragstellerin zu den Losen 1 bis 5 wegen unangemessen hoher Preise und fehlerhafter Preisangaben aus und teilte dies der Antragstellerin mit Bieterinformation vom 16. Juli 2014 mit. Zu dem Angebot zum Los 6 informierte er die Antragstellerin, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste gewesen sei und sie deshalb den Zuschlag nicht erhalten könne. Zu den Losen 7 und 8 hat der Antragsgegner das Vergabeverfahren aufgehoben, nachdem er die Angebote der Antragstellerin ebenfalls wegen unangemessen hoher Preise und fehlerhafter Preisangaben ausgeschlossen hat.

Die Antragstellerin hat unter dem 17. Juli 2014 Rügen erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Angebote seien nicht unangemessen hoch. Der Zuschlag auf Angebote der Beigeladenen sei vergaberechtswidrig, da deren Preise unter Missachtung der Tariftreueverpflichtung, jedenfalls aber nicht auskömmlich kalkuliert worden seien. Der Antragsgegner hat die Rügen zurückgewiesen und die Antragstellerin hat die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens unter dem 24. Juli 2014 beantragt. Dieses Verfahren hat sie unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres Sachvortrags mit dem Ziel verfolgt, dem Antragsgegner zu untersagen, den Zuschlag auf die Angebote der Erstplatzierten für die Lose 1 bis 6 zu erteilen sowie dem Antragsgegner zu untersagen, das Vergabeverfahren für die Lose 7 und 8 aufzuheben. Ferner sollte der Antragsgegner verpflichtet werden, bezüglich sämtlicher Lose erneut in die Angebotsbewertung unter Berücksichtigung der Angebote der Antragstellerin einzutreten. Der Antragsgegner hat seine Entscheidung verteidigt und ergänzend ausgeführt, Unterkostenangebote der anderen Bieter hätten nicht vorgelegen. Der Antragsgegner verweist hierzu auf die Prüfung des Angebots der Beigeladenen zu 4 im Los 5, das aufgeklärt worden und auskömmlich kalkuliert gewesen sei.

Die Vergabekammer hat eine Rechtsverletzung der Antragstellerin nur teilweise festgestellt. Der Antragsgegner ist lediglich verpflichtet worden, zu Los 4 erneut in die Angebotsbewertung einzutreten. Im Übrigen sei die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt worden, weil ihre Angebote zu Recht gem. § 19 Abs. 6 S. 2 EG VOL/A wegen eines offenbaren Missverhältnisses zwischen Angebotspreis und Leistung in den Losen 1 bis 5, 7 und 8 ausgeschlossen worden seien (Anm.: im Los 6 war die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht ausgeschlossen worden). Die genannte Vorschrift sei auch auf unangemessen erscheinende hohe Angebote eines Bieters anzuwenden. Nachdem ein Vergleich der Angebote der Antragstellerin mit denen der anderen Bieter ergeben habe, dass die Angebote der Antragstellerin erheblich und singulär herausragten, sei die Überprüfung der Preiskalkulation durch Aufklärung seitens des Antragsgegners berechtigt gewesen. Das im Einzelnen begründete Ergebnis der Aufklärung sei nachvollziehbar dargestellt, sodass die Antragstellerin in den Losen 1 bis 5 und 7 und 8 zu Recht ausgeschlossen worden sei. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin ergebe sich auch nicht dadurch, dass der Antragsgegner Angebote anderer Bieter nicht ausgeschlossen habe. Nach Überprüfung der von der Antragstellerin geltend gemachten Ausschlussgründe anderer Bieter gelangt die Vergabekammer zu einer hypothetisch neuen Wertung. In den Losen 1, 2, 3 und 5 könne die Antragstellerin keine Verbesserung ihrer Position erreichen, weil besser platzierte zuschlagsfähige Angebote verblieben seien. Hinsichtlich des Loses 4 würde kein zuschlagfähiges Gebot verbleiben, weil sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene zu 7 auszuschließen wären. Aus diesem Grund müsse der Antragsgegner in diesem Los erneut in die Angebotsbewertung eintreten. Im Los 6 sei die Antragstellerin nicht ausgeschlossen worden. Wegen eines besseren zuschlagfähigen Angebots sei aber das Angebot der Antragstellerin hier nicht zu berücksichtigen gewesen. Die Antragstellerin habe im Nachprüfungsverfahren nicht vorgetragen, warum das für diesen Zuschlag vorgesehene Angebot auszuschließen sei. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens betreffend die Lose 7 und 8 sei rechtmäßig, nachdem die Antragstellerin als einzige Bieterin zu Recht ausgeschlossen worden sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss der Vergabekammer vom 22. September 2014 verwiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist weiterhin der Auffassung, ihre Angebote hätten wegen unangemessen hoher Preise nicht ausgeschlossen werden dürfen. Vielmehr seien die konkurrierenden Angebote der übrigen Bieter vergaberechtswidrig nicht ausgeschlossen worden. So habe der Antragsgegner bei einigen Bietern nach Verwendung eines veralteten Preisblattes ein neues Preisblatt angefordert, so dass eine nicht zulässige inhaltliche Nachbesserung durchgeführt worden sei. Ferner hätten von einigen Bietern die Bundeszentralregisterauszüge nicht nachgefordert werden dürfen. Vor allem habe der Antragsgegner vergaberechtswidrig eine notwendige Preisaufklärung wegen des Verdachts der Unauskömmlichkeit der Preise der anderen Bieter nicht durchgeführt. Diese hätte ergeben, dass konkurrierende Bieter offensichtlich den tariflichen Mindestlohn nicht oder nur unzureichend eingepreist hätten, während sie - die Antragstellerin - unter Beachtung des tariflichen Lohns als einzige auskömmlich kalkuliert habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung der Antragstellerin sowie den Schriftsatz vom 20. November 2014 verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 22. September 2014 - Az: VgK-32/2014 - insoweit teilweise aufzuheben, als mit ihm der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 24. Juli 2014 in der in der mündlichen Verhandlung vom 4. September 2014 gestellten Form zurückgewiesen worden ist;

2. dem Antragsgegner (auch) für die Lose 1 bis 3 sowie 5 zu untersagen, den Zuschlag auf die Angebote der jeweiligen Erstplatzierten zu erteilen;

3. dem Antragsgegner zu untersagen, das Verfahren für die Lose 6, 7 und 8 aufzuheben; hilfsweise die Rechtswidrigkeit der Verfahrensaufhebung festzustellen;

4. den Antragsgegner (auch) für die Lose 1 bis 3 sowie 5 bis 8 zu verpflichten, unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin und Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats erneut in die Angebotsbewertung einzutreten bzw. das Verfahren ggf. in den Zustand vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen;

5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss. Das Angebot der Antragstellerin sei schon wegen der von ihr vorgenommenen Zuschläge unangemessen hoch. Soweit die Angebote weiterer Bieter - der Beigeladenen zu 3, 4 und 5 - nicht aufgeklärt worden seien, um ihre Auskömmlichkeit zu überprüfen, sei der Antragsgegner mangels Erreichens der Aufgreifschwelle dazu nicht verpflichtet gewesen. Im Übrigen dürfe er darauf vertrauen, dass die von den Bietern abgegebenen Verpflichtungserklärungen - insbesondere die Tariftreueerklärungen - auch eingehalten würden.

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2014 hat der Senat den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer zurückgewiesen.

Mittlerweile haben die Beigeladenen zu 1, 2, 6 und 7 der Verlängerung der Bindefrist ihrer Angebote nicht zugestimmt.

II.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache zum geringen Teil Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist - soweit in der Beschwerdeinstanz noch über ihn zu entscheiden ist - zulässig und jedenfalls insoweit begründet, als in Bezug auf die gem. Los 2 ausgeschriebenen Leistungen das Vergabeverfahren aufzuheben und bei weiterbestehender Vergabeabsicht des Antragsgegners der Auftrag neu auszuschreiben ist mit der Folge, dass die Antragstellerin erneut die Möglichkeit erhält, sich ggf. erfolgreich an dem Verfahren zu beteiligen. Im Übrigen hat der Antragsgegner die Antragstellerin aber zu Recht gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 EG VOL/A wegen eines offenbaren Missverhältnisses zwischen den von ihr angebotenen Preisen und den damit einhergehenden Leistungen von der Wertung in den Losen 1, 2, 3, 5, 7 und 8 ausgeschlossen. Insoweit kann wegen der Einzelheiten auf die Gründe zu II. des Senatsbeschlusses vom 2. Dezember 2014, an denen der Senat, von einer Abweichung abgesehen, weiter festhält, Bezug genommen werden.

Lediglich ergänzend gilt Nachfolgendes:

1. Wie ausgeführt, spricht der Vergleich der von der Antragstellerin angebotenen Preise mit der Kostenschätzung indiziell dafür, dass das Angebot der Antragstellerin deutlich überteuert sind. Dies gilt auch in Ansehen dessen, dass bislang auf einer anderen Grundlage und insbesondere noch nicht unter Berücksichtigung der Vorgaben des nach dem Niedersächsischen Tariftreuegesetz anwendbaren Spartentarifvertrags Nahverkehrsbetriebe vom 14. September 2001 i.d.F. des 4. Änderungstarifvertrages vom 13. April 2010 (TV-N) kalkuliert worden ist. Denn der Antragsgegner hat dem mit einem prognostizierten Kostenanstieg von 2 % und einem für die erhöhten Lohnkosten pauschal angenommenen Mehraufwand von 100.000 € in gewisser Weise Rechnung getragen. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass es sich dabei nur um einen groben Maßstab handeln kann, stellt die sich aus dem Vergleich ergebende deutliche Differenz in Form einer Überschreitung der Kostenschätzung um mehr als das Zweieinhalbfache jedenfalls einen Anhalt dafür dar, dass das Angebot der Antragstellerin weit außerhalb dessen liegt, was der Antragsgegner nach seiner Schätzung für realistisch gehalten hat. Dies gilt selbst dann, wenn man annimmt, die Einzelheiten der zukünftig erforderlichen Lohngestaltung seien nicht ausreichend in die Berechnung eingeflossen. Nur nebenbei ist daher darauf hinzuweisen, dass nach Kalkulation der Antragstellerin - etwa bezogen auf Los 1 - auf die Kosten der nach dem TV-N zu entlohnenden Fahrer nur ein Drittel entfällt, wohingegen diese Kosten bei den Geboten anderer Bieter die Hälfte ausmachen.

Des Weiteren hält der Senat daran fest, dass für ein Missverhältnis im Sinne des § 19 Abs. 6 EG VOL/A außerdem der Vergleich des Angebots der Antragstellerin mit denjenigen der anderen Bieter spricht. Daran ändert es nichts, dass aufgrund der Erkenntnisse der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer anzunehmen ist, dass die Beigeladenen zu 5 und 7 nicht mit dem Tarif-, sondern dem gesetzlichen Mindestlohn - soweit es die Beigeladene zu 5 betrifft, allerdings brutto - kalkuliert haben. Die Beigeladene zu 3 hat in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer erklärt, einen - den tarifvertraglichen Anforderungen entsprechenden - Stundenlohn von 12,64 € zu zahlen. Eine weitere Aufklärung - insbesondere, um zu überprüfen, ob die Beigeladene zu 3 mit dem tariflichen Stundenlohn gerechnet hat - kommt hingegen nicht in Betracht. Denn die Aufgreifschwelle, die eine Aufklärung eines Angebots gem. § 19 EG Abs. 6 Satz 1 VOL/A gebietet, die nach der überwiegenden Rechtsprechung der Vergabesenate bei 20 % liegt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. November 2011 - 13 Verg 6/11, juris Rn. 31 m.w.N.; vgl. auch Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 3. Aufl., § 19 EG Rn. 236), wird nicht erreicht. Gegenstand der Prüfung ist insoweit der Gesamtpreis. Dies gilt auch für das Angebot der Beigeladenen zu 3, das einen relevanten Abstand zu den Angeboten der anderen Bieter - mit Ausnahme der Antragstellerin - nicht aufweist. Eine Aufklärung ungeachtet des Erreichens der Aufgreifschwelle - etwa deswegen, weil die Beigeladene zu 3 in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer keine Auskunft dazu gegeben hat, ob sie den Tariflohn auch für Leerfahrten zahlt - ist nicht geboten. Zu Recht hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass er sich zunächst auf die Richtigkeit der von den Bietern abgegebenen Erklärungen verlassen können muss. Gibt ein Bieter eine unrichtige Erklärung ab oder hält er die abgegebene Erklärung später nicht ein, kann dies in zukünftigen Vergabeverfahren einen Ausschluss wegen mangelnder Eignung nach sich ziehen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Januar 2014 Verg 28/13, VergabeR 2014, 416 ff, juris Rn. 30). Insoweit ist der öffentliche Auftraggeber auch gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 NTVergG gehalten, Kontrollen durchzuführen und die Ahndung von Verstößen durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe sicherzustellen. Es kann daher offenbleiben, ob sich die Antragstellerin überhaupt auf die bieterschützende Wirkung von § 19 EG Abs. 6 Satz 1 VOL/A berufen kann.

Das Angebot der Antragstellerin ist aber vor allem deswegen unangemessen hoch, weil sie - wie sich aus ihrer Preiskalkulation ergibt - ungewöhnlich viele und hohe Preisaufschläge/Risikozuschläge auf den sog. Selbstkostenpreis vorgenommen hat. Bereits mit Beschluss vom 2. Dezember 2012 ist darauf hingewiesen worden, dass der auf Verwaltungskosten (ohne Personal) entfallende Aufschlag von 15 % nicht nachvollziehbar ist. Der mit 7 % kalkulierte Gewinn erscheint mit Blick auf das zugleich an die Alleingesellschafterin zu zahlende Geschäftsführergehalt recht hoch gegriffen, was zwar zulässig ist, aber das Angebot etwa im Vergleich mit den gemeinnützig tätigen Anbietern unwirtschaftlich macht. Was den Risikozuschlag wegen möglicher Minderleistungen, für die es nach dem vorgesehenen Vertrag mit dem Antragsgegner bis zu einer Abweichung von 25 % keinen Anpassungsanspruch geben soll, betrifft, hat die Antragstellerin mit dem "Worst- Case" gerechnet, ohne zu berücksichtigen, dass die Minderleistung ausbleiben oder geringer ausfallen kann bzw. sie bei einer 25 % übersteigenden Minderleistung einen Anspruch auf Anpassung des Preises hätte oder es ggf. sogar zu einer ihr günstigen - Mehrleistung kommen kann. Auf den nach diesen Kriterien er- rechneten Preis hat die Antragstellerin einen weiteren pauschalen Zuschlag nach der sog. Delphi-Methode vorgenommen, der ihr Risiko bei kurzfristigen Bedarfsschwankungen über 25 % hinaus ausgleichen soll und der mit Prozentsätzen zwischen 5,65 % (Los 4) und 16 % (Los 1) zu Buche schlägt. All dies bleibt der Antragstellerin unbenommen, führt jedoch in der Gesamtheit dazu, dass ihre Preiskalkulation deutlich übersichert ist. In der Summe betragen die Aufschläge bis zu 66 %, was wiederum zu eklatanten Preisabweichungen zu den anderen Bietern von ca. 60 % bis 200 % beiträgt.

2. Die Antragstellerin kann des Weiteren nicht verlangen, dass die übrigen Bieter - verblieben sind nach dem Rückzug der Beigeladenen zu 1, 2, 6 und 7 - noch die Beigeladenen zu 3, 4 und 5 - wegen nicht auskömmlicher oder unangemessen niedriger Angebote ausgeschlossen werden. Insoweit kann zunächst auf vorstehende Ausführungen sowie den Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2014 Bezug genommen werden. Selbst wenn man die Beigeladenen zu 4 und 5 ausschließen würde, müsste der Zuschlag entweder der Beigeladenen zu 3 erteilt oder das Vergabeverfahren aufgehoben werden.

3. Anderes gilt nur in Bezug auf das Los 2. Dort haben die Beigeladenen zu 1 und 6, die Gebote abgegeben hatten, wie gesagt, einer Verlängerung der Bindefrist nicht zugestimmt. Die Beigeladene zu 3 ist bereits ausgeschlossen worden. Die verbleibende Beigeladene zu 5 ist ihrerseits auszuschließen, weil sie den Nachweis, dass der gemäß Nr. 11.4.2 der Leistungsbeschreibung geforderte Bundeszentralregisterauszug für ihr Vorstandsmitglied R. angefordert worden ist, erst nach Ablauf der ihr dafür gesetzten Nachfrist (5. Juni 2014), nämlich am 6. Juni 2014 eingereicht hat. Angebote, die - wie hier - wirksam und eindeutig geforderte Erklärungen oder Nachweise nicht enthalten und die auch auf Aufforderung des öffentlichen Auftraggebers nicht innerhalb der eindeutigen und angemessenen Nachfrist, gegen die Bedenken vorliegend nicht bestehen, vervollständigt wurden, sind gem. § 19 EG Abs. 3 lit. a) VOL/A zwingend von der Wertung auszuschließen (vgl. Dittmann, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, aaO., § 19 EG Rn. 52). Auf die Frage, ob überdies ein Bundeszentralregisterauszug für das weitere Vorstandmitglied der Beigeladenen zu 5 hätte eingeholt werden müssen, kommt es mithin nicht an. Hinzu kommt, dass auch das geänderte Preisblatt mit einer Differenzierung nach Fahrzeugen mit und ohne Möglichkeit zur Rollstuhlbeförderung erst nach Ablauf der vorstehend genannten Frist eingereicht worden ist.

Der Antragsgegner dürfte daher berechtigt sein, wie von ihm im Beschwerdeverfahren angekündigt, das Vergabeverfahren betreffend Los 2 mangels Verbleibens zuschlagsfähiger Gebote aufzuheben. Die Aufhebung steht allerdings in seinem Ermessen. Ob von dem Ermessen Gebrauch gemacht werden soll und ob überhaupt noch eine Möglichkeit, das Verfahren fortzuführen, besteht, hat der Antragsgegner in eigener Verantwortung zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, juris Rn. 55).

4. Da angesichts der Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2014 nebst obiger Ergänzungen in den Losen 1, 3, und 5 jedenfalls die zuschlagsfähigen Angebote der Beigeladenen zu 3 verbleiben, kann der darüber hinaus gehende Antrag der Antragstellerin, den Beschluss der Vergabekammer teilweise abzuändern und dem Antragsgegner für die genannten Lose zu untersagen, den Zuschlag zu erteilen, aber keinen Erfolg haben. Dies gilt gleichermaßen für den Antrag, dem Antragsgegner zu untersagen, das Verfahren für die Lose 6 bis 8 aufzuheben, was für die Lose 7 und 8 ohnehin unmöglich wäre, denn die allein verbleibenden Angebote der Antragstellerin sind zu Recht ausgeschlossen worden. Aus gleichen Gründen kann nicht - wie hilfsweise beantragt - die Rechtswidrigkeit der Verfahrensaufhebung in Bezug auf die Lose 7 und 8 festgestellt werden. Ungeachtet dessen muss der Bieter die Aufhebung des Vergabeverfahrens grundsätzlich selbst dann hinnehmen, wenn - wie nicht - dafür kein in der Vergabeordnung anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt, denn er hat keinen Anspruch darauf, dass die Vergabestelle das Verfahren durch Erteilung des Zuschlags abschließt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2014 - X ZB 18/13, Verga- beR 2014, 538 ff., juris Rn. 20). Dies ist nur dann anders zu beurteilen, wenn der öffentliche Auftraggeber die Aufhebung dazu einsetzt, um in rechtlich zu missbilligender Weise die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen bestimmten Bieter oder unter anderen Voraussetzungen bzw. in einem anderen Bieterkreis vergeben zu können (BGH, aaO., Rn. 21). Dafür gibt es vorliegend jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Wegen des berechtigten Ausschlusses der Angebote der Antragstellerin ist der Antragsgegner zudem weder verpflichtet, erneut in die Angebotsbewertung einzutreten, noch das Verfahren in den Stand vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 S. 1 GWB. Trotz des Teilobsiegens der Antragstellerin betreffend die Aufhebung des Verfahrens in Los 2 entspricht es der Billigkeit, ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, denn bezogen auf das im Beschwerdeverfahren noch zur Entscheidung angefallene Gesamtauftragsvolumen (Lose 1 bis 3 und 5 bis 8), fällt der wirtschaftliche Wert des Loses 2 nicht wesentlich ins Gewicht, weshalb die Beteiligung des Antragsgegners an den Kosten weniger als ein Prozent betragen würde.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 50 Abs. 2 GWB. Hierbei war zu berücksichtigen, dass eine Entscheidung über das Los 4 mit einem Volumen von 33.517,36 € in der Beschwerdeinstanz nicht mehr zu überprüfen war, weshalb sich das bei der Ermittlung des Gegenstandswerts zu berücksichtigende Auftragsvolumen auf 96.183,02 € pro Woche reduziert hat. Multipliziert mit 95 Wochen ergibt sich ein Wert von 9.137.386,90 €. Aufzuschlagen sind weitere drei Jahre mit 38 Transportwochen (insgesamt 114 Wochen), was einen Betrag von 10.964.864€ ergibt, wovon wiederum ein Abschlag von 50 % vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 18. März 2014 - X ZB 12/13, VergabeR 2014, 545 ff., juris Rn. 13). Der sich daraus ergebende Betrag - 5.482.432 € - ist zu den o.g. 9.137.386,90 € hinzu zu addieren, woraus sich ein Wert von 14.619.818 € ergibt. 5 % davon belaufen sich auf 730.990,90 €.