Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.06.1997, Az.: 18 W 2/97

Umfang der Rechte eines Erbenermittlers; Anspruch auf Auskunftserteilung bei Ämtern und Behörden; Datenschutzrechtliche Besonderheiten einer Heiratsurkunde

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.06.1997
Aktenzeichen
18 W 2/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 22549
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1997:0630.18W2.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 29.07.1996 - AZ: 85 III 47/96
LG Hannover - 23.01.1997 - AZ: 9 T 113/96

Fundstellen

  • FamRZ 1999, 673 (amtl. Leitsatz)
  • StAZ 1998, 81-83

Verfahrensgegenstand

Nachlaßangelegenheit ...

In der Personenstandssache
hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 30. Juni 1997
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 23. Januar 1997 geändert.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 16. Oktober 1996 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 29. Juli 1996 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2 trägt der Beteiligte zu 1.

Beschwerdewert: 1.000,00 DM.

Gründe

1

I.

Der Beteiligte zu 1 betreibt ein Büro für Erbenermittlungen. Unter dem 18. November 1994 hat ihm Rechtsanwalt ..., der als Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben des am ... 1873 geborenen und am ... 1951 verstorbenen ... P. bestellt worden ist, bevollmächtigt, auf eigene Kosten und eigenes Risiko Erbenermittlungen anzustellen und dazu bei allen zuständigen Behörden Auskünfte einzuholen. Unter dem 12. Oktober 1994 hat sich der Beteiligte zu 1 an das Standesamt ... gewandt und darin u. a. ausgeführt:

2

"... benötige ich folgende Urkunde, wobei ich um beglaubigte Fotokopie (§ 61 a Nr. 1 PStG, keine Urkunde nach Nr. 3) inklusive zweiter Teil und mit Hinweisen bitte. Sollten Hinweise abgedeckt werden, bitte ich um Mitteilung des Inhalts. Heiratsurkunde vom ... 194 ... (Standesamt ... Nr. ... 194 ...: ... P.

3

Unter dem 3. Januar 1996 hat das Standesamt ... dem Beteiligten zu 1 eine Heiratsurkunde vom ... 194 ... übersandt und darauf hingewiesen, daß weitergehende Auskünfte gemäß § 48 DA nur dem Nachlaßgericht erteilt werden könnten. Der zweite Teil der Heiratsurkunde war abgedeckt.

4

Der Antragsteller hat daraufhin am 6. Februar 1996 beantragt, das Standesamt ... gemäß § 45 Abs. 1 PStG anzuweisen, ihm eine Heiratsurkunde vom ... 194 ...- ... 194 ... - für ... P. in beglaubigter Kopie samt Hinweisen anzufertigen bzw. soweit Hinweise abgedeckt werden, diese separat mitzuteilen.

5

Durch Beschluß vom 29. Juli 1996 hat das Amtsgericht Hannover diesen Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß in die beglaubigte Abschrift einer Heiratsurkunde nur die in § 91 DA genannten Eintragungen aufzunehmen seien, wozu aber nicht Hinweise über die Eltern des Ehemannes, deren Eheschließung und deren eheliche Kinder gehörten. Vermerke über die Auflösung der Ehe, die von § 91 DA erfaßt seien, enthalte der Heiratsantrag nicht. Hingegen enthalte der abgedeckte zweite Teil Angaben über die Eltern der Eheschließenden. Das Amtsgericht hat weiter die Auffassung vertreten, daß die verlangten Hinweise den Angaben in den Sammelakten zuzuordnen seien. Insoweit dürfe der Standesbeamte Auskunft nur nach Maßgabe des § 48 DA geben. Es bestehe kein Einsichtsrecht.

6

Gegen die amtsgerichtliche Entscheidung hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt.

7

Durch Beschluß vom 23. Januar 1997 hat das Landgericht Hannover den Beschluß des Amtsgerichts Hannover geändert und das Standesamt ... angewiesen, dem Beteiligten zu 1 die Heiratsurkunde in beglaubigter Fotokopie einschließlich sämtlicher Hinweise auszufertigen, bzw., soweit Hinweise abgedeckt worden seien, diese separat mitzuteilen. Insoweit hat es die Auffassung vertreten, daß die Dienstordnung für Standesbeamte (DA) ein Gericht nicht hindere, den Standesbeamten anzuweisen, eine uneingeschränkte Auskunft zu erteilen. Datenschutzgesichtspunkte stünden dem entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht entgegen.

8

Gegen die landgerichtliche Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.

9

II.

1.

Die weitere sofortige Beschwerde ist statthaft (§§ 48 Abs. 1 PStG, 27 Abs. 1 FGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 49 Abs. 1 PStG, 22, 29 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 FGG). Die Zustellung des Beschlusses der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover ist am 5. Februar 1997 verfügt worden. Bereits am 4. Februar 1997 ist die weitere sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht eingegangen, nachdem der Beteiligten zu 2 eine Beschlußausfertigung bereits formlos mit Verfügung vom 28. Januar 1997 übersandt worden war. Die Beteiligte zu 2 als Aufsichtsbehörde kann im übrigen Rechtsmittel einlegen ohne Rücksicht darauf, ob sie beschwert ist (BGHZ 73, 370 [BGH 22.02.1979 - IV ZB 41/78]).

10

Auch die vom Senat in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu überprüfende Zulässigkeit der Erstbeschwerde ist gegeben. Insoweit war gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 29. Juli 1996 das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde gegeben. Aus § 49 Abs. 1 Satz 1 PStG folgt, daß die einfache Beschwerde dann in Betracht kommt, wenn das Amtsgericht entschieden hat, daß ein Standesbeamter eine bestimmte Amtshandlung nicht vorzunehmen verpflichtet ist oder z. B. ein Antrag auf Berichtigung eines Personenstandsbuches zurückgewiesen wird. Gemeinsam ist in allen Fällen, daß ein Sachverhalt unverändert bleibt, d. h. eine Eintragung oder andere Amtshandlung oder eine Berichtigung nicht angeordnet wird.

11

2.

Das Rechtsmittel hat auch Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung hält der dem Senat allein möglichen rechtlichen Nachprüfung (§§ 27 FGG, 550 ZPO) nicht stand.

12

a)

Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß das Landgericht den Beteiligten zu 1 grundsätzlich als berechtigt angesehen hat, Auskunft aus Personenstandsurkunden und Büchern zu verlangen, da insoweit ein rechtliches Interesse i. S. des § 61 Abs. 1 Satz 3-PStG glaubhaft gemacht ist. Denn der gerichtlich bestellte Nachlaßpfleger Rechtsanwalt ... hatte den Beteiligten zu 1 wirksam bevollmächtigt, auf eigene Kosten und Risiko zur Erbenermittlung tätig zu werden. Die teilweise vertretene Auffassung (Sachse StAZ 1997, 61, 62), die Bevollmächtigung eines gewerbsmäßigen Erbenermittlers durch einen Nachlaßpfleger sei für den Standesbeamten unbeachtlich, solange nicht die Bestellung für den Nachlaßpfleger entsprechend geändert und für den Erbenermittler eine eigene Bestellung als Ergänzungspfleger ausgesprochen sei, vermag der Senat nicht zu teilen. Richtig ist zwar grundsätzlich, daß eine Vormundschaft oder Pflegschaft als solche nicht übertragbar ist und dies auch für eine Tätigkeit in allen Angelegenheiten gilt, die den persönlichen Einfluß des Vormundes oder Pflegers fordern. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, kann sich - und dies ist einhellige Auffassung - ein Vormund oder Pfleger Hilfspersonen bedienen, z. B. zur Abwicklung einer Nachlaßsache (Palandt-Diederichsen BGB 54. Aufl. § 1793 Rdnr. 14; BayObLG 14, 213; vgl. weiter: Franke StAZ 1987, 291 f, der es ausdrücklich für zulässig hält, daß ein Nachlaßpfleger eine gewerbliche Einrichtung zur Erbenermittlung bevollmächtigt).

13

Soweit weiter teilweise die Auffassung vertreten wird, daß der Datenschutz einem Nachlaßpfleger mit gesetzlichem Auftrag verbiete, diesen Auftrag durch Vollmacht auf Dritte und speziell auf juristische Personen wie ein Erbenermittlungsbüro zu übertragen (Kubitz StAZ 1995, 115), überzeugt auch das nicht. Datenschutzgesetzliche Aspekte sind grundsätzlich nicht geeignet, die im BGB und auch im Verwaltungsverfahrensgesetz verankerte Vertretungsfreiheit einzuschränken.

14

b)

Falls im Einzelfall datenschutzrechtliche Gesichtspunkte durchgreifen, ist ihnen hinsichtlich des Umfanges der Einsichtnahme Rechnung zu tragen.

15

c)

Soweit allerdings das Landgericht die Auffassung vertreten hat, die Dienstordnung für Standesbeamte (DA) stehe einer Verpflichtung des Standesbeamten, uneingeschränkt Auskunft zu erteilen, nicht entgegen, tragen die vom Landgericht angeführten Gründe die Entscheidung nicht. Denn ein rechtliches Interesse des Beteiligten zu 1 an der Vorlage der begehrten Urkunde besteht nicht.

16

Der Beteiligte zu 1 hat beim Standesamt unter Hinweis auf § 61 a Nr. 1 PStG die Erteilung einer beglaubigten Fotokopie der Heiratsurkunde vom ... 194 ...- Standesamt ..., ... 194 ...- beantragt. Nach § 61 a Nr. 1 PStG stellt der Standesbeamte aufgrund seiner Personenstandsbücher beglaubigte Abschriften aus. Ergänzend dazu bestimmt § 88 Abs. 6 DA, daß beglaubigte Abschriften auch durch Ablichtung hergestellt werden können. Angaben, die nicht aufzunehmen sind, sind gemäß § 87 Abs. 5 Satz 8 DA abzudecken. Welche Angaben in eine Heiratsurkunde aufzunehmen sind, ergibt sich aus § 63 PStG. Dazu gehören nicht Hinweise über die Eltern der Ehegatten, deren Eheschließung und deren eheliche Kinder, die auch aus den Eintragungen im Heiratsbuch nicht ersichtlich sind, wie sich aus § 11 PStG ergibt. Solche Angaben sind, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, den Sammelakten zuzuordnen.

17

Eine gesetzliche Regelung für die Einsicht in die Sammelakten besteht nicht (Hepting-Gaatz PStG § 61 Rdnr. 8). Die Einrichtung, Führung und Benutzung der Sammelakten beruht vielmehr auf den §§ 44 Abs. 2, 45, 46, 48 DA, die nach § 70 PStG von dem Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz mit Zustimmung des Bundesrates als allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassen ist. Nach § 48 DA darf aber ein Standesbeamter Einsicht in die Sammelakten gewähren sowie Auskünfte und Abschriften aus den Sammelakten nur erteilen hinsichtlich solcher Angaben und Unterlagen, die ausschließlich für Zwecke der Beurkundung des Personenstandes erhoben worden sind. Die Angaben über die Eltern der Eheschließenden sind jedoch nicht zum Zweck der Beurkundung des Personenstandsfall i. S. des § 48 DA erhoben worden, sondern nur bei Gelegenheit der Beurkundung der Eheschließung. Damit aber sind die Angaben der Verfügbarkeit des Standesamtes entzogen. Ein Auskunftsanspruch der Beteiligten zu 1 besteht aber grundsätzlich nur im Rahmen des Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiches des Standesamtes (OLG Düsseldorf StAZ 1989, 10), so daß es an einer Rechtsgrundlage für die Anweisung an das Standesamt fehlt, die erbetene Auskunft aus den Sammelakten zu erteilen.

18

Außerdem ist nicht ersichtlich, daß auf selten des Beteiligten zu 1 ein rechtliches Interesse an der begehrten Auskunft besteht. Die Personalien der Eltern lassen sich der Abstammungsurkunde des betr. Ehegatten unschwer feststellen. Aufgrund der Voraussetzungen des § 61 PStG hingegen kann ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft nebst Vorlage der Urkunde nicht zuerkannt werden (vgl. dazu auch: Sachse a.a.O.).

19

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 127 Abs. 2, 131 Abs. 1 Satz 2 KostO, 13 a Abs. 1 FGG, 30 Abs. 2 KostO.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 1.000 DM.