Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 03.05.2022, Az.: 3 A 688/17

Abwasserbeitrag; Außenbereich; Verbot Doppelveranlagung; Einbeziehungssatzung; Tiefenbegrenzung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
03.05.2022
Aktenzeichen
3 A 688/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59564
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das Verbot der Doppelbelastung steht der Beitragserhebung nicht entgegen, wenn ein Beitrag in der Vergangenheit nur für eine Teilfläche des Grundstücks entstanden war, weil die weiteren, jetzt veranlagten Grundstücksflächen im Außenbereich lagen.

2. Wird planungsrechtlich mit Erlass einer Einbeziehungssatzung eine verbindliche Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich getroffen, ist dies auch für das Beitragsrecht bindend. Mit Wirksamkeit der Einbeziehungssatzung wachsen die zuvor im Außenbereich liegenden Flächen in die Beitragspflicht hinein.

3. Eine Tiefenbegrenzungsregelung in der Abgabensatzung trifft eine (widerlegliche) Vermutung für den Übergang zum Außenbereich in der Tiefe des Grundstücks. Eine entsprechende Anwendung zur Abgrenzung "zur Seite hin" scheidet aus; hier ist im Einzelfall zu prüfen, wo der Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 BauGB endet.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu einem Abwasserbeitrag.

Die Kläger sind Eigentümer einer Grundstücksfläche in Ortsrandlage im Gebiet der Gemeinde A-Stadt mit der postalischen Anschrift A-Straße. Der Beklagte betreibt als kommunaler Zweckverband unter anderen für das Gebiet der Samtgemeinde H. und der zu dieser gehörenden Gemeinde A-Stadt, in deren Gemeindegebiet das klägerische Grundstück liegt, eine Einrichtung zur zentralen Abwasserentsorgung.

Im Eigentum der Kläger befand sich das ursprünglich einheitliche Buchgrundstück mit der lfd. Nr. I. des Grundbuchs von A-Stadt, Blatt J., bestehend aus dem Flurstück K. der Flur L. in der Gemarkung A-Stadt mit einer Gesamtfläche von 2.679 qm. Das Grundstück grenzte als „Pfeifenstielgrundstück“ nördlich an die in Ost-West-Richtung verlaufende M. Straße. Über die nördlich von der N. Straße abgehende gut 50 m lange private Wegefläche war der hintere Teil des Grundstücks zu erreichen, der annähernd in Ost-West-Richtung auf einer Breite von über 100 m in „zweiter Reihe“ hinter den Grundstücken N. O., N. Straße P., N. Straße Q. und N. Straße R. verlief. Im östlichen Bereich dieses hinteren Grundstücksteils haben die Kläger Anfang der 1980er Jahre im Abstand von ca. 8 m von der privaten Wegefläche ein Einfamilienhaus errichtet. Das Grundstück wurde in diesem Zeitraum an das öffentliche Abwassersystem angeschlossen, der Revisionsschacht liegt im Bereich der Zuwegung. Die Samtgemeinde H., die bis zu ihrem Beitritt zum beklagten Abwasserverband entsorgungspflichtig war, hatte die Kläger für das Grundstück mit Bescheid vom 24. Januar 1984 zu einem Abwasserbeitrag in Höhe von 8.059,50 DM herangezogen. Veranlagt wurde dabei eine Teilfläche von 1.017 m², die - ausgehend von einer Parallelen zum Verlauf des Privatweges - mit einer Tiefe von 40 m ermittelt wurde, wobei der Privatweg bei der Flächenermittlung unberücksichtigt gelassen wurde. Diese Teilfläche, auf welcher sich das Haus der Kläger befand, wurde im Bescheid entsprechend zeichnerisch dargestellt.

Das ursprüngliche Flurstück K. der Flur L. ist mit seiner gesamten Fläche Gegenstand der Einbeziehungssatzung Nr. 7 „S.“ der Gemeinde A-Stadt vom 13. November 2014 (Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt Nr. 53 vom 21.11.2014, S. 512) gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB.

Aus dem ursprünglich einheitlichen Flurstück K. entstanden durch Teilung, eingetragen im Grundbuch am 5. April 2017, die Flurstücke T. und U. der Flur L.. Die Teilung wurde vorgenommen, weil die Kläger beabsichtigten, das Grundstück, auf welchem sich – nunmehr im Bereich des östlich gelegenen Flurstücks V.– bereits das Wohnhaus befand, im westlichen Teil – dem jetzigen Flurstück U., postalische Anschrift S. W. – mit einem weiteren Wohnhaus zu bebauen.

Mit Bescheid vom 8. November 2017 setzte der Beklagte gegenüber den Klägern auf Grundlage seiner Abwasserabgabensatzung hinsichtlich des Flurstücks T. einen Abwasserbeitrag in Höhe von 1.587,00 EUR fest. Der Beitrag wurde erhoben für eine Teilfläche von 467 qm des insgesamt 1.724 qm großen Flurstücks T. der Flur L. in der Gemarkung A-Stadt; die bereits im Jahr 1984 veranlagte Fläche sowie die Fläche des Privatweges wurden dabei zum Abzug gebracht. Den festgesetzten Beitrag haben die Kläger am 5. Dezember 2017 gezahlt.

Der Bescheid, mit welchem der Beklagte einen weiteren Abwasserbeitrag in Höhe von 3.247,00 EUR für das 955,00 qm große Flurstück U. der Flur L. festgesetzt hat, ist Gegenstand des Parallelverfahrens X..

Nach Erlass des Beitragsbescheides, am 26. Februar 2018, wurde das Flurstück T. der Flur L. als selbständiges Grundstück im Grundbuch der Gemeinde A-Stadt, Blatt Y., verzeichnet.

Gegen den Beitragsbescheid des Beklagten vom 8. November 2017 haben die Kläger am 11. Dezember 2017 Klage erhoben. Sie machen geltend, dass die Abwasserabgabensatzung des Beklagten zwar einen Kostenerstattungsanspruch vorsehe, dass dies jedoch die Herstellung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses voraussetze. Ein neuer Anschluss sei jedoch nicht hergestellt worden. Der bestehende Anschluss sei bereits 1984 angelegt und abgerechnet worden. Eine Nachveranlagung für eine 33 Jahre zurückliegende Maßnahme sei nicht zulässig. Es sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass durch die Einbeziehungssatzung ein neuer Sachverhalt begründet worden wäre, da auf das Buchgrundstück und nicht auf die abgerechnete Fläche abzustellen sei. Das gesamte Grundstück habe vor Erlass der Einbeziehungssatzung im Außenbereich gelegen. Die Satzung habe an der Grundstücksqualität nichts geändert, da bereits im Außenbereich gebaut worden sei und auch ein zweites Gebäude auf dem Grundstück genehmigt worden wäre. Eine Möglichkeit zur Nutzung des hinteren Grundstücksteiles sei auch nicht erst durch die Grundstücksteilung möglich geworden, die Kläger hätten ihr Haus in den 1980er Jahren auch in diesem hinteren Grundstücksteil errichten können. Soweit die Samtgemeinde ursprünglich nur eine Teilfläche des Grundstücks herangezogen habe, lasse sich das dem Bescheid vom 24. Januar 1984 nicht entnehmen. Überdies habe der Beklagte mit Schreiben vom 8. Januar 2015 mitgeteilt, dass, sofern der im hinteren Grundstücksteil geplante Neubau an den bestehenden Revisionsschacht angeschlossen werde, generell keine Kosten auf die Kläger zukämen. Hilfsweise machen die Kläger geltend, dass nach dem Beitragssatz von 1984 abgerechnet werden müsste.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 8. November 2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Durch das Inkrafttreten der Einbeziehungssatzung Nr. 7 am 21. November 2014 sei eine maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten, da die nunmehr herangezogene Grundstücksfläche hierdurch erstmals Baulandqualität erlangt habe. In diesem Zeitpunkt sei die sachliche Beitragspflicht entstanden. Art und Maß der baulichen Nutzung sei nicht konkretisiert, orientiere sich aber an der Umgebungsbebauung, die vornehmlich eingeschossig sei. Vor Erlass der Einbeziehungssatzung habe sich die Vorteilslage auf eine Teilfläche des Flurstücks K. in der Größe von 1.017 qm beschränkt. Dieser Umstand schließe jedoch nicht aus, dass bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage weitere Teilflächen des Buchgrundstücks in die Vorteilslage hineinwachsen könnten. Es handele sich nicht um eine Nachveranlagung, sondern um eine erstmalige Veranlagung zu dem Herstellungsbeitrag. Bei der ursprünglichen Veranlagung sei zur Festlegung der beitragsfähigen Grundstücksfläche mittels einer Verlängerung der linksseitigen Grenze der Zuwegung bis zur hinteren Grundstücksgrenze eine Hilfslinie gebildet worden, um von dort aus eine rechnerische Ermittlung der Beitragsfläche bis zu einer Tiefe von 40 m vorzunehmen. Die satzungsmäßige Tiefenbegrenzung habe der Samtgemeinde zur Abgrenzung des bevorteilten Innenbereichs vom Außenbereich gedient. Da der hinter der Tiefenbegrenzungslinie liegende Grundstücksteil danach keine Baulandqualität aufgewiesen habe, sei er nicht als durch den Anschluss an das Abwassersystem bevorteilt angesehen. Dass die Baulandqualität fehlte, werde auch dadurch gestützt, dass der Erlass der Einbeziehungssatzung als notwendig erachtet wurde. Es liege eine betriebsfertige Abwasserbeseitigungseinrichtung auf dem Flurstück T. vor, da das Grundstück über einen betriebsfertig hergestellten Kontrollschacht in der Zuwegung, unmittelbar an der Grundstücksgrenze zur N. Straße / Ecke S., verfüge. Von der Gesamtfläche des Grundstücks von 2.679 qm verbleibe nach Abzug der bereits herangezogenen Fläche von 1.017 qm und der Zuwegung mit einer Größe von 240 qm eine noch zu berücksichtigende Grundstücksfläche von 1.422 qm, von der 467 qm auf das Flurstück 26/1 entfielen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 8. November 2017 ist rechtmäßig und vermag die Kläger nicht in ihren Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 2 Abs. 1 der Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung des beklagten Abwasserverbandes vom 8. März 2001 (Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt Nr. 4 vom 13.3.2001, S. 69 ff.), in der Fassung der 6. Änderungssatzung vom 25. November 2009 (Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt Nr. 26 vom 14.12.2009, S. 253) – Abwasserabgabensatzung, im Folgenden: ABAS – i. V. m. § 6 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG). Danach erhebt der Beklagte für die Herstellung und Anschaffung der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung(en) Abwasserbeiträge zur Abgeltung der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme gebotenen besonderen wirtschaftlichen Vorteile, soweit der Aufwand nicht durch Zuschüsse, Abwassergebühren oder auf andere Weise gedeckt wird. Nach § 2 Abs. 2 ABAS kann die Erhebung von Abwasserbeiträgen für die Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung durch gesonderte Satzung bestimmt werden.

Nach § 3 Abs. 1 ABAS unterliegen Grundstücke der Beitragspflicht, die an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung angeschlossen werden können und für die entweder eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen, oder für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung in der Gemeinde zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen. Unabhängig vom Vorliegen dieser Voraussetzungen unterliegt ein Grundstück gemäß § 3 Abs. 2 ABAS der Beitragspflicht, wenn es tatsächlich an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung angeschlossen ist. In diesem Fall entsteht die sachliche Beitragspflicht gemäß § 6 Abs. 3 ABAS mit dem tatsächlichen Anschluss der auf dem Grundstück vorhandenen Baulichkeit. Der Maßstab für die Erhebung des Abwasserbeitrages wird gemäß § 4 ABAS nutzungsbezogen ermittelt, indem als beitragspflichtige Fläche für das erste Vollgeschoss 25 % und für jedes weitere Vollgeschoss 15 % der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht wird, wobei die insoweit berücksichtigungsfähige Grundstücksfläche nach Maßgabe der baurechtlich zulässigen Nutzung zu ermitteln ist. Der Beitragssatz ist in der hier maßgeblichen Fassung der Abwasserabgabensatzung auf 13,60 EUR je qm beitragspflichte Fläche festgesetzt.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der hier maßgeblichen Bestimmungen der Abgabensatzung des Beklagten einschließlich des anzuwendenden Beitragssatzes sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

2. Die Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht lagen für das Grundstück der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides vor.

Die sachliche Beitragspflicht entsteht gemäß § 6 Abs. 1 und 2 ABAS i. V. m. § 6 Abs. 6 NKAG mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme, d. h. mit betriebsfertiger Herstellung der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung einschließlich des Grundstücksanschlusskanals und des Kontrollschachtes auf dem zu entwässernden Grundstück. Gemäß § 2 Abs. 6 der Abwasserbeseitigungssatzung des beklagten Abwasserverbandes (im Folgenden: ABS) vom 25. November 2009 (Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt Nr. 26 vom 14.12.2009, S. 237 ff.) gehören zur öffentlichen zentralen Abwasseranlage (a) das gesamte öffentliche Entwässerungsnetz einschließlich aller technischen Einrichtungen für Schmutzwasser und Mischwasser, die Anschlussleitung, Reinigungsschächte, Pumpstationen, Rückhaltebecken, Revisionsschächte, Schächte mit Ventileinheiten und Kleinpumpwerke auf dem Grundstück und (b) alle Einrichtungen zur Behandlung des Abwassers, das sind Klärwerke und ähnliche Anlagen, die im Eigentum des Beklagten stehen, sowie von Dritten hergestellte und unterhaltene Anlagen, deren sich der Beklagte bedient und zu deren Unterhaltung er beiträgt. Gemäß § 2 Abs. 5 ABS endet die öffentliche zentrale Abwasseranlage bei Freigefällekanal mit dem Revisionsschacht 1 m hinter der Grundstückgrenze auf dem zu entwässernden Grundstück. Nach Maßgabe dessen ist das Grundstück der Kläger aufgrund der Herstellung des Grundstücksanschlusses einschließlich des Kontrollschachtes jedenfalls mit dem tatsächlichen Anschluss des auf dem – jetzigen – Flurstück T. der Flur L. errichteten Einfamilienhauses grundsätzlich beitragspflichtig im Sinne der Abgabensatzung.

3. Der Beitragserhebung mit dem streitgegenständlichen Bescheid steht vorliegend auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. Der Beklagte hat zutreffend einen (weiteren) Beitrag für eine Teilfläche des ursprünglichen Flurstücks K. der Flur L. erhoben.

Nach dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung kann jedes Grundstück für ein- und dieselbe Maßnahme nur einmal veranlagt werden. Ist die Beitragspflicht einmal entstanden, kann sie nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt oder in einer anderen Höhe noch einmal entstehen (Verbot der Doppelbelastung, vgl. Nds. OVG, Urt. v. 6.8.1987 - 30 VG A 144/86 -, NST-N 1988, 142, 144; Urt. v. 24.9.2013 - 9 LB 22/11 -, juris Rn. 45). Auch eine Grundstücksteilung führt nicht dazu, dass die Grundstücksfläche, für die bereits ein Beitrag entstanden war, insoweit erneut veranlagt werden dürfte (Rosenzweig/ Freese/ von Waldthausen, NKAG, Stand: Februar 2022, § 6 Rn. 9, 264).

Ist jedoch für ein Teil des Grundstücks ein Beitrag noch nicht entstanden gewesen, steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung der Festsetzung eines später entstehenden Beitrags nicht entgegen. Dies ist unter anderem der Fall, wenn Flächen eines Grundstücks ursprünglich nicht veranlagt wurden, weil sich aufgrund der Lage des Grundstücks – teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich – der beitragsrelevante Vorteil allein auf die Innenbereichsflächen beschränkte. „Wachsen“ die übrigen Flächen in eine beitragsrelevante Nutzung „hinein“ und entsteht dadurch erstmals eine beitragsrechtlich relevante Vorteilslage, ist die (insoweit erstmalige) Erhebung des Beitrags zulässig (vgl. Rosenzweig/ Freese/ von Waldthausen, a.a.O., § 6 Rn. 187, 265). In diesem Fall stellt die spätere Beitragserhebung keine unzulässige Nachveranlagung unter Verstoß gegen das Verbot der Doppelveranlagung dar.

So liegt der Fall hier.

Das Kommunalabgabenrecht knüpft hinsichtlich der Beitragspflicht für Gesamtanlagen an die planungsrechtliche Grundstückssituation an. Liegen Grundstücksflächen im Außenbereich, fehlt es hinsichtlich des Abwasserbeitrages, der auf die bauliche Ausnutzbarkeit Bezug nimmt, an der erforderlichen Vorteilslage. Bevorteilt sind lediglich Grundstücke, die baulich nutzbar sind.

a) Mit Wirksamwerden der Einbeziehungssatzung vom 13. November 2014 ist die gesamte Fläche des früheren Flurstücks K. der Flur L. und damit auch die hier streitgegenständliche weitere Teilfläche des Flurstücks T. der Flur L. dem unbeplanten Innenbereich zuzuordnen und damit baulich nutzbar geworden. Danach unterlag gemäß § 4 Abs. 2 a) SABS die gesamte Grundstücksfläche der Beitragspflicht, die – soweit nicht bereits in der Vergangenheit für den östlichen Grundstücksteil ein Beitrag entstanden war – durch Festsetzung und Erhebung des weiteren Beitrags realisiert werden durfte.

Hat die Gemeinde eine planungsrechtlich verbindliche Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich vorgenommen, dann ist diese auch für das Beitragsrecht bindend (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 28.2.2008 - 2 S 1794/06 -, juris Rn. 21). Eine Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB erlaubt es der Gemeinde, einzelne Außenbereichsflächen, die an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil angrenzen, städtebaulich angemessen in den Ortsteil nach § 34 BauGB einzubeziehen (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 34 Rn. 88). Voraussetzung ist, dass die fraglichen Flächen zuvor dem Außenbereich zuzuordnen waren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.11.2009 - 4 BN 31.09 -, juris Rn. 4).

Jedenfalls der hier streitgegenständliche Grundstücksteil war vor Erlass der Einbeziehungssatzung der Gemeinde A-Stadt baurechtlich dem Außenbereich zuzuordnen. Das klägerische Grundstück befand und befindet sich in Ortsrandlage, wobei das Grundstück als „Pfeifenstielgrundstück“ zugeschnitten war und ist und sich das in den 1980er Jahren errichtete Wohnhaus in zweiter Reihe nordöstlich hinter der unmittelbar an der N. Straße befindlichen Wohnbebauung befindet. Nördlich und nordwestlich des ursprünglich errichteten Wohnhauses der Kläger lagen unbebaute Flächen, es schließen sich landwirtschaftlich genutzte Grundstücke an. In östlicher Richtung liegt und lag auch zum Zeitpunkt der erstmaligen Beitragserhebung die Bebauung entlang der Hauptstraße.

Der nach § 34 BauGB maßgebliche Bebauungszusammenhang endet in der Regel am letzten Baukörper (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.3.1999 - 4 B 112.98 -, juris Rn. 21; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2021, § 34 Rn. 25). Der Innenbereich endete daher – in Richtung Westen, in der Breite des Grundstücks – mit dem Haus der Kläger, jedenfalls aber mit einem auf diesem befindlichen Nebengebäude. Auf den aktuellen Planzeichnungen (vgl. Bl. 125 der Akte) ist ein Nebengebäude vermerkt, das westlich des klägerischen Hauses liegt und dessen westliche, hintere Gebäudekante mit der Fläche abschließt, für die im Jahr 1983 ein Beitrag erhoben wurde. Jedenfalls an der westlichen Gebäudekante dieses Nebengebäudes endete der Bebauungszusammenhang im Sinne von § 34 BauGB.

Der Erlass der Einbeziehungssatzung durch die Gemeinde A-Stadt führte danach dazu, dass die Teilfläche des klägerischen Grundstücks westlich des in den 1980er Jahren errichteten Wohnhauses bzw. westlich des genannten Nebengebäudes nicht mehr als dem Außenbereich zugehörig anzusehen ist, der grundsätzlich von Bebauung freizuhalten ist, sondern konstitutiv (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., § 34 Rn. 81) dem angrenzenden Innenbereich nach § 34 BauGB zugeordnet wurde. Mit Inkrafttreten der Einbeziehungssatzung wurde daher die Bebaubarkeit des Grundstücks nach § 34 BauGB erstmalig hergestellt, soweit die Teilflächen zuvor dem Außenbereich zuzuordnen waren. Der Umstand, dass die Einbeziehungssatzung das gesamte ursprüngliche Grundstück mit der Flurstücksnummer Z. der Flur L. umfasst, obwohl in der Begründung der Satzung ausgeführt ist, dass der bereits bebaute Grundstücksteil dem unbeplanten Innenbereich zuzuordnen ist, steht dem nicht entgegen. Insoweit mag es sich um eine Satzungsregelung i. S. v. § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB (sog. Klarstellungssatzung) handeln, die (deklaratorisch) eine klarstellende Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich vornimmt.

Nach Maßgabe dessen steht das Verbot der Doppelveranlagung der Erhebung des Abwasserbeitrages mit dem streitgegenständlichen Bescheid nicht entgegen. Eine Abwasserbeitragspflicht für die hier streitgegenständliche Teilfläche war nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt entstanden. Die nunmehr zu einem Abwasserbeitrag veranlagte Fläche ist erst mit Wirksamkeit der Abrundungssatzung in die beitragsrelevante Nutzung „hineingewachsen“, da sich der beitragsrelevante Vorteil zuvor allein auf den östlichen Grundstücksteil bezog und das Grundstück jedenfalls nicht über die von der Samtgemeinde H. im Jahr 1984 veranlagte Fläche hinaus beitragspflichtig war.

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den satzungsmäßigen Tiefenbegrenzungsregelungen in der Entwässerungsabgabensatzung der Samtgemeinde H. vom 11. Februar 1980, zuletzt geändert am 15. Dezember 1983 (EAS 1980), auf deren Grundlage im Jahr 1984 bereits ein Kanalbaubeitrag festgesetzt worden war, oder aus der Satzung des Beklagten vom 8. März 2001 (ABAS).

Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist im Kommunalabgabenrecht regelmäßig vom grundbuchrechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen. Für Grundstücke, die – in Bezug auf die Tiefe gesehen – mit einer Teilfläche innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) liegen und im Übrigen in den Außenbereich (§ 35 BauGB) übergehen, müsste jedoch in jedem Einzelfall entschieden werden, inwieweit, d.h. bis zu welcher Tiefe ein solches Grundstück baulich nutzbar und damit bevorteilt ist. In derartigen Fällen kann der Ortsgesetzgeber wegen der mit der Abgrenzung von Innen- und Außenbereich verbundenen Schwierigkeiten im Interesse der Rechtssicherheit, der Gleichbehandlung der Beitragspflichtigen und der Verwaltungspraktikabilität daher eine Tiefenbegrenzung im Beitragsmaßstab der Abgabensatzung anordnen (Nds. OVG, Beschl. v. 19.1.1999 - 9 M 3626/98 -, juris Rn. 4, 7). Diese Tiefenbegrenzungsregelung begründet im Interesse einer praktikablen Beitragsabrechnung eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Grundstücke mit ihrer Fläche bis zur festgesetzten Tiefengrenze Baulandqualität haben und deshalb insoweit bevorteilt sind, während die dahinter liegende Fläche des Grundstücks mangels baulicher Nutzbarkeit nicht bevorteilt wird (vgl. hierzu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2022, § 8 Rn. 1030). Diese Vermutung ist nur in Ausnahmefällen widerlegbar, etwa dann, wenn entweder ein Grundstück über die Begrenzung hinaus tatsächlich baulich genutzt wird oder wenn eine Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine Grenze des Innenbereichs festlegt, die über die beitragsrechtliche Tiefengrenze hinausgeht (vgl. Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 1031; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 28.2.2008 - 2 S 1794/06 -, juris Rn. 23).

Eine derartige Tiefenbegrenzungsregelung sahen bzw. sehen die anwendbaren Abgabensatzungen vor. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 EAS 1980 galt als der Beitragspflicht unterliegende Grundstücksfläche:

„3. wenn ein Bebauungsplan nicht besteht, ...

b) bei Grundstücken, die nicht an die Straße angrenzen oder lediglich durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit dieser verbunden sind, die Fläche, von der zu der Straße liegenden Grundstücksseite bis zu einer Tiefe von höchstens 40 m.“

Nach § 4 Abs. 2 d) ABAS besteht ebenfalls eine Tiefenbegrenzungsregelung. Hiernach gilt als maßgebliche Grundstücksfläche:

„d) bei Grundstücken, die – in Bezug auf die Tiefe gesehen – mit einer Teilfläche innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB) und im übrigen in den Außenbereich (§ 35 BauGB) übergehen, die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen; bei Grundstücken, die nicht an die Straße angrenzen oder nur durch einen Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen“

Diese Tiefenbegrenzungsregelungen führen jedoch nicht dazu, dass für die hier streitgegenständliche Fläche bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Abwasserbeitrag als entstanden anzusehen ist.

Nach dem Wortlaut der Satzungsbestimmungen ist maßgeblicher Ausgangspunkt der Tiefenbegrenzungsregelung die öffentliche Straße, nicht jedoch der zu dem Grundstück gehörende Weg. Dieser vermittelt lediglich die Anbindung an die öffentliche Straße. Die Satzungsregelungen verwenden die Begriffe „Straße“ sowie „zum Grundstück gehörender Weg“ insoweit eindeutig und in Abgrenzung voneinander. Der Bezugspunkt der Tiefenbegrenzungsregelung ist daher grundsätzlich die öffentliche Anbaustraße. Anhaltspunkte dafür, dass abweichend hiervon auf die Zuwegung auf dem Grundstückstück der Kläger abzustellen sein könnte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 26.7.1991 - 9 M 4677/91 -, juris Rn. 8 – offengelassen für Privatweg im Eigentum der Gemeinde, der der Öffentlichkeit ohne Widmung tatsächlich zur Verfügung gestellt wurde), liegen nicht vor. Bei Anwendung dieser Tiefenbegrenzungslinie endet die maßgebliche Grundstücksfläche in der Tiefe 40 m bzw. 50 m von der der Straßenseite zugewandten Grundstücksseite aus (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 26.4.1989 – 9 L 38/89 -, NST-N 1989, 326; siehe auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 1030).

Eine derartige Tiefenbegrenzungsregelung ist maßgeblich jedoch nur für die Abgrenzung der bevorteilten Fläche in Bezug auf die Tiefe des Grundstücks. Die Frage nach der Abgrenzung „zur Seite“ und der insoweit für den Übergang in den Außenbereich zu ziehenden Trennlinie wird durch eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung jedoch gerade nicht gelöst. Eine analoge Anwendung der bestehenden Tiefenbegrenzungsregelung „zur Seite hin“ scheidet jedoch aus, da es – anders als bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung – für eine ortsübliche Breite der baulichen Nutzung der betroffenen Grundstücke keine sachlichen Anhaltspunkte gibt (vgl. Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 1031b). Vielmehr ist insoweit im Einzelfall anhand der Vorgaben des § 34 BGB zu untersuchen, wo der Bebauungszusammenhang in Richtung auf den Außenbereich seitlich auf dem betroffenen Grundstück endet (vgl. OVG Magdeburg, Urt. v. 27.4.2006 - 4 L 186/05 -, juris Rn. 67).

Dieser Bebauungszusammenhang endete, wie dargelegt, jedoch jedenfalls westlich des Nebengebäudes auf dem Grundstück der Kläger. Die darüber hinausgehenden Flächen waren im vorliegenden Einzelfall – unabhängig von einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung – bis zum Erlass der Einbeziehungssatzung dem Außenbereich zuzurechnen. Eine Beitragspflicht für die außerhalb des Bebauungszusammenhanges liegenden Flächen ist insoweit daher zu diesem Zeitpunkt erstmals entstanden.

4. Der Beitragsanspruch ist aus den vorgenannten Gründen auch nicht bereits verjährt. Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 2 NKAG i. V. m. § 169 Abgabenordnung tritt hinsichtlich eines Beitragsanspruches vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, Festsetzungsverjährung ein. Die Abgabenforderung ist vorliegend erst zu dem Zeitpunkt entstanden, in welchem die fragliche Grundstücksteilfläche mit Wirksamwerden der Einbeziehungssatzung im Jahr 2014 baurechtlich dem Innenbereich zuzuordnen war. Festsetzungsverjährung wäre daher zum 31. Dezember 2018 eingetreten.

5. Die Beitragspflicht steht, entgegen der Ansicht der Kläger, auch nicht in einem Zusammenhang mit den durch die Herstellung eines Grundstücksanschlusses entstehenden Kosten. Nach § 1 Abs. 2 ABAS sind im Satzungsgebiet des Beklagten die Kosten für den ersten Grundstücksanschluss zwar in den Abwasserbeiträgen enthalten. Der streitgegenständliche Beitrag dient im Übrigen jedoch der Refinanzierung der gesamten öffentlichen Einrichtung der zentralen Abwasserbeseitigung, die das klägerische Grundstück in Anspruch nehmen kann, ohne Rücksicht darauf, ob sie für das beitragspflichtige Grundstück unmittelbar nützlich sind (vgl. Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, Stand: Oktober 2020, § 6 Rn. 149). Daher steht der Beitragspflicht auch nicht das Schreiben des Beklagten vom 8. Januar 2015 entgegen, wonach bei einem Anschluss des geplanten Neubaus auf dem hinteren Grundstücksteil (nunmehr Flurstück U., Flur L., Gemarkung A-Stadt) an den bestehenden Revisionsschacht keine weiteren Kosten entstünden. Diese Ausführungen beziehen sich erkennbar lediglich auf die Kostenerstattungspflicht für die Herstellung eines zusätzlichen Grundstücksanschlusses (vgl. § 17 ABAS i. V. m. § 8 NKAG), der für den hinteren, noch zu bebauenden Grundstücksteil in Rede stand, nicht jedoch auf die in dem genannten Schreiben ebenfalls angesprochene und hiervon unabhängige Beitragspflicht.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.