Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.06.1997, Az.: 13 W 55/97
Eintritt der Präklusion wegen verspäteten Vorbringens; Präklusion bei Verletzung der Pflicht zur Klageerwiderung innerhalb der Frist; Notwendigkeit der Erfüllung der Hinweispflicht seitens des Gerichts
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 23.06.1997
- Aktenzeichen
- 13 W 55/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 24158
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1997:0623.13W55.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 23.10.1996 - AZ: 7 O 89/96
Rechtsgrundlagen
- § 139 ZPO
- § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO
- § 278 ZPO
- § 296 Abs. 1 ZPO
Fundstelle
- NJW-RR 1998, 499-500 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde des Beklagten vom 9. Juni 1997
gegen den Beschluß des Landgerichts Stade vom 23. Oktober 1996
am 23. Juni 1997
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluß des Landgerichts Stade vom 23. Oktober 1996 wird geändert:
Dem Beklagten wird für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung der Rechtsanwältin ... in ... Prozeßkostenhilfe bewilligt.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Die Rechtsverteidigung des Beklagten gegen die Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten.
Der Beklagte hat gegenüber der Klage rechtlich erheblich eingewandt, daß die von der Klägerin beanstandeten Behauptungen wahr seien.
Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung lagen die Voraussetzungen einer Zurückweisung dieses Vorbringens wegen Verspätung nicht vor. Eine Präklusion nach § 296 Abs. 1 i.V.m. § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn die Partei ihrer Pflicht zur Klageerwiderung innerhalb der Frist überhaupt nicht nachkommt, oder wenn die Klageerwiderung nicht die Verteidigungsmittel enthält, die gem. §§ 277 Abs. 1, 282 ZPO bei einer sorgfältigen, auf Förderung des Verfahrens, bedachten Prozeßführung vorzutragen waren (vgl. Zöller/Greger, 20. Auflage, § 296 Rdnr. 10; Stein-Jonas/Leipold, 21. Auflage, § 396 Rdnr. 46 ff.; MK/Prütting, § 296 Rdnr. 70). Dabei ist aufgrund der einschneidenden Sanktion der Präklusionsvorschriften von besonderer Bedeutung, daß das Gericht seine Hinweispflicht gem. §§ 139, 278 ZPO einwandfrei erfüllt. Nach diesen Grundsätzen dürfte das Landgericht das Verteidigungsvorbringen des Beklagten in dem Schriftsatz vom 23. August 1996 nicht als verspätet zurückweisen:
Der Beklagte hat innerhalb der ihm gem. § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzten 3-Wochen-Frist auf die Klage erwidert. Er hat sich in der Klageerwiderung allerdings im wesentlichen nur mit der Frage der "Passivlegitimation" auseinandergesetzt, auf die inhaltliche Richtigkeit der beanstandeten Behauptungen ist er zunächst nicht eingegangen. Ob er damit seiner Prozeßförderungspflicht genügt hat, kann offen bleiben. Jedenfalls hätte das Landgericht ihm aufgrund eines rechtlichen Hinweises rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung Gelegenheit geben müssen, seinen; Vortrag zu ergänzen. Das hat es nicht getan. Vielmehr hat der Vorsitzende den Beklagten erst am 2. August 1996, zusammen mit der Terminsanberaumung auf den 28. August 1996, darauf hingewiesen, daß das Gericht die Passivlegitimation für gegeben halte. Die Ladung mit dem Hinweis ist den Beklagten erst 1 am 8. August 1996 zugestellt worden. Demzufolge hatte der Beklagtenvertreter nicht einmal zwei Wochen Zeit, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen und einen Schriftsatz mit dem ergänzenden Vortrag rechtzeitig (§ 132 ZPO) bei dem Gericht einzureichen. Dieser Zeitraum war zu kurz, zumal der Klage ein umfangreicher und verwickelter Sachverhalt zugrunde lag, und das Gericht den Parteien noch im Juni 1996 mitgeteilt hatte, daß das Verfahren wegen vorrangig zu bearbeitender älterer Verfahren zur Zeit nicht gefördert werden könne, so daß sie keinen Anlaß hatten, mit einer kurzfristigen Terminierung zu rechnen.
Die Anwendung von § 296 Abs. 2 i.V.m. § 282 Abs. 1 ZPO ist schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil diese Regelung sich ausdrücklich auf die Prozeßförderungspflicht in der mündlichen Verhandlung, nicht aber bei ihrer Vorbereitung bezieht.
Auch ein Fall des § 296 Abs. 2 i.V.m. § 282 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor, weil die eingetretene Verzögerung auch dadurch verursacht worden ist, daß das Landgericht den notwendigen rechtlichen Hinweis zu spät erteilte.