Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.06.1997, Az.: 4 W 91/97

Eintragung eines Wohnrechts in ein Grundbuch ; Bewilligung einer Grundbucheintragung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.06.1997
Aktenzeichen
4 W 91/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 23567
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1997:0605.4W91.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 21.02.1997 - AZ: 3 T 23/97

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters ... sowie
der Richter ... und ...
am 5. Juni 1997
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des, Landgerichts Hannover vom 21. Februar 1997 wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Grundbuchamt angewiesen wird, von seinen Bedenken hinsichtlich der Eintragung eines Wohnrechts Abstand zu nehmen.

Der Beschwerdewert wird - auch für das landgerichtliche Verfahren - auf 36.900 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten über die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein Wohnungsrecht unter Ausschluß der Eigentümerin - der Beteiligten zu 2 - oder nur ein Mitbenutzungsrecht eingeräumt worden ist.

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Durch notarielle Urkunde vom 29. Oktober 1985 bestellte die Beteiligte zu 2 dem Beteiligten zu 1, ihrem Ehemann, an der im Obergeschoß ihres Hauses in ... gelegenen Wohnung

ein lebenslängliches, unentgeltliches Wohnrecht, verbunden mit dem Recht, alle gemeinschaftlichen Zwecken dienenden Räume und Einrichtungen des Hauses, insbesondere Hoffläche und Garage, mit zu nutzen und zu benutzen.

3

Dieses Hausgrundstück war der Beteiligten zu 2 zuvor von dem Beteiligten zu 1, der damals Freiberufler war, zu Eigentum übertragen worden, die Wohnung im Untergeschoß diente als gemeinschaftliche Ehewohnung. Inzwischen ist die Ehe gescheitert. Der Beteiligte zu 1 vertritt die Auffassung, ihm sei ein Wohnungsrecht im Sinne von § 1093 BGB unter Ausschluß der Eigentümerin bewilligt worden, weil dies dem Normalfall entspreche und die Bestellung der Dienstbarkeit auf dem Hintergrund erfolgt sei, ihn im Falle einer Scheidung abzusichern.

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Amts- und Landgericht haben den Antrag insgesamt zurückgewiesen, obwohl der Beteiligte zu 1 ausdrücklich geltend gemacht hatte, daß zumindest eine Eintragung - des Rechts mit dem geringeren Umfang - hätte vorgenommen werden müssen.

5

II.

Die gemäß § 78 Satz 1 GBO zulässige weitere Beschwerde hat im wesentlichen keinen Erfolg.

6

1.

Ein Wohnrecht kann bestellt werden als

7

a)

beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1093 BGB (Wohnungsrecht), wenn dem Berechtigten die Befugnis eingeräumt werden soll, ein bestimmtes Gebäude oder einen bestimmten Teil desselben unter Ausschluß des Eigentümers zu benutzen oder

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b)

als beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach den §§ 1090 bis 1092 BGB, wenn nur die Mitbenutzung zum Wohnen ohne Ausschluß des Eigentümers gewollt ist (vgl. Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 11. Aufl. 1993, Rdnr. 1236; Palandt/Bassenge, BGB, 56. Aufl. 1997, Rdnr. 3 zu § 1093 BGB).

9

Die weitere Möglichkeit der Bestellung einer Reallast nach § 1105 BGB scheidet hier ersichtlich aus.

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Von diesen zutreffenden rechtlichen Ansatzpunkten ist auch das Landgericht ausgegangen.

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2.

Eine Eintragung erfolgt, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird (§ 19 GBO). Der Inhalt der Bewilligung muß Art und Inhalt der gestatteten Eintragung eindeutig und vollständig wiedergeben. Als verfahrensrechtliche Erklärung ist die Eintragungsbewilligung allerdings auslegungsfähig, soweit die Eindeutigkeit des Wortlautes eine solche nicht ausschließt. Für die Auslegung gilt § 133 BGB entsprechend, wobei allerdings der das Grundbuchverfahren beherrschende Bestimmtheitsgrundsatz und das grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen (§ 29 GBO) der Auslegung durch das Grundbuchamt Grenzen setzen. Eine Auslegung kommt daher nur dann in Betracht, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt, wobei auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen ist, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (5. Rechtsprechung, BGHZ 113, 378 [BGH 21.02.1991 - V ZB 13/90]). Außerhalb der Eintragungsbewilligung liegende Umstände dürfen zur Auslegung jedoch wegen der Publizitätsfunktion des Grundbuchs nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 92, 355 [BGH 26.10.1984 - V ZR 67/83]).

12

3.

Die Überprüfungsmöglichkeit in der Rechtsbeschwerdeinstanz auf Auslegungsfehler beschränkt sich darauf, ob der Tatrichter gegen den Sinn der Urkunde, gegen gesetzliche Auslegungsregeln und allgemein anerkannte Erfahrungssätze oder gegen die Denkgesetze verstoßen oder nicht alle für die Auslegung in Betracht kommenden Gesichtspunkte gewürdigt hat.

13

4.

Das ist indessen nicht der Fall.

14

Auf der Grundlage der unter Ziffer 1 dargestellten das Grundbuchrecht beherrschenden Rechtsgrundsätze kann ein Wohnungsrecht zugunsten des Beteiligten zu 1 im Sinne von § 1093 BGB nicht eingetragen werden, weil die Vorinstanzen mit zutreffenden Erwägungen die Urkunde, in der das Recht bewilligt worden ist, nicht als eindeutig angesehen haben.

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a)

Die in § 1093 allgemein gebräuchliche Überschrift lautet "Wohnungsrecht". Im Gesetzestext wird der Inhalt dieses Rechts dahin umschrieben, daß das Wohnungsrecht die Befugnis zur Benutzung von bestimmten Gebäuden oder Gebäudeteilen unter Ausschluß des Eigentümers ermöglicht. Wie das Oberlandesgericht Zweibrücken (DNotZ 1997, 325) entschieden hat, ist bei Verwendung des Begriffs des Wohnungsrechts auch dann eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Sinne von § 1093 BGB anzunehmen, wenn der Ausschluß des Eigentümers nicht besonders erwähnt ist. Der Senat tritt dieser Entscheidung sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung bei und teilt die Überzeugung des OLG Zweibrücken, es entspreche heute dem Regelfall, ein Wohnungsrecht unter Ausschluß des Eigentümers auszugestalten. Sofern diese Feststellung getroffen werden kann, ist es Aufgabe desjenigen, der ein Recht geringeren Umfangs geltend macht, auf Anhaltspunkte im Wortlaut der Urkunde hinzuweisen, die eine abweichende Ausnahmeregelung nahelegen.

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b)

Auch der Beschwerdeführer argumentiert auf dieser Linie und meint, der Ausschluß seiner Ehefrau entspreche dem Normalfall mit der Folge, daß sich Zweifel bei der Auslegung zu ihren Lasten auswirken müßten. Dem vermag der Senat aber nicht beizutreten, weil im vorliegenden Fall noch nicht einmal der Begriff des "Wohnungsrechts", sondern nur das Wort "Wohnrecht" verwendet worden ist. Die Entscheidung des OLG Zweibrücken besagt nur, daß dann, wenn wenigstens die bei § 1093 BGB gebräuchliche in der Überschrift enthaltene Begriffsbestimmung verwendet worden ist, auf die Wiederholung des Gesetzestextes verzichtet werden kann. Wenn jedoch weder der Gesetzestext - unter Ausschluß des Eigentümers - noch die allgemein gebräuchliche Überschrift verwendet werden, dann bestehen jedenfalls Zweifel, ob wirklich die weitergehenden Befugnisse nach § 1093 BGB bewilligt werden sollten.

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c)

Der Senat vermag dem Beschwerdeführer auch nicht darin zu folgen, aus dem Wortlaut der Urkunde ergäben sich im übrigen unzweifelhafte Anhaltspunkte dafür, daß die Beteiligte zu 2 ein Wohnungsrecht habe bewilligen wollen.

18

Zwar ist es richtig, daß es in der Urkunde heißt, dem Beschwerdeführer stehe das Recht zu, alle gemeinschaftlichen Zwecken dienenden Räume und Einrichtungen des Hauses, insbesondere Hoffläche und Garagen, mit zu nutzen und zu benutzen. Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, daß es näher gelegen hätte, diese Einschränkung auch hinsichtlich der Wohnung im Obergeschoß auszusprechen, wenn dies gewollt gewesen wäre. Auf der anderen Seite entspricht diese Formulierung im wesentlichen nur der Regelung des § 1093 Abs. 3 BGB, aus dem sich das Mitbenutzungsrecht schon von Gesetzes wegen für den Fall ergibt, daß nur Teile eines Gebäudes von der Dienstbarkeit erfaßt sind. Das Mitbenutzungsrecht hätte dem Beschwerdeführer deshalb auch ohne diese Formulierung zugestanden, wenn auch nicht hinsichtlich der im Vertragstext erwähnten Garage. Dieser Umstand allein reicht aber wiederum nicht aus, um den Inhalt eines weitergehenden Rechts zweifelsfrei festzustellen.

19

d)

Soweit der Beschwerdeführer schließlich darauf hinweist, die Parteien seien erst kurzfristig verheiratet gewesen und er habe das Grundstück seiner Ehefrau übertragen, so daß die Bewilligung des Wohnrechts eine Absicherung für den Fall der Scheidung habe bedeuten sollen, so überzeugt auch das nicht. Wie bereits erwähnt, können bei der Auslegung im Hinblick auf die Sicherheit des Grundbuchverkehrs nur solche Umstände berücksichtigt werden, die sich aus der Urkunde selbst ergeben oder für jedermann erkennbar sind. Da in der Urkunde aber lediglich erwähnt ist, daß die Beteiligte zu 2 die Ehefrau des Beschwerdeführers ist, können die weitergehenden Umstände (Übertragung des Hauses, Erdgeschoß als eheliche Wohnung, Absicherung für den Fall einer Scheidung) nicht berücksichtigt werden.

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Zwar mag es naheliegen, daß der Ehemann, wenn er sein Grundstück seiner Frau übertragen hat, durch das Wohnrecht für den Fall der Scheidung abgesichert werden soll, denn ein solches Recht spielt, solange die Ehe intakt ist, keine Rolle. Möglich ist aber auch der Gedanke einer Sicherung des Familienvermögens gegenüber Gläubigern eines freiberuflich tätigen Ehepartners. Es mag auch sein, daß die getroffene Regelung nicht besonders sinnvoll erscheint, weil im Falle des Scheiterns einer Ehe die Mitbenutzung einer Wohnung durch regelmäßig verfeindete Parteien nicht besonders sinnvoll erscheint, diese Umstände haben indessen in die Urkunde keinen Eingang gefunden.

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Aus demselben Grunde kommt im übrigen - jedenfalls im Grundbuchverfahren - eine Beweiserhebung durch Vernehmung des Urkundsnotars nicht in Betracht (vgl. Demharter, Rdnr. 28 zu § 19 GBO).

22

5.

Sollte allerdings der Vortrag des Beschwerdeführers zutreffen, die Parteien seien sich darüber einig gewesen, ein Wohnungsrecht unter Ausschluß des Eigentümers im Sinne von § 1093 BGB zu bestellen, dann hätte er - auch heute noch - einen schuldrechtlichen Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung in notarieller Form, die die Eintragung dieses Wohnungsrechts ermöglicht. Dann läge nämlich eine Einigung der Parteien über die Einräumung eines Wohnrechts vor, die in der Urkunde versehentlich sprachlich mißlungen und deshalb für die Eintragung im Grundbuch nicht ausreichend war. Ein solcher Anspruch kann aber nicht im Rahmen des Grundbuchverfahrens, sondern nur in einem normalen Rechtsstreit verfolgt werden.

23

6.

Nicht anzuschließen vermag sich der Senat allerdings der Auffassung der Vorinstanzen, es dürfe überhaupt keine Eintragung erfolgen. Zwar ist es grundsätzlich richtig, daß nur über den gestellten Antrag zu befinden und die Eintragung abzulehnen ist, wenn die Voraussetzungen dafür materiell- oder verfahrensrechtlich nicht gegeben sind. Das kann aber dann nicht gelten, wenn der Antragsteller - wie im vorliegenden Fall - ausdrücklich erklärt, es hätte jedenfalls eine Eintragung vorgenommen werden müssen. Eine solche Erklärung ist als Hilfsantrag zu verstehen, zumindest hätten die Vorinstanzen, wenn sie daran Zweifel hatten, Anlaß zu einer kurzen Rückfrage gehabt. Der Eintragung eines Mitbenutzungsrechts steht aber nichts im Wege.

24

7.

Die Festsetzung des Geschäftswertes auf 5.000 DM durch die Vorinstanz erscheint dem Senat nicht angemessen, denn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 KostO liegen nicht vor, weil es nicht an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Wertschätzung fehlt. Da der Beschwerdeführer den Nutzungswert der Wohnung unter Berücksichtigung ihrer Größe konkret vorgetragen und einen Betrag von monatlich 1.230 DM für angemessen gehalten hat, erscheint es gerechtfertigt, den Geschäftswert unter Berücksichtigung von § 24 Abs. 2 KostO auf die Hälfte des Nutzungswertes festzusetzen, weil die Parteien über ein Mitbenutzungsrecht einig sind und es nur um die Frage geht, ob der Beschwerdeführer es unter Ausschluß der Eigentümerin allein ausüben darf.

Streitwertbeschluss:

Der Beschwerdewert wird - auch für das landgerichtliche Verfahren - auf 36.900 DM festgesetzt.