Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 20.06.2012, Az.: 3 U 97/11
Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs eines Anwartschaftsrechts bei polizeilicher Beschlagnahme
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.06.2012
- Aktenzeichen
- 3 U 97/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 18464
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2012:0620.3U97.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 14.11.2011
Rechtsgrundlagen
- § 158 Abs. 1 BGB
- § 449 Abs. 1 BGB
- § 931 BGB
- § 934 Alt. 2 BGB
Amtlicher Leitsatz
Der gutgläubige Erwerb eines Anwartschaftsrechts entsprechend § 934 2. Alt. BGB kann auch in der Weise erfolgen, dass die dem äußeren Anschein nach im Gewahrsam des Dritten befindliche Sache nach Abtretung des Herausgabeanspruchs an den Erwerber und Erlangung eines entsprechenden Titels durch diesen (hier: Versäumnisurteil) polizeilich beschlagnahmt und sodann von der Polizei an den Erwerber ausgehändigt wird.
Tenor:
Auf die Berufungen des Beklagten und seiner Streithelferin wird das am 14. November 2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn die Gegenseite vor Beginn der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin hat ursprünglich Herausgabe einer Mahlanlage und hilfsweise Schadensersatz wegen der angeblich unberechtigten bzw. zum Schein vorgenommenen Veräußerung dieser Maschine durch den Beklagten an einen Herrn B... verlangt. Im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben die Parteien den Hauptantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese trat zunächst unter dem Namen F... GbR auf. Gesellschafter waren und sind u. a. die Ehefrau des Zeugen K... F... sowie der Zeuge H... J... . Im Januar 2009 erhielt die GbR ihren jetzigen Namen. Beide Parteien betreiben ein Lohnunternehmen. Nach dem Wortlaut der Klageschrift wurde die GbR am 1. Mai 2007 gegründet.
Hersteller der Mahlanlage ist die Firma B... S... Nachfolger in D... . Die Streithelferin des Beklagten finanzierte den Kauf dieser neu hergestellten Anlage im Oktober 2003 durch den Zeugen und Lohnunternehmer F... zu einem Kaufpreis von 123.000,- Euro durch ein Darlehen (Gesamtdarlehensbetrag: 146.100,- Euro). Dabei erwarb die Streithelferin zunächst selbst das Eigentum von der Firma S... und wurde sodann Sicherungseigentümerin der an F... ausgelieferten Anlage. Da F... mit der Darlehensrückzahlung in Rückstand geriet, kündigte die Streithelferin den Darlehensvertrag im November 2006. Die Mahlanlage verblieb (jedenfalls) zunächst bei dem Zeugen F... .
Am 20. Juni 2007 schloss der Beklagte mit der Streithelferin einen Vertrag über den Kauf der Anlage zu einem Preis von 37.468,29 Euro. Zugleich wurde der Kaufpreis kreditiert und ein Eigentumsvorbehalt vereinbart. In dem Vertrag wurde ferner die Abtretung des Herausgabeanspruchs der Streithelferin gegenüber F... als dem (vermeintlichen) Besitzer der Anlage festgelegt. Zuvor, am 20. Februar 2007, hatte der Beklagte die Mahlanlage an den Zeugen F... vermietet. Diesen Mietvertrag kündigte der Beklagte wegen Zahlungsverzugs mit Schreiben vom 12. Februar 2008 und verlangte zugleich die Herausgabe der Anlage.
In den Besitz der Anlage gelangte der Beklagte erst, nachdem er in dem Rechtsstreit 4 O 1481/08 vor dem Landgericht Oldenburg am 16. September 2008 ein vorläufig vollstreckbares Versäumnisurteil gegen den Zeugen F... auf Herausgabe der Anlage erstritten und diese am 11. Oktober 2008 von der nordrhein-westfälischen Polizei beschlagnahmt und sodann am 16. Oktober 2008 an ihn ausgehändigt worden war.
Die Mahlanlage befand sich wenigstens ab Mai 2007 bis zu ihrer Beschlagnahme durch die Polizei (wieder) auf dem Gelände des Zeugen F..., wenn sie nicht gerade im Einsatz war. Im Zeitpunkt ihrer Beschlagnahme durch die Polizei war sie an einen Schlepper angehängt, der von einem Herrn R... auf einer öffentlichen Straße gefahren wurde.
Die vollständige Zahlung des von dem Beklagten geschuldeten Kaufpreises an seine Streithelferin erfolgte erst am 1. April 2010.
Zwischenzeitlich hatte die Klägerin durch Vertrag vom 21. Dezember 2007 die Mahlanlage zur Sicherheit an die V... ... eG übereignet. Die V... hat die Klägerin zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt.
Der Zeuge F... gab im April 2009 die eidesstattliche Versicherung ab. In einem Strafverfahren wurde F... wegen u. a. veruntreuender Unterschlagung durch das Amtsgericht P... zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Anlage von dem Zeugen H... .J... erworben, wie ausgeführt einer ihrer Gesellschafter. Verkauf und Übergabe an die Klägerin zu einem Preis von 80.000,- Euro seien am 15. Februar 2007 erfolgt. Zuvor, am 18. Januar 2007, habe der Zeuge F... die Anlage an den Zeugen J... - ebenfalls zu einem Kaufpreis von 80.000,- Euro - veräußert. Dabei sei ein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden. Der gegenüber F... geschuldete Kaufpreis sei letztlich im April 2007 vollständig, zum Teil durch Verrechnung, beglichen worden. Der Zeuge J... sei genauso wie die übrigen Gesellschafter der Klägerin hinsichtlich des Eigentums des Zeugen F... an der Anlage gutgläubig gewesen. Die Anlage habe sich nach der behaupteten Veräußerung an J... ab Mitte Januar 2007 vorübergehend bei diesem befunden. Die Klägerin habe sodann mit dem Zeugen F... einen Mietvertrag über eine Halle auf dessen Gelände mit Wirkung ab Mai 2007 geschlossen, um die Anlage dort abstellen zu können.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte bei der Veräußerung der Anlage an den Zeugen B... als Nichtberechtigter gehandelt habe. Im Übrigen sei dieses Rechtsgeschäft auch nur zum Schein vorgenommen worden. Sie bzw. die V... könne die Zahlung des (gemäß streitiger Behauptung des Beklagten) seitens des Beklagten von B... erlangten Kaufpreises verlangen.
Die Klägerin hat nach übereinstimmender Erledigungserklärung des vormaligen Hauptantrages beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 35.000,- Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2009 zu zahlen.
Der Beklagte und ihre Streithelferin haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben bestritten, dass die Veräußerungen der Mahlanlage von dem Zeugen F... an H... J... und von J... an die Klägerinüberhaupt stattgefunden haben. Tatsächlich stecke der "Straftäter" F. hinter allen Vorgängen, die ausschließlich den Zweck gehabt hätten, mit Wissen der übrigen Beteiligten seine Gläubiger zu benachteiligen. Die Maschine habe sich in Wirklichkeit bis zur Sicherstellung durch die Polizei durchgehend im Besitz von F... befunden. Am 17. Oktober 2008 habe der Beklagte die Anlage an den Zeugen B... zum Preis von 35.000,- Euro veräußert.
Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung der Zeugen F..., J... und B... stattgegeben. Ein gutgläubiger Erwerb durch die Klägerin sei ebenso bewiesen wie eine unberechtigte Veräußerung der Anlage von den Beklagten an B...
Dagegen richten sich die Berufungen des Beklagten und seiner Streithelferin.
Sie wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und monieren insbesondere, dass das Landgericht einen weiteren von ihnen benannten Zeugen nicht vernommen habe. Im Übrigen setze sich die Beweiswürdigung der Kammer mit wesentlichen Gesichtspunkten des Sachverhalts nicht auseinander. Der Zeuge J... sei ebenso wie die Klägerin bösgläubig gewesen.
Sie beantragen,
die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Die Berufungen haben Erfolg.
Die Klage ist nicht begründet.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist nicht schlüssig dargelegt. Die von dem Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme war nicht erforderlich.
1.) Ein Anspruch auf Zahlung des Veräußerungserlöses gemäß § 816 Abs. 1 BGB steht der Klägerin bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht zu. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor.
Der Beklagte hat bei der Veräußerung an Herrn B... am 17. Oktober 2008 entgegen der Annahme des Landgerichts als Berechtigter gehandelt.
a) Er war Inhaber eines Anwartschaftsrechts, das er zuvor von der Streithelferin als ein dem Eigentum wesensgleiches "Minus" gutgläubig nach§§ 931, 934 Alternative 2 BGB erworben hatte (vgl. zum gutgläubigen (Erst)Erwerb des Anwartschaftsrechts entsprechend den Vorschriften zum Eigentumserwerb: BGHZ 30, 374, 380, Juris Rn. 10 sowie BGHZ 117, 200; 75, 221; 28,16; 30, 374; 20, 88; Bassenge, in: Palandt, 71. Aufl.,§ 929 Rn. 45 ff. m. w. N.; Oechsler, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., § 929 Rn. 19 m. w. N.).
Unterstellt man entsprechend dem Vorbringen der Klägerin, dass der Zeuge J... zunächst gutgläubig Eigentum von dem Zeugen F... erworben hatte, wäre die Streithelferin im Zeitpunkt der Veräußerung der Mahlanlage unter Eigentumsvorbehalt an den Beklagten nicht mehr Sicherungseigentümerin gewesen, so dass nur noch ein gutgläubiger Erwerb des Anwartschaftsrechts durch die erfolgte Abtretung des Herausgabeanspruchs der Streithelferin gegen den Zeugen F... gemäß § 934 Alternative 2 BGB möglich war. Diese Bestimmung erfordert ausweislich ihres Wortlauts Besitzerwerb durch den Erwerber "von dem Dritten" und guten Glauben im Sinne von § 932 Abs. 2 BGB im Zeitpunkt des Besitzerwerbs.
Tatsächlich hat der Beklagte nach der Beschlagnahme der Mahlanlage bei dem Zeugen F..., dem "Dritten" im Sinne der Bestimmung, den unmittelbaren Besitz an der Maschine gemäß § 854 Abs. 1 BGB durch Aushändigung von Seiten der Polizei erlangt. Dass der Beklagte zu dieser Zeit gutgläubig war, weil er von dem unlauteren Verhalten des Zeugen F... keine Kenntnis hatte und auch nicht haben konnte, steht außer Streit. Für den guten Glauben im Sinne von §§ 932, 934 BGB kommt es auch beim Anwartschaftsrechtserwerb nur auf den Zeitpunkt des Besitzerwerbs, nicht auf den späteren Bedingungseintritt - hier mit Kaufpreiszahlung an die Streithelferin am 1. April 2010 - an (vgl. BGHZ 30, 374, 380; Oechsler, aaO.; Flume, AcP 161 (1962), 385, 392).
b) Entscheidend ist damit allein die Frage, ob die polizeiliche Beschlagnahme am 11. Oktober 2008 und die Aushändigung der Anlage an den Beklagten am 16. Oktober 2008 einem Erwerb "von dem Dritten" gleichstehen. Das ist zu bejahen. Insoweit kann nichts anderes als im Fall des § 933 BGB für den Besitzerwerb von dem Veräußerer gelten, wonach die Wegnahme der Sache aufgrund eines Titels der Herausgabe entspricht (dazu Bassenge, in: Palandt, 71. Aufl., § 933 Rn. 4 m. w. N.).
aa) Der Kläger hatte zu dem Zeitpunkt der Beschlagnahme der Mahlanlage bereits einen Herausgabetitel gegen den Zeugen F... in dem Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen 4 O 1481/08 vor dem Landgericht Oldenburg erwirkt. Dieses (erste) Versäumnisurteil war zwar noch nicht rechtskräftig, aber ausweislich seines Wortlauts vorläufig vollstreckbar. Die Anordnung der Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung nach Einspruchseinlegung erfolgte (erst) unter dem 22. Oktober 2008. Zu diesem Zeitpunkt war die Anlage bereits an den Beklagten herausgegeben worden. Zudem ist - soweit ersichtlich - eine Sicherheitsleistung nie erfolgt.
bb) Die polizeiliche Beschlagnahme findet ihre Rechtfertigung in §§ 1 Abs. 2, 43 Nr. 1, 2 PolG NW. Es bestand die gegenwärtige Gefahr, dass die Vollstreckung des - von dem Begriff der öffentlichen Sicherheit umfassten - privatrechtlichen, in dem Titel verkörperten Anspruchs künftig durch "Beiseiteschaffen" der Anlage ins Leere laufen könnte. Diese Gefahr war ausweislich des als Anlage B 5 zu den Akten gereichten Vermerks des Kriminalhauptkommissars W... vom 12. Oktober 2008 auch nicht anders als durch ein Einschreiten der Polizei abwendbar, da der Gerichtsvollzieher als zuständiges Vollstreckungsorgan zu dem fraglichen Zeitpunkt, einem Sonntag, nicht erreichbar war.
cc) Für die sachenrechtliche Würdigung ist sodann entscheidend, dass sich die spätere Aushändigung der Anlage durch die Polizei an den Beklagten, der von den Veräußerungsgeschäften zwischen F..., J..., der Klägerin und der V... eben gerade keine Kenntnis hatte und annehmen musste, F... sei weiterhin Besitzer der Anlage, aus seiner Sicht als erfolgreiche Durchsetzung seines Herausgabetitels gegen F... darstellte.
dd) Ob die Herausgabe der Mahlanlage nach § 46 PolG NW an den Beklagten polizeirechtlich zulässig war oder nicht, ist sachenrechtlich ohne Bedeutung, da jedenfalls keine Nichtigkeit dieses Verwaltungsakts anzunehmen ist. Eine etwaige (bloße) Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme ist für die zivilrechtliche Beurteilung insoweit unerheblich (vgl. OLGR Brandenburg 2004, 89; Bassenge, aaO., § 935 Rn. 6 m. w. N.).
Die Voraussetzungen unter denen ein Verwaltungsakt nichtig ist, ergeben sich aus § 44 VwVfG. Da einer der Fälle des § 44 Abs. 2 VwVfG nicht vorliegt, kommt es darauf an, ob ein besonders schwerwiegender Fehler vorliegt und dies bei verständiger Würdigung aller Umstände zudem offensichtlich ist (§ 44 Abs. 1 VwVfG). Das ist nicht der Fall.
Denn die zivilprozessuale Zwangsvollstreckung einschließlich der Herausgabe an den Beklagten hätte hypothetisch wirksam durch den an sich zuständigen Gerichtsvollzieher gemäß § 883 Abs. 1 ZPO anstelle der Polizei vorgenommen werden können. Voraussetzung für die Herausgabevollstreckung ist neben dem Vorliegen eines entsprechenden Titels - hier des Versäumnisurteils - vor allem der Gewahrsam des Herausgabeschuldners an der Sache (vgl. Stöber, in: Zöller, 29. Aufl., § 883, Rn. 8). Maßgeblich für die Frage des Vorliegens des Schuldnergewahrsams ist dabei für das Vollstreckungsorgan nur eine "Prüfung auf erste Sicht". Zu unterbleiben hat die Zwangsvollstreckung nur, wenn ein Gegenstand nach summarischer Prüfung offensichtlich zum Vermögen eines Dritten gehört (vgl. BGHZ 95,10; NJW 1957, 1877 [BGH 26.09.1957 - III ZR 67/56]; Gaul, Rpfleger 1971, 91; Stöber, aaO., § 808 Rn. 3 ff.; siehe auch § 119 Nr. 2 GVGA).
Gemäß dem danach anzulegenden Maßstab hätte sich die Anlage aus Sicht des zuständigen Gerichtsvollziehers im Gewahrsam des Zeugen F... befunden. Im Gewahrsam des Schuldners befinden sich alle Sachen, die in äußerlich erkennbarer Weise seinem Machtbereich unterliegen, durch den sie nach der Verkehrsauffassung als sein Vermögen ausgewiesen sind (Stöber, ebenda, § 808 Rn. 5 m. w. N.). Die im Moment der Beschlagnahme im öffentlichen Verkehr mittels eines Schleppers gefahrene Anlage war ansonsten - unstreitig - auf dem Grundstück des Zeugen F... abgestellt. Dieser Umstand allein hätte bereits genügt, um die Maschine nach dem äußeren Anschein dem Vermögen des F... zuzuordnen.
Das gilt umso mehr, als der Fahrer R... in dem Polizeivermerk als Mitarbeiter des Zeugen F... bezeichnet wird. Herr R... erschien damit zivilrechtlich als Besitzdiener des F... im Sinne von § 855 BGB. In einem solchen Fall ist der Schuldner vollstreckungsrechtlich als Gewahrsamsinhaber anzusehen (vgl. Stöber, ebenda, Rn. 8; § 118 Nr. 3 GVGA). Darauf, dass Herr R. nach dem Vorbringen der Klägerin tatsächlich ihr Mitarbeiter gewesen sein soll, kommt es nicht an. Entscheidend ist - wie ausgeführt - allein die "erste Sicht". Die Klägerin ist zu keinem Zeitpunkt des Rechtsstreits der Richtigkeit der auch von dem Beklagten hervorgehobenen diesbezüglichen Feststellung in dem Vermerk entgegengetreten, wonach R... gegenüber der Polizei den Eindruck erweckte, Mitarbeiter des F... zu sein.
Selbst wenn ein Gerichtsvollzieher aber richtigerweise im Ergebnis einen Gewahrsam des Zeugen F... hätte verneinen müssen, wäre eine durch ihn erfolgte Herausgabevollstreckung wirksam gewesen. Verfahrenswidrige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind nur bei schwerer und offenkundiger Fehlerhaftigkeit nichtig (BGHZ 121, 98; Stöber, ebenda, vor§ 704 Rn. 34). Das wäre bei einer unzutreffenden Annahme des Schuldnergewahrsams unter Berücksichtigung der genannten Umstände nicht der Fall gewesen.
ee) Im Übrigen war die Aushändigung der Anlage an den Beklagten aber nach Auffassung des Senats auch nach dem Polizeirecht des Landes Nordrhein-Westfalen rechtmäßig (und nicht nur nicht nichtig). Nach§ 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NW sind beschlagnahmte Sachen an diejenige Person herauszugeben, bei der sie sichergestellt worden sind. Ist die Herausgabe an diese Person nicht möglich, können die Sachen an eine andere Person herausgegeben werden, wenn diese ihre Berechtigung glaubhaft macht.
Die Polizei ging bei der Beschlagnahme der Anlage von einem Gewahrsam des F... aus, so dass die Sicherstellung "bei" ihm oder jedenfalls "bei" dem Fahrer R... und nicht bei der Klägerin erfolgte. Eine Herausgabe an F... bzw. R... konnte jedoch nicht erfolgen, weil diese auch nach Darstellung der Klägerin keine Berechtigung an der Maschine hatten. Dagegen hat der Beklagte mit der Vorlage des vollstreckbaren Versäumnisurteils seine Berechtigung gegenüber der Polizei glaubhaft gemacht, so dass die Mahlanlage - auch - polizeirechtlich an ihn ausgehändigt werden durfte.
ff) Aus den vorgenannten Ausführungen folgt zugleich, dass die Anlage der Klägerin nicht im Sinne von § 935 Abs. 1 BGB abhandengekommen ist. Wegnahme aufgrund wirksamen (d. h. nicht nichtigen, s. o.) Hoheitsakts begründet kein Abhandenkommen (vgl. OLG Brandenburg, aaO.; Bassenge, ebenda).
c) Das somit erworbene Anwartschaftsrecht konnte der Beklagte am 17. Oktober 2008 als insoweit Berechtigter entsprechend §§ 929 ff. BGB wirksam an den Zeugen B... übertragen. Mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises an die Streithelferin am 1. April 2010, dem Bedingungseintritt gemäß § 158 Abs. 1 BGB, ist das Anwartschaftsrecht sodann zum Vollrecht "erstarkt" und der Zeuge B... ist Eigentümer der Mahlanlage geworden (vgl. zu den Rechtsfolgen des Bedingungseintritts nach Anwartschaftserwerb nur BGHZ 30, 374, 380, Juris Rn. 10, m. w. N.).
Auszugehen ist von der insoweit zutreffenden Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach diese Veräußerung kein Scheingeschäft war. Es kommt auf diesen Punkt aber nicht einmal an, so dass die Beweisaufnahme auch insoweit im Ergebnis nicht geboten war. Sollte doch ein Scheingeschäft zwischen dem Beklagten und dem Zeugen B... vorgelegen haben, wäre der Beklagte selbst mit der vollständigen Kaufpreiszahlung an seine Streithelferin Eigentümer geworden und bis heute geblieben.
d) Die zeitlich vor der Begründung des Anwartschaftsrechts an der Anlage erfolgte Sicherungsübereignung der Mahlanlage durch die Klägerin an die V... eG am 21. Dezember 2007 hat auf die Entstehung des Anwartschaftsrechts keinen Einfluss. Die Sicherungsübereignung gemäß §§ 929, 930 BGB war allerdings wirksam. Geht man von dem Vorbringen der Klägerin aus, war sie zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts Eigentümerin der Anlage und auch Eigenbesitzerin. Mit der Sicherungsabrede wurde ein Besitzmittlungsverhältnis zu der V... begründet, so dass diese zunächst Eigentümerin geworden ist. Dieser Umstand steht jedoch dem erst später - am 16. Oktober 2008 - erfolgten gutgläubigen Erwerb des Anwartschaftsrechts durch den Beklagten von seiner Streithelferin und dem letztendlichen Eigentumserwerb durch den Zeugen B... bzw. den Beklagten selbst nicht entgegen. Vielmehr verlor die V... mit diesem Vorgang ihr Eigentum wieder.
2.) Alle weiteren denkbaren Ansprüche, insbesondere aber solche nach den Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gemäß §§ 989 ff. BGB, scheitern jedenfalls an der Gutgläubigkeit bei Besitzerwerb bzw. dem fehlenden Verschulden des Beklagten.
Nach richtiger Ansicht gibt das Anwartschaftsrecht auch ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB, so dass es im Zeitpunkt des Besitzerwerbs durch den Beklagten schon an einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis fehlte (vgl. Bassenge, aaO., Rn. 41). Folgt man der in einer älteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs geäußerten Gegenauffassung, ergibt sich nichts anderes. Denn dann stünde einem Herausgabe- und damit im Ergebnis auch einem Schadensersatzanspruch zumindest der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen, da der bisherige Eigentümer die Sache später - nach Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht - ohnehin wieder hätte herausgeben müssen ("dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" (Arglisteinrede, vgl. BGHZ 10, 69)).
3.) Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 91a, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4.) Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die zugrundeliegenden Rechtsfragen sind seit langem höchstrichterlich geklärt bzw. unumstritten. Was den Besitzerwerb durch den Beklagten im Anschluss an die polizeiliche Beschlagnahme angeht, handelt es sich um die Subsumtion eines Einzelfalles unter die sachenrechtlichen Bestimmungen, die keine grundsätzliche Bedeutung über den vorliegenden Fall hinaus hat. In der diesbezüglichen Rechtsauffassung des Senats liegt auch keine Abweichung von der Rechtsprechung anderer Gerichte.