Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 06.04.2000, Az.: 4 A 4313/98

Desertion; Syrien; Wehrdienstentziehung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.04.2000
Aktenzeichen
4 A 4313/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41893
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Gefahr politischer Verfolgung bei Wehrdienstverweigerung oder Desertion.

Gründe

1

Aus den Gründen:

2

Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 51 AuslG nicht zu. Das Gericht hat sich aufgrund seiner Angaben gegenüber dem Bundesamt sowie im gerichtlichen Verfahren auch mit Rücksicht auf den Inhalt der zum Gegenstand des Verwaltungsstreits gemachten Erkenntnismittel nicht die Überzeugung verschaffen können, dass er vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist ist oder bei seiner Rückkehr politische Verfolgung zu befürchten hätte.

3

Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger tatsächlich vom Militärdienst desertiert ist, da ihm selbst wegen einer möglicherweise begangenen Wehrdienstentziehung bei einer Rückkehr nach Syrien keine politische Verfolgung droht. Selbst wenn er deswegen bei einer Rückkehr nach Syrien bestraft werden würde, stellt dieses keine politische Verfolgung dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen Bestrafungen wegen Kriegsdienstverweigerung, selbst wenn sie von weltanschaulich totalitären Staaten ausgehen, nicht schon für sich allein eine politische Verfolgung dar. In eine politische Verfolgung schlagen derartige Maßnahmen erst dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt werden, die durch die Maßnahmen gerade wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmales getroffen werden sollen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.01.1989, EZAR 201, Nr. 18). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die syrische Regierung das Wehrstrafrecht als Instrument des politischen Kampfes in der Auseinandersetzung mit tatsächlichen oder vermuteten Gegners verwendet. So führt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 18.01.1993 an das VG Ansbach aus, dass keine Strafverschärfung, z. B. wegen der christlichen Glaubenszugehörigkeit, bei Deserteuren und Wehrdienstentziehern zu befürchten sein. Auch die sonstigen Gutachter, insbesondere das Deutsche Orient-Institut und amnesty international haben keine derartigen Erkenntnisse vorliegen. Vielmehr wird übereinstimmend ausgeführt, dass bei Verwirklichung des Tatbestandes der Wehrdienstentziehung mit einer Gefängnisstrafe zwischen einem und sechs Monaten und ergänzend mit einer Verlängerung des Wehrdienstes bis zu seiner Verdoppelung zu rechnen ist (z. B. AA vom 18.10.1996 an das VG Braunschweig; Deutsches Orient-Institut, Auskunft vom 14.04.1993 an das VG Schleswig und vom 29.02.1996 an das VG Stuttgart; Perthes, Auskunft vom 07.03.1993 an das VG Schleswig; amnesty international, Auskünfte vom 29.03.1990 an das VG Karlsruhe und vom 02.09.1993 an das VG Schleswig). Bereits aufgrund dieser Strafhöhe ist erkennbar, dass mit dieser Bestrafung keine politischen Ziele verfolgt werden. Im Übrigen ist unter Berücksichtigung des Vortrages des Klägers, aus dem sich eine politische Betätigung weder in Syrien noch exilpolitisch in der Bundesrepublik Deutschland ergibt, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass er deswegen mit einer höheren Strafe i. S. eines "Politmalus" zu rechnen hätte. Es besteht für den Kläger somit allenfalls die Gefahr, bei einer Einreise nach Syrien wegen Wehrdienstentziehung sofort verhaftet zu werden und zur Ableistung seines Wehrdienstes an die zuständige Einheit weitergeleitet zu werden, wo ihm ggf. eine kurzfristige Bestrafung im o. g. Umfang droht. Diese Sanktionen haben jedoch keine asylrelevante Bedeutung.