Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 12.07.2017, Az.: VgK-17/2017

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
12.07.2017
Aktenzeichen
VgK-17/2017
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 28472
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabe der Verwertung von kompostierbaren Abfällen
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer BOR Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Sozialwirt Tiede auf die mündliche Verhandlung vom 12.07.2017 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

    Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für den Antragsgegner erforderlich.

  5. 5.

    Die Antragstellerin hat der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

    Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Beigeladene erforderlich.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2017 die Verwertung von kompostierbaren Abfällen an den Standorten xxxxxx und xxxxxx europaweit im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag in zwei Losen ausgeschrieben.

Das hier streitgegenständliche Los 2 umfasste die Behandlung und Verwertung von Bioabfällen sowie der am Standort xxxxxx angelieferten Grünabfälle für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2021. Gem. Ziffer II.2.11) der Bekanntmachung war eine jährliche optionale Verlängerung der Laufzeit bis längstens zum 31.12.2024 vorgesehen. Einziges Zuschlagskriterium war gem. II.2.5) der Bekanntmachung der niedrigste Preis. Nebenangebote waren nicht zulässig.

Nach den Vergabeunterlagen bestand für die Bieter in Bezug auf das Los 2 die Möglichkeit, Angebote zu zwei Angebotsalternativen anzubieten. Nach der Angebotsalternative A sollte der von dem beauftragten Sammeldienstleister angelieferte Bioabfall weiterhin auf der vorhandenen Kompostieranlage behandelt und anschließend verwertet werden. Nach der Angebotsalternative B sollte die Kompostierung am Standort aufgegeben und dieser lediglich als Umschlagsplatz genutzt werden. Die Behandlung und Verwertung sollte an von den Bietern zu benennenden externen Anlagen mit ausreichender Kapazität erfolgen.

Das Zuschlagskriterium "niedrigster Preis" galt dabei die Alternativen übergreifend.

Im Vorfeld der Ausschreibung wurde vom Antragsgegner eine Zustandsbewertung der Behandlungsanlage in Auftrag gegeben. Das diesbezügliche Gutachten des Ingenieurbüros xxxxxx mit Stand vom Juni 2016 war Bestandteil der Vergabeunterlagen. Zudem bestand für die Bieter die Möglichkeit, die Gegebenheiten der Anlage persönlich in Augenschein zu nehmen, wovon nach dem Protokoll über das Bietergespräch vom 24.04.2017 zumindestens die Beigeladene Gebrauch machte.

Den Auftragswert für das Los 2 schätzte der Antragsgegner nach Seite 4 des Vergabevermerks vorab auf 500.000,- € (netto) pro Jahr, entsprechend 2.380.000,- € (brutto) für vier Jahre ein. Basis der Kostenschätzung war nach dem Vergabevermerk der derzeitige jährliche Auftragswert.

Bis zum Ende der Angebotsfrist am 10.03.2017 wurden auf das Los 2 insgesamt vier Angebote abgegeben. Nach der rechnerischen Prüfung der Angebote lag das Angebot der Beigeladenen mit einer Angebotssumme von xxxxxx € (brutto) für vier Jahre auf Rang 1, das der Antragstellerin als derzeitige Leistungserbringerin mit einer Angebotssumme von xxxxxx (brutto) für vier Jahre auf Rang 2. Beide Bieter hatten auf die Angebotsalternative A geboten. Die Wertung der Angebote wurde auf allen Stufen durch den Antragsgegner im Vergabevermerk vom 05.05.2017 dokumentiert. Die Beigeladene legte danach alle durch die Vergabeunterlagen geforderten Erklärungen, Zertifikate, Konzepte und sonstigen Nachweise bereits mit dem Angebot vollständig vor. Soweit notwendig wurden die vorgenannten Unterlagen für die im Jahre 2016 gegründete Beigeladene im Rahmen einer Eignungsleihe von deren Schwesterunternehmen, der xxxxxx erbracht. Eine entsprechende Verpflichtungserklärung wurde mit dem Angebot vorgelegt.

Aufgrund des preislichen Abstands zwischen den Angeboten von über 20 % führte der Antragsgegner mit der Beigeladenen ein Bietergespräch zur Angebotsaufklärung durch. In dem Bietergespräch wurde u. a. die nachgeforderte Urkalkulation der Beigeladenen geöffnet und durch den vom Antragsgegner beauftragten Projektabwickler, der telefonisch zugeschaltet wurde, hinterfragt. Im Weiteren wurde von der Beigeladenen der von ihr geplante geänderte Anlagenbetrieb erläutert. Das vier Seiten umfassende Protokoll über das Bietergespräch vom 24.04.2017 ist als Anlage zum Vergabevermerk Bestandteil der Vergabeakte, das Ergebnis der Aufklärung auf Seite 26 des Vergabevermerks dokumentiert. Nach dem Vergabevermerk sah der Antragsgegner im Ergebnis keine Anhaltspunkte für ein Missverhältnis zwischen dem Angebotspreis der Beigeladenen und der zu erbringenden Leistung.

Mit Bieterinformation gem. § 134 GWB vom 02.06.2017 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin bezüglich des Loses 2 mit, den Zuschlag frühestens am 13.06.2017 auf das Angebot der Beigeladenen erteilen zu wollen. Die Antragstellerin habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.

Hieraufhin rügte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.06.2017 das Vergabeverfahren. Sie trug vor, dass sie als fachkundiges und als derzeitige Leistungserbringerin mit der Anlage vertrautes Unternehmen bereits ein günstiges Angebot unterbreitet habe. Sie gehe deshalb davon aus, dass die Beigeladene, ggf. unter Verstoß gegen die Mindestlohnbestimmungen, ein unauskömmliches Angebot abgegeben habe, zu dem die Leistung über den Leistungszeitraum nicht zu erbringen sei und der Antragsgegner insoweit seiner Preisprüfungsverpflichtung gem. § 60 VgV nicht in ausreichender Weise nachgekommen sei. Zudem gehe sie davon aus, dass die unter Ziffer 3.2.3 auf Seite 16 der Vergabeunterlagen verlangten Konzepte der Beigeladenen nicht den abfallwirtschaftlichen Anforderungen genügten und die Beigeladene ihre Eignung damit nicht ausreichend nachgewiesen habe.

Noch vor dem Erhalt der Rügeerwiderung beantragte die Antragstellerin wegen des am darauf folgenden Tage drohenden Zuschlags mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.06.2017 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig.

Alle formalen Zulässigkeitsvoraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Anders als die Bevollmächtigte des Antragsgegners meine, seien die vorgetragenen Rechtsverstöße auch solche gegen bieterschützende Vorschriften. Nach der Entscheidung des EuGH vom 29.03.2012 und der nachfolgenden Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 31.10.2012 sei die Verpflichtung des Auftraggebers zur Prüfung der Angemessenheit des Angebotspreises bieterschützend. Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners habe fehlenden Bieterschutz suggeriert und ausschließlich den Bieterschutz verneinende ältere Rechtsprechung zitiert. Dies sei fragwürdig.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.

Der Zuschlag dürfe nicht auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden, weil der angebotene Preis in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehe. Die Antragstellerin verfüge als Bestandsunternehmerin über jahrelange Erfahrung mit den Bedingungen der Nutzung der Kompostieranlage, ihren technischen Besonderheiten und einer der Wirtschaftlichkeit entsprechenden Vermarktung der gewonnen Stoffe. Weiterhin verfüge sie bereits über die notwendigen Betriebsmittel, die durch den Auftragnehmer selbst zu beschaffen und nach dem vorliegenden Entwurf des Pachtvertrages nicht mitverpachtet seien, wie Radlader, Schredder und Abrollcontainer. Es könne deshalb ausgeschlossen werden, dass die Beigeladene einen niedrigeren Angebotspreis als die Antragstellerin anbieten konnte, ohne dass dieser in einem Missverhältnis zur angebotenen Leistung stehe.

Die Wertung des Angebotes der Beigeladenen und die erfolgte Aufklärung beruhe bereits auf unzutreffenden Sachverhaltsannahmen des Antragsgegners. So habe der Antragsgegner den Auftragswert nach seinem Vergabevermerk auf Basis des aktuellen Auftragswerts auf 500.000,- €/a geschätzt.

Diese Kostenschätzung setze eine ordnungsgemäße und vertragskonforme Aufbereitung der Bio- und Grünabfälle in der vom Antragsgegner vorgesehenen Menge von 20.000 t p. a. voraus. Dieser notwendige Durchsatz sei jedoch aufgrund der unzulänglichen Anlagenausstattung der Kompostierungsanlage nicht zu erreichen. So würde vorgesehene Anlagentechnik wie die Kondensatoren für die Rotteboxen mit Kühlturm fehlen, oder aber wie das Volumen der Rotteboxen oder die Fläche für die Nachrotte unterdimensioniert sein.

Die Unzulänglichkeiten der Anlage habe die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner beginnend im Jahre 2015 zunächst mündlich und im Weiteren schriftlich kommuniziert und auf Ertüchtigung der Anlage bzw. Anpassung des Entgeltes für den Betrieb gedrängt, was der Antragsgegner unter Hinweis auf die Regelungen des Pachtvertrages abgelehnt habe.

Diese Umstände würden dazu führen, dass die Antragstellerin die Anlage z. Zt. mit einem Verlust von 20.000,00 € pro Monat betreibe.

Angesichts dieser Kommunikation mit dem Antragsgegner sei es vergaberechtlich missbräuchlich, dass der Antragsgegner bei der Auftragswertschätzung und bei der Auskömmlichkeitsprüfung den aktuellen Auftragswert zum Maßstab gemacht habe. Der Antragsgegner lasse die Beigeladene sozusagen sehenden Auges in das wirtschaftliche Risiko eines erheblichen defizitären Anlagenbetriebs laufen, was angesichts der Größe des Unternehmens existenzgefährdend sein könne und damit auch die Entsorgungssicherheit für den Antragsgegner gefährde.

Aus den dargelegten Gründen ergebe sich auch, dass die Ausführungen der Antragstellerin zu den unangemessen niedrigen Preisen keineswegs "ins Blaue hinein" erfolgt seien.

Im Weiteren habe sich aus dem Vergabevermerk des Antragsgegners ergeben, dass die Beigeladene beabsichtige, die Anlage in einer "anderen Anlagenkonfiguration" zu betreiben. Nach den Vergabeunterlagen zur Angebotsalternative A war die Kompostieranlage aber in der vorgegebenen Konfiguration zu nutzen. Abweichungen waren nur innerhalb dieser Konfiguration und in der Verwertungskette (Nutzung einer weiteren Anlage) zugelassen. Eine andere Anlagenkonfiguration, wie sie die Beigeladene offenbar angeboten habe, stelle nicht mehr die Nutzung der bestehenden Anlage dar und sei mithin ein nicht zugelassenes Nebenangebot oder stelle eine unzulässige Abweichung von den Vergabeunterlagen dar, was zu der Verpflichtung des Antragsgegners führe, den betreffenden Bieter auszuschließen.

Und schließlich gehe die Antragstellerin weiterhin davon aus, dass die Beigeladene ihr Angebot unter Verstoß gegen die Mindestlohnvorschriften gelegt habe und zudem ihre Eignung nicht ausreichend nachgewiesen habe, indem die nach den Vergabeunterlagen verlangten Konzepte der Beigeladenen nicht den abfallwirtschaftlichen Anforderungen genügten und sie zudem keine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb nach § 56 KrWG vorgelegt habe.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    Ein Vergabenachprüfungsverfahren gem. § 107 Abs. 1 GWB gegen den Antragsgegner wegen der Vergabe eines Auftrages zur Verwertung von kompostierbaren Abfällen, Bekanntmachung im EU-Amtsblatt xxxxxx, einzuleiten und den Antragsgegner unverzüglich gem. § 115 Abs. GWB in Textform über den Nachprüfungsantrag zu informieren;

  2. 2.

    den Antragsgegner zu untersagen, auf Grundlage des bisherigen Verfahrens den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu dem Los 2 zu erteilen;

  3. 3.

    festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist und den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren in Bezug auf Los 2 in den Stand vor der Angebotswertung zurückzuversetzen und die Angebote zu Los 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu bewerten;

  4. 4.

    hilfsweise andere zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin gebotene Anordnungen zu treffen;

  5. 5.

    dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;

  6. 6.

    die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Weiterhin wird beantragt,

der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag vom 12. Juni 2017 zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen,

  3. 3.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für den Antragsgegner notwendig war.

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig.

Das Schreiben der Antragstellerin vom 08. Juni 2017 sei nicht als Rüge i. S. v. § 160 Abs. 3 GWB, sondern als Akteneinsichtsgesuch zu qualifizieren. Es fehle in dem Schreiben an einem konkreten Abhilfeverlangen, so dass es nicht als wirksame Rüge zu qualifizieren sei.

Hinsichtlich der behaupteten fehlenden Eignung der Beigeladenen fehle es zudem an einer ausreichenden Begründung des Nachprüfungsantrages. Um den Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu eröffnen, bedürfe es der Darlegung zumindest einer konkreten, nicht völlig vagen und pauschal behaupteten Vergaberechtsverletzung. Eine aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung sei unzulässig und unbeachtlich. Die Vergabekammer sei bei einem Vortrag "ins Blaue hinein" von der Notwendigkeit einer vollständigen Sachaufklärung von Amts wegen entbunden.

Soweit sich die Antragstellerin schließlich auf eine angebliche Unauskömmlichkeit des Angebotes der Beigeladenen stütze, fehle es ihr an der Antragsbefugnis, weil die Verpflichtung der Auftragsgebers zur Prüfung der Angebotspreises grundsätzlich nicht bieterschützend sei, sondern dem Schutz des Auftraggebers diene, der davor bewahrt werden solle, Verträge mit Auftragnehmern einzugehen, die wegen einer unauskömmlichen Preiskalkulation in Gefahr geraten, ihren Leistungsverpflichtungen nicht nachkommen zu können.

Der Nachprüfungsantrag sei überdies auch unbegründet.

Der Antragsgegner habe die Auskömmlichkeit des Angebotes der Beigeladenen ordnungsgemäß geprüft. Der Abstand zwischen den Preisen der Beigeladenen und der Antragstellerin habe über der sog. Aufgreifschwelle von 20 % gelegen. Dieser Abstand habe dazu geführt, dass der Antragsgegner eine Angemessenheitsprüfung gem. § 60 Abs. 1 VgV durchgeführt habe.

Bei der Prüfung der Angemessenheit des Angebotspreises sei zunächst zu berücksichtigen gewesen, dass dieser ausweislich des Vergabevermerks oberhalb der Auftragswertschätzung des Antragsgegners gelegen habe. Zudem habe die Beigeladene, wie auch ihre im Rahmen der Eignungsleihe in Anspruch genommene Schwestergesellschaft, die vom Auftraggeber verlangte Tarifreue- und Mindestentgelterklärung unterschrieben eingereicht und sich damit zur Einhaltung der diesbezüglichen Vorschriften verpflichtet. Gleichwohl habe der Antragsgegner aufgrund des Preisabstandes hier das Erfordernis einer Aufklärung des Angebotspreises der Beigeladenen gesehen.

In dem mit der Beigeladenen am 24.04.2017 geführten Bietergespräch habe eine dezidierte Aufklärung des Angebotes und der Preisermittlungsgrundlagen u. a. anhand der geöffneten Urkalkulation stattgefunden. Die Beigeladene habe im Rahmen der Aufklärung den von ihr geplanten Ablauf der Leistungserbringung und den geplanten Personaleinsatz erläutert. Es habe auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die für das Unternehmen geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten würden. Diese Prüfung habe deshalb zu dem Ergebnis geführt, dass der Angebotspreis der Beigeladenen wettbewerblich begründet sei.

Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 26.06.2017 in diesem Zusammenhang vorgetragen habe, die Anlage z. Zt. nur mit einem monatlichen Verlust von 20.000,00 € betreiben zu können, sei dies seitens des Antragsgegners mit Nichtwissen zu bestreiten. In den von der Antragstellerin angeführten Gesprächen vom 16. September 2015 und 8. April 2017 sei nicht über konkrete Verlustzahlen gesprochen worden.

Der Antragsgegner habe zudem auch die Eignung der Beigeladenen zu Recht bejaht. Die insoweit ins Blaue hinein erhobenen Behauptungen der Antragstellerin gingen allesamt ins Leere. Die Beigeladene habe sich in zulässiger Weise des Instruments der Eignungsleihe gem. § 47 VgV bei ihrer Schwestergesellschaft bedient. Eine entsprechende Verpflichtungserklärung liege vor. Die Schwestergesellschaft habe zudem die erforderlichen Eignungsnachweise wie das geforderte EfB-Zertifikat nach § 56 KrWG sowie die geforderte Tariftreue- und Mindestentgelterklärung vorgelegt.

Und schließlich führe es auch nicht zum Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen, dass diese im Rahmen der Auftragsdurchführung eine Optimierung der Anlagensteuerung beabsichtige. Mögliche Änderungen an der Kompostieranlage seien u. a. nach Ziffer 6.4.2.3 der Leistungsbeschreibung ausdrücklich zulässig gewesen. In dem Protokoll zum Bietergespräch vom 24. April 2017 sei zu den beabsichtigten Optimierungsmaßnahmen ausdrücklich festgehalten worden, dass alle diesbezüglichen technischen Änderungen und Einbauten vom Auftragnehmer zu leisten und finanzieren sind. Bei den beabsichtigten Änderungen handele es sich weder um eine Änderung der Vergabeunterlagen noch um ein unzulässiges Nebenangebot.

Die Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens.

  3. 3.

    Die Hinzuziehung als Bevollmächtigte der Beigeladenen wird für notwendig erklärt.

Sie tritt dem Vorbringen des Antragsgegners bei. Ergänzend trägt sie vor, dass die Antragstellerin, soweit sie sich auf eine defizitäre Zustandsbeschreibung der Anlage und damit verbundene kalkulatorische Risiken für andere Bieter berufe, diesen Umstand mit Blick auf § 31 VgV gem. § 160 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GWB hätte rügen müssen. Dies habe sie aber auch nach dem Bieterrundschreiben des Antragsgegners vom 02.03.2017 unterlassen.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Ausgestaltung der Vergabeunterlagen nicht in ihren Bieterrechten gemäß § 97 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 GWB verletzt. Die Antragstellerin hat ihre Verpflichtung, die Rügen substantiiert vorzutragen, nur teilweise erfüllt. Die Antragstellerin trägt im Nachprüfungsverfahren nicht gerügte Sachverhalte vor (vgl. nachfolgend zu 1).

Der Antragsgegner hat bei der Aufklärung des als ungewöhnlich niedrig angesehenen Angebots der Beigeladenen die gesetzlich normierten Vergabevorschriften fachgerecht angewandt, sein Ermessen unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BGH angemessen und rechtsfehlerfrei ausgeübt (vgl. nachfolgend zu 2c). Daher war er nicht verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen.

1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig. Der Antragsgegner ist als Gebietskörperschaft öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Der Antragsgegner vergibt hier einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Für diesen gilt gem. § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2004/24/EU in der seit 01.01.2016 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 209.000 €. Die vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzten Kosten beider Lose liegen laut Vergabevermerk Ziffer 2.2 bei xxxxxx € netto jährlich (xxxxxx/7 Jahre) also für die geplante Vertragsdauer auch ohne Verlängerungsoption über dem Schwellenwert.

Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat ein Interesse am Auftrag und beschreibt die Verletzung von Rechten, weil Vergabevorschriften nicht beachtet wurden, indem sie die unter I. dargestellten Beanstandungen erhebt.

Spätestens seit der jüngsten Entscheidung des BGH (BGH, Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16) ist anerkannt, dass § 60 VgV vollumfänglich drittschützend ist. Zuvor hatten noch OLG Düsseldorf (Beschluss vom 09.05.2011, VII Verg 45/11) und OLG München (OLG München, Beschluss vom 21.05.2010 - Verg 2/10) zu den Vorgängerregelungen § 16 EG Abs. 6 VOB/A bzw. § 19 EG Abs. 6 Satz 2 VOL/A vertreten, ein Bieterschutz entstehe nur, wenn Angebote mit unangemessen niedrigem Preis zusätzlich in der zielgerichteten Absicht der Marktverdrängung abgegeben worden seien, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt ganz (und nicht nur von einer einzelnen Auftragsvergabe) verdrängt würden. Genauso gehörten dazu Angebote, bei denen die (niedrige) Preisgestaltung den Auftragnehmer voraussichtlich in so erhebliche Schwierigkeiten bringen werde, dass er den Auftrag nicht zu Ende ausführen könne, sondern die Ausführung abbrechen müsse. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung liege in diesen Fällen darin, dass die am Vergabeverfahren beteiligten Wettbewerber, die die ausgeschriebene Leistung zu angemessenen Preisen angeboten haben, nicht mehr in die Ausführung des Auftrags eintreten können, weil eine Übernahme wegen der Entwicklung ihrer geschäftlichen Verhältnisse, namentlich wegen einer anderweiten Bindung ihrer Leistungskapazitäten, ausgeschlossen sei.

Der BGH hat den Drittschutz gegenüber dieser älteren Rechtsprechung deutlich erweitert.

Erscheint ein Angebotspreis aufgrund des signifikanten Abstands zum nächstgünstigen Gebot oder ähnlicher Anhaltspunkte, wie etwa der augenfälligen Abweichung von preislichen Erfahrungswerten aus anderen Beschaffungsvorgängen, ungewöhnlich niedrig, können die Mitbewerber verlangen, dass die Vergabestelle in die vorgesehene nähere Prüfung der Preisbildung eintritt (BGH, Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16). Die Antragstellerin trägt einen niedrigen Angebotspreis vor, ist daher insoweit antragsbefugt.

Teilweise zu Recht wendet sich der Antragsgegner gegen weitere sehr pauschal formulierte Inhalte der Rüge. Bei der Substantiierungspflicht der Rüge handelt es sich nicht um eine reine Formalie. Vielmehr soll die Rüge den Antragsgegner in die Lage versetzen, etwaige Rechtsverstöße selbst zu erkennen, und diesen abzuhelfen. Dazu ist es erforderlich, dass der Anbieter in verfahrensfördernder Weise die Mängel konkret vorträgt, um eine sachgerechte Abhilfe zu ermöglichen. Was dem Bieter an Substantiierung abverlangt wird, lässt sich nicht generell sagen, sondern hängt davon ab, inwieweit die Vergabeunterlagen oder die Vorabinformation ihn zum Vortrag in Stande gesetzt haben. Jedoch reichen pauschale und unsubstantiiert "ins Blaue hinein" erhobene Behauptungen in der Erwartung, die Aufklärungspflicht der Vergabekammer werde zum Nachweis eines Vergabeverstoßes führen, nicht aus. Andererseits hat ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens. Deshalb darf die Antragstellerin im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was sie auf der Grundlage ihres - nur beschränkten - Informationsstands redlicher Weise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot der Beigeladenen betreffen. Die Anforderungen an die Antragsbefugnis dürfen nicht überspannt werden (Byok in Byok/Jaeger § 107, Rdnr. 11). Die Antragstellerin muss aber zumindest tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus (OLG München, Beschluss vom 07.08.2007 - Verg 8/07). Nimmt die Antragstellerin dagegen ihr bekannte Tatsachen zum Anlass, auf eine möglicherweise unzutreffende Wertung zu schließen, so können die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge bereits erfüllt sein (OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. August 2012 - Verg W 5/12; VK Brandenburg, Beschluss vom 20.01.2014 - VK 27/13; VK Niedersachsen, Beschluss vom 26.08.2014 - VgK-31/2014, Beschluss vom 12.06.2015, VgK-17/2015).

Da das Vergabenachprüfungsverfahren inhaltlich auf die Punkte beschränkt ist, die zuvor gerügt worden sind, mag es einem Anbieter zunächst taktisch klug erscheinen, möglichst viele Fehler zu rügen, um möglichst viele Einwendungen weiter verfolgen zu können. Das findet aber seine Grenze, wenn die Rügen nur noch aus einer Aneinanderreihung von Schlagworten bestehen, die nicht mehr Bezug zum konkreten Vergabeverfahren haben als das Stichwortverzeichnis am Ende eines Vergaberechtskommentars.

Die Antragstellerin hat die Inhalte der Vergabeunterlagen, insbesondere die auf Seite 29 der Leistungsbeschreibung angegebenen vom Antragsgegner behaupteten Kompostmengen der Jahre 2014 - 2016 nicht bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist gerügt. Dazu wäre sie gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB verpflichtet gewesen, wenn sie die Auffassung vertreten will, die Vergabeunterlagen enthielten insoweit einen Fehler, weil eine ordnungsgemäße und vertragskonforme Aufbereitung der Bio- und Grünabfälle in der vom Antragsgegner vorgesehenen Menge von bis zu 20.000 t pro Jahr in dieser Anlage nicht möglich sei. Das Gutachten der xxxxxx war Teil der Vergabeunterlagen. Darin findet sich auf Blatt 30 (Blatt 329 der Vergabeakte) ein deutlicher Hinweis, dass ein dauerhaft rechtskonformer Betrieb bei den genannten Mengen nur möglich sein wird, wenn der Anbieter diese Anlage entweder deutlich umrüstet, oder ergänzend eine zweite Anlage nutzt, um die anfallenden Mengen zu bewältigen. Wer seine Wettbewerbschancen durch eine solche Kombination gefährdet sieht, muss als fachkundiger Bieter bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist eine Rüge erheben.

Das gilt erst recht, wenn die Antragstellerin wie in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, meint, die Vergabeunterlagen untersagten eine Veränderung der Anlagenkonfiguration.

Gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn nicht Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. An einer solchen Rüge fehlt es. Die Antragstellerin ist daher mit allen Rügen zum Inhalt der Vergabeunterlagen präkludiert (vgl. OLG Celle Beschluss vom 12.04.2016, 13 Verg 1/16 Ziffer 2, Erkennbarkeit des behaupteten Verstoßes aus den Vergabeunterlagen).

Gerügt hat die Antragstellerin vier Sachverhalte, von denen zwei inhaltlich zusammenhängen.

Der Vortrag, die Beigeladene habe bestimmte benannte Konzepte nicht vorgelegt und sei deshalb nicht geeignet, ist hinreichend konkret, damit die Vergabestelle dem nachgehen kann.

Inhaltlich zusammen hängen die Rügen, es bestünde ein Missverhältnis des Preises zur angebotenen Leistung und der Antragsgegner verstoße gegen die Pflicht zur Prüfung eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes. Inhaltlich geht der Einwand über den aus der Bieterinformation erkennbaren Sachverhalt hinaus und lässt erkennen, dass die Antragstellerin der Auffassung ist, sie habe sehr günstig angeboten und nach Gründen sucht, ein günstigeres Angebot, von dem sie wohl doch abseits der Bieterinformation erfahren hat, dass es auch deutlich günstiger gewesen sei, zu erklären. Die inhaltliche Schwäche des Sachvortrags ist mit der eingeschränkten Kenntnis über das Angebot der Beigeladenen erklärbar. Diese Rügen genügen daher der Substantiierungspflicht.

Der Vortrag, die Beigeladene unterschreite die Mindestlohnbestimmungen, verstoße damit gegen das Gesetz, ist dagegen unsubstantiiert. Wer einen Verstoß des Konkurrenten gegen arbeitsrechtliche gesetzliche Verpflichtungen behauptet, stellt einen Ausschlussgrund gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB dar, der in erheblichem Maße geschäftsschädigend ist. Das darf nicht ohne sachlichen Grund geschehen. Dieser sachliche Grund ist zu benennen und durch geeignete Beweise zu untermauern. Das Vergabenachprüfungsverfahren ist auch bei steigender Digitalisierung durch die E-Vergabe keine Plattform und kein Forum für üble Nachrede.

Die Antragstellerin hat vor Erhebung des Nachprüfungsantrags gegenüber dem Auftraggeber eine Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB erhoben. Nach dieser Vorschrift ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von 10 Kalendertagen gerügt hat.

Die Antragstellerin beruft sich auf Einwendungen gegen die Person und das Angebot der Beigeladenen, die ihr erst bekannt wurden, nachdem sie vom Antragsgegner gemäß § 134 Abs. 1 GWB darüber informiert wurde, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden sollte. Die Bieterinformation erhielt die Antragstellerin mit Fax vom 02.06.2017, ihre Rüge erhob sie am 08.06.2017. Somit hielt sie die Zehntagesfrist ein.

Das Schreiben vom 08.06.2017 ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners eindeutig als Rüge anzusehen. Es verwendet nicht nur den Begriff der Rüge, sondern benennt eindeutig einen von der Antragstellerin gesehenen Vergabeverstoß, nämlich die Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen und führt die obigen Gründe an, weshalb die Beigeladene den Zuschlag nicht erhalten dürfe.

Die Antragstellerin fordert den Antragsgegner in der Rüge vom 08.06.2017 auf, den mit den geschilderten Sachverhalten verbundenen Verstoß zu beseitigen bzw. zu unterlassen. Das ist sehr allgemein formuliert, aber unter Berücksichtigung der Eile, in der Rügen zu erheben sind, noch zulässig. Eine besondere Form für die Rüge schreibt § 160 Abs. 3 GWB nicht vor (Hofmann in Müller-Wrede Vergaberecht Kommentar § 160, Rn. 49). Die Rüge muss nicht zwingend als solche bezeichnet sein. Erforderlich ist allerdings, dass aus ihr für den Auftraggeber unmissverständlich hervorgeht, welches Verhalten als Vergaberechtsverstoß angesehen wird und inwiefern der Bieter vom Auftraggeber Abhilfe verlangt (Hofmann in: Müller-Wrede Vergaberecht Kommentar § 160, Rn. 50). Diese Anforderungen erfüllt die Rüge.

Ihren Nachprüfungsantrag stützt die Antragstellerin auch darauf, dass die Beigeladene nicht über die erforderliche Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb bzw. die Genehmigung nach § 56 KrWG verfüge. Dieser Sachverhalt ist trotz der versuchten Subsumtion unter den gerügten Oberbegriff der fehlenden Eignung nicht gerügt worden, somit gemäß § 160 Abs. 3 GWB präkludiert. Die Rüge beschränkt sich konkret auf die Punkte 4 - 7 auf Blatt 16 der Vergabeunterlagen und Inhalte der Anlage F. Dabei handelt es sich erkennbar um die Ziffern 9 - 13 der Anlage F, da die vom Antragsgegner verwendete Anlage F zwischen den Losen 1 und 2 differenziert. Zu den dort geforderten Unterlagen gehört der Nachweis der Zulassung als Entsorgungsfachbetrieb nicht. Bei allem Verständnis für die engen Rügefristen hat die Vergabekammer gleichermaßen die berechtigten Interessen des Auftraggebers zu berücksichtigen, der aufgrund der gesetzlichen Wertung nicht ohne ad hoc abrufbare Gründe am Zuschlag gehindert werden soll.

Zulässig ist dagegen der nach Akteneinsicht in das Verfahren eingefügte Vortrag, die Beigeladene habe die Vergabeunterlagen geändert oder ein nicht zugelassenes Nebenangebot abgegeben. Die Antragstellerin stützt sich hier auf Kenntnisse zum Inhalt des Angebots der Beigeladenen, die sie erst durch die Akteneinsicht nach Erhebung des Nachprüfungsantrags erlangt hat. Solche Sachverhalte sind nicht mehr zu rügen, da die Rüge ihre streitvermeidende Wirkung nur vor Erhebung eines Nachprüfungsverfahrens entfalten kann.

Die Vergabekammer hält den Nachprüfungsantrag daher überwiegend für zulässig. Auf der Ebene der Zulässigkeitsprüfung geht es nur darum, ob die Rüge dem öffentlichen Auftraggeber ermöglicht, einen konkreten Sachverhalt aus der Vergabeentscheidung auf einen möglichen Vergabeverstoß prüfen zu können. Es genügt daher für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können. Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).

Der Nachprüfungsantrag ist somit abgesehen von den Einwänden, die Kompostierungsanlage könne nicht jährlich 19.000 t Bioabfall zu Kompost verarbeiten, der Beigeladenen fehle die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb bzw. eine Genehmigung nach § 56 KrWG und zahle ihren Mitarbeitern weniger als den Mindestlohn, zulässig.

2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, erweist er sich als unbegründet. Die Vorgehensweise des Antragsgegners lässt Verstöße gegen seine vergaberechtlichen Verpflichtungen mit Schutzwirkung zugunsten der Antragstellerin nicht erkennen. Sie hat gemäß § 97 Abs. 6 GWB einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Diese Bestimmungen sehen in § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB vor, dass öffentliche Aufträge im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben werden. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die Teilnehmer sind gleich zu behandeln, es sei denn eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet. Die Beauftragung eines Angebots, dessen niedriger Preis sich nicht zufriedenstellend aufklären lässt, wäre ein Verstoß gegen drittschützende Bestimmungen des Vergabeverfahrens.

a) Entgegen der Darstellung der Antragstellerin handelt es sich bei dem Angebot der Beigeladenen nicht um ein gemäß Ziffer 2.1.3 des Leistungsverzeichnisses ausgeschlossenes Nebenangebot. Ein - hier nicht zugelassenes - Nebenangebot gemäß § 35 VgV ist ein Angebot, welches von den Anforderungen der Leistungsbeschreibung für das Hauptangebot abweicht (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 18.5.2016, 1 Verg 1/16; Müller-Wrede in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, § 127 GWB Rz. 188). Der Antragsgegner hat jedoch auf Blatt 7 der Leistungsbeschreibung zu Los 2 keine genauen Vorgaben gesetzt, wie die Abfallbehandlungsanlage xxxxxx weiter zu betreiben ist. Insbesondere findet sich im Leistungsverzeichnis nicht die von der Antragstellerin behauptete Einschränkung "in ihrer vorgegebenen technischen Konfiguration". Daher ist die von der Antragstellerin behauptete Abweichung nicht belegbar. Der Antragsgegner hat unter 6.4.2.3 der Leistungsbeschreibung (Blatt 182 der Verwaltungsakte) deutlich gemacht, dass der Auftragnehmer in Abstimmung mit dem Auftraggeber auch genehmigungsrelevante Änderungen an der Anlage vornehmen darf. Er hat ferner zugelassen, dass neben dieser Abfallbehandlungsanlage je eine weitere Anlage als Erstanlage für den Bioabfall und für den Grünabfall verwendet wird. Auch zur Art dieser weiteren Erstanlage hat er keine Vorgaben erteilt.

Der Antragsgegner hat lediglich die verpflichtende Vorgabe gesetzt, dass je nur eine Drittanlage für den Bioabfall und für den Grünabfall als Erstanlage betrieben werden könne.

Soweit die Beigeladene technische Veränderungen in der bestehenden Anlage durchführen will, ist dies keine Abweichung von der Leistungsbeschreibung oder gar eine Auftragsänderung gemäß § 132 GWB, sondern ein Nutzen der dem Anbieter überlassenen umfangreichen Spielräume. Es ist daher keine Abweichung von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses, wenn die Beigeladene den Einsatz einer anderen Anlagenkonfiguration für die 20 Jahre alte an der Kapazitätsgrenze arbeitende Altanlage plant. Somit handelt es sich bei der Vergabeunterlage um eine funktionale Leistungsbeschreibung mit der Vorgabe, den anfallenden Bioabfall an der benannten Anlage oder anderswo ordnungsgemäß zu verwerten.

b) Die Annahme der Antragstellerin, die Beigeladene habe die nach Ziffer 3.2.3 der Vergabeunterlagen Punkte 4 - 7 auf Seite 16 der Vergabeunterlagen vorzulegenden Konzepte nicht in einer Weise vorgelegt, die den abfallwirtschaftlichen Anforderungen genügten, erweist sich nach Einsichtnahme in das Angebot der Beigeladenen als unzutreffend.

Die Beigeladene hat in den Angebotsunterlagen dargelegt, dass sie über eine Holding mit einer weiteren Tochtergesellschaft gleichen Namens mit Sitz in xxxxxx verbunden ist und sich hinsichtlich der Leistungsfähigkeit in Form einer Eignungsleihe bei dieser Tochtergesellschaft bedient. Dieses Verfahren, dass sich größere Firmen in kleinere Firmen aufspalten, bis dahin, dass jede Anlage von einer besonderen Firma betrieben wird, ist im Wirtschaftsleben nicht ungewöhnlich, vergaberechtlich daher nicht zu beanstanden und über § 47 VgV als Eignungsleihe ausdrücklich legitimiert. Folglich war es der Beigeladenen möglich, dem Angebot die in Anlage F geforderten Unterlagen beizufügen.

Die Beigeladene hat die Anlage F Ziffer 9-13 (ebenso die hier in der Begründetheit nicht mehr zu erörternde Anlage H zur Tariftreue) vollständig ausgefüllt. Sie hat die zum Einsatz vorgesehenen Geräte benannt (Ziffer 9), Angaben zum technischen und organisatorischen Verfahrensablauf der Verwertung (Ziffer 10), zum technischen und organisatorischen Ablauf der Vermarktung (Ziffer 11), zu den Vermarktungswege für den entstehenden Kompost (Ziffer 12) und zu vorgesehenen Verwertungsanlagen (Ziffer 13) gemacht. Auch zu den Mengenströmen hat sie Angaben gemacht (Bl. 79 ff. Angebot Beigeladene).

Die Beigeladene hat auch den Jahresumsatz angegeben. Der Vortrag der Antragstellerin ist damit sachlich widerlegt.

c) Die Antragstellerin ist auch nicht durch die Art und Weise, in der der Antragsgegner das Angebot der Beigeladenen gemäß § 60 VgV aufgeklärt hat, in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 Abs. 7 GWB verletzt.

Gemäß § 60 Abs. 1 VgV verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Da die Vorschrift dem öffentlichen Auftraggeber kein Ermessen einräumt, ob er bei Vorliegen eines niedrigen Angebots das Angebot des günstigen Anbieters prüft, hat die Antragstellerin deshalb - wie jeder Bieter - grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner das Angebot der Beigeladenen bei einem konkreten Verdacht auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot einer Preisprüfung unterzieht (VK Westfalen, Beschluss vom 31.01.2017, VK 1-49/16). § 60 Abs. 2 VgV nennt Vorschläge für die Inhalte der Prüfung.

Gemäß § 60 Abs. 3 VgV darf der Auftraggeber den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn er nach der Prüfung gemäß den Abs. 1 und 2 die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufrieden aufklären kann. § 60 Abs. 3 VgV eröffnet laut BGH (Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16, Rz. 31) kein freies Ermessen des Auftraggebers. Die Ablehnung des Zuschlags ist vielmehr grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann. Bei der Beurteilung der Anforderungen an eine zufriedenstellende Aufklärung berücksichtigt der Auftraggeber Art und Umfang der im konkreten Fall drohenden Gefahren für eine wettbewerbskonforme Auftragserledigung.

Daraus folgt, dass der Auftraggeber bei Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes nicht verpflichtet ist, den Anbieter auszuschließen, sondern dass ihm insoweit das oben beschriebene eingeschränkte Ermessen zusteht. Der öffentliche Auftraggeber ist daher trotz der damit verbundenen Gefahren berechtigt, auf ein nur kostendeckendes oder sogar auf ein Unterkostenangebot den Zuschlag zu erteilen (BGH a.a.O. Rz. 29). Öffentliche Interessen sind laut BGH (a.a.O. Rz. 29) in schützenswerter Weise nicht nur bei drohender Insolvenz des Auftragnehmers innerhalb der Vertragslaufzeit gefährdet, sondern schon dadurch, dass der betreffende Anbieter in Anbetracht des zu niedrigen Preises versuchen könnte, sich des Auftrags so unaufwändig wie möglich und insoweit auch nicht vertragsgerecht zu entledigen, durch möglichst viele Nachträge Kompensation zu erhalten oder die Ressourcen seines Unternehmens auf besser bezahlte Aufträge zu verlagern, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet.

Voraussetzung für eine Aufklärungspflicht des Antragsgegners ist zunächst ein ungewöhnlich niedriges Angebot. Ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, lässt sich an einem von zwei Merkmalen festmachen.

aa) Zum einen kann eine wesentliche Abweichung von den Angeboten anderer Anbieter vorliegen. In der Rechtsprechung hat sich nicht als fester Ausgangswert, sondern als regelmäßiger Anlass für eine Überprüfung herausgebildet, dass der öffentliche Auftraggeber zur Aufklärung verpflichtet sein soll, wenn das günstigste Angebot vom zweitgünstigsten Angebot um 20 % abweicht. Auch der BGH hat sich in seiner jüngsten Entscheidung (BGH, Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16) nicht festgelegt. Unter Rz. 15 heißt es: "Ob eine Schwelle von 20 % als unverrückbare Untergrenze anzusehen ist oder ob besondere Umstände im Einzelfall Aufklärungsbedarf auch bei geringeren Abständen indizieren können, kann fraglich sein."

Einigkeit besteht in Rechtsprechung und Literatur, dass der Bezugspunkt mit 100 % immer das zweitgünstigste Angebot ist (vgl. EuGH, Urteil vom 18.12.2014, C - 568 / 13, Rz. 19; Scharf in: Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenahl VOL/A § 19 EG-VOL/A, Rz. 205 zur Vorgängerregelung). Legt man diese Abweichung zugrunde, so war der Antragsgegner wegen des Abstands von 43 % der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen zu der von ihm vorgenommenen Aufklärung des Angebots der Beigeladenen verpflichtet, hat sie deshalb auch durchgeführt.

bb) Ein anderer Anhaltspunkt für einen unangemessen niedrigen Preis sind Erfahrungswerte aus anderen Beschaffungsvorgängen (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16, Leitsatz 1). Dabei gilt der Erfahrungswert der vorhergehenden Auftragsvergabe des nun neu zu vergebenden Auftrags regelmäßig als vergleichsweise wenig aussagekräftig, weil die aufgrund der letzten Vergabe vor mehreren Jahren verhandelten Preise möglicherweise nicht mehr aktuell sind, und weil die letzte Vergabe neue Entwicklungen des Marktes zum Beispiel durch strengere Auflagen, ein geschrumpftes Konkurrentenfeld oder eine ungewöhnliche Marktsituation nicht abbilden kann.

Die Vergabekammer prüft die Argumente der Antragstellerin zur Unangemessenheit der auf dem alten Vertrag basierenden Kostenschätzung.

Die Antragstellerin fordert seit Eintritt der Verlängerungsoption des alten Vertrags eine Erhöhung der ursprünglich verhandelten Entgelte. Sie trägt vor, die alten Vergütungen seien nicht mehr kostendeckend. Der Antragsgegner hat gleichwohl die alte Vergütung als Basis des aktuellen jährlichen Auftragswerts für die Bemessung der neuen Kostenschätzung verwendet, allerdings unter Ziffer 6.4.2.3 Blatt 182 der Vergabeunterlagen bei Bedarf die in der Summe begrenzte Bereitschaft zur Übernahme notwendiger Unterhaltungskosten erklärt. Deren Höhe liegt allerdings deutlich unter dem von der Antragstellerin vorgetragenen monatlichen Verlust.

Nun liegt mit dem Angebot der Beigeladenen ein Angebot vor, dessen Bruttopreis im Rahmen der auf Bruttopreise umgerechneten Kostenschätzung liegt. Dagegen übersteigt das Angebot der Antragstellerin den Schätzwert um 89 %. Der Antragsgegner hat das Angebot nicht als ungewöhnlich hoch eingestuft (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2015, 13 Verg 11/14), was bei nur zwei Angeboten zu dieser Alternative des Loses problematisch gewesen wäre. Die Antragstellerin hält die Kostenschätzung wegen der seit Eintritt der Verlängerungsoption eingetretenen Verluste für zu gering.

Die Vergabekammer ist aufgrund der Verhandlungen zwischen Antragstellerin und Antragsgegner über die Anpassung des Entgeltes in dem alten laufenden Vertrag in der Lage, eingeschränkt die Argumente der Antragstellerin zur nicht angemessenen Kostenschätzung zu prüfen.

Der Antragsgegner zeigte sich erkennbar von den Argumenten der Antragstellerin nicht beeindruckt. Deshalb korrigierte er seine Kostenschätzung nicht anhand der Darstellung der Antragstellerin, sondern bewilligte stattdessen nur von ihm als notwendig angesehene Unterhaltungskosten.

Der Vergabekammer fällt auf, dass die Antragstellerin ihre Möglichkeiten zur Substantiierung der vorgetragenen wirtschaftlichen Verluste nicht genutzt hat. Wer ein wirtschaftliches Defizit darlegen will, legt dazu der Vergabekammer ggf. mit einem Sperrvermerk gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten die eigenen Einnahmen und Ausgaben offen. Diese Möglichkeit hat die Antragstellerin nicht genutzt.

Der angetretene Zeugenbeweis, einen Mitarbeiter der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer in Anwesenheit der anderen Verfahrensbeteiligten das vortragen zu lassen, was bereits geschrieben worden ist, ohne aber Einnahmen und Ausgaben der Vergabekammer prüffähig gegenüberzustellen, ist schon im Zivilprozess kein geeignetes Beweismittel, erst recht nicht in dem gemäß § 167 GWB unter besonderen Zeitdruck stehenden Vergabenachprüfungsverfahren.

Die Behauptung, es sei in einem bestimmten Monat ein Verlust von xxxxxx € erzielt worden, widerspricht kaufmännischen Prinzipien. Bioabfall fällt ausweislich der Tabellen auf Seite 29 der Vergabeunterlagen saisonal unterschiedlich an. Sowohl langfristige mehrjährige, als auch kurzfristige saisonal anfallende Kosten werden nach kaufmännischen Gesichtspunkten durch Umrechnung auf jährliche Belastungen in ihrer Höhe gemildert. Verluste werden daher seriös nicht innerhalb von Monaten berechnet, sondern allenfalls innerhalb von Jahreszyklen. Jeder Landwirt, der Feldwirtschaft betreibt, kann im März vortragen, sein Betrieb sei unwirtschaftlich, weil er im März nur Verluste erziele. Überzeugen wird das nur wenige, bevor nicht die Ernte eingefahren ist.

Das hohe Preisniveau aller Anbieter mit Ausnahme der Beigeladenen ist nicht nur durch einen im Verhältnis zur Leistung unangemessen niedrigen Preis im Angebot der Beigeladenen erklärbar. Ebenso naheliegend ist, dass die Antragstellerin wie auch andere Bieter den abgenutzten aber nicht abgängigen Zustand der technischen Einrichtungen und die fehlende Bereitschaft des Auftraggebers, die Anlage in der Übergangszeit bis 2021 mit eigenen Investitionen aufzurüsten (vgl. Protokoll des Ausschusses für Planung und Umwelt vom 08.09.2016, TOP 10) in der Angebotskalkulation kapitalisierend berücksichtigten. Das ist völlig legitim, gibt aber Konkurrenten Chancen.

Die Vergabekammer hat versucht, die Argumentation der Antragstellerin zu ihren Verlusten nachzuvollziehen, daher in einer Proberechnung auf die Kostenschätzung des Antragsgegners den von der Antragstellerin behaupteten monatlichen Verlust von 20.000 € aufgeschlagen. Damit erhöht sich die Kostenschätzung jährlich um 240.000 €. Dann gelangt man zu einem fiktiven jährlichen Angebotspreis netto von xxxxxx € oder einem Aufschlag auf die Kostenschätzung von ca. 40 %. Der Angebotspreis der Antragstellerin liegt jedoch mit etwa xxxxxx € weit höher. Ihr Angebot überschreitet die um ihre Verluste erhöhte Kostenschätzung nochmals um ca. 35 %, also in einer Marge, die den Auftraggeber zur Aufhebung der Vergabe nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 VgV berechtigen würde. Ihr Angebot ist daher allein mit dem von ihr vorgetragenen kalkulatorischen Defizit nicht zu erklären.

Die Vergabekammer kann daher einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den vorgetragenen Verlusten und dem Angebotspreis nicht erkennen. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin mit ihrem Angebot lediglich ihr entstandene notwendige Kosten an den Antragsgegner weitergeben wollte. Eher legt dies entweder die Kalkulation hoher Investitionskosten mit vollständiger Abschreibung innerhalb der kurzen Vertragslaufzeit, oder einen ungewöhnlich hohen Wagniszuschlag nahe. Dazu fehlt aber der erforderliche Vortrag.

In der mündlichen Verhandlung wurde ausführlich erörtert, dass die alte Anlage durch eine weitere Anlage als Bypass entlastet werden kann. Damit besteht die Möglichkeit, die alte Anlage über die Vertragslaufzeit zu fahren, ohne sie vorzeitig zu verschleißen und ohne ein aufwändiges Genehmigungsverfahren durchführen zu müssen. Der Antragsgegner hat in den Vergabeunterlagen sehr deutlich eine solche Ergänzung als Bypass ermöglicht. Die Vergabekammer hat daher keinen Anlass für die Annahme, die Kostenschätzung sei fehlerhaft erstellt worden. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es sogar zweifelhaft, ob der Antragsgegner aufgrund eines ungewöhnlich niedrigen Angebots zur Prüfung des Angebots der Beigeladenen verpflichtet war. Das kann aber offenbleiben, da der Antragsgegner eine solche Prüfung vorgenommen hat.

Der Gesetzgeber verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber, eine Ausschreibung durchzuführen, um in einem eng abgesteckten Konkurrentenfeld immer wieder neu hinzutretende Anbieter zuzulassen, die gerne auch mit zulässigen Angebotsvarianten oder Kampfpreisen oder einer Kombination aus beidem bereit sind, den Auftrag zu gewinnen. Es ist kein Wettbewerbsverstoß, sondern Ausdruck eines hier einmal funktionierenden Wettbewerbsprinzips, wenn sich ein solches Angebot im Wettbewerb durchsetzt.

Der Antragsgegner hat seine Aufklärung eng an § 60 Abs. 2 VgV orientiert. Nach einer Vorstellung des Unternehmens fragte er die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ab, erkundigte sich nach Erfahrungen in der Anlagenführung (§ 60 Abs. 2 Nr. 1 VgV), erfragte die Vorstellungen zum Ablauf der Leistungsausführung, dies wiederum hinsichtlich des Personaleinsatzes und der Anlagenführung (§ 60 Abs. 2 Nr. 2 VgV), forderte ebenso die Leistungskennzahlen und die Kalkulationsgrundlagen sowie das Entlohnungsmodell für Mitarbeiter (§ 60 Abs. 2 Nr. 4 VgV). Außerdem wurde die Urkalkulation geöffnet. Da es sich bei § 60 Abs. 2 Nr. 1-5 VgV nur um Prüfungsvorschläge als Regelbeispiele handelt (vgl. "insbesondere"), von denen der Auftraggeber je nach Lage des Einzelfalles sachlich begründet abweichen kann, hat die Vergabekammer keine Bedenken, dass der Antragsgegner es etwa unterlassen hat, die Gewährung einer staatlichen Beihilfe das Unternehmen zu erörtern. Anhaltspunkte für eine solche Prüfnotwendigkeit sind nicht erkennbar. Der Antragsgegner hat das auch unter Ziffer 4.5 des Vergabevermerks dokumentiert.

Ob das Angebot der Beigeladenen ein legitimer Kampfpreis war, eine Nutzung der vom Antragsgegner ermöglichten Form des Hauptangebots mit Bypass oder ein unangemessen niedriges Angebot, kann die Vergabekammer nur vergaberechtlich, also aus der Perspektive vor Vertragsbeginn entscheiden. Welche Prognose sich bestätigt, wird sich - wie immer - erst im Laufe der Auftragsabwicklung erweisen. Das vom BGH in dem Beschluss vom 31.01.2017 beschriebene Risiko, mit einem besonders günstigen Angebot einen Auftragnehmer zu gewinnen, der weniger an der Vertragserfüllung als vielmehr an Nachträgen und der unaufwändigen und insoweit auch nicht vertragsgerechten Entledigung statt Erledigung interessiert ist, trägt letztendlich immer der Auftraggeber. Die Vergabekammer stellt hier allerdings fest, dass der Antragsgegner als Auftraggeber die gesetzlich normierten Vergabevorschriften fachgerecht angewandt, sein Ermessen unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BGH angemessen und rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.

Es besteht keine Grundlage für eine Maßnahme der Vergabekammer gemäß § 168 GWB im Vergabenachprüfungsverfahren.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.

Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

Die in Ziffer 3 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin für 4 Jahre xxxxxx € brutto. Die in Aussicht gestellten Verlängerungsoption für maximal 3 Jahre ist mit einem Abschlag von 50 % = xxxxxx € zu addieren (vgl. Beschluss des BGH vom 18.03.2014, X ZB 12/13). Die Summe dieser Positionen in Höhe von xxxxxx € entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Auftraggeber als Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten.

Die anwaltliche Vertretung der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Auftragsbezogene Rechtsfragen aus dem Bereich der VgV oder EU-VOB/A wird regelmäßig das mit der Vergabe betraute Personal sachkundig beantworten können. Daher wird die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes regelmäßig nicht notwendig sein, wenn der öffentliche Auftraggeber in einer ex ante zu Beginn eines Nachprüfungsverfahrens (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.07.2013 - 11 Verg 7/13) zu erstellenden Prognose zu dem Ergebnis gelangt, dass auftragsbezogene Fragen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2011, Verg 60/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10; OLG München, Beschluss vom 11.06.2008, Verg 6/08, und vom 28.02.2011, Verg 23/10; OLG Dresden, Beschluss vom 14.11.2012 - Verg 8/11). Andererseits ist das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus sowohl nationalem Recht als auch dem Europarecht, die nicht immer im Gleichklang stehen. Soweit der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens daher hauptsächlich rechtliche Probleme des GWB umfasst, ist im Einzelfall die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners durchaus angemessen.

Hier ist der Antragsgegner eine Gebietskörperschaft mittlerer Größe. Es ist daher eigentlich zu erwarten, dass er bei drei Juristen routinemäßig Fachkenntnisse im Vergaberecht vorhält. Nahezu alle Landkreise haben inzwischen eigene Vergabestellen eingerichtet oder bauen Vergabestellen gerade auf.

Allerdings ist nach Angabe des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung kein Jurist mit dem Vergaberecht befasst. Wegen des 2016 grundlegend reformierten Vergaberechts und der neuen Rechtsprechung des BGH mag es sich um eine aus der Sicht der Vergabestelle unklare Rechtslage handeln. Die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners war daher in diesem Fall zur Waffengleichheit geboten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für den Auftraggeber als notwendig anzuerkennen.

Gemäß Ziffer 5 des Tenors sind die Kosten der Beigeladenen erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2010 - Verg W 10/09, zitiert nach [...] Tz. 46; OLG Celle Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4710 zit. nach ibronline) Die aktive Beteiligung sah die Rechtsprechung (BGH NZBau 2001, 151 [BGH 19.12.2000 - X ZB 14/00]) ursprünglich erst dann als gegeben an, wenn der Beigeladene sich - entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO - umgekehrt auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte, indem er selbst eigene Sachanträge gestellt hatte. Inzwischen muss lediglich eine dem Beitritt eines Streithelfers der ZPO vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-)Ziel ein Beigeladener in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27. August 2008 - 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen des Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10 zit. nach ibronline). Hat sich die Beigeladene in einen bewussten Interessengegensatz zu der unterlegenen Partei gestellt und sich dadurch aktiv am Verfahren beteiligt, dass sie eigene Anträge gestellt und diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat, entspricht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen billigem Ermessen (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB 4. Auflage § 182 Rdnr. 40; OLG Celle Beschluss vom 12.01.2012, 13 Verg 9/11).

Hier hat die Beigeladene zwar nur kurz, aber maßgeblich, das Verfahren gefördert, indem sie schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat. Außerdem hat sie einen Sachantrag gestellt.

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG für die Beigeladene antragsgemäß als notwendig anzuerkennen. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Beigeladene erforderlich.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

Gaus
Peter
Tiede