Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 09.06.1997, Az.: 4 W 68/97
Grundbuchrechtliche Ausgestaltung der Möglichkeiten zum Absehen von der Führung eines Grundbuchblattes für ein im Miteigentum stehendes Grundstück; Voraussetzungen der Verpflichtung zur Eintragung von Miteigentumsanteilen an einem Straßengrundstück in den Wohnungsgrundbüchern als auch den Teileigentumsgrundbüchern
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.06.1997
- Aktenzeichen
- 4 W 68/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 25427
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1997:0609.4W68.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 28.01.1997 - AZ: 3 T 7/97
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 4 GBO
- § 78 GBO
Fundstelle
- Rpfleger 1997, 522 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Eingetragener Miteigentumsanteil
In der Grundbuchsache
...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die weitere Beschwerde der Eigentümerin vom 27. Februar 1997
gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 28. Januar 1997
durch
den Vorsitzenden Richter ... sowie
die Richter ... und ...
am 9. Juni 1997
beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde werden der angefochtene Beschluß vom 28. Januar 1997 sowie die Zwischenverfügung des Rechtspflegers beim Grundbuchamt des Amtsgerichts ... vom 4. Dezember 1996 aufgehoben.
Das Amtsgericht - Rechtspfleger - wird angewiesen, von seinen Bedenken aus der Zwischenverfügung vom 4. Dezember 1996 Abstand zu nehmen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Beschwerdewert: 12.000 DM.
Gründe
Die Beschwerdeführerin hat eine aus mehreren Mehrfamilienhäusern bestehende Anlage errichtet und beabsichtigt, diese in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilen. Die Anlage besteht aus 44 Wohnungen und 44 Stellplätzen. Im Kellerbereich der Wohnhäuser sind Hobbyräume gebaut worden, deren Anzahl jedoch nicht ausreicht, jeder Wohnung einen Hobbyraum zuzuordnen. Die Pkw-Stellplätze sind als einzelne Grundstücke herausgemessen. Die Wohnhäuser und die Stellplätze werden über eine Wohnstraße erreicht, die ebenfalls ein eigenes Grundstück bildet.
Die Beschwerdeführerin beabsichtigt, an den Wohnungen Wohnungseigentum zu bilden und an den Hobbyräumen im Kellerbereich Teileigentum.
Die Klägerin hat vorgesehen, daß zu jeder Eigentumswohnung und zu jedem Stellplatzgrundstück ein Miteigentumsanteil an der Wohnstraße gehört. Entsprechend der Anzahl der Wohnungen und Stellplätze (88) soll jede Eigentumswohnung und jedem Stellplatz ein Miteigentumsanteil von 1/88 an dem Wohnstraßengrundstück zugeordnet werden, nicht jedoch auch dem jeweiligen Teileigentum an den Hobbyräumen. Zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Hobbyräume soll zu Lasten der Wohnstraße eine Grunddienstbarkeit (Wegerecht) bestellt werden.
Der Rechtspfleger hat in seiner Zwischenverfügung vom 4. Dezember 1996 ausgeführt, gemäß § 3 Abs. 4 GBO könne zwar von der Führung eines Grundbuchblattes für ein im Miteigentum stehendes Grundstück abgesehen werden, so daß die einzelnen Miteigentumsanteile an der Wohnstraße auf den Grundbuchblättern der herrschenden Grundstücke eingetragen werden könnten. Diese Eintragung der Miteigentumsanteile des dienenden Grundstücks habe aber grundsätzlich beim herrschenden Grundstück zu erfolgen. Daran ändere sich auch nichts bei Anlegung von Wohnungs- und Teileigentum, da sich dort in den betreffenden Grundbüchern das herrschende Grundstück fortsetze. Die Eintragung von Miteigentumsanteilen des dienenden Straßengrundstückes habe deswegen bei allen Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern zu erfolgen, die aus dem herrschenden Grundstück durch Teilungserklärung hervorgegangen seien.
Die gegen diese Zwischenverfügung gerichtete Erinnerung hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen mit der Begründung, der Verzicht auf eigene Grundbuchblätter für dienende Grundstücke mache es erforderlich, eine Eintragung an anderer Stelle, nämlich beim sogenannten herrschenden Grundstück, vorzunehmen. Teil dieses Grundstücks sei hier auch das Teileigentum an den Hobbykellern. Da Teileigentum wie Wohnungseigentum zu behandeln sei, sei es unzulässig, Miteigentum nur bezüglich einzelner Wohnungen unter Auslassung anderer zuzuordnen.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete weitere Beschwerde ist gemäß § 78 GBO zulässig. Sie ist auch begründet.
Die Ansicht des Grundbuchrechtspflegers sowie des Landgerichtes in der angefochtenen Entscheidung, die Eintragung von Miteigentumsanteilen am Straßengrundstück habe entgegen dem anders lautenden Antrag der Beschwerdeführerin sowohl in den Wohnungs- als auch den Teileigentumsgrundbüchern zu erfolgen, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Zutreffend ist allerdingsder Ausgangspunkt, daß sich das Stammgrundstück in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern fortsetzt. Die aus diesem rechtlichen Ausgangspunkt gezogene Schlußfolgerung, Miteigentumsanteile an dem Wohnstraßengrundstück könnten nicht allein dem Wohnungseigentum zugeordnet werden, ist jedoch unzutreffend. Nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur kann nicht nur der jeweilige Eigentümer eines anderen Grundstücks, sondern auch der einzelne Inhaber eines Wohnungs- oder Teileigentums Berechtigter eines subjektiv dinglichen Rechts (BGHz 107, 289 = Rpfl 1989, 452; OLG Hamm Rpfl. 1980, 469; Demharter, GBO, 22. Aufl., § 9 Rdnr. 3; Bärmann/Peck/Merle, WEG, 7. Aufl., § 1 Rdnr. 100; Palandt-Bassenge, BGB, 57. Aufl., Überblick 2 zu § 1 WEG) und damit das einzelne Wohnungs- oder Teileigentum herrschendes Grundstück sein. Soweit ersichtlich, hat die Rechtsprechung dies bislang nur für den Fall der Grunddienstbarkeit entschieden. Der Senat hat aber keine Bedenken, das einzelne Wohnungseigentum auch dann als herrschendes Grundstück i.S. des § 3 Abs. 4 GBO anzusehen, wenn dem einzelnen Wohnungseigentum ein Miteigentumsanteil an dem Wohnstraßengrundstück zugeordnet werden soll. Wenn der jeweilige Eigentümer eines Wohnungseigentums Berechtigter eines subjektiv dinglichen Rechtes sein kann und das Raumeigentum als herrschendes Grundstück anzusehen ist (BGH a.a.O.), so ist kein Grund ersichtlich, diese Rechtsfolge auf die Bestellung einer Grunddienstbarkeit zu beschränken. Gerade der zur Entscheidung anstehende Fall zeigt, daß diese Gleichbehandlung sachgerecht ist. Die als Zufahrt zu den einzelnen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten benötigte Straße ist ein selbständiges Grundstück, so daß das Recht der jeweiligen Eigentümer des Wohnungs- oder Teileigentums, diese Straßen zu benutzen, regelungsbedürftig war. Die Beschwerdeführerin hätte dieses Recht zum Befahren des Straßengrundstückes durch Grunddienstbarkeiten zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Wohnungs- und Teileigentumes regeln können und wäre berechtigt gewesen, dieses Recht nur bestimmten Eigentümern zu gewähren. Diese Lösung hätte den Nachteil, daß der Eigentümer des Straßengrundstückes eine dritte Person geblieben wäre, nicht jedoch die einzelnen Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage, die ein vorrangiges Interesse an dieser Wohnstraße haben. Rechtliche Schwierigkeiten wären bei dieser Konstellation vorgezeichnet, insbesondere im Hinblick auf die Unterhaltungspflicht an der Wohnstraße. Diese Schwierigkeiten will die Beschwerdeführerin dadurch vermeiden, daß sie dem einzelnen Eigentum an den Wohnungen und Stellplätzen Miteigentumsanteile an dem Straßengrundstück übertragen will. Es begegnet deswegen keinen rechtlichen Bedenken, von der Zuordnung von Miteigentumsanteilen an dem Straßengrundstück die Teileigentumsanteile auszunehmen, wie dies auch im Fall der Bestellung von Grunddienstbarkeiten (Wegerechten) zulässig gewesen wäre.
Gegen dieses Ergebnis spricht nicht die vom Landgericht für seine Ansicht angeführte Fundstelle bei Haegele/Schöner/Stöber (Grundbuchrecht, 10. Aufl., Rdnr. 2870). In dieser Fundstelle wird der hier zur Entscheidung stehende Fall nicht kommentiert, daß das einzelne Wohnungs- oder Teileigentum herrschendes Grundstück sein soll. Kommentiert wird vielmehr der Fall, daß Rechte, insbesondere Dienstbarkeiten, die auf einem Grundstück lasten, bei Bildung von Wohnungseigentum nicht auf einem Miteigentumsanteil bestehen bleiben und gleichzeitig in allen übrigen Wohnungs- oder Teileigentumsgrundbuchblättern gelöscht werden.