Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.06.2012, Az.: 12 U 42/12

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Vesäumung der Berufungsbegründungsfrist; Pflicht des Rechtsanwalts zur eigenständigen Kontrolle von Fristen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
05.06.2012
Aktenzeichen
12 U 42/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 36069
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2012:0605.12U42.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 15.03.2012 - AZ: 5 O 814/11
nachfolgend
BGH - 20.12.2012 - AZ: III ZB 47/12

Amtlicher Leitsatz

Wird dem Rechtsanwalt eine Akte zur Fristenkontrolle vorgelegt, ist er zur eigenverantwortlichen Nachprüfung des Fristablaufs und des Aktenvermerks über die Fristennotierung verpflichtet.

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 1. Juni 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts vom 15. März 2012 wird auf seine Kosten verworfen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 15. März 2012 zur Zahlung von 10.000,00 € an die Klägerin verurteilt worden. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 23. März 2012 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 26. März 2012, eingegangen beim Oberlandesgericht am 29. März 2012, legte der Beklagte Berufung gegen das Urteil ein. Am 31. Mai 2012 setzte der Berichterstatter den Prozessbevollmächtigten telefonisch davon in Kenntnis, dass die Frist zur Begründung der Berufung verstrichen sei. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2012 beantragte der Prozessbevollmächtigte, dem Berufungskläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich begründete er die Berufung. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 1. Juni 2012 verwiesen.

2

II.

Der gemäß §§ 233f ZPO zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung ist unbegründet. Der Beklagte war nicht ohne sein Verschulden verhindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Dem Beklagten wird das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO).

3

Zwar trifft den Rechtsanwalt kein Verschulden, wenn er eine im Umgang mit Fristsachen erfahrene und erprobte Bürokraft anweist, eine Rechtsmittelfrist in den Fristenkalender einzutragen, und diese die Frist aufgrund eines erstmaligen Versehens unrichtig oder gar nicht einträgt (BGH MDR 2001, 530 [BGH 23.11.2000 - IX ZB 83/00]). Dennoch ist nach der eidesstattlichen Versicherung seiner Mitarbeiterin von einem Verschulden des Rechtsanwalts auszugehen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die - nach eigenem Vorbringen - unterlassene Anweisung des Prozessbevollmächtigten an sein Büropersonal, eine Vorfrist zur Berufungsbegründung einzutragen, als Ursache für die Fristversäumung in Frage kommt und womöglich davon auszugehen ist, dass in seinem Büro Vorfristen nicht vermerkt werden (vgl. BGH NJW 2000, 365 [BGH 05.10.1999 - VI ZB 22/99]; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. § 233 Rn. 23 "Büropersonal und -organisation). Es kann auch dahingestellt bleiben, dass von einem Anwalt grundsätzlich nicht verlangt werden kann, den Fristablauf oder die Erledigung von Fristnotierungen stets auch dann selbst zu prüfen, wenn ihm eine Sache ohne Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird oder ohne dass Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die zur Fristwahrung getroffenen Maßnahmen könnten versagt haben (BGH MDR 2008, 331; Zöller/Greger aaO.; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl. § 233 Rn. 60 (im Erscheinen)). Im vorliegenden Fall ist die Akte ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin O....... dem Rechtsanwalt Anfang Mai wieder vorgelegt worden. Die Wiedervorlage diente "dazu, zu überprüfen, ob Fristen eingehalten worden sind." Wird dem Rechtsanwalt aber eine Akte zur Fristenkontrolle vorgelegt, ist er zur eigenverantwortlichen Nachprüfung des Fristablaufs und des Aktenvermerks über die Fristnotierung verpflichtet. Gegen diese Pflicht hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten verstoßen. Er durfte sich nach der Aktenvorlage auch nicht mehr darauf verlassen, dass ihn sein Personal rechtzeitig an den Fristablauf erinnert.

4

Die Kostenentscheidung des Wiedereinsetzungsverfahrens folgt aus § 238 Abs. 4 ZPO.

5

III.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Urteils begründet worden ist (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Berufung gegen das am 23. März 2012 zugestellte Urteil wurde mit Schriftsatz vom 1. Juni 2012, eingegangen am 4. Juni 2012, begründet. Ob die Berufung überhaupt Erfolg gehabt hätte, kann nach alledem dahingestellt bleiben.

6

Die Kostenentscheidung des Berufungsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.