Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 09.07.1997, Az.: 15 W 31/97
Prozeßkostenhilfe; Anfechtung der Ehelichkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.07.1997
- Aktenzeichen
- 15 W 31/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 14054
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1997:0709.15W31.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Peine - 22.04.1997 - AZ: 5 C 201/97
Verfahrensgegenstand
Anfechtung der Ehelichkeit
Prozeßkostenhilfe
Prozessführer
K. S. geboren am 11. April 1991, gesetzlich
durch das Jugendamt des Landkreises ... als Ergänzungspfleger (zum Zeichen: 51/...=
Prozessgegner
H. S.
In der Kindschaftssache
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 9. Mai/12. Juni 1997
gegen den Beschluß des Amtsgerichts Peine vom 22. April 1997
in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 3. Juni 1997
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaul sowie
die Richter am Oberlandesgericht Treppens und Brick
am 9. Juli 1997 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird geändert.
Der Antragstellerin wird Prozeßkostenhilfe für die Ehelichkeitsanfechtungsklage bewilligt.
Gründe
I.
Das am 11. April 1991 geborene, seit dem 27. Dezember 1996 von einem Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis der Anfechtung der Ehelichkeit vertretene Kind hat am 16./22. April 1997 die mit einem Prozeßkostenhilfegesuch verbundene Ehelichkeitsanfechtungsklage eingereicht, zu welcher dem Ergänzungspfleger am 27. März 1997 die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erteilt worden war. Die Mutter des Kindes hatte sich bereits im Oktober 1989 von ihrem seinerzeitigen Ehemann getrennt; deren Ehe ist durch seit dem 2. April 1991 rechtskräftiges Urteil vom 7. Februar 1991 geschieden, die elterliche Sorge ist der Mutter durch Beschluß vom 13. Juni 1991 übertragen worden.
Das Kind trägt vor, seine Mutter habe in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr nur mit ihrem jetzigen Ehemann gehabt; dieser sei ihr Erzeuger und wolle die Vaterschaft anerkennen. Diese neue Ehe ist am 11. Dezember 1992 geschlossen worden.
Der frühere Ehemann hatte am 30. November 1992 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eine mit einem Prozeßkostenhilfegesuch verbundene Ehelichkeitsanfechtungsklage gegen das Kind angebracht. Sein Prozeßkostenhilfegesuch ist am 8. Februar 1993 zurückgewiesen worden, weil er seine Bedürftigkeit nicht dargetan hat. Das Verfahren hat er nicht betrieben, die Klage ist nicht zugestellt worden. Am 10. September 1993 hatte deshalb die Mutter bei der Rechtsantragstelle vorgesprochen und um Prüfung gebeten, ob das Kind nicht selbst die Anfechtungsklage erheben könne und durch wen es dabei vertreten werde. Nach Beteiligung der Vormundschaftsabteilung, deren Rechtspfleger sich dahingehend äußerte, sowohl die Mutter selbst als auch - mit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung nach § 1600 k Abs. 2 BGB - das durch sie vertretene Kind könnten nach § 1600 g Abs. 1 BGB anfechten, teilte der Rechtspfleger der Rechtsantragstelle mit Schreiben vom 20. September 1993 der Mutter mit, es sei nicht möglich, daß das durch sie vertretene Kind die Klage erhebe, die Frist von zwei Jahren habe mit der Übertragung des Sorgerechts am 13. Juni 1991 zu laufen begonnen, nunmehr könne nur noch der frühere Ehemann, dessen Klage vom 30. November 1992 rechtzeitig gewesen sei, das Verfahren fortführen.
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht dem Kind die Prozeßkostenhilfe versagt. Seine ursprüngliche Begründung, das Kind habe nicht dargelegt, daß es vom Scheinvater keinen Prozeßkostenvorschuß erlangen könne, hat es - nach Nachholung der entsprechenden Darlegung in der Beschwerde vom 9./14. Mai 1997 - im Nichtabhilfebeschluß durch die Begründung ersetzt, das Kind könne zwar nach der Scheidung der Ehe anfechten, jedoch sei die Anfechtungsfrist zwei Jahre nach der Sorgerechtsübertragung am 13. Juni 1993 abgelaufen. Der Ergänzungspfleger, der die Beschwerde auch gegenüber der geänderten Begründung für die Prozeßkostenhilfeversagung aufrecht erhält, vertritt die Ansicht, die Anfechtungsfrist habe erst mit seiner Bestellung zu laufen begonnen.
II.
Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet. Das Kind hat die Frist zur Anfechtung seiner Ehelichkeit (§ 1596 Abs. 2 BGB) nicht versäumt. Das Amtsgericht hat bei seiner gegenteiligen Ansicht übersehen, daß das Kind, anders als der Scheinvater, kein generelles, nur an das Vorliegen von für die Nichtehelichkeit sprechenden Umständen anknüpfendes, sondern ein kasuistisch beschränktes Anfechtungsrecht hat. Dessen Besonderheit liegt darin, daß es einerseits nur dann besteht, wenn zusätzlich einer der in § 1596 Abs. 1 BGB aufgeführten besonderen Anfechtungstatbestände eintritt, daß aber andererseits für jeden dieser Anfechtungstatbestände eine eigene Anfechtungsfrist läuft, deren rechtliches Schicksal eigenständig und unabhängig von demjenigen der für andere Tatbestände in Gang gesetzten Fristen zu beurteilen ist; dies hat zur Folge, daß der Ablauf einer an den einen Anfechtungstatbestand anknüpfenden Frist der Fortdauer des Anfechtungsrechts aus einem anderen Anfechtungstatbestand nicht entgegensteht.
1.
Im Ergebnis zutreffend ist allerdings die Ansicht des Amtsgerichts, die an den - von ihm einzig erwogenen - Tatbestand der Scheidung der Ehe zwischen der Kindesmutter und dem Antragsgegner anknüpfende Anfechtungsfrist (§ 1596 Abs. 1 Nr. 2 BGB), sei - mit Wirkung für die Dauer der Minderjährigkeit des anfechtungswilligen Kindes (arg. § 1598 BGB) - abgelaufen.
a)
Zu Recht hat das Amtsgericht insoweit nicht geprüft, ob und wann das Kind selbst Kenntnis von den für seine Nichtehelichkeit sprechenden Umständen und dem Anfechtungstatbestand erlangt hat. Zwar ist die Frage, ob für den Fristbeginn auf die Kenntnis des Kindes selbst oder auf diejenige seines gesetzlichen Vertreters abzustellen ist, neuerdings streitig geworden. Entgegen der Ansicht des OLG Rostock (DAVorm. 1995, 388 mit insoweit zustimmender Anm. von Helbig DAVorm. 1995, 776, 777) kommt es auf die Kenntnis des Kindes selbst nicht an. Das minderjährige Kind ist nicht anfechtungsgeschäftsfähig (§ 1597 Abs. 1 BGB), seine eigene Kenntnis, sollte sie vorhanden sein, kann ihm daher nicht fristingangsetzend zugerechnet werden (Soergel/Gaul 12. Aufl. Rdz. 9 zu § 1596, Rdz. 13 zu § 1594 BGB). Gegen das nicht anfechtungsgeschäftsfähige minderjährige Kind läuft die Anfechtungsfrist nur aufgrund ihm zugerechneter Kenntnis an. Zugerechnet wird ihm die Kenntnis seines generell zur Ausübung des Anfechtungsrechts und zur wirksamen Kindesvertretung im Anfechtungsprozeß befähigten gesetzlichen Vertreters. Anders als bei Sorgeberechtigung des Vaters scheitert diese Anfechtungsberechtigung im Falle der Sorgeberechtigung der Mutter nicht am Verbot des In-Sich-Prozesses, den jener als notwendiger Gegner (§ 1599 Abs. 1 BGB) der Anfechtung seitens des von ihm vertretenen Kindes führen müßte, und auch nicht an dem aus den §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB folgenden Vertretungsverbot, das zum Zuge kommt, wenn an der (sehr umstrittenen; Übersicht über den Meinungsstand in BayObLGZ 1996, 90, 94 = DAVorm. 1996, 633, 635) Wertung der Rechtsnatur der Ehelichkeitsanfechtung als einseitiges Rechtsgeschäft (BGH FamRZ 1966, 504, 505 = MDR 1966, 745; BayObLGZ 1978, 251, 256) festgehalten wird; zugunsten derjenigen Mutter, der die Alleinsorge übertragen worden ist, entfällt mit der Rechtskraft der Scheidung auch das für sie bis dahin bestehende, aus §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3, 1 BGB folgende Vertretungsverbot. Mithin ist von der Rechtskraft der Scheidung an eine alleinsorgeberechtigte Mutter derjenige gesetzliche Vertreter, durch den das nicht selbst handlungsfähige Kind - unter dem Vorbehalt der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (§ 1597 Abs. 1 BGB, § 640 b Satz 2 Hs. 2 ZPO) - seine Ehelichkeit anfechten kann mit der Folge, daß es sich ebenso wie dessen Willen, der auch die Unterlassung der Anfechtung einschließt, auch dessen Wissen um die fristingangsetzenden Anfechtungstatsachen zurechnen lassen muß.
Die Wissenszurechnung beruht - selbst dann, wenn die Ehelichkeitsanfechtung als reine Prozeßhandlung (so insbesondere Soergel/Gaul 12. Aufl. Rdz. 4 zu § 1593, Rdz. 9 zu § 1597 BGB) und nicht (auch) als rechtsgeschäftliche Willenserklärung (so BGH a. a. O. und BayObLG a. a. O.) angesehen wird - auf dem in § 166 Abs. 1 BGB enthaltenen Rechtsgedanken. Zwar gilt dieser bezüglich rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter nur für Willenserklärungen und außerhalb von Willenserklärungen ausnahmsweise nur bei Beauftragung des Vertreters mit der Ermittlung der für einen Fristbeginn erheblichen Tatsachen (BGH, Urteil vom 19. März 1997 - XII ZR 287/95 m. w. N.; NJW 1993, 648, 652 [BGH 15.10.1992 - IX ZR 43/92] unter 4.; LM § 852 BGB Nr. 35 Bl. 4). Diese Einschränkungen sind auf die Ehelichkeitsanfechtung jedoch nicht übertragbar. Bei ihr liegt schon eine rechtsgeschäftliche Vertretung nicht vor, denn sie ist bei der Ehelichkeitsanfechtung nicht zulässig (§§ 1595 Abs. 1 Satz 1, 1595 a Abs. 3, 1597 Abs. 4 BGB), bei ihr handelt der Anfechtungsgeschäftsunfähige stets durch seinen gesetzlichen Vertreter. Bezüglich dessen Kenntnis von fristingangsetzenden Tatsachen gilt der die Zurechnung aussprechende Rechtsgedanke des § 166 Abs. 1 BGB jedoch auch im Bereich der Ehelichkeitsanfechtung, denn das dem Kind nach - differenzierender (i.e. Becker-Eberhard FamRZ 1984, 78) - Maßgabe der §§ 1598, 1597 Abs. 4, 1595 Abs. 2 Satz 2 BGB eingeräumte Wiederaufleben des Anfechtungsrechts nach Erlangung der eigenen Anfechtungsgeschäftsfähigkeit knüpft daran an, daß "der gesetzliche Vertreter nicht rechtzeitig angefochten", also die - kenntnisabhängige - Frist versäumt, mithin aus seinem Wissen in fristwahrender Zeit einen statusändernden Gestaltungswillen nicht gebildet oder betätigt hat, und setzt somit die grundsätzliche Zurechnung des Vertreterwissens voraus, von deren Folgen das Kind im Falle des § 1598 BGB lediglich teilweise und nur im Falle des § 1597 Abs. 4 i. V. m. § 1595 Abs. 2 Satz 2 BGB vollständig ("wie wenn es ohne gesetzlichen Vertreter gewesen wäre") wieder entlastet wird.
b)
Zuzurechnen ist dem hier anfechtungswilligen Kind daher von dem Zeitpunkt an, ab welchem seine Mutter nach der Scheidung vom Antragsgegner die alleinige elterliche Sorge innehatte, die Kenntnis seiner hierdurch zur Vertretung bei der Anfechtung befähigten Mutter von den für seine Nichtehelichkeit sprechenden Umständen und von der Scheidung. Die alleinige Sorge hat die Mutter des Kindes mit dem Wirksamwerden des Sorgerechtsbeschlusses vom 13. Juni 1991 erlangt (§ 1671 Abs. 1 BGB); in diesem Zeitpunkt wußte sie, daß sie seit Oktober 1989, folglich die letzten 1 1/2 Jahre vor der Geburt des Kindes mit dem Antragsgegner keinen Geschlechtsverkehr mehr gehabt hat und daß die Ehe durch Urteil vom 7. Februar 1991 geschieden war. Die Frist, innerhalb deren das Kind eine Anfechtung auf den Tatbestand der Scheidung gründen konnte, ist daher im Sommer 1993 abgelaufen.
c)
Dem steht nicht entgegen, daß die Mutter der Antragstellerin zur Anfechtung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte, diese aber zu keinem Zeitpunkt für sie vorlag, weil sie, sie nicht beantragt hat. An die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung der Anfechtung (§ 1597 Abs. 1 BGB) ist die Ingangsetzung der Frist nicht geknüpft; zwar beschneidet die Genehmigungsbedürftigkeit die Rechtsmacht des gesetzlichen Vertreters; sie hindert indessen nicht seine rechtliche Zuständigkeit, die auf seinem Wissen beruhende Entschließung über die Anfechtung zu treffen, hinsichtlich deren er sich lediglich einer objektiven Prüfung stellen muß, ob ihr das Kindeswohl entgegensteht; bei dieser handelt es sich lediglich um eine die Durchführung der Anfechtung betreffende Maßnahme, die die Erhebung von Klagen verhindern soll, die nicht im Interesse des Kindes liegen. Gerade weil die Frist auch ohne die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung anläuft, obliegt es dem gesetzlichen Vertreter, die Genehmigung rechtzeitig beizubringen, und nur deshalb stellt sich die - allemal in der Begründung und zum Teil auch im Ergebnis unterschiedlich beantwortete (zum Meinungsstand siehe BayObLGZ 1996, 90, 94 = DAVorm. 1996, 633, 635) - Frage, bis wann die Genehmigung vorliegen muß, um rechtzeitig zu sein, und ob bei erst späterer Erteilung der Ablauf der Frist unter dem Gesichtspunkt der ihre Einhaltung hindernden höheren Gewalt gehemmt war (§§ 1596 Abs. 2 Satz 3, 203 Abs. 2, 205 BGB).
d)
Entgegen der - auf die Kommentierung von Palandt/Diederichsen (56. Aufl., § 1596 Rdz. 9 a. E.) gestützten - Ansicht des beschwerdeführenden Kindes hat die Frist nicht erst mit der Bestellung eines Ergänzungspflegers für den Wirkungskreis der Ehelichkeitsanfechtung (Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 27. Dezember 1996) zu laufen begonnen. Zwar ist vom Wirksamwerden der Bestellung an der Ergänzungspfleger im Rahmen seines Wirkungskreises gesetzlicher Vertreter des Kindes geworden. Der gleichzeitige Verlust der Vertretungsberechtigung der Mutter durch Beschränkung des Sorgerechts im Umfang des Wirkungskreises des Ergänzungspflegers berührt jedoch die Befähigung der Mutter in der vorangegangenen Zeit, seit der Erlangung der Alleinsorge nach der Scheidung das Kind bei der Ehelichkeitsanfechtung wirksam zu vertreten, nicht; der Ergänzungspfleger kann die Rechtsposition des Kindes nur so übernehmen, wie sie sich unter der gesetzlichen Vertretung der Mutter entwickelt hatte, weshalb der Vertreterwechsel auf den eingetretenen Stand der Fristenlage keinen Einfluß hat. War die Frist erst teilweise abgelaufen, läuft sie mit der Kenntniserlangung von Anfechtungsgrund und Anfechtungstatbestand durch den "übernehmenden" gesetzlichen Vertreter weiter; war sie bereits gänzlich abgelaufen, so verbleibt es dabei, durch den Vertreterwechsel erwächst dem Kind die Anfechtungsfrist wegen desselben Anfechtungstatbestandes nicht nochmals neu (OLG Frankfurt/Main DAVorm. 1996, 901; OLG Hamm DAVorm. 1988, 65).
2.
Nicht erwogen hat das Amtsgericht, daß sich das Anfechtungsrecht des Kindes auch auf den Anfechtungstatbestand der Eheschließung zwischen seiner Mutter und seinem - behaupteten - biologischen Vater stützen kann (§ 1596 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Gerade unter diesem Gesichtspunkt hat aber die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn die auf diesen Tatbestand bezogene Anfechtungsfrist ist noch nicht abgelaufen.
a)
Allerdings hat die Heirat bereits am 11. Dezember 1992 stattgefunden, wie aus der Stellungnahme des Kreisjugendamts Peine vom 22. Dezember 1992 (Bl. 9 der Beiakten) hervorgeht; an diesem Tag hat die Frist auch zu laufen begonnen, weil die Mutter des Kindes alleinige Sorgeberechtigte war und um die außereheliche Zeugung wußte. Die Frist konnte jedoch nicht ablaufen, solange die Mutter hinsichtlich der Anfechtung noch gesetzliche Vertreterin des Kindes war (siehe lit. b); bei Verlust ihrer Vertretungsberechtigung standen infolge Ablaufhemmung noch 6 Monate der Frist offen. In der anschließenden Zeit ist die Frist nicht abgelaufen, weil der Ergänzungspfleger das Prozeßkostenhilfegesuch und die - mit dem Ersuchen um Zustellung (erst) nach bewilligter Prozeßkostenhilfe verbundene - Klage bereits am 16./22. April 1997 und damit innerhalb von 6 Monaten seit seiner Bestellung am 27. Dezember 1996 beim Amtsgericht eingereicht hat; dieses Prozeßkostenhilfegesuch ist seit dem ergänzenden, das Nichtbestehen eines alsbald und unschwierig realisierbaren Prozeßkostenvorschußanspruchs darlegenden Vorbringen in der am 14. Mai 1997 - also ebenfalls noch innerhalb von 6 Monaten seit der Bestellung des Ergänzungspflegers - eingegangenen Beschwerdeschrift vom 9. Mai 1997 vollständig und rechtfertigt die Feststellung der Prozeßkostenhilfebedürftigkeit des Kindes. Seit dem 14. Mai 1997 ist daher der Ablauf der Anfechtungsfrist - erneut - gehemmt, weil das Kind das seinerseits für eine Prozeßkostenhilfebewilligung Erforderliche getan, auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinfort keinen Einfluß und außerdem die Beschwerde gegen den die Prozeßkostenhilfeversagung auf Verfristung des Anfechtungsrechts stützenden, am 9. Juni 1997 abgesandten Beschluß vom 3. Juni 1997 sofort, mit am 13. Juni 1997 eingegangenem Schriftsatz vom 12. Juni 1997, geführt hat.
b)
Daß dem Kind bei Übergang der gesetzlichen Vertretung von der Mutter auf den Ergänzungspfleger noch restliche 6 Monate der Anfechtungsfrist zur Verfügung standen, liegt darin begründet, daß die Mutter durch höhere Gewalt während der gesamten Dauer der - am 11. Juni 1994 beginnenden - letzten 6 Monate der Anfechtungsfrist an der Fristeinhaltung gehindert war. Die Hinderung hatte mit dem Zugang des Schreibens des Amtsgerichts Peine vom 20. September 1993 eingesetzt, mit welchem der Rechtspfleger der Mutter mitteilte: Die Anfechtungsfrist habe gegen das Kind seit der Übertragung des Sorgerechts am 13. Juni 1991 zu laufen begonnen; da seitdem mehr als 2 Jahre vergangen seien, könne nur noch der Scheinvater (jetziger Antragsgegner), dessen Klage vom 30. November 1992 rechtzeitig gewesen sei, das Verfahren fortführen; hingegen könne das Kind, vertreten durch die Mutter, eine Anfechtungsklage nicht mehr erheben.
Diese Auskunft war in jeder Hinsicht falsch. Richtig hätte sie genau umgekehrt, nämlich dahingehend lauten müssen, daß die Anfechtungsfrist zwar gegenüber dem Scheinvater abgelaufen sei, gegenüber dem Kind aber noch andauere.
aa)
Gegenüber dem Scheinvater war die Anfechtungsfrist spätestens im Mai 1993 abgelaufen, denn er hatte spätestens im Mai 1991 Kenntnis von der Geburt des - lange nach der Trennung der Eheleute gezeugten - Kindes und sogar von der Notwendigkeit der Ehelichkeitsanfechtung erlangt (Bl. 4 Beiakten), weil der Zeitpunkt der Geburt in die 302-Tage-Frist aus § 1593 BGB fiel. Die Anfechtungsfrist ist durch Erhebung, also durch Zustellung der Klage zu wahren (§ 1599 Abs. 1 BGB, § 253 Abs. 1 ZPO), die bloße Einreichung der Klage vor Fristablauf wahrt die Frist nur unter den Voraussetzungen des § 270 Abs. 3 ZPO. Die am 30. November 1992 zu Protokoll des Amtsgerichts - Rechtsantragstelle - angebrachte Klage ist niemals zugestellt worden. Sie war mit einem Prozeßkostenhilfegesuch verbunden worden, dem jedoch die zugehörigen Belege nicht beigefügt waren; sie wurden auch weder auf die richterliche Aufforderung vom 1. Dezember 1992 noch auf die auf ihr Fehlen gestützte Prozeßkostenhilfeversagung vom 8. Februar 1993 hin nachgereicht. Infolge der Unvollständigkeit des Prozeßkostenhilfegesuchs war der Ablauf der Anfechtungsfrist durch Prozeßkostenhilfebedürftigkeit nicht gehemmt. Klage und Prozeßkostenhilfegesuch waren nach ihrer Anbringung seitens des Scheinvaters in keiner Weise weiterverfolgt worden; den für die Zustellung der Klage erforderlichen Gerichtskostenvorschuß hat er nicht eingezahlt, einen Antrag nach § 65 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 GKG hat er nicht gestellt, ihn rechtfertigende und ggf. zu einem gerichtlichen Hinweis Veranlassung gebende Gründe hat er nicht vorgebracht. Die Verzögerung der Zustellung der Klage über den Zeitpunkt des Ablaufs der Anfechtungsfrist hinaus beruhte unter diesen Umständen auf schuldhafter Untätigkeit des Scheinvaters, so daß er sie zu vertreten hat. Der ihm dies nachsehenden Wohltat des § 270 Abs. 3 ZPO hätte er nur bei geringfügiger Verzögerung der Zustellung bis "demnächst" nach Fristablauf teilhaftig werden können. Eine i. S. d. § 270 Abs. 3 ZPO demnächstige Zustellung der Klage liegt bei einer klägerseits verschuldeten Verzögerung von mehr als 14 Tagen über den Fristablauf hinaus nicht mehr vor. Die Zustellung der Klage des Scheinvaters hätte daher äußerstenfalls bis etwa gegen Mitte Juni 1993 mit noch fristwahrender Wirkung in Betracht kommen können, durch eine spätere Zustellung - und damit z. Z. des Auskunftsschreibens des Rechtspflegers vom 20. September 1993 - konnte die Anfechtungsfrist seitens des Scheinvaters nicht mehr eingehalten werden.
bb)
Hingegen waren von der gegen das Kind laufenden Anfechtungsfrist aus § 1596 Abs. 1 Nr. 3 BGB bei Abfassung des Auskunftsschreibens vom 20. September 1993 erst 9 Monate und 9 Tage verstrichen, so daß der Mutter hätte mitgeteilt werden müssen, daß das Kind, vertreten durch sie, die Anfechtungsklage erheben könne und sie hierzu die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen habe.
cc)
Von der wahren Rechtslage hatte die Mutter keine Kenntnis. Allerdings rechtfertigt bloße Rechtsunkenntnis nicht die Annahme einer fristhemmenden höheren Gewalt. Hier aber hatte sich die Mutter rechtsauskunftsuchend an das Amtsgericht gewandt. Die schriftliche Rechtsauskunft des Rechtspflegers stellte die Beantwortung einer Vorsprache der Mutter bei der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts am 10. September 1993 dar, in der sie wegen des Nichtbetreibens der seinerzeitigen Anfechtungsklage des Scheinvaters um Prüfung unter Beteiligung des Vormundschaftsgerichts gebeten hatte, ob nicht das Kind Anfechtungsklage erheben könne und durch wen es vertreten werde. Aus der - bei Vorsprache der Mutter nur 11 Blatt umfassenden - seinerzeitigen Verfahrensakte gingen alle für die zutreffende Beurteilung der Anfechtungslage bedeutsamen Fakten vollständig hervor, sowohl hinsichtlich der seinerzeitigen Anfechtungsklage des Scheinvaters als auch hinsichtlich der für das Kind in Betracht zu ziehenden Anfechtungstatbestände und der an sie anknüpfenden Fristen; insbesondere war auch der Zeitpunkt der Eheschließung der Mutter mit dem von allen Beteiligten als Erzeuger des Kindes angegebenen Manne aktenkundig. Die Mutter konnte und durfte erwarten, daß das ihr vom Rechtspfleger der Rechtsantragstelle mitgeteilte Prüfungsergebnis einer vollständigen Berücksichtigung aller einschlägigen und aktenkundigen Fakten entsprach. Sie durfte sich des weiteren auf die Richtigkeit der Rechtsauskunft verlassen, weil - zumal nach mehrtägiger Prüfungsdauer - die unter keinen Vorbehalt gestellten schriftlichen Rechtsausführungen des Rechtspflegers den Anschein einer wohlerwogenen verbindlichen Beantwortung der von der Mutter an das Gericht herangetragenen Problematik erweckten. Die Unrichtigkeit der Auskunft war für die Mutter nicht erkennbar; soweit darin Daten genannt sind, treffen diese als solche zu; was deren rechtliche Bedeutung angeht, hatte die Mutter mangels eigener Beurteilungsfähigkeit ihr Vertrauen gerade in die Sachkunde des Rechtspflegers gesetzt; daß in der Auskunft nicht erwähnte Fakten und Daten in Wahrheit grundlegende Bedeutung hatten und zum gegenteiligen Ergebnis hätten führen müssen, war für sie nicht ersichtlich, denn auch insoweit hatte sie sich dessen sachkundiger Umsicht und Sorgfalt anvertraut. Da sie gerade mit dem Ziel, die Anfechtungsmöglichkeiten für das Kind zu eruieren, an den Rechtspfleger herangetreten war, ist sie durch dessen negatives Prüfungsergebnis von der Wahrnehmung seines Anfechtungsrechts abgehalten worden. Für sie war der falsche "Bescheid" eine sie an der rechtzeitigen Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage hindernde höhere Gewalt. i. S. des nach § 1596 Abs. 2 Satz 3 BGB entsprechend anzuwendenden § 203 Abs. 2 BGB, die - insolange fristhemmend - auch noch in den letzten 6 Monaten der regulären Anfechtungsfrist - und - mangels jeglicher Aufklärung - darüber hinaus die gesamte Zeit hindurch, während welcher die Mutter das Kind bei der Anfechtung hätte vertreten können, also bis zum Übergang der Vertretungsberechtigung auf den Ergänzungspfleger anhielt. Erst mit Beendigung dieser - in die Anfechtungsfrist nicht einzurechnenden - Verhinderungszeit (§ 205 BGB) lief die Anfechtungsfrist im - maximalen (vgl. BGH FamRZ 1982, 917, 918 = MDR 1982, 998) und hier einschlägigen - Umfang der Hemmungszeit von 6 Monaten (§ 203 Abs. 2 BGB) weiter. Da der Ergänzungspfleger diese restliche Frist eingehalten hat, ist, ohne daß es noch auf eine Prüfung ankäme, ob in Anbetracht der bei dem zum Ergänzungspfleger bestellten Jugendamt zu erwartenden Rechtskundigkeit die fristhemmende Wirkung der falschen Rechtsauskunft des Rechtspflegers entfallen ist, das Anfechtungsrecht des Kindes noch nicht erloschen und seine Klage hinreichend erfolgversprechend.
III.
Gerichtskosten fallen für die hiernach erfolgreiche Beschwerde nicht an, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).