Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 06.05.2022, Az.: 5 A 358/19

Gegenwärtige Gefahr; Kostenfestsetzung; Sicherstellung; Verhältnismäßigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
06.05.2022
Aktenzeichen
5 A 358/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59590
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die sofortige Sicherstellung eines im öffentlichen Verkehrsraum, wo das Parken grundsätzlich erlaubt ist, unversehrten abgestellten, aber nicht zugelassenen Kraftfahrzeugs ist rechtswidrig, wenn der Halter zu ermitteln ist und nicht zuvor zur Entfernung des Kraftfahrzeugs aufgefordert worden ist.

2. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte dem Kläger bereits in einem Telefonat im Jahr 2016 mehrfach mitgeteilt hat, dass von ihm widerrechtlich im öffentlichen Verkehrsraum abgestellte nicht zugelassene Fahrzeuge sofort abgeschleppt werden.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten, mit welchem sie die Kosten einer Sicherstellung eines Kraftfahrzeugs in Höhe von insgesamt 191,30 Euro geltend macht.

Die Beklagte überprüfte am 16. September 2019 ein nicht zugelassenes schwarzes Kraftfahrzeug vom Typ D., welches auf dem Seitenstreifen an der Straße „E.“, wo das Parken ohne Einschränkungen grundsätzlich erlaubt ist, stand. Auf der Windschutzscheibe befand sich eine grüne Umweltplakette mit der Kennzeichenaufschrift F.. Über dieses Kennzeichen ermittelte die Beklagte den Kläger als eingetragenen Halter. An diesem Tag ließ die Beklagte das Kraftfahrzeug von der Firma Autoverwertung G. auf dessen Betriebsgelände abschleppen und sicherstellen sowie eine Restwertermittlung durchführen. Die Firma teilte der Beklagten mit Schreiben vom 17. September 2019 die Fahrzeugidentifikationsnummer H. und einen Restwert in Höhe von 100,00 Euro mit.

Mit Schreiben vom 19. September 2019 hörte die Beklagte den Kläger zur Kostenerstattung an und bat um Mitteilung bis zum 2. Oktober 2019, ob das Kraftfahrzeug verwertet werden soll.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 mit, das streitgegenständliche Kraftfahrzeug sei bei einer Autowerkstatt „zu Besuch“, und forderte dies zurück.

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 1. November 2019 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung von durch die Sicherstellung entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 191,30 Euro auf. Dieser Betrag setzte sich aus den Kosten des Abschleppunternehmens in Höhe von 142,80 Euro sowie Gebühren und Auslagen in Höhe von 45,00 Euro und 3,50 Euro zusammen. Am 16. September 2019 sei festgestellt worden, dass das nicht zugelassene Kraftfahrzeug des Klägers auf öffentlicher Verkehrsfläche in der Straße „E.“ auf dem Seitenstreifen abgestellt worden sei. Entgegen seiner Mitteilung vom 24. Oktober 2019, das Fahrzeug sei in einer Autowerkstatt „zu Besuch“ gewesen, sei von der dort ansässigen Firma I. am 16. September 2019 mitgeteilt worden, dass der Kläger das Fahrzeug dort habe reparieren lassen wollen. Da diese die Reparatur nur gegen Vorkasse habe durchführen wollen, habe er das Fahrzeug an besagtem Ort abgestellt. Das Kraftfahrzeug sei dort durchgehend und nicht zugelassen fünf bis sechs Wochen geparkt, bevor sie es am 16. September 2019 durch die Firma G. habe sicherstellen lassen. Bereits am 14. Juli 2016 habe sie dem Kläger während eines Telefongesprächs mehrfach mitgeteilt, dass sie künftig nicht zugelassene Fahrzeuge, die er widerrechtlich im öffentlichen Verkehrsraum abstelle, sofort auf dessen Kosten entfernen ließe. Das Abstellen nicht zugelassener Fahrzeuge gehöre nicht mehr zum Gemeingebrauch. Die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus sei eine Sondernutzung und bedürfe der Erlaubnis des Trägers der Straßenbaulast. Die Maßnahme könne gegen den Kläger als Halter des Fahrzeugs gerichtet werden.

Gegen den Bescheid hat der Kläger am 5. Dezember 2019 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, er habe das Fahrzeug zum Zwecke der Durchführung einer Reparatur durch die Kfz-Werkstatt I. in Abstimmung mit dieser abgestellt. Die Reparatur des Kraftfahrzeugs sei für den 17. September 2019 vorgesehen gewesen. Das Fahrzeug hätte er voraussichtlich am 18. September 2019 von dem Werkstattgelände abholen können. Die Beklagte hätte diesen Sachverhalt ohne Weiteres erfahren, wenn sie von der Möglichkeit zu seiner Anhörung vor der veranlassten Abschleppmaßnahme Gebrauch gemacht hätte. Eine Anhörung sei auch nicht entbehrlich gewesen, da keine Gefahr im Verzug vorgelegen habe. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei von dem auf dem Seitenstreifen neben der Werkstatt abgestellten Fahrzeug nicht ausgegangen. Dies werde von der Beklagten auch nicht behauptet. Da die Reparatur des Fahrzeugs ohnehin am 17. September 2019 erfolgt wäre, sei die gleichwohl veranlasste Sicherstellung des Fahrzeugs unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Wegen Platzmangels auf dem Werkstattgelände habe ein Mitarbeiter der Werkstatt das Fahrzeug auf dem Seitenstreifen abgestellt, sodass dieses dort nicht bereits für einen längeren Zeitraum gestanden habe. Das Fahrzeug hätte jederzeit mit einem roten Kennzeichen auf das Werkstattgelände gefahren werden können, wenn die Werkstatt informiert worden wäre.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid vom 1. November 2019 aufzuheben.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf ihre Ausführungen aus dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 1. November 2019. Ergänzend führt sie im Wesentlichen aus, eine Anhörung des Klägers sei entbehrlich gewesen. Insbesondere sei ihm mehrfach mitgeteilt worden, dass sie künftig nicht zugelassene Fahrzeuge, die er widerrechtlich im öffentlichen Verkehrsraum abstelle, sofort auf Kosten des Klägers aus dem öffentlichen Verkehrsraum entferne. Der Kläger sei als Halter des Kraftfahrzeugs für dessen Zustand verantwortlich und daher für die dem Abschleppunternehmen entstandenen Kosten für die Sicherstellung als Kostenschuldner in Anspruch zu nehmen. Da das Fahrzeug keine Zulassung habe, sei der klägerische Vortrag, das Auto sei bei der ansässigen Werkstatt zur Reparatur vorstellig gewesen und habe am 18. September 2019 wieder abgeholt werden können, fraglich. Die Firma I. habe mitgeteilt, dass das Kraftfahrzeug bereits fünf bis sechs Wochen auf dem Seitenstreifen vom Kläger abgestellt worden sei. Dieser habe hinsichtlich einer Reparatur Vorkasse leisten sollen, was er nicht getan habe. Die Kosten seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die die Einzelrichterin gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 16. Juni 2021 und mit Einverständnis der Beteiligten – vom 19. April 2022 des Klägers und vom 11. Juni 2021 der Beklagten – ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.

Sie ist als Anfechtungsklage zulässig und begründet. Der Kostenfestsetzungsbescheid vom 1. November 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die an den Kläger gerichtete Aufforderung, die für die durchgeführte Abschleppmaßnahme des nicht zugelassenen Kraftfahrzeugs entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 191,30 Euro zu zahlen, ist nicht von der Rechtsgrundlage des § 29 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 26 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes – NPOG –gedeckt. Danach fallen die Kosten der Sicherstellung den nach § 6 oder § 7 NPOG Verantwortlichen zur Last. Dagegen kommt die in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten ebenfalls angeführte Vorschrift des § 66 NPOG als Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Denn im Rahmen von Abschleppvorgängen von Kraftfahrzeugen ist regelmäßig zwischen den Kosten einer Sicherstellung nach § 29 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 26 NPOG und solchen einer Ersatzvornahme nach §§ 64, 65 Abs. 1 Nr. 1, 66 NPOG zu differenzieren. Eine Sicherstellung liegt vor, wenn es der Behörde vom Zweck der Maßnahme her darauf ankommt, die Sache in Verwahrung zu nehmen und andere von der Besitzmöglichkeit auszuschließen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 23.6.1994 - 12 L 6214/92 -, juris Rn. 25). Dagegen liegt ein bloßes Umsetzen oder Versetzen eines Kraftfahrzeugs im Wege der Ersatzvornahme vor, wenn das Kraftfahrzeug lediglich innerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes an eine andere Stelle platziert werden soll (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 8.9.2005 - 2 A 5356/02 -, juris Rn. 22). Hieran gemessen erfüllt die Anordnung der Beklagten die Voraussetzungen einer Sicherstellung. Die von der Beklagten angeordnete Abschleppmaßnahme durch die Autoverwertung G. war darauf ausgerichtet, das abgeschleppte Kraftfahrzeug auf dem betriebseigenen, privaten Gelände der Autoverwertung G. in Verwahrung zu nehmen und andere von der Besitzmöglichkeit auszuschließen.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde dem Kläger mit Anhörungsschreiben vom 19. September 2019 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – i.V.m. § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – NVwVfG –.

Allerdings ist der Bescheid materiell rechtswidrig. Denn der Kostengrund, namentlich die dem Kostenfestsetzungsbescheid zugrundeliegende Sicherstellung, ist rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für die Sicherstellung ist § 26 Nr. 1 NPOG. Danach können die Verwaltungsbehörden und die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren.

Zwar war die dem Kostenfestsetzungsbescheid zugrundeliegende Sicherstellung trotz fehlender Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG formell rechtmäßig. Denn eine erforderliche Anhörung des Klägers kann jedenfalls nach § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

Die dem Bescheid zugrundeliegende Sicherstellung ist indes materiell rechtswidrig.

Eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 26 Nr. 1 NPOG liegt zwar vor. Gefahr ist eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird, § 2 Nr. 1 NPOG. Zur öffentlichen Sicherheit im Sinne des Polizeirechts gehört u. a. der Schutz der objektiven Rechtsordnung, insbesondere auch die ein bestimmtes Handeln ge- oder verbietenden Normen der Straßenverkehrsordnung – StVO – (OVG Hamburg, Urt. v. 28.3.2000 - 3 Bf 215/98 -, juris Rn. 26) sowie solche des Niedersächsischen Straßengesetzes – NStrG –. Eine gegenwärtige Gefahr ist nach § 2 Nr. 2 NPOG eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Bei dem Abstellen eines nicht zugelassenen und somit aus Rechtsgründen nicht betriebsbereiten Kraftfahrzeugs handelt es sich nicht um ein Parken im Sinne des § 12 Abs. 2 StVO. Es ist folglich kein straßenrechtlicher Gemeingebrauch im Sinne des § 14 NStrG, sondern eine gemäß § 18 NStrG grundsätzlich erlaubnispflichtige Sondernutzung (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 1.7.2014 - 14 K 54/14 -, juris Rn. 30 und Urt. v. 5.3.2014 - 14 K 6856/13 -, juris Rn. 19). Da der Kläger eine derartige erforderliche Erlaubnis nicht vorweisen kann, liegt jedenfalls ein Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung vor.

Allerdings ist die angeordnete sofortige Sicherstellung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in § 4 NPOG seine einfach gesetzliche Ausprägung gefunden hat, nicht vereinbar.

Im Hinblick auf das Abschleppen eines verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugs und letztlich für alle Abschleppmaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass die Nachteile, die mit einer Abschleppmaßnahme für den Betroffenen verbunden sind, nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg stehen dürfen, was sich aufgrund einer Abwägung der wesentlichen Umstände des Einzelfalls beurteilt. Keinen Zweifeln begegnet das Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge regelmäßig im Falle der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern. Das kann u.a. bei einem Verstellen des gesamten Bürgersteiges, einem Hineinragen des Fahrzeuges in die Fahrbahn oder rechtswidrigen Parken auf einem Schwerbehindertenparkplatz, in Feuerwehranfahrtszonen oder auch beim Abschleppen zur Verhinderung von Straftaten der Fall sein. Dagegen rechtfertigt ein bloßer Verstoß etwa gegen straßenverkehrsrechtliche Verbote ohne konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer allein nicht ohne Weiteres eine Abschleppmaßnahme. Auch auf eine bloße Vorbildwirkung des fehlerhaften Verhaltens und allein auf den Gesichtspunkt der Generalprävention wird sich die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht berufen können. Jedoch kann auch beim Fehlen einer konkreten Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer im Sinne einer Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs eine Störung der öffentlichen Ordnung durch den Verstoß eine Abschleppmaßnahme unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen; dann wird aber das Gewicht der abzuwägenden gegenläufigen Interessen erheblicher werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.2.2002 - 3 B 149.01 -, juris Rn. 4; Beschl. v. 1.12.2000 - 3 B 51.00 -, juris Rn. 3 ff.; Urt. v. 14.5.1992 - 3 C 3.90 -, juris).

Wird ein äußerlich unversehrtes Kraftfahrzeug ohne die erforderliche Zulassung im öffentlichen Verkehrsraum in Bereichen abgestellt, in denen das Parken für zugelassene Kraftfahrzeuge regelmäßig ohne Einschränkungen erlaubt ist, ist es für eine rechtmäßige Sicherstellung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten grundsätzlich erforderlich, dem feststellbaren letzteingetragenen Halter durch vorherigen Erlass einer (ggf. auch mündlichen) Ordnungsverfügung die Möglichkeit einzuräumen, das nicht zugelassene Fahrzeug selbst aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen (VG Düsseldorf, Urt. v. 1.7.2014 - 14 K 54/14 -, juris Rn. 64). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ermittlung des Fahrzeughalters möglich ist, weil das Fahrzeug noch über (entstempelte) Kennzeichen verfügt, sich das bisherige Kennzeichen aus einer am Fahrzeug angebrachten Umweltplakette ersehen lässt oder die Fahrzeug-Identifikationsnummer bzw. Fahrgestellnummer von außen sichtbar am Fahrzeug angebracht ist bzw. sich in anderer Weise unschwer vor Ort feststellen lässt. Denn in diesen Fällen ist eine Ermittlung des letzteingetragenen Halters über das örtliche Fahrzeugregister der Zulassungsbehörde oder über das Zentrale Fahrzeugregister des Kraftfahrt-Bundesamtes (ZFZR), welches von der zuständigen Behörde online über das Zentrale Verkehrsinformationssystem (ZEVIS) abgefragt werden kann, regelmäßig und ohne größeren Aufwand möglich (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 1.7.2014 - 14 K 54/14 -, juris Rn. 49).

Nach Maßgabe dieser Kriterien verstieß die als Sicherstellung zu qualifizierende Abschleppmaßnahme im konkreten Einzelfall gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Zwar ist der Vortrag des Klägers, das Fahrzeug sei von einem Mitarbeiter der Reparaturwerkstatt I. auf dem Seitenstreifen abgestellt worden bzw. die Reparatur sei für den 17. September 2019 beabsichtigt gewesen, für die Einzelrichterin nicht glaubhaft und als Schutzbehauptung zu werten. Dem widersprechen die insoweit nachvollziehbaren Angaben der Werkstatt selbst, der Kläger habe das Fahrzeug dort fünf bis sechs Wochen vor der Abschleppmaßnahme abgestellt, da dieser für eine Reparatur Vorkasse hätte leisten sollen, was er nicht getan habe.

Das Fahrzeug stand jedoch auf einer Fläche, auf welcher grundsätzlich ohne Einschränkungen geparkt werden darf. Auch eine konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer war nicht gegeben, weil das Fahrzeug sicher im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt war. Ausweislich der im Verwaltungsvorgang befindlichen Fotografien, die das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeuges zeigen, sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass von dem äußerlich unversehrten Kraftfahrzeug Brandgefahren bzw. Gefahren für die Umwelt ausgingen, das Fahrzeug von Unbefugten hätte bewegt bzw. von Kindern oder Jugendlichen als Spielobjekt genutzt werden können, von dem Fahrzeug Verletzungsgefahren für Passanten ausgingen, der fließende oder ruhende Verkehr behindert oder der Durchgang für Fußgänger erschwert worden wäre. Auch war die Funktionsfähigkeit der Verkehrsfläche nicht in einer Weise beeinträchtigt, die eine sofortige Sicherstellung erforderte. Dies trägt die Beklagte insoweit auch nicht vor.

Ein erhebliches Interesse der Beklagten, das in einer Abwägung ein sofortiges Abschleppen des Fahrzeugs auch ohne konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer rechtfertigen würde, ist nicht ersichtlich.

Da das streitgegenständliche Kraftfahrzeug noch über eine Umweltplakette verfügte, in welcher das amtliche Kennzeichen J. eingetragen war, und somit eine Halterermittlung tatsächlich möglich war, hält es die Einzelrichterin im konkreten Einzelfall für geboten, den letzteingetragenen Halter des Fahrzeugs zunächst zur Beseitigung des Kraftfahrzeugs aufzufordern. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vorliegend nicht auf eine diesen Einzelfall bezogene Aufforderung reagiert hätte, hat die Beklagte jedenfalls nicht hinreichend vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte dem Kläger bereits in einem Telefonat im Jahr 2016 mehrfach mitgeteilt hat, dass von ihm widerrechtlich im öffentlichen Verkehrsraum abgestellte nicht zugelassene Fahrzeuge sofort abgeschleppt werden. Richtig ist, dass der öffentliche Parkraum grundsätzlich ordnungsgemäß zugelassenen Kraftfahrzeugen vorbehalten ist, und daher das Entfernen eines nicht zugelassenen Kraftfahrzeuges aus dem öffentlichen Verkehrsraum geboten ist. Allerdings war dies im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht als so eilig anzusehen, dass dies in Form einer sofortigen Sicherstellung ohne vorherige Halterermittlung und -information sowie Beseitigungsaufforderung vorgenommen werden müsste. Hinzu kommt, dass das Telefonat, auf welches sich die Beklagte bezieht, im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Abschleppmaßnahme bereits über drei Jahre und somit einen erheblichen Zeitraum zurücklag.

Obgleich der Kläger bereits in der Vergangenheit nicht angemeldete Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt haben mag, bleibt es der Beklagten vor dem Hintergrund des aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verwehrt, ohne Würdigung des Einzelfalls jedes dieser Fahrzeuge sofort abschleppen zu lassen. Um sich nicht dem Vorwurf eines unverhältnismäßigen Handelns auszusetzen, muss die Beklagte stets eine Abwägung im konkreten einzelnen Fall vornehmen. In jedem konkreten Einzelfall und folglich nicht pauschalisierend ist zu bestimmen, ob ein sofortiges Abschleppen rechtmäßig ist oder ob dem Halter vor einer Abschleppmaßnahme Gelegenheit zum selbstständigen Entfernen des Fahrzeugs zu geben ist.

Die Beklagte dringt auch nicht mit ihrem Vortrag durch, das Fahrzeug habe bereits fünf bis sechs Wochen vor der Abschleppmaßnahme auf dem Seitenstreifen gestanden. Denn dies verdeutlicht im Gegenteil vielmehr, dass von dem Fahrzeug über mehrere Wochen hinweg keine Verkehrsbehinderungen oder Gefahren ausgegangen sind, sodass ein sofortiges Abschleppen des Fahrzeugs im Einzelfall, vorliegend noch am selben Tag wie die Überprüfung und somit Kenntniserlangung durch die Beklagte, nicht geboten erscheint.

Im Übrigen kann die Beklagte die streitgegenständliche sofortige Abschleppmaßnahme auch nicht auf § 22 NStrG stützen. Hiernach kann die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird oder der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Sind solche Anordnungen nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich oder nicht erfolgversprechend, so kann sie den rechtswidrigen Zustand auf Kosten des Pflichtigen beseitigen oder beseitigen lassen, § 22 Satz 2 NStrG. Denn die Rechtmäßigkeit bemisst sich danach, ob der vorausgegangene Grundverwaltungsakt der Sicherstellung rechtmäßig war (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 1.7.2014 - 14 K 54/14 -, juris Rn. 61), was wie dargelegt nicht der Fall ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO –.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.