Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 21.03.2022, Az.: 3 A 174/18
Grundstücksanschluss; Kostenerstattung; Kostenerstattungsanspruch
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 21.03.2022
- Aktenzeichen
- 3 A 174/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 59853
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 KAG ND
Fundstelle
- Gemeindehaushalt 2023, 21
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei dem Erstattungsanspruch auf der Grundlage von § 8 NKAG handelt es sich nicht um eine öffentliche Abgabe im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch eigener Art, auf den das Nds. Kommunalabgabengesetz im Übrigen gemäß § 8 Satz 4 NKAG entsprechende Anwendung findet.
2. Die Kommune kann Aufwendungsersatz verlangen, soweit ein von ihr Beauftragter verauslagte Gebühren, z.B. für straßenverkehrsbehördliche Anordnungen, weiterberechnet. Soweit der Beauftragte hierauf Umsatzsteuer ausweist, darf die Kommune die Aufwendungen insoweit jedoch nicht für erforderlich halten.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu Kosten für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen für den Schmutzwasserkanal sowie den Niederschlagswasserkanal.
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks mit der Flurstücksnummer F., Flur G. in der Gemarkung A-Stadt mit der postalischen Anschrift H., A-Stadt. Dieses Grundstück liegt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die als selbständige Einrichtung der Stadt A-Stadt, der Gemeinde I. und der Samtgemeinde J. in der Rechtsform einer gemeinsamen kommunalen Anstalt errichtet ist. Sie ist als solche Rechtsnachfolgerin der „Kommunal Service Böhmetal AöR“, ihr wurde unter anderem die Aufgabe der Abwasserbeseitigung zur selbständigen Erledigung im eigenen Namen und in eigener Verantwortung übertragen.
Das Grundstück der Kläger ist im Jahr 2007 durch Teilung eines bereits seit den 1960er Jahren an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen Grundstücks entstanden. Für das ursprüngliche Grundstück waren im Jahr 1964 Kanalbeiträge als Anliegerbeiträge erhoben worden.
Im Jahr 2015 beantragten die Kläger die Erteilung einer Entwässerungsgenehmigung für den Anschluss ihres durch die Teilung entstandenen Grundstückes an die Schmutzwasserkanalisation sowie an die Regenwasserkanalisation, um auf dem Grundstück einen Wohnhausneubau errichten zu können. Die Entwässerungsgenehmigung wurde mit Bescheid der Kommunal Service Böhmetal AöR vom 18. Februar 2016 erteilt. Auf dem Lageplan ist als Bestandteil der Genehmigung der folgende Zusatz aufgebracht:
„Die Anschlüsse sind bisher noch nicht vorhanden. Sie werden auf Grundlage des Antrages verlegt. Dadurch sind Abweichungen der Lage möglich.“
Die Anschlüsse an den Kanal wurden von der Kommunalservice Böhmetal AöR hergestellt und am 18. Dezember 2017 abgenommen.
Mit Schreiben vom 5. März 2018 wurden die Kläger zum Erlass eines Bescheides über die Kostenerstattung für die Herstellung eines Schmutzwasserhausanschlusses sowie eines Niederschlagswasserhausanschlusses angehört. Mit weiterem Schreiben vom 12. April 2018 wies die Beklagte die Kläger ausdrücklich darauf hin, dass es sich um Kostenerstattungsansprüche für die Herstellung zweiter Hausanschlüsse handele. Die Hausanschlüsse des früheren Grundstücks K. lägen auf dem jetzigen Flurstück L. und die Anschlüsse des früheren Grundstücks M. auf dem jetzigen Flurstück N..
Mit Bescheid vom 25. Juni 2018 setzte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 8.234,99 EUR für die Herstellung des Schmutzwasseranschlusses nach § 12 ihrer Abwasserabgabensatzung gegenüber den Klägern fest. Es seien tatsächliche Aufwendungen in Höhe von netto 6.920,16 EUR (1.691,37 EUR für Erdarbeiten, 881,46 EUR für Abwasserkanalarbeiten sowie 4.347,34 EUR für Verkehrswegebau und Zusatzarbeiten), zuzüglich 19 % USt (1.314,83 EUR), damit insgesamt 8.234,99 EUR, entstanden. Der Bescheid ist überschrieben mit „Bescheid über den Abwasserbeitrag ‚Schmutzwasser‘H.“. Der Tenor des Bescheides lautet: „Sie werden hiermit zu einer Kostenerstattung für einen Schmutzwasserhausanschluss nach § 12 der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung (ABAS) der Kommunalservice Böhmetal gkAÖR (Rechtsnachfolger der Kommunalservice Böhmetal AöR) herangezogen. Der Betrag wird auf 8.234,99 EUR festgesetzt.“ Dem Bescheid ist eine Anlage beigefügt, die die Überschrift „Abwasserbeitrag Schmutzwasser“ trägt und ähnlich einer Rechnung die Position „Kanalbaubeitrag Schmutzwasser“ aufführt.
Mit weiterem Bescheid vom 25. Juni 2018 setzte die Beklagte einen Anspruch in Höhe von 4.099,75 EUR für die Herstellung des Niederschlagswasserhausanschlusses nach § 12 ihrer Abwasserabgabensatzung gegenüber den Klägern fest. Es seien tatsächliche Aufwendungen in Höhe von netto 3.445,17 EUR (188,09 EUR für Erdarbeiten, 608,98 EUR für Abwasserkanalarbeiten sowie 2.648,10 EUR für Verkehrswegebau und Zusatzarbeiten), zuzüglich 19 % USt (654,58 EUR), damit insgesamt 4.099,75 EUR, entstanden. Im Übrigen ist der Bescheid entsprechend dem Bescheid hinsichtlich des Schmutzwasseranschlusses aufgebaut.
Gegen diese Bescheide haben die Kläger am 26. Juli 2018 Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, dass eine Erstattungspflicht nicht entstehen könne, weil das Grundstück bereits seit den 1960er Jahren angeschlossen gewesen sei. Zudem sei die tatsächliche Höhe der geltend gemachten Kosten – gerade im Hinblick auf die Länge des Grabens von nur 5 m – nicht nachvollziehbar, vor allem die Kosten für das Aufstellen von Verkehrsschildern und die Baustellenabsicherung in Höhe von insgesamt 4.057,80 EUR, aber auch weitere Kostenpositionen seien unverhältnismäßig. Einer Pressemitteilung der Beklagten sei zudem zu entnehmen, dass die Vollsperrung nicht sieben, sondern nur fünf Tage vom 18. bis 22. Juli 2016 unterhalten worden sei.
Die Kläger beantragen,
die Bescheide der Beklagten vom 25. Juni 2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Jedes Grundstück müsse nach der Abwasserabgabensatzung grundsätzlich über zwei eigene unmittelbare Anschlüsse an den Schmutzwasser- und den Niederschlagswasserkanal verfügen. Nach der Teilung des früheren, angeschlossenen Grundstücks in zwei Grundstücke (Flurstücksnummern L. und F., jeweils Flur O.) seien auf dem Grundstück der Kläger (Flurstück F., Flur O.) keine Hausanschlüsse mehr vorhanden gewesen. Ausnahmsweise könne nach der Satzung der Anschluss mehrerer Grundstücke an einen gemeinsamen Hausanschluss zugelassen werden, es seien jedoch durch die Kläger eigene Grundstücksanschlüsse beantragt worden. Es handele sich bei den Bescheiden auch nicht um eine erneute Veranlagung, da keine Beiträge, sondern eine Kostenerstattung festgesetzt worden sei.
Zur Höhe der Kosten wies die Beklagte darauf hin, dass das beauftragte Unternehmen Bartz für sie kleinere Maßnahmen wie die Herstellung nachträglicher Hausanschlüsse durchführe; die abgerechneten Einheitspreise resultierten aus Preisen des Standardleistungsbuches und den Ausschreibungspreisen eines Rahmenvertrages zwischen dem Unternehmen P. und der Q., der im Wege der freihändigen Vergabe geschlossen worden sei. Diese Rahmenvereinbarung aus dem Jahr 2012 sei im Jahr 2014 ausgelaufen und später verlängert worden, für den hier maßgeblichen Zeitraum sei mündlich eine Beibehaltung der Preise vereinbart worden. Aufgrund der gemeinsamen Rufbereitschaft sowie des höheren Auftragsvolumens sei es für die Beklagte sinnvoll gewesen, keine eigene Ausschreibung durchzuführen, sondern sich an die Vereinbarung der Stadtwerke „heranzuhängen“.
Die Kosten der Baustelleneinrichtung seien jeweils zur Hälfte auf die beiden Anschlüsse verteilt worden. Da der Hauptkanal mittig in der 5 m breiten Straße liege, sei eine Vollsperrung unausweichlich gewesen. Die Art der Absperrung sei von der Straßenverkehrsbehörde vorgegeben gewesen, die Straße R. sei eine wichtige Verkehrsverbindung, über die Verkehr zum Bahnhof, zu mehreren Schulen sowie zu Gewerbebetrieben verlaufe. Die Baustellenabsicherung sei über sieben Tage erforderlich gewesen, da aufgrund des hohen Grund- und Schichtenwassers eine Wasserhaltung erforderlich gewesen sei und erst nach Absenkung eine Rohrverlegung möglich gewesen wie. Eine Freigabe der Straße für den Verkehr habe erst erfolgen können, nachdem der Unterbau der Pflasterung aus Trasskalkmörtel abgebunden war. Die Baustelleneinrichtung habe nach Vorgaben der Verkehrsbehörde 72 Stunden vor Baubeginn, und damit am 15. Juli 2017 erfolgen müssen. Zwar hätten daher am 15. Juli 2017 noch nicht alle Barken auf der Straße gestanden, aber die aufgrund der Anordnung der Verkehrsbehörde erforderliche Vorhaltung sei bereits gegeben gewesen. Die Wasserhaltungskosten seien dem Schmutzwasserkanal zugerechnet worden, da der Kanal mit 2,69 m wesentlich tiefer liege als der Regenwasserkanal mit 1,40 m. Aufgrund der Tiefenlage und der Bodenverhältnisse seien auch bei den Positionen Bodenaushub, Bodenaustausch und Verbau für den Schmutzwasserkanal höhere Kosten entstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, die im Wege der objektiven Klagehäufung gegen zwei Bescheide der Beklagten vom 25. Juni 2018 gerichtet ist, ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO über die Klage mit Einverständnis der Beteiligten, der Kläger mit Schriftsatz vom 2. Februar 2022 und der Beklagten mit Schriftsatz vom 8. November 2021, ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Bescheide der Beklagten sind aufzuheben, soweit darin die Erstattung eines Betrages von 4,38 EUR (Niederschlagswasser) bzw. 4,37 EUR (Schmutzwasser) gegenüber den Klägern festgesetzt worden ist, da sie insoweit rechtswidrig sind und die Kläger in ihren Rechten verletzen. Im Übrigen sind die Bescheide der Beklagten rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Bescheide ist § 12 der „Satzung über die Erhebung der Abgaben für die Abwasserbeseitigung der Kommunal Service Böhmetal AöR“ vom 18. Dezember 2012 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 21. Dezember 2016 - Abwasserbeseitigungsabgabensatzung - (im Folgenden: ABAS) i. V. m. § 8 Satz 1 Nds. Kommunalabgabengesetz (NKAG).
Gegenstand der Klage sind die Bescheide der Beklagten 25. Juni 2018, mit denen diese Erstattungsbeträge für die Herstellung je eines Grundstücksanschlusses für den Anschluss des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Anlage zur Schmutzwasserbeseitigung sowie die öffentliche Anlage zur Niederschlagswasserbeseitigung. Gegenstand der Festsetzung gegenüber den Klägern sind nicht Abwasserbeiträge im Sinne der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung. Zwar sind die Bescheide vom 20. Juni 2018 überschrieben mit „Bescheid über den Abwasserbeitrag ‚Schmutzwasser‘“ bzw. „Bescheid über den Abwasserbeitrag ‚Niederschlagswasser‘“ und den Bescheiden sind jeweils Anlagen beigefügt, in denen sich ebenfalls die Bezeichnung „Abwasserbeitrag“ bzw. „Kanalbaubeitrag“ findet. Andererseits ist dem verfügenden Teil sowie der Begründung der Bescheide jeweils ohne weiteres zu entnehmen, dass die Kläger zu einer Kostenerstattung für die Herstellung der Anschlüsse in Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen herangezogen werden, und gerade kein Abwasserbeitrag zur Deckung des Aufwandes für die gesamte öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage erhoben werden soll. Den Bescheiden in ihrer Gesamtheit ist daher durch Auslegung zu entnehmen, dass es sich um die Festsetzung von Kostenerstattungsansprüchen handelt.
Die Abwasserbeseitigungsabgabensatzung (ABAS) ist vorliegend anwendbar und die Beklagte konnte Bescheide auf Grundlage dieser Satzung erlassen, da sie insoweit Gesamtrechtsnachfolgerin der Kommunal Service Böhmetal AöR ist. Die Beklagte ist gemäß § 2 Abs. 1 a) der „Unternehmenssatzung über die gemeinsame kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts ‚Kommunal Service Böhmetal gkAöR‘“ vom 20. Dezember 2017 (in Kraft getreten zum 29. Dezember 2017) i. V. m. Ziffer 1 a) der Anlage 1 zu dieser Satzung für die Beseitigung des im Gemeindegebiet der Stadt A-Stadt anfallende Schmutzwassers sowie des anfallenden Niederschlagswassers zuständig. Sie ist nach § 18 der Unternehmenssatzung Gesamtrechtsnachfolgerin der Kommunal Service Böhmetal AöR und tritt in alle Rechte und Pflichten dieser ein, die im Zusammenhang mit der Aufgabe der Abwasserbeseitigungspflicht stehen. Die insoweit übertragenen Aufgabenbereiche gelten gemäß § 18 Abs. 2 der Unternehmenssatzung mit der Maßgabe fort, dass die Beklagte, die Kommunal Service Böhmetal gkAöR, an die Stelle der Anstaltsträger tritt, bis die gemeinsame kommunale Anstalt eigene entsprechende Satzungsregelungen trifft. Dasselbe gilt für sonstige Satzungen oder Ratsbeschlüsse, die Regelungen hinsichtlich der übertragenen Aufgabengebiete betreffen.
Nach § 8 Satz 1 NKAG können die Kommunen bestimmen, dass ihnen die Aufwendungen für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses an Abwasseranlagen in der tatsächlich entstandenen Höhe oder nach Einheitssätzen erstattet werden. Dies gilt gemäß § 8 Satz 2 NKAG unabhängig davon, ob der Haus- oder Grundstücksanschluss durch Satzung zum Bestandteil der öffentlichen Einrichtung bestimmt wurde. Bei dem Erstattungsanspruch nach § 8 NKAG handelt es sich nicht um eine öffentliche Abgabe im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch eigener Art (vgl. Rosenzweig/ Freese/ von Waldthausen, NKAG, Stand: Februar 2022, § 8 Rn. 8 f.), auf den das Nds. Kommunalabgabengesetz im Übrigen gemäß § 8 Satz 4 NKAG entsprechende Anwendung findet. Der Kommune steht es dabei frei, ob sie von der Ermächtigung Gebrauch macht und welche der in § 8 NKAG genannten Maßnahmen sie im Wege des Erstattungsanspruches refinanzieren möchte.
Von der Ermächtigung in § 8 NKAG hat die Beklagte mit § 12 ABAS Gebrauch gemacht. Nach § 12 Satz 1 ABAS sind der Beklagten, wenn sie auf Antrag des Grundstückseigentümers für ein Grundstück einen weiteren Grundstücksanschluss herstellt, die Aufwendungen für die Herstellung der zusätzlichen Grundstücksanschlüsse in der tatsächlich entstandenen Höhe zu erstatten. Dagegen ist die Herstellung erster Grundstücksanschlüsse durch die Beklagte nach der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung von der Erstattungspflicht ausgenommen.
Die Beklagte betreibt Kanalisations- und Abwasserreinigungsanlagen (öffentliche Abwasseranlagen) als eine jeweils einheitliche öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutz- bzw. Niederschlagswasserbeseitigung nach Maßgabe der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung (§ 1 Abs. 1 ABAS) sowie nach Maßgabe der „Abwasserbeseitigungssatzung der Kommunal Service Böhmetal AÖR“ vom 19. Juni 2013 (im Folgenden: ABS). Die Deckung des Aufwandes für die Anschaffung, Herstellung, Erneuerung, Verbesserung oder Erweiterung der öffentlichen zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigungsanlagen einschließlich der Kosten für den ersten Grundstückshausanschluss erfolgt nach § 1 Absatz 2 lit. a) ABAS über die Erhebung von Abwasserbeiträgen.
Die Beklagte kann Erstattung für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen vorliegend jedoch nach § 12 Satz 2 ABAS verlangen. § 12 ABAS lautet:
„Stellt die Kommunal Service Böhmetal auf Antrag des Grundstückseigentümers für ein Grundstück einen weiteren Grundstücksanschluss her, so sind der Kommunal Service Böhmetal die Aufwendungen für die Herstellung solcher zusätzlicher Grundstücksanschlüsse in der tatsächlich entstandenen Höhe zu erstatten.
Das gleiche gilt, wenn für ein von einem Grundstück, für das die Beitragspflicht bereits entstanden ist, abgeteilte und zu einem Grundstück verselbständigte Teilfläche einen eigenen Grundstücksanschluss oder nach dessen Beseitigung einen neuen Grundstücksanschluss hergestellt wird.
§§ 7, 9 und 11 dieser Satzung gelten entsprechend. Der Erstattungsanspruch entsteht mit der betriebsfertigen Herstellung des Anschlusses.“
Die Beklagte (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) hat auf Antrag der Kläger auf deren Grundstück mit der Flurstücksnummer F., Flur G., Gemarkung A-Stadt, sowohl einen Grundstücksanschluss für die Schmutzwasserbeseitigung als auch einen Grundstücksanschluss für die Niederschlagswasserbeseitigung hergestellt. Nach §§ 3, 3a, 9 ABS ist jeder Grundstückseigentümer verpflichtet, sein Grundstück an die öffentlichen Abwasseranlagen anzuschließen, hierfür muss jedes Grundstück über jeweils einen eigenen Anschluss an den Schmutz- und Niederschlagswasserkanal verfügen.
Durch die Beklagte (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) wurde vorliegend auf Antrag der Kläger Grundstücksanschlüsse auf einem Grundstück hergestellt, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht über eigene (erste) Anschlüsse verfügte. Der Umstand, dass das klägerische Grundstück zu diesem Zeitpunkt nicht über eigene Anschlüsse verfügte, hat seinen Grund jedoch in der im Jahr 2007 durchgeführten Grundstücksteilung, die zur Verselbstständigung eines Teils eines zu diesem Zeitpunkt bereits an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossenen Grundstücks führte. Wäre die Teilung des Grundstückes erst nach Errichtung der streitgegenständlichen Grundstücksanschlüsse im Jahr 2017 erfolgt, wäre eine Erstattungspflicht des Grundstückseigentümers für einen zweiten Grundstücksanschluss nach § 12 Satz 1 ABAS entstanden. Entfiele die Erstattungspflicht, wenn die Herstellung der Anschlüsse nach der Grundstücksteilung erfolgte, hätte es der Grundstückseigentümer in der Hand, die satzungsmäßige Erstattungspflicht durch Gestaltung der zeitlichen Abfolge von Grundstücksteilung und Herstellung des Grundstücksanschlusses zu umgehen. Es ist rechtlich daher nicht zu beanstanden, dass § 12 Satz 2 ABAS den Fall der Verselbstständigung einer Teilfläche eines bereits mit Grundstücksanschlüssen versehenen Grundstückes und der nachträglichen Herstellung von Anschlüssen auf dieser Teilfläche dem Fall der Herstellung zusätzlicher Grundstücksanschlüsse eines ungeteilten Grundstückes gleichstellt.
Die Höhe des von der Beklagten mit den streitgegenständlichen Bescheiden vom 25. Juni 2018 jeweils geltend gemachten Erstattungsanspruches ist in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe rechtmäßig. Diese Erstattungsansprüche sind aus Aufwendungen, die durch die Beauftragung der Firma S. resultieren, entstanden.
Nach § 12 Satz 2 ABAS i. V. m. § 12 Satz 1 ABAS besteht ein Anspruch der Beklagten auf Erstattung der Aufwendungen in der tatsächlich entstandenen Höhe. In den erstattungsfähigen Aufwand können alle Kosten eingerechnet werden, die durch die Herstellung des Anschlusses entstehen (Rosenzweig/ Freese/ von Waldthausen, a.a.O., § 8 Rn. 18a). Entstehen der Gemeinde Kosten durch die Beauftragung Dritter, sind diese zu ersetzen. Ein Verstoß gegen eine Ausschreibungsverpflichtung führt dabei nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit einer Abgabenforderung nach § 8 NKAG (Nds. OVG, Beschl. v. 2.3.2004 - 9 LA 28/04 -, juris Rn. 3). Entscheidend ist nicht die – insoweit lediglich formale – Einhaltung kommunaler Vorschriften, sondern die Wahrung des abgabenrechtlichen Erforderlichkeitsprinzips. Allein der Umstand, dass die Beklagte den Auftrag ohne eine vorherige öffentliche Ausschreibung erteilt hat, bleibt damit für sich genommen folgenlos. In derartigen Fällen muss allerdings die auftragserteilende Gemeinde nachweisen, dass die zugrunde gelegten Preise sich noch im Rahmen dessen bewegen, was das kostenbezogene Erforderlichkeitsprinzip voraussetzt (vgl. hierzu Rosenzweig/ Freese/ von Waldthausen, a.a.O., § 6 Rn. 95c). Zusatzkosten, die durch ein unsachgemäßes Ausführen der Arbeiten entstanden sind, können eine Kostenersatzpflicht nicht begründen. Kostenersatz kann auch nicht für solche Maßnahmen verlangt werden, die ohne triftigen Grund besonders aufwendig sind, obwohl eine kostengünstigere Maßnahme in Betracht gekommen wäre. Allerdings hat die Gemeinde bei der Beurteilung der Angemessenheit des Aufwandes einen weiten Ermessensspielraum, dessen Grenze erst bei einem sachlich nicht mehr vertretbaren Mitteleinsatz überschritten ist (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 10 Rn. 41, Stand: Sept. 2020).
Es ist nicht ersichtlich, dass die Art der Ausführung bei der Herstellung der Grundstücksanschlüsse nicht mehr von dem der Beklagten zustehenden Ermessen gedeckt wäre oder sogar als unsachgemäß anzusehen wäre.
Auch die Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruches ist im Wesentlichen rechtlich nicht zu beanstanden. Zugrunde zu legen sind insoweit die Aufwendungen aus der Rechnung der Firma S. vom 30. Dezember 2016 in Höhe von 3.713,70 EUR (brutto) für die Herstellung des Regenwasserkanalanschlusses sowie die Aufwendungen aus der weiteren Rechnung der Firma S. vom 30. Dezember 2016 in Höhe von 7.848,95 EUR (brutto) für die Herstellung des Schmutzwasserkanalanschlusses. Hinzu kommt jeweils der hälftige Betrag aus der Rechnung der Firma S. vom 2. Februar 2017 in Höhe von 771,32 EUR für die Reinigung und Kanalinspektion.
Von den mit den streitgegenständlichen Bescheiden geltend gemachten Erstattungsbeträgen sind jedoch in Ansehung der vorgenannten Rechnungen folgende Beträge nicht erstattungsfähig:
Zum einen sind der Erstattungsanspruch hinsichtlich des Regenwasserkanalanschlusses um 0,39 EUR auf zunächst 4.099,36 EUR und der Erstattungsanspruch hinsichtlich des Niederschlagswasserkanalanschlusses um 0,38 EUR auf zunächst 8.234,61 EUR zu reduzieren. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte die von der Firma S. mit Rechnung vom 2. Februar 2017 in Rechnung gestellte Reinigung und Kanalinspektion nicht hälftig in Höhe von jeweils brutto 385,66 EUR (insgesamt brutto 771,32 EUR, insgesamt netto 648,17 EUR), sondern in Höhe von jeweils netto 324,41 EUR bzw. in Höhe von brutto 386,04 EUR bzw. 386,05 EUR (insgesamt brutto 772,09 EUR) in die Anspruchsermittlung übernommen hat. Da der Beklagten in Höhe des Differenzbetrages keine Aufwendungen entstanden sind, ist der Erstattungsanspruch insoweit zu kürzen.
Zum anderen sind der Erstattungsanspruch hinsichtlich des Regenwasserkanalanschlusses um weitere 3,99 EUR auf 4.095,37 EUR und der Erstattungsanspruch hinsichtlich des Niederschlagswasserkanalanschlusses ebenfalls um weitere 3,99 EUR auf 8.230,62 EUR zu reduzieren. Dies ergibt sich daraus, dass die Firma S. jeweils 21,00 EUR (Rechnungsposition 99.98) an Aufwendungen berechnet hat, die sich aus der Gebühr der Stadt A-Stadt für die verkehrsbehördliche Anordnung in Höhe von insgesamt 42,00 EUR ergeben. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Gebühr in Höhe von jeweils 21,00 EUR für die verkehrsbehördliche Genehmigung, die von der Firma S. zunächst verauslagt wurde, an die Beklagte weiterberechnet wird und damit im Ergebnis von den Klägern zu erstatten ist. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass die Firma S. insoweit Umsatzsteuer auf diesen verauslagten Betrag ausgewiesen hat, die von den Klägern nicht zu erstatten ist. Die entsprechende Rechnungsposition der Firma S. beläuft sich auf jeweils netto 23,10 EUR, da insoweit ein Zuschlag in Höhe von 10 % als „Bearbeitungsgebühr“ erhoben wurde. Der Betrag von 23,10 EUR ist jeweils in der Nettogesamtrechnungssumme von 3.120,76 EUR (Regenwasser) bzw. von 7.848,95 EUR (Schmutzwasser) enthalten und hierauf wird Umsatzsteuer in Höhe 19 %, d. h. 592,94 EUR (Regenwasser) bzw. 1.253,19 EUR (Schmutzwasser) ausgewiesen. Umsatzsteuerbar ist hinsichtlich der genannten Rechnungsposition 99.98 aber nur der in Höhe von 10 % (2,10 EUR) berechnete Zuschlag der Firma S. als eigene Leistung. Bei dem Betrag von 21,00 EUR handelt es sich dagegen um eine verauslagte Gebühr. Unabhängig davon, dass mit der insoweit unzutreffenden Rechnungslegung die Umsatzsteuer tatsächlich entstanden ist und von der Firma S. abzuführen war, scheidet eine Erstattung der von der Firma S. auf die Gebühr der Stadt A-Stadt deklarierten Umsatzsteuer durch die Kläger jedoch aus. Die Beklagte wäre insoweit gehalten gewesen, auf eine korrigierte Rechnungslegung hinzuwirken.
Im Übrigen ist die Höhe des geltend gemachten Erstattungsbetrages jedoch rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere nicht ersichtlich, dass die entstandenen Kosten die Grenzen der Erforderlichkeit überschreiten. Die Grenze zur Rechtswidrigkeit wird zwar nicht erst dann überschritten, wenn sich die geltend gemachten Kosten durch die Beauftragung Dritter als „grob unangemessen“ erweisen (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 25.11.1999 - 9 L 1832/99 -, juris Rn. 13; vgl. zum Merkmal des „sachlich nicht mehr Vertretbaren“: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 10 Rn. 41, 43, Stand: September 2020). Die Schwelle des noch Zulässigen lässt sich jedoch nicht abstrakt bemessen, sondern hängt von den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Maßgeblich ist, ob die Gemeinde sach- und marktgerechte Erwägungen und Argumente für die von ihr ohne die gebotene Ausschreibung vorgenommene Auftragsvergabe vortragen kann und diese die Schlussfolgerung auf die Angemessenheit der Kosten noch zulassen (Nds. OVG, Urt. v. 25.11.1999 - 9 L 1832/99 -, juris Rn. 13). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat die Beklagte hinreichend dargelegt, dass die Beauftragung der Firma S. zu angemessenen Konditionen erfolgte, die die Grenzen des Erforderlichen nicht überschritten haben. Anhaltspunkte dafür, dass die der Beauftragung zu Grunde liegenden Rahmenbedingungen, die auf den Bedingungen des Vergabeverfahrens durch die Stadtwerke T. GmbH sowie teilweise auf das Standardleistungsbuch für das Bauwesen beruhen, die Grenzen des Erforderlichen überschreiten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Ebenso hat die Beklagte nachvollziehbar erläutert, dass die Kosten der Baustelleneinrichtung jeweils hälftig auf den Schmutzwasser- und den Regenwasseranschluss verteilt worden seien, die Kosten der Wasserhaltung (ca. 2.200 EUR) dagegen allein dem Schmutzwasseranschluss zugerechnet worden seien, da der Schmutzwasserkanal mit 2,69 m wesentlich tiefer liege als der Regenwasserkanal mit 1,40 m. Ebenso ist nachvollziehbar, dass die Tiefenlage und die Bodenverhältnisse auch in den Positionen Bodenaushub, Bodenaustausch und Verbau bei dem Schmutzwasseranschluss höhere Kosten verursachten als bei dem Regenwasseranschluss.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass – wie die Kläger rügen – die Kosten der Baustellenabsicherung die Grenze des Erforderlichen überschritten haben. Die Lage der Kanäle in der Straßenmitte hat nach der unbestrittenen Darlegung der Beklagten eine Vollsperrung der Straße erforderlich gemacht. Zudem hat die Beklagte nachvollziehbar erläutert, dass aufgrund des hohen Grund- und Schichtenwassers eine Wasserhaltung erforderlich gewesen sei, was zu einer längeren Dauer der Bauausführung und damit notwendig auch der Straßensperrung geführt hat. Zudem war eine entsprechende Einrichtung vor der eigentlichen Absperrung von Montag, dem 18. Juli bis Freitag, dem 22. Juli 2016 nach Maßgabe der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung erforderlich. Nach der Anordnung der Stadt A-Stadt vom 7. Juli 2016 war die entsprechende Beschilderung bereits mindestens 72 Stunden vor Inanspruchnahme der Verkehrsbeschränkung in den Straßen U. und V. aufzustellen. Die Funktion der Bahnhofstraße im Straßenwegenetz erforderte die entsprechend umfangreiche Beschilderung in mehreren Straßenzügen.
Dem Erstattungsanspruch steht auch nicht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entgegen. Nach diesem Grundsatz kann jedes Grundstück für ein- und dieselbe Maßnahme nur einmal veranlagt werden. Ist die Beitragspflicht einmal entstanden, kann sie nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt oder in einer anderen Höhe noch einmal entstehen (Verbot der Doppelbelastung, vgl. Nds. OVG, Urt. v. 24.9.2013 - 9 LB 22/11 -, juris Rn. 45). Auch eine Grundstücksteilung führt nicht dazu, dass die Grundstücksfläche, für die bereits ein Beitrag entstanden war, insoweit erneut veranlagt werden dürfte (Rosenzweig/ Freese/ von Waldthausen, a.a.O., § 6 Rn. 9, 264). Zwar ist für die Grundstücksfläche, die seit 2007 das Grundstück der Kläger bildet, bereits im Jahr 1964 nach Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage ein Kanalbeitrag erhoben worden. Unabhängig davon, ob dies der Erhebung eines (weiteren) Abwasserbeitrages grundsätzlich entgegenstünde, ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich, dass mit dem Kanalbaubeitrag auf Grundlage der Satzung der Stadt A-Stadt vom 28. Mai 1959 die Herstellung von Grundstücksanschlüssen abgegolten gewesen wäre. Nach § 1 der Gebührenordnung der Stadt A-Stadt vom 28. Mai 1959 diente der Beitrag der Deckung der Herstellungskosten der Kanalisation in den Straßen des Stadtgebietes und wurde von den Eigentümern der bebauten und unbebauten Grundstücke, die an die kanalisierten Straßen angrenzten, erhoben. Die Anschlüsse der Grundstücke an die Straßenleitung wurden dagegen nach § 11 Abs. 2 i. V. m. §§ 5, 10 der Satzung der Stadt A-Stadt über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage (Kanalisation) vom 28. Mai 1959 von der Stadt oder durch einen von ihr beauftragen Unternehmer auf Kosten des Anschlussberechtigten ausgeführt. Bereits die Kosten für die ersten Grundstücksanschlüsse waren danach im Jahr 1964 von den Kanalbeiträgen nicht erfasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterliegen, daher werden den Klägern die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.