Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.10.2010, Az.: 10 WF 316/10

Streitwert im Arrestverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.10.2010
Aktenzeichen
10 WF 316/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 31756
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:1007.10WF316.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 09.07.2010 - AZ: 606 F 1076/10

Fundstellen

  • AGS 2010, 555-556
  • FamRZ 2011, 759
  • NJW-Spezial 2010, 699

Amtlicher Leitsatz

1. Die Wertvorschriften der §§ 33 bis 52 FamGKG enthalten hinsichtlich des Verfahrenswerts von nach dem 31. August 2009 eingeleiteten Arrestverfahren keine unbewusste Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung des § 41 FamGKG zu schließen wäre. Vielmehr ist für Arrestverfahren der Wert gemäß der Auffangbestimmung des § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen.

2. Dabei ist für das wirtschaftliche Interesse des antragstellenden Beteiligten an der Sicherung einer Geldforderung regelmäßig ein geringerer Wert als der der Hauptsache zugrundezulegen, welcher im Einzelfall auch unterhalb des hälftigen Betrages der Forderung liegen kann.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 13. Juli 2010 wird die Festsetzung des Verfahrenswerts im Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 9. Juli 2010 wie folgt geändert:

Der Verfahrenswert wird auf die Gebührenstufe bis 500.000 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 57 Abs. 8 FamGKG).

Gründe

1

I. Die Beteiligten sind getrenntlebende Ehegatten. Mit einem am 23. Februar 2010 beim Amtsgericht - Familiengericht - Hannover eingegangenen Schriftsatz beantragte die Antragstellerin den Erlass eines dinglichen Arrestes in das gesamte Vermögen des Antragsgegners zur Sicherung von Forderungen gegen den Antragsgegner in Höhe von insgesamt 1.414.800 €. Sie begehrte insbesondere die Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten, die sie während des ehelichen Zusammenlebens mit dem Antragsgegner gemeinsam zur Finanzierung des Betriebs seiner internistischen und nephrologischen Praxis nebst Dialysezentrum einging und für deren Besicherung sie unter anderem ein in ihrem Alleineigentum stehendes Grundstück mit Grundpfandrechten belastete. Die Darlehensverbindlichkeiten valutierten zum Zeitpunkt des Eingangs des verfahrenseinleitenden Antrags noch mit insgesamt 1.230.211,98€.

2

Mit Beschluss vom 24. Februar 2010 erließ das Amtsgericht den begehrten Arrest in der beantragten Höhe von 1.411.800 € nebst einer Kostenpauschale von 3.000 €, insgesamt also in Höhe von 1.414.800 €. Den Verfahrenswert setzte es in dem Arrestbeschluss ebenfalls auf 1.414.800 € fest. Auf den Widerspruch des Antragsgegners hob das Amtsgericht den Beschluss vom 24. Februar 2010 sowie den Pfändungs und Arrestbeschluss vom 15. März 2010 mit Beschluss vom 9. Juli 2010, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, auf, weil zu sichernde Ansprüche nicht hinreichend glaubhaft gemacht seien. Den Verfahrenswert setzte es nun auf 1.411.800 € fest und stützte diese Festsetzung auf § 35 FamGKG.

3

Gegen diese Wertfestsetzung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie eine Herabsetzung begehrt und einwendet, der Verfahrenswert eines Arrestverfahrens sei nicht in Höhe des Betrags der zu sichernden Forderung, sondern mit lediglich 20 %, hilfsweise 30 % davon anzusetzen.

4

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nach Anhörung des Bezirksrevisors nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

5

II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, da sie form und fristgerecht eingelegt wurde und auch die Wertgrenze des § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG von 200 € überschritten ist. Sie hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

6

Grundlage für die Bestimmung des Gebührenwerts des nach dem 31. August 2009 eingeleiteten Arrestverfahrens ist nicht § 35 FamGKG. Nach dieser Vorschrift bemisst sich der Verfahrenswert nach der Höhe einer Geldforderung, wenn diese Gegenstand des Verfahrens ist. Daran fehlt es hier jedoch, denn Gegenstand eines Arrestverfahrens ist nicht der Bestand der Geldforderung, sondern lediglich der Anspruch auf deren Sicherung (Schneider/Wolf/VolpertN. Schneider, FamGKG, § 35 Rn. 12).

7

Ob der Wert eines Arrestverfahrens stattdessen in entsprechender Anwendung des § 41 FamGKG regelmäßig mit der Hälfte des Betrags der zu sichernden Forderung in Ansatz zu bringen ist oder dessen Bestimmung gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG im billigem Ermessen des Gerichts steht, ist allerdings umstritten. Während einerseits vertreten wird, es bestehe mangels einer ausdrücklichen Regelung hinsichtlich Arrestverfahren eine unbewusste planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, die durch eine entsprechende Anwendung des für einstweilige Anordnungsverfahren geltenden § 41 FamGKG zu schließen sei (Schneider/Wolf/VolpertFölsch, aaO., § 41 Rn. 6. Hartmann, Kostengesetze40, § 41 FamGKG Rn. 3), ist nach anderer Auffassung die Regelung des § 42 Abs. 1 FamGKG maßgeblich, weil diese eine Auffangvorschrift darstelle (Schneider/Wolf/VolpertThiel, aaO., § 42 Rn. 73, 79).

8

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Eine unbewusste Regelungslücke liegt insoweit nämlich nicht vor. Vielmehr findet das Arrestverfahren etwa in der Vorbemerkung 1.4 des Hauptabschnitts 4 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG wie auch in der Überschrift des dortigen Abschnitts 2 ausdrücklich Erwähnung, was erhellt, dass der Gesetzgeber bewusst Regelungen auch für solche Verfahren geschaffen hat. Dass in die Wertvorschriften der §§ 33 ff. FamGKG eine eigenständige Bestimmung nicht aufgenommen wurde, kann angesichts dessen nicht als versehentliche Auslassung betrachtet werden. Vielmehr ging der Gesetzgeber ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung davon aus, dass alle dort nicht geregelten Fallgestaltungen durch die ausdrücklich als Auffangbestimmung bezeichnete Regelung des § 42 FamGKG hinlänglich erfasst werden (BTDrucks. 16/6308, S. 305. Schneider/Wolf/VolpertThiel, aaO., § 42 Rn. 71).

9

Der Wert des Arrestverfahrens ist daher nach § 42 Abs. 1 FamGKG unter Berücksichtigung der Bedeutung des Verfahrens nach billigem Ermessen zu bestimmen (Schneider/Wolf/VolpertThiel, FamGKG, § 42 Rn. 73, 79). Dabei ist im Hinblick darauf, dass nicht die zu sichernde Forderung selbst Gegenstand des Verfahrens ist, sondern lediglich deren Sicherung, ein angemessener Wertabschlag vorzunehmen. Dieser ist indes - anders als nach der Regelung des § 41 FamGKG - nicht grundsätzlich mit der Hälfte des Wertes der zu sichernden Forderung zu veranschlagen. Vielmehr gewährt der Maßstab des billigen Ermessens einen weiteren Spielraum, für den der Wert der zu sichernden Geldforderung die obere Grenze des wirtschaftlichen Interesses bildet, innerhalb dessen im Übrigen die Umstände des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich sind. Insoweit kann hierzu auf die in der Rechtsprechung nach der bis zum 31. August 2009 geltenden Rechtslage entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. hierzu ZöllerHerget, ZPO28, § 3 ZPO Rn. 16, Stichwort ´Arrestverfahren´ m.w.N.), denn ist nicht ersichtlich, dass durch die Neuregelung im FamGKG insoweit eine inhaltliche Änderung erfolgen sollte.

10

Demgemäß erscheint hier unter Berücksichtigung des Sicherungscharakters einerseits wie auch im Hinblick darauf, dass die zu sichernde Forderung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach streitig war, ein Abschlag von zwei Dritteln als angemessen. Der Senat bemisst daher den Wert des Arrestverfahrens hier auf ein Drittel der zu sichernden Forderung (ohne Kostenpauschale, vgl. ZöllerHerget, aaO.), mithin auf (1.411.800 € x 1/3) 470.600 €. Im Ergebnis ist daher die Gebührenstufe bis 500.000 € maßgebend.