Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 16.05.2017, Az.: 8 A 78/16
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 16.05.2017
- Aktenzeichen
- 8 A 78/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53882
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Grundschulleiterin im Ruhestand, wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte sie wegen einer Dienstpflichtverletzung in Anspruch nimmt. Hintergrund des Schadensersatzbegehrens der Beklagten ist, dass an der von der Klägerin geleiteten Grundschule eine Lehrerin über mehrere Jahre hinweg mit zu wenigen Unterrichtsstunden eingesetzt wurde.
Die Klägerin war zwischen dem B. und ihrem Eintritt in den Ruhestand am C. Schulleiterin an der Grundschule „D.“ in E.. Während ihrer Zeit als Schulleiterin wurde mit Wirkung vom F. Frau G., damals H., zunächst als Beschäftigte in den niedersächsischen Landesdienst eingestellt. Frau G. wurde bis einschließlich zum I. an der Grundschule „D.“ eingesetzt.
Frau G. wurde anfangs im Rahmen der sog. Einstellungsteilzeit mit einer Wochenstundenzahl von 22,5 von 28 Stunden beschäftigt; ab dem 1. September 2002 erhöhte sich aufgrund eines Erlasses des Kultusministeriums Niedersachsen (MK) vom 22. April 2002 ihre Unterrichtsverpflichtung von wöchentlich durchschnittlich 22,5 auf 25 Wochenstunden zzgl. 1 Stunde verpflichtendes Zeitarbeitskonto. Mit Schreiben vom 6. September 2002 informierte die Bezirksregierung Frau G. darüber, dass vorgesehen sei, sie zum 1. August 2003 im Rahmen einer Vollbeschäftigung in das Beamtenverhältnis zu übernehmen.
Am 1. August 2003 wurde Frau G. wie zuvor angekündigt in das Vollzeit-Beamtenverhältnis übernommen. Sie erhielt seither die Dienstbezüge einer vollbeschäftigten Lehrerin auf Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung, wobei die Unterrichtsverpflichtung einer vollbeschäftigten Lehrkraft gemäß der Niedersächsischen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten an öffentlichen Schulen (Nds. ArbZVO-Schule) 28 Stunden beträgt.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 gewährte die Beklagte Frau G. eine Ausgleichszahlung in Höhe von 3.655,60 EUR für zwischen dem 1. August 2003 und 31. Januar 2008 zusätzlich geleistete Unterrichtsstunden im Umfang von 268 Stunden. In der Anlage zum Bescheid über die Ausgleichszahlung war für den Zeitraum 1. August 2003 bis 31. Januar 2008 unter „Teilzeitfaktor-alt“ „Vollbeschäftigung“ vermerkt. Die zusätzlichen Unterrichtsstunden wurden unter der Annahme berechnet, dass Frau G. entsprechend ihrer Vollzeitstelle 28 Unterrichtsstunden pro Woche erteilte.
Mit Wirkung vom J. wurde Frau G. auf ihren Antrag von der Grundschule „D.“ in E. an die Grundschule K. versetzt. Laut einem Schreiben der Beklagten - Regionalabteilung Osnabrück - vom 7. Februar 2013 an die Regionalabteilung Lüneburg wurde dabei festgestellt, dass Frau G. an der Grundschule in E. lediglich mit 25 von 28 Wochenstunden eingesetzt war und dabei seit dem 1. August 2003 Bezüge einer vollbeschäftigten Beamtin erhalten hatte.
Die Beklagte nahm daraufhin Frau G. mit Bescheid vom 26. August 2013 auf Rückzahlung überzahlter Bezüge in Anspruch. Diesen Bescheid hob die Beklagte nach einem rechtlichen Hinweis des zwischenzeitlich mit der Sache befassten Verwaltungsgerichts Oldenburg mit Bescheid vom 8. Mai 2014 auf.
Die Beklagte entschloss sich daraufhin, gegenüber Frau G. und gegenüber der Klägerin Schadensersatz in Höhe von insgesamt 41.456,38 EUR geltend zu machen. Dieser Betrag entspricht der Differenz zwischen den an Frau G. zwischen 2003 und 2013 tatsächlich gezahlten Vollzeitbezügen und den Bezügen, die Frau G. bei einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 25 Unterrichtsstunden pro Woche zugestanden hätten.
Mit Bescheid vom 1. Dezember 2014 nahm die Beklagte zunächst Frau G. auf Zahlung von 31.092,28 €, d. h. auf 3/4 des insgesamt geltend gemachten Schadens, in Anspruch. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 10. Dezember 2014, der Klägerin zugestellt am 18. Dezember 2014, nahm die Beklagte die Klägerin in Höhe der Restsumme in Höhe von 10.364,1 EUR, d. h. auf 1/4 des geltend gemachten Schadens, in Anspruch.
Zur Begründung gab die Beklagte an, die Klägerin habe grob fahrlässig die ihr als Schulleiterin obliegenden Pflichten verletzt, indem sie bei der Übernahme von Frau G. in das Beamtenverhältnis nicht geprüft habe, ob die Voraussetzungen für eine Teilzeitbeschäftigung vorlägen, die es rechtfertigten, diese Lehrkraft nur mit 25 Wochenstunden einzusetzen. Da Teilzeitanträge in der Regel nur für ein Jahr bewilligt würden, hätte der Klägerin auch in den Folgejahren wiederholt auffallen müssen, dass Frau G. nicht in Teilzeit tätig sei und darum mit 28 Wochenstunden hätte eingesetzt werden müssen. Durch diese - als grob fahrlässig zu bewertende - Pflichtverletzung sei dem Land Niedersachsen durch die Differenz zwischen tatsächlich geleisteter und zu leistender Unterrichtsverpflichtung ein Schaden in Höhe von insgesamt 41.456,38 EUR entstanden. Der Mindereinsatz von Frau G. in Höhe von drei Wochenstunden habe durch eine andere Lehrkraft ausgeglichen werden müssen, die entsprechend zu vergüten gewesen sei. Dieser Sachverhalt rechtfertige es, die Klägerin zu 1/4 des entstandenen Schadens neben Frau G. in Anspruch zu nehmen, wobei berücksichtigt worden sei, dass Frau G. zu keiner Zeit auf ihren Mindereinsatz hingewiesen habe.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 16. Januar 2015 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 2. Februar 2015 begründete und dabei auch die Einrede der Verjährung erhob. Zwar räume sie ein, pflichtwidrig gehandelt zu haben, ihr könne jedoch insoweit lediglich leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Auch der Beklagten sei der Mindereinsatz von Frau G. nicht aufgefallen, obwohl die Beklagte jährlich eine Personalstatistik über den Personaleinsatz erhalten habe. Nicht nachvollziehbar sei der von der Beklagten geltend gemachte Schaden. Auch wenn sie sich pflichtgemäß verhalten und Frau G. korrekt eingesetzt hätte, hätten dieser die Bezüge einer Vollzeitbeamtin zugestanden. Es sei nicht ersichtlich, dass für die Mindereinteilung von Frau G. zusätzliche Lehrer hätten eingestellt werden müssen. Im Bedarfsfall sei sie als Schulleiterin selbst eingesprungen, ohne dass insoweit Mehrkosten entstanden seien.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2014, eingegangen am 12. Mai 2016, zurück. Aus dem Umstand, dass ihr, der Beklagten, der Mindereinsatz von Frau G. nicht aufgefallen sei, lasse sich nicht ableiten, dass die Klägerin nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Ihre Aufgabe, der Beklagten, im Hinblick auf die ihr jährlich vorgelegte Personalstatistik sei es lediglich, die seitens der Schule abzugebenden statistischen Daten zur Unterrichtsversorgung zusammenzufassen, in Stichproben zu prüfen und an das Kultusministerium zur Planung der Lehrerstellen und Verteilung auf die Schulen weiterzugeben. Bei der Bemessung der Haftungsquote der Klägerin habe sie berücksichtigt, dass der Verschuldensbeitrag von Frau G. größer als derjenige der Klägerin sei. Angesichts der auch der Klägerin vorzuwerfenden Pflichtverletzung sei eine alleinige Inanspruchnahme von Frau G. jedoch nicht sachgerecht. Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt. Der Klägerin sei eine pflichtwidrige Dauerhandlung vorzuwerfen. Die Verjährung von daraus resultierenden Ansprüchen beginne nicht vor dem Ende des Eingriffs, weshalb die Verjährungsfrist erst seit dem 1. August 2012 laufe.
Am 10. Juni 2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft die Gründe aus ihrem Widerspruch. Sie habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass Frau G. vor ihrer Verbeamtung in unterschiedlichem Stundenumfang eingesetzt worden und durch die sog. Verlässliche Grundschule eine neue Zeiteinteilung eingeführt worden sei, die den Abgleich der Ist- mit den Sollstunden erschwert habe. Gegen ein qualifiziertes Fehlverhalten von ihrer Seite spreche auch, dass ihr gar nicht bekannt gewesen sei und nicht bekannt sein konnte, dass Frau G. Dienstbezüge für eine Vollbeschäftigung erhalten habe, und dass, wie bereits im Widerspruch vorgetragen, der Mindereinsatz von Frau G. auch bei der Beklagten niemandem aufgefallen sei, obwohl diese jährlich eine Personalstatistik erhalten habe. Die Beklagte habe Frau G. im Jahr 2009 sogar im Wege des Ausgleichs des Arbeitszeitkontos 268 zusätzliche Unterrichtsstunden vergütet. Darin liege ein erhebliches Mitverschulden der Beklagten, das der Bescheid jedoch gänzlich unberücksichtigt lasse. Die Beklagte hätte die Unstimmigkeiten bereits im ersten Jahr nach der Übernahme von Frau G. ins Beamtenverhältnis erkennen müssen, zumal allein dieser sämtliche maßgeblichen Umstände bekannt gewesen seien. Es sei nach wie vor nicht ersichtlich, welcher Schaden der Beklagten entstanden sein solle. Die pauschalen Ausführungen hierzu im Widerspruchsbescheid, wonach die nicht geleisteten Stunden durch zusätzlichen Einsatz von Lehrkräften aufgefangen habe werden müssen, seien eine Behauptung ins Blaue hinein, die sie bestreite. Der Schadensersatzanspruch bestehe keinesfalls für den zwischen dem 1. August 2012 und dem I. entstandenen Schaden, da sie zu dieser Zeit nicht mehr Schulleiterin gewesen sei. Ihre Inanspruchnahme als Gesamtschuldnerin in Höhe von 1/4 neben Frau G. sei zudem ermessensfehlerhaft, weil Frau G. wissentlich und damit vorsätzlich gehandelt habe. Die Beklagte habe darum allein Frau G. in Anspruch nehmen dürfen. An der Einrede der Verjährung halte sie fest. Insoweit sei für den Verjährungsbeginn auf jeden einzelnen Tag, zu dem Frau G. in zeitlich zu geringem Maße eingesetzt worden sei, abzustellen. Darum sei - taggenau - hinsichtlich aller bis zum 22. Juni 2004 entstandenen Ansprüche mittlerweile Verjährung eingetreten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2016 aufzuheben und die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ergänzt die Begründung aus dem Widerspruchsbescheid. Die der Klägerin vorzuwerfende Pflichtverletzung überschreite angesichts des eigenmächtigen Verhaltens im Kernbereich ihrer Schulleitungsaufgaben den Rahmen der einfachen Nachlässigkeit. Auch die von der Klägerin angeführten Änderungen in der Unterrichtsorganisation rechtfertigten die Nichtbeachtung elementarer Grundlagen dienstlichen Handelns nicht. Im Gegenteil hätte sich die Klägerin bei eventuellen Unklarheiten informieren und sich fehlende Kenntnisse - z. B. bei vorgesetzten Stellen - verschaffen müssen. Die Verantwortlichkeit für den Personaleinsatz, die allein bei der Schulleitung liege, werde nicht dadurch relativiert, dass ihr, der Beklagten, eine Unterrichtsstatistik vorgelegt werde. Vielmehr dürfe sie darauf vertrauen, dass die von der Schulleitung gemachten Angaben, deren Richtigkeit die Schulleitung bestätigt habe, tatsächlich zuträfen. Ein Schaden ergebe sich daraus, dass der mit der gesetzlichen Schulpflicht und dem Bildungsauftrag der Schule korrespondierende Anspruch der Schülerinnen und Schüler auf eine gesicherte Unterrichtsversorgung eine entsprechende personelle Ausstattung jeder Schule erforderlich mache. Die von einer Lehrkraft nicht geleisteten Stunden müssten daher durch zusätzlichen Einsatz von anderen, ebenfalls entsprechend zu vergütenden Lehrkräften aufgefangen werden, die dementsprechend für den anderweitigen Einsatz fehlten. Wie dabei konkret zu verfahren sei, bleibe ihre, der Beklagten, eigene organisatorische Angelegenheit, ohne dass sich die Klägerin entlastend auf den Erfolg dieser Maßnahmen berufen könne. Auch an der Grundschule der Klägerin bzw. an benachbarten Grundschulen habe zumindest zeitweise eine unzureichende, d. h. unter den Planungswerten liegende Unterrichtsversorgung bestanden. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Arbeitskraft einer Lehrkraft für sich gesehen keinen Vermögenswert für den Dienstherren darstellen sollte, sei aufgrund des rechtswidrigen Eingriffs durch die Klägerin, der zu eine Reduzierung des Unterrichtseinsatzes geführt habe, ein Vermögensschaden entstanden. So habe das Bundesverwaltungsgericht im Fall, dass ein Vorgesetzter pflichtwidrig einen Soldaten zu privaten Zwecken eingesetzt habe, einen Schaden darin gesehen, dass dem Dienstherren über einen längeren Zeitraum die Verfügungsmöglichkeit über den Soldaten entzogen worden sei und er in dieser Zeit keine Gegenleistung für die dem Soldaten zu zahlenden Dienstbezüge erhalten habe. Anhand der gezahlten Dienstbezüge sei darum auch der Schaden zu bemessen. Die Pflichtverletzung der Klägerin sei für den Schaden in Form der Nichterteilung von Pflichtstunden ursächlich, und zwar auch soweit, wie der Schaden zwischen dem C. und dem J., also zwischen der Versetzung der Klägerin in den Ruhestand und der Versetzung von Frau G. an die neue Schule, eingetreten sei. Denn die neue Schulleitung habe zunächst von den vorgefundenen Unterlagen und Planungsgrundlagen ausgehen müssen, ehe sie sich ein eigenes Bild habe machen können. Die Klägerin habe auch nicht vorgetragen, die neue Schulleitung auf den fehlerhaften Einsatz von Frau G. hingewiesen zu haben. Die Beklagte habe Frau G. nicht vorrangig in Anspruch nehmen müssen, weil dieser im Ergebnis ebenfalls nur grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz.
Gemäß § 48 Satz 1 BeamtStG haben Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Hierbei haften mehrere Beamte, die den Schaden gemeinsam verursacht haben, als Gesamtschuldner.
Hier hat die Klägerin zwar die ihr gegenüber ihrem Dienstherrn obliegenden Pflichten verletzt (dazu I.), wobei ihr grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (dazu II.). Indes ist hierdurch kein ersatzfähiger Schaden entstanden (dazu III.).
I. Die Klägerin war zwischen dem B. und ihrem Eintritt in den Ruhestand am C. Schulleiterin an der Grundschule E.. Als solche trug sie gemäß § 43 Abs. 1 NSchG die Gesamtverantwortung für ihre Schule und für deren Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung und hatte gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 NSchG für die Einhaltung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Schulordnung zu sorgen. Gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 5 NSchG war sie verpflichtet, jährlich einen Plan für den Personaleinsatz zu erstellen.
Aufgrund dieser Dienstpflichten hat die Klägerin halbjährlich Unterrichtspläne erstellt. Diese Pläne hätten vorsehen müssen, dass Frau G. im Umfang von 28 Unterrichtsstunden tätig wird.
Die Regelstundenzahl einer vollbeschäftigten Lehrkraft an Grundschulen beträgt gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 Niedersächsische Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten an öffentlichen Schulen (Nds. ArbZVO-Schule) 28 Unterrichtsstunden. Frau G. war seit dem 1. August 2003 mit ihrer Übernahme in das Beamtenverhältnis als Vollzeitkraft tätig. Einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung hat sie nie gestellt. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen worden, dass diese Regelstundenzahl im Fall Frau G. s reduziert war. Frau G. hatte darum eine Unterrichtsverpflichtung von 28 Unterrichtsstunden, weshalb die Klägerin sie entsprechend hätte einsetzen müssen.
Diese Pflicht hat die Klägerin verletzt, indem sie Frau G. nur für 25 Unterrichtsstunden pro Woche einteilte. Dies gilt auch im Hinblick auf das 1. Halbjahr des Schuljahres 2012/2013, auch wenn die Klägerin bereits zum C. in den Ruhestand versetzt wurde. Denn der Plan für das erste Schulhalbjahr, das bereits am 1. August 2012 begann, war noch unter Verantwortung der Klägerin zu erstellen.
II. Das Verhalten der Klägerin ist als grob fahrlässig zu erachten. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, indem er nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, oder indem er die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht anstellt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14.8.2012 - 5 LA 220/11 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 2.4.2013 - 5 LA 50/12 -, juris Rn. 5).
Hier resultiert das besonders schwere Maß der Sorgfaltspflichtverletzung sowohl aus der Erkennbarkeit der Sorgfaltswidrigkeit als auch aus der Vermeidbarkeit der Dienstpflichtverletzung.
In welchem zeitlichen Umfang Vollzeitlehrkräfte Unterrichtsstunden erteilen müssen, ergibt sich aus der ArbZVO-Schule. Für die Klägerin war darüber hinaus auch klar erkennbar, dass Frau G. als Vollzeitkraft einzusetzen war. Denn Frau G. hat in den Jahren zwischen 2003 und 2013 nie einen Teilzeitantrag eingereicht.
Vor diesem Hintergrund vermag auch der Einwand der Klägerin, sie habe nicht gewusst, wie Frau G. vergütet werde, den Vorwurf grob fahrlässigen Handelns nicht zu beseitigen. Die Klägerin brauchte nicht zu wissen, welche Vergütung Frau G. erhielt, um ihre Pflicht erfüllen und die ihr unterstellten Lehrkräfte im richtigen zeitlichen Umfang einsetzen zu können. Maßgeblich ist allein, dass die Klägerin davon ausgehen musste, dass Frau G. im zeitlichen Umfang einer Vollzeitlehrkraft zu beschäftigen war.
Die Dienstpflichtverletzung war auch ohne Weiteres vermeidbar. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass es nach dem Vortrag der Klägerin aufgrund der Einführung der sog. Verlässlichen Grundschule schwieriger gewesen sei, die Ist- mit den Sollstunden abzugleichen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern das Konzept der Verlässlichen Grundschule die Personaleinsatzplanung in relevanter Weise erschwert haben soll. Nach dem Konzept der Verlässlichen Grundschule soll für alle Schülerinnen und Schüler ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot sichergestellt werden. An der regelmäßigen Unterrichtsverpflichtung einer in Vollzeit beschäftigten Lehrkraft ändert sich hierdurch nichts; ein der Unterrichtsverpflichtung entsprechender zeitlicher Einsatz einer Lehrkraft wird hierdurch nicht in signifikanter Weise erschwert.
Schließlich spricht gegen ein grob fahrlässiges Handeln der Klägerin nicht, dass auch die Beklagte den zeitlichen Mindereinsatz Frau G. s nicht erkannt hat. Dies gilt, obwohl die Klägerin dieser regelmäßig eine Personalstatistik vorlegte, derzufolge Frau G. tatsächlich nur in einem zeitlichen Umfang von 25 Unterrichtsstunden tätig war, und bei der Beklagten zugleich die Information vorhanden war, dass Frau G. Vollzeitbeamtin war. Allein die Klägerin als Schulleiterin und nicht die Beklagte war verpflichtet, die Lehrkräfte an ihrer Schule in zutreffendem zeitlichen Umfang zu verplanen, zumal die der Beklagte vorgelegte Personalstatistik nicht der Kontrolle der Schulleiterin und ihrer Personalplanung diente, sondern allein der Ermittlung des Bedarfs an Lehrkräften. Zudem würde ein etwaiges (Mit-)Verschulden der Beklagten die der Klägerin vorzuwerfende grobe Fahrlässigkeit nicht entfallen lassen.
III. Die Schadensersatzpflicht nach § 48 BeamtStG setzt weiter voraus, dass ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Bei Bestimmung des entstandenen Schadens ist von dem Schadensbegriff auszugehen, der auch dem § 249 BGB zugrunde liegt. Danach ist - im Sinne der herkömmlichen Differenzmethode - als Schaden der Unterschied zwischen der Vermögenslage des Bundes - hier des Landes -, wie sie sich infolge der schuldhaften Dienstpflichtverletzung gestaltet hat, und seiner Vermögenslage, wie sie ohne dieses Ereignis bestehen würde, anzusehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.5.1990 - 6 C 40/88 -, juris, Rn. 16, NVwZ 1990, 1171; Urt. v. 27.6.1984 - BVerwG 6 C 60.82 -, juris, BVerwGE 69, 331). Die Beweislast für diese Anspruchsvoraussetzung trägt der Dienstherr (st. Rspr. s. nur BVerwG, Urt. v. 16.7.1998 – 2 C 12/98 –, Rn. 18, juris, m. w. Nachw.).
Das Vorliegen eines Schadens ist hier nicht nachgewiesen.
1. Der Schaden liegt nicht in der Differenz zwischen den tatsächlich ausgezahlten und den Frau G. für eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 25 Unterrichtsstunden tatsächlich zustehenden Bezügen. Frau G. war als Vollzeitlehrkraft eingestellt. Ihr standen darum auch die Bezüge einer Vollzeitlehrkraft zu, unabhängig davon, in welchem zeitlichen Umfang sie tatsächlich tätig war. Ohne die Dienstpflichtverletzung der Klägerin hätte Frau G. mehr gearbeitet, aber keine geringeren Bezüge erhalten.
Frau G. hätte ohne die Pflichtverletzung der Klägerin - trotz ihres geringeren zeitlichen Einsatzes - auch nicht als Teilzeitkraft beschäftigt und dementsprechend geringer besoldet werden können. Denn Frau G. hat nie eine Teilzeitbeschäftigung beantragt. Eine antragslose Teilzeitbeschäftigung gegen den Willen des Lehrers ist aber unzulässig (BVerfGE, Beschl. v. 19.9.2008 - 2 BvF 3/02 -, juris = BVerfGE 119, 247 [BVerfG 19.09.2007 - 2 BvF 3/02]).
2. Die Kammer hält es auch nicht für hinreichend erwiesen, dass ein Schaden dadurch entstanden ist, dass die von Frau G. nichtgeleisteten Stunden durch zusätzlichen Einsatz von Lehrkräften aufgefangen und entsprechend vergütet werden mussten.
Die Beklagte hat zwar aufgrund der gerichtlichen Verfügung vom 30. März 2017 mit Schriftsatz vom 20. April 2017 ausgeführt, dass - zumindest zeitweise - an der von der Klägerin geleiteten Grundschule bzw. an benachbarten Grundschulen, an denen Frau G. ggfs. ergänzend hätte eingesetzt werden können, die von den Lehrkräften zu erbringenden Unterrichtsstunden (Ist-Versorgung) den durch das MK vorgegebenen Planungswert in Höhe von 103% (Soll-Versorgung), der eine Unterrichtsversorgung auch bei kurzfristigen Ausfällen sicherstellen sollte, nicht erreichten, insofern also abstrakt eine unzureichende Unterrichtsversorgung bestand.
Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 20. April 2017 jedoch eingeräumt, mangels verfügbarer Unterlagen keine Angaben dazu machen zu können, ob und in welchem Umfang aufgrund der abstrakt bestehenden Unterrichtsunterversorgung Lehrer neu eingestellt werden mussten bzw. bereits an der Grundschule „D.“ tätige Lehrkräfte zu vergütende Mehrarbeit leisten mussten.
3. Ein ersatzfähiger Schaden kann auch nicht darin gesehen werden, dass die Arbeitskraft von Frau G. aufgrund der Pflichtverletzung der Klägerin teilweise nicht genutzt worden ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die bloße Entziehung der Arbeitskraft noch keinen Vermögensschaden; denn Arbeitskraft und Erwerbsfähigkeit seien Eigenschaften der Person, die, haftungsrechtlich gesehen, in erster Linie mit den Rechtsgütern der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit verbunden sind (BGH, Urt. v. 5.5.1970 - VI ZR 212/68 -, juris; BGH, Urt. v. 29.4.1977 - V ZR 236/74 -, juris, BGHZ 69, 34). Deshalb hat der Bundesgerichtshof - allerdings in Fällen, in denen es um Ansprüche Dritter, und nicht des Arbeitgebers selbst wegen des Ausfalls bzw. der Frustration einer Arbeitsleistung ging - eine Ersatzpflicht nur dann anerkannt, wenn sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitskraft konkret oder sichtbar ausgewirkt haben. Eine abstrakte Berechnung eines Erwerbsschadens oder der vergebliche Einsatz der Arbeitskraft wurden für sich allein betrachtet nicht als Vermögensschäden anerkannt (BGH, Urt. v. 5.5.1970 - VI ZR 212/68 -, juris; BGH, Urt. v. 29.4.1977 - V ZR 236/74 -, juris, BGHZ 69, 34).
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung zwar nicht ausdrücklich angeschlossen, sie aber zitiert und im Ergebnis einen Vermögensschaden durch Entziehung der Arbeitskraft eines Beschäftigten, soweit ersichtlich, nur dann anerkannt, wenn ein Vorgesetzter unerlaubt die Arbeitskraft eines ihm unterstellten Beschäftigten während der Arbeitszeit für private Zwecke in Anspruch genommen hat (BVerwG, Urt. v. 7.5.1990 - 6 C 40/88 -, juris; v, 12,3,1987 - 2 C 43/85 -, DÖD 1987, 181 (182 f.). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht maßgeblich darauf abgestellt, dass der Gesetzgeber selbst durch die Regelung über das Nutzungsentgelt bei erlaubter Inanspruchnahme staatlichen Personals für seine Nebentätigkeit zum Ausdruck gebracht habe, dass er der Arbeitskraft von Beschäftigten, die ein Vorgesetzter für eigene Zwecke in Anspruch nimmt, einen abgeltungsfähigen wirtschaftlichen Wert beigemessen habe (BVerwG, Urt. v. 7.5.1990 - 6 C 40/88 -, juris, Rn. 18; v, 12,3,1987 - 2 C 43/85-, DÖD 1987, 181 [BVerwG 28.08.1986 - BVerwG 2 C 41.83] (182)). Eine entsprechende Regelung fehlt aber im hier zu entscheidenden Fall, in dem die Arbeitskraft des Beamten nicht anderweitig eingesetzt und damit gewissermaßen kommerzialisiert, sondern lediglich nicht abgerufen wird. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich ein Vermögensschaden darum nicht auf Grundlage der genannten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts begründen.
b) Das Bundesverwaltungsgericht hat in den oben genannten Urteilen, offenbar in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, zumindest in Erwägung gezogen, dass der Arbeitskraft eines Beamten ein Vermögenswert dann zukommen kann, wenn die öffentliche Aufgabe - in den entschiedenen Fällen die Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr - durch die Entziehung der Arbeitskraft beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.5.1990 - 6 C 40/88 -, juris, Rn. 16; v, 12,3,1987 - 2 C 43/85 -, DÖD 1987, 181 [BVerwG 28.08.1986 - BVerwG 2 C 41.83] (182)). Auch aufgrunddessen kann hier ein ersatzfähiger Schaden indes nicht begründet werden. Insbesondere lässt sich - entgegen den Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung - ein Schaden nicht daraus ableiten, dass infolge der Pflichtverletzung der Klägerin die auf Landesebene für die Unterrichtsversorgung eingesetzten Haushaltsmittel nicht zur maximal höchsten Unterrichtsversorgung geführt hätten und ein Vermögensschaden insofern in der Differenz zwischen dem durch den Einsatz der Haushaltsmittel höchstmöglichen Grad an Unterrichtsversorgung und der infolge der Minderbeschäftigung Frau G. s tatsächlich nur erreichten Unterrichtsversorgung (Maximalwert abzüglich drei Unterrichtsstunden wöchentlich) liege.
Dies gilt bereits deshalb, weil schon nicht ersichtlich ist, ob die zeitweise abstrakt bestehende Unterrichtsunterversorgung tatsächlich konkret zu einem Unterrichtsausfall geführt hat oder ob dies durch den unentgeltlichen Einsatz der Klägerin selbst - wie die Klägerin vorgetragen hat - oder anderer Lehrkräfte abgewendet werden konnte. Insofern steht schon tatsächlich nicht fest, dass infolge der Pflichtverletzung der Klägerin mit den eingesetzten Haushaltsmitteln der höchstmögliche Grad an Unterrichtsversorgung nicht erreicht werden konnte. Ebensowenig ist deshalb nachgewiesen, dass die öffentliche Aufgabe der Grundschulen durch den Mindereinsatz der Arbeitskraft von Frau G. beeinträchtigt worden wäre. Vor diesem Hintergrund braucht hier nicht entschieden zu werden, ob und ab welchem Grad ein Unterrichtsausfall überhaupt zu einer vermögenswirksamen Beeinträchtigung der öffentlichen Aufgaben der Grundschule führen kann.
4. Allerdings kommt ein durch die Pflichtverletzung der Klägerin verursachter - vermögenswerter - Schaden insoweit in Betracht, als die Beklagte Frau G. im Jahr 2009 für den Zeitraum zwischen dem 1. August 2003 bis 31. Januar 2008 eine Ausgleichszahlung in Höhe von insgesamt 3.655,60 EUR gewährt hat. Dieser Ausgleichszahlung lag die Annahme zugrunde, Frau G. habe in diesem Zeitraum insgesamt 268 Stunden zu viel gearbeitet. Bei der Berechnung dieser Mehrarbeit wurde indes nicht berücksichtigt, dass Frau G. tatsächlich im selben Zeitraum pro Woche drei Unterrichtsstunden zu wenig gehalten hat. Ihr Soll an Unterrichtsstunden belief sich im selben Zeitraum also - bei einer durchschnittlichen Zahl von Unterrichtswochen pro Jahr von 39 - überschlägig auf ca. 526,5 Unterrichtsstunden (39 Unterrichtswochen x 4,5 Jahre x 3 Unterrichtsstunden pro Woche). Wäre dieser Negativwert bekannt gewesen bzw. berücksichtigt worden, hätte die Beklagte keine Ausgleichszahlung an Frau G. geleistet, denn insgesamt hatte Frau G. tatsächlich deutlich zu wenige Unterrichtsstunden gehalten (268 - ca. 526,5 = ca. - 258,5). Die Ausgleichszahlung ist insofern auch kausal auf die Dienstpflichtverletzung der Klägerin zurückzuführen. Hätte die Klägerin Frau G. in korrektem zeitlichen Umfang eingesetzt, hätte das auszugleichende Arbeitszeitkonto von Frau G. auf Grundlage der von Frau G. tatsächlich erteilten Unterrichtsstunden im Jahr 2009 keinen Überschuss von 268 Unterrichtsstunden ausgewiesen.
Die Beklagte hat den Ersatz dieses Schadens jedoch nicht geltend gemacht. Ob die Ausgleichszahlung gleichwohl als ersatzfähiger Schaden im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits zu berücksichtigen ist, kann offenbleiben. Denn dieser Schaden wäre der Klägerin bei der erforderlichen wertenden Betrachtungsweise jedenfalls nicht zurechenbar. Die Beklagte hätte den Schaden beseitigen können, indem sie den Bescheid über die Bewilligung der Ausgleichszahlung an Frau G. gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG aufhebt und den gezahlten Betrag zurückfordert. Indem die Beklagte dies innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG nach Kenntnis nicht getan hat, hat sie eine neue Ursache für den Schadenseintritt gesetzt, die den Verursachungsbeitrag der Klägerin überholt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren ist für notwendig zu erklären, weil eine Vertretung durch ihn im Vorverfahren erforderlich gewesen ist. Es sind nicht einfache Fragen des Beamtenrechts zu prüfen gewesen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.