Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 14.06.2006, Az.: L 3 KA 47/05
Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Regressen wegen unwirtschaftlicher Arzneimittel-Verordnungsweise; Gerichtliche Überprüfbarkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V); Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise auf Grund einer vorangehenden rechtskräftigen Entscheidung; Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gebildeten Vergleichsgruppe; Möglichkeit der erhöhten Inanspruchnahme einer Gemeinschaftspraxis auf Grund einer Zusatzbezeichnung bzw. Schwerpunktbezeichnung (hier: "Unfallchirurgie"); Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten bei der Verordnung von Arzneimitteln; Beachtung des erhöhten Bedarfs an intensiver medikamentöser Nachbehandlung bei unfallchirurgischen Patienten im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichekeit der Verordnung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 14.06.2006
- Aktenzeichen
- L 3 KA 47/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 17818
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0614.L3KA47.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 18.09.2002 - AZ: S 10 KA 869/00
- nachfolgend
- BSG - 27.06.2007 - AZ: B 6 KA 27/06 R
Rechtsgrundlagen
- § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB V
- § 44 Abs. 2 SGB X
- § 141 Abs. 1 SGG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung wird durch eine arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten geprüft. Bei Abweichungen mit der Vergleichsgruppe wird im einzelnen geprüft, ob kostenerhöhende Besonderheiten bei der geprüften Praxis vorliegen.
- 2.
Ein Bescheidungsurteil erwächst in Rechtskraft, soweit der jeweilige Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet worden ist und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts beachten muss. Ist eine entsprechende Neubescheidung erfolgt, kann gegen die Feststellungen in dem Bescheidungsurteil keine neue Klage angestrengt werden.
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. September 2002 wird geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 7. August 2000 wird aufgehoben, soweit er das Quartal IV/1994 betrifft. Insoweit wird der Beklagte verpflichtet, erneut über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 3. Juni 1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat 4/5 der Kosten des Beklagten aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Der Beklagte hat 1/5 der Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Regressen wegen unwirtschaftlicher Arzneimittel-Verordnungsweise.
Die Klägerin betreibt eine chirurgische Gemeinschaftspraxis, deren Mitglieder 1994 die Ärztinnen für Chirurgie Dr. E. und Dr. F. waren. Dr. G. führte 1994 die Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" und war als Durchgangsärztin tätig; Dr. H. führte die Schwerpunktbezeichnung "Unfallchirurgie" und die Zusatzbezeichnung "Chiropraktik". Später erwarben beide Ärztinnen noch die Zusatzbezeichnung "Phlebologie", Dr. H. außerdem die Zusatzbezeichnungen "Schmerztherapie" und "Sportmedizin".
Der Gemeinsame Prüfungsausschuss Primärkassen und Ersatzkassen setzte nach einer Prüfung der Verordnungsweise im Quartal I/94 im Bereich der Ersatzkassenpatienten mit Bescheid vom 9. Mai 1995 gegen die Klägerin einen Arzneikostenregress in Höhe von 19.045,20 DM fest. Zur Begründung führte er aus, dass die Ärztinnen den gewichteten Fachgruppendurchschnitt der Fachärzte für Chirurgie in Niedersachsen um 197,11 % überschritten. Als Praxisbesonderheit wurden Krampfaderoperationen und der damit einhergehende Verbrauch von blutverdünnenden und abschwellenden sowie schmerzstillenden Medikamenten anerkannt; dieser werde mit einer verbliebenen Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts von 100 % Rechnung getragen. Im Hinblick auf die Verordnungsweise im Bereich der Ersatzkassen setzte der Prüfungsausschuss mit im Wesentlichen gleich lautender Begründung für das Quartal II/94 einen Arzneikostenregress von 16.557,09 DM fest. In dem entsprechenden Bescheid vom 23. August 1995 wurde eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts von 186,53 % festgestellt. Für das Quartal III/94 betrug der mit Bescheid vom 27. Dezember 1995 festgesetzte Regress 4.121,60 DM bei einer Überschreitung des gewichteten Fachgruppendurchschnitts der Fachärzte für Chirurgie um 127,28 %. Schließlich wurde mit Bescheid vom 3. Juni 1996 ein Regress von 4.578,24 DM für das Quartal IV/94 festgesetzt, für das eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts von 127,66 % festgestellt worden war.
Hiergegen legten die Ärztinnen jeweils Widerspruch ein, zu deren Begründung sie sich im Wesentlichen auf das Vorliegen verschiedener Praxisbesonderheiten beriefen. Als solche seien ihre chiropraktische Tätigkeit zu berücksichtigen, die im Rahmen ihrer Tagesklinik durchgeführten Infusionsbehandlungen, ihre phlebologische Tätigkeit, die Behandlung von Polyneuropathie-Patienten mit Alpha-Lipon-Säure, ein erhöhter Anteil von Frauen mit daraus resultierender Häufigkeit von Osteoporose-Behandlungen und eine Vielzahl von ambulanten Operationen.
Der Prüfungsausschuss half den Widersprüchen (mit Bescheid vom 11. Juni 1996) insoweit ab, als der Regress für das 1. Quartal 1994 auf 2.942,24 DM und der für das Quartal II/94 auf 11.843,58 DM reduziert wurde. Grundlage hierfür waren Differenzen zwischen den Verordnungsstatistiken der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses und der Ersatzkassen. Der Prüfungsausschuss legte seinem Bescheid die für die Klägerin günstigeren Zahlen seiner Geschäftsstelle zu Grunde, die für das Quartal I/94 Arzneikosten in Höhe von 40.477,75 DM bei 1.136 Behandlungsfällen und damit einen Fallwert von 35,63 DM ergaben, der 115,68 % über dem gewichteten Fachgruppendurchschnitt von 16,52 DM lag. Für das Quartal II/94 errechnete er Kosten von 45,137,93 DM bei 1.038 Behandlungsfällen und damit einen Fallwert von 43,49 DM, der den gewichteten Fachgruppendurchschnitt von 16,04 DM um 171,13 % überschritt. Im Übrigen wurden die Widersprüche für die Quartale I-III/94 mit Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 1997 zurückgewiesen, wobei der Widerspruch für das Quartal IV/94 zunächst unbeschieden blieb. Auch der Beklagte erkannte Krampfaderoperationen und den damit einhergehenden Verbrauch von blutverdünnenden und abschwellenden sowie schmerzstillenden Medikamenten als Praxisbesonderheit an und beließ den Ärztinnen eine Restüberschreitung von 100 %.
Hiergegen erhoben die Ärztinnen Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover (Az: S 10 KA 103/97), das den Bescheid mit Urteil vom 26. Januar 2000 aufhob und den Beklagten verurteilte, über den Widerspruch erneut zu entscheiden. Der Bescheid halte einer gerichtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand. In die Feststellung der Arzneimittelverordnungen seien unzulässigerweise auch Hilfsmittel eingeflossen, so dass eine neue Feststellung auf der ausschließlichen Grundlage der Arzneiverordnungen notwendig sei. Fehlerhaft sei auch die Würdigung der Praxisbesonderheit der Tagesklinik und der dort durchgeführten ambulanten Operationen; es hätte insoweit einer genauen Darlegung der Auswirkungen auf die Fallkosten bedurft, wobei alle in diesem Zusammenhang entstandenen und nicht nur die für Krampfaderoperationen anfallenden Arzneikosten hätten berücksichtigt werden müssen. Nicht nachvollziehbar seien die als Praxisbesonderheit geltend gemachte vermehrte Besuchstätigkeit und der angebliche Schwerpunkt an älteren, multimorbiden, insbesondere an Osteoporose erkrankten Patientinnen. Die Zusatzbezeichnung "Chirotherapie" könne den Anteil an Patienten mit Bandscheibenvorfall zwar gegenüber einer ausschließlich chirurgischen Klinik nachvollziehbar erhöhen, die dadurch vermehrten Infusionstherapien fielen jedoch in den Bereich der Sprechstundenbedarfsanforderung. Einen kausalen Zusammenhang zwischen den Arzneimittelüberschreitungen und Minderaufwendungen im Bereich der Krankenhauseinweisungen bzw. der Arbeitsunfähigkeitsfälle hätten die Ärztinnen nicht aufzeigen können. Da ihnen Restüberschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses belassen worden seien, habe der Beklagte auch weder den Apothekenrabatt und die Patientenzuzahlungen berücksichtigen noch eine Schätzung des Betrags der unwirtschaftlichen Kosten durchführen müssen. Gegen dieses Urteil wurde Berufung nicht eingelegt.
Mit dem hierauf ergangenen Bescheid vom 7. August 2000 bestätigte der Beklagte die Festsetzung der Regresse für das 1. und das 2. Quartal 1994 und reduzierte den Regress für das Quartal III/94 auf 2.607,94 DM. Außerdem wurde nunmehr der Regress für das 4. Vierteljahr 1994 bestätigt und ein weiterer Regress für das Quartal III/95 aufgehoben. Für die Quartale I-IV/94 verminderte der Beklagte die Gesamtverordnungskosten um Kosten für ambulante Operationen und für Hilfsmittel. Dadurch ergab sich für das 1. Quartal ein Fallwert von 34,32 DM, der den Fallwert der Vergleichsgruppe (16,63 DM) um 106,37 % überschritt. Der Fallwert für das Quartal II/94 (42,44 DM) überschritt den Vergleichsgruppenfallwert von 16,23 DM um 161,49 %, der für das Quartal III/94 (32,78 DM) - in dem die für DAK-Patienten angefallenen Verordnungskosten unberücksichtigt blieben, weil diese nicht zur Verfügung gestellt worden waren den Vergleichsgruppenfallwert (16,08 DM) um 103,86 %. Für das Quartal IV/94 wurde ein Fallwert von 40,83 DM errechnet, der den Fallwert der Vergleichsgruppe (18,19 DM) um 124,46 % übertraf. Auch nach Berücksichtigung der sozialgerichtlichen Vorgaben sei damit ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem Fallwert der Gemeinschaftspraxis und dem Vergleichsgruppendurchschnitt anzunehmen, das regelmäßig bei einer Überschreitung von ca. 40-60 % vorliege. Im Rahmen der Ermessensausübung wurde den Ärztinnen jedoch eine Restüberschreitung von 70 % zugebilligt, mit dem dem möglichen Anteil der erhöhten Inanspruchnahme der Gemeinschaftspraxis auf Grund der Zusatz- bzw. Schwerpunktbezeichnungen (Unfallchirurgie, Phlebologie, Chiropraktik, Sportmedizin) ausreichend Rechnung getragen werde. An der Vergleichsgruppenbildung wurde festgehalten, von den Ärztinnen angeführte "schwere Fälle" wurden als Praxisbesonderheit nicht anerkannt, ebenso wenig wie ein kausaler Zusammenhang zwischen Arzneimittelüberschreitungen und Minderaufwendungen bei Krankenhauseinweisungen und Arbeitsunfähigkeitsfällen. Die Regressbeträge wurden unter Berücksichtigung eines Abschlags von 10 % für Patientenzuzahlungen und eines 5 %-igen Abschlags für Apothekenrabatte berechnet. Soweit sich hierbei in den Quartalen I, II und IV/94 Regressbeträge ergaben, die höher als die ursprünglich festgesetzten waren, beließ es der Beklagte wegen des Verbots der reformatio in peius bei der ursprünglichen Regresshöhe.
Gegen diesen ihr mit Schreiben vom 7. August 2000 mitgeteilten Bescheid hat die Klägerin am 29. August 2000 Klage erhoben, die am 30. August bei dem SG Hannover eingegangen ist. Zur Begründung hat sie angeführt, der Beklagte habe als Vergleichsgruppe nur die Chirurgen in Niedersachsen heranziehen dürfen, die in gleichem Umfang wie sie phlebologisch und ambulant tätig gewesen sind. Zu Unrecht habe der Beklagte die auf ambulant operierende Chirurgen verfeinerte Vergleichsgruppe nur bei der Bemessung der Auswirkungen berücksichtigt, die sich aus der Anerkennung der ambulanten Operationen als Praxisbesonderheit ergeben. Zumindest habe der Klägerin eine deutlich höhere Restüberschreitung als 70 % belassen werden müssen. Als Praxisbesonderheiten hat sie weiterhin ihre Tätigkeit im phlebologischen Bereich angeführt, wobei nicht nur Krampfaderoperationen, sondern auch konservative Behandlungen anfielen. Im Hinblick auf die Praxisbesonderheit der Tagesklinik und der daraus resultierenden ambulanten Operationen habe der Beklagte zu Unrecht die für Vor- und Nachbehandlungen anfallenden Medikationen nicht berücksichtigt. Weiterhin stelle eine chirurgische Praxis mit zwei Ärztinnen eine Rarität dar, die zu einem erhöhten Anteil weiblicher Patienten, insbesondere bei den über 70-jährigen, geführt habe. Die Zusatzbezeichnung "Chirotherapie" führe zu einer Praxisbesonderheit, weil ein erhöhter Anteil an Patienten mit Bandscheibenvorfällen entsprechende Kosten durch Infusionstherapien verursache. Entgegen der Auffassung des Beklagten müssten auch kompensatorische Einsparungen berücksichtigt werden, weil ein Kausalzusammenhang zwischen unterdurchschnittlichen Krankenhauseinweisungen und überdurchschnittlichen ambulanten Operationen und einem damit verbundenen erhöhten Arzneimittelbedarf auf der Hand liege. Schließlich sei die Berücksichtigung der Rezeptgebühr pauschal mit 10 % nicht ausreichend, da die tatsächlichen Kosten deutlich höher sein dürften.
Das SG Hannover hat den Bescheid vom 7. August 2000 aufgehoben, soweit die Regresse des Prüfungsausschusses bestätigt worden sind, und den Beklagten verurteilt, über die Widersprüche gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (Urteil vom 18. September 2002). Nachdem die Ärztinnen im vorliegenden Verfahren auf ihre Praxisschwerpunkte "Phlebologie" und "Chirotherapie" sowie auf die Zusatzbezeichnung "Schmerztherapie" hingewiesen hätten, habe der Beklagte überprüfen müssen, ob die gewählte Vergleichsgruppe der Chirurgen die geeignete Vergleichsgruppe gewesen sei. Weiterhin sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die zugebilligte Restüberschreitung gerade 70 % betrage. Der Beklagte habe sich auch nicht mit dem Umstand der Tagesklinik als Praxisbesonderheit auseinander gesetzt; insbesondere sei er nicht darauf eingegangen, ob die erhöhte Inanspruchnahme der Ziffer 82 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) nicht doch zu einer Einsparung im Bereich der Krankenhauseinweisungen geführt habe. Der Beklagte habe sich außerdem näher mit dem dargelegten überdurchschnittlichen Anteil an älteren Patientinnen und damit befassen müssen, dass die Ärztin Dr. H. die Zusatzbezeichnung "Schmerztherapie" erworben habe und dadurch einen hohen Anteil an Schmerzpatienten betreue. Schließlich hätten die Ärztinnen bei der Fallkostenüberschreitung ausschließlich mit den Praxen verglichen werden dürfen, die ebenfalls ambulant operierten.
Gegen das ihm am 18. Oktober 2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 11. November 2002 Berufung eingelegt, die am 12. November 2002 bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist. Das erstinstanzliche Urteil sei unzutreffend, weil nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Verpflichtung der Prüfgremien zur Bildung einer engeren Vergleichsgruppe nicht schon deshalb bestehe, weil der betroffene Arzt berechtigt sei, eine Zusatzbezeichnung zu führen. Eine nähere Darlegung, warum die zugebilligte Restüberschreitung gerade 70 % betrage, sei nicht erforderlich, weil die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Unwirtschaftlichkeit entbehrlich sei, wenn die Prüfgremien sich um eine Honorarkürzung oder eine Regressfestsetzung bemühten, die die Überschreitung des zu prüfenden Arztes in Relation zu seiner Vergleichsgruppe nicht unter die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis zurückführten. Im Hinblick auf die Relevanz der Führung einer Tagesklinik für evtl. kompensatorische Einsparungen sei es entgegen der Auffassung des SG nicht Pflicht des Beklagten, die Kausalität von Einsparungen darzustellen. Der Vortrag der Ärztinnen, sie würden einen überdurchschnittlichen Anteil an älteren Patienten betreuen, sei dadurch widerlegt, dass diese tatsächlich weniger Rentner als ihre Fachgruppe behandelten. Schließlich sei es wegen der Bindung der Beteiligten an rechtskräftige Urteile zutreffend gewesen, dass der Beklagte auf das vorangegangene SG-Urteil vom 26. Januar 2000 abgestellt habe.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. September 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe zu Recht die von dem Beklagten herangezogene Vergleichsgruppe moniert. Ebenfalls sei richtig festgestellt worden, dass eine Restüberschreitung von 70 % nicht begründet worden sei. Auch die Argumentation des SG, dass die Praxisbesonderheit der Tagesklinik und der vielen ambulanten Operationen nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, sei zutreffend. Die Argumentation des Beklagten bezüglich des Rentneranteils liege neben der Sache, weil sich die Argumentation der Klägerin auf den Umstand beziehe, dass der Frauenanteil bei den Rentnern überdurchschnittlich hoch sei.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Hinsichtlich des Weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der ebenfalls beigezogenen Archivakte des SG Hannover mit dem Az: S 10 KA 103/97 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden worden ist, ist zulässig und zum Teil begründet. Entgegen der Auffassung des SG musste die Klage gegen den Bescheid vom 7. August 2000 insoweit ohne Erfolg bleiben, als diese sich gegen die Festsetzung von Regressen für die Quartale I-III/94 richtet. Im Übrigen war dagegen die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Beklagte zu verpflichten war, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 7. August 2000 ist als Anfechtungs- und Bescheidungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthaft. Die Klägerin hat erstinstanzlich zwar beantragt, den Bescheid lediglich aufzuheben, soweit die Regresse des Prüfungsausschusses bestätigt worden sind. Darin kann jedoch keine bloße Teilanfechtungsklage gesehen werden, deren Zulässigkeit zweifelhaft wäre, weil die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- bzw. Verordnungsweise innerhalb eines Quartals nur einheitlich erfolgen kann. Die Klägerin hat mit der gewählten Antragsfassung vielmehr nur betont, dass der Beklagte bei einer Neubescheidung wegen des Verbots der reformatio in peius keinen höheren Regress festsetzen dürfte als der Prüfungsausschuss (vgl. hierzu BSG SozR 5550 § 15 Nr. 1). Auch der den Wortlaut des klägerischen Antrags aufgreifende Entscheidungsausspruch zu 1.) im Tenor des SG-Urteils vom 18. September 2002 ist im Sinne einer derartigen bloßen Klarstellung zu verstehen.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass das SG Hannover über die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise in den Quartalen I-III/94 bereits mit Urteil vom 26. Januar 2000 rechtskräftig entschieden hat. Denn zwischenzeitlich ist mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. August 2000 eine neue Verwaltungsentscheidung ergangen, die den Rechtsweg erneut eröffnet hat. Welche Auswirkungen die Rechtskraft des vorangegangenen Urteils hat, ist deshalb erst bei der Begründetheit der Klage zu untersuchen (Clausing in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Lsbls - Stand: Oktober 2005 , § 121 Rdnr 22).
1.
Die Klage ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Verhängung von Regressen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise in den Quartalen I-III/94 richtet.
Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Verordnungsregressen ist § 106 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V; in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung u.a. durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten geprüft. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung ist dabei zunächst von einer statistischen Prüfung auszugehen, bei der die Abrechnungswerte des jeweiligen Arztes mit denjenigen der Fachgruppe im selben Quartal verglichen werden. Diese Prüfung wird durch die sog. intellektuelle Betrachtung ergänzt, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 49). Hierbei ist insbesondere zu untersuchen, ob kostenerhöhende Praxisbesonderheiten bekannt oder erkennbar sind, die dafür sprechen, dass wesentliche Leistungsbedingungen des geprüften Arztes von denen der verglichenen Arztgruppe abweichen, so dass der statistische Vergleich allein nicht aussagekräftig ist (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 27 und Nr. 54). Dabei ist regelmäßig der auf die festgestellte Praxisbesonderheit entfallende Kostenanteil von dem Gesamtfallwert des geprüften Arztes abzuziehen und - ausgehend von dem danach verbleibenden Fallwert - die jeweilige Überschreitung im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt zu ermitteln (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 27 und Nr. 54); ergibt diese Prüfung, dass zwischen dem Kostendurchschnitt des geprüften Arztes und dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe ein offensichtliches Missverhältnis besteht, kann regelmäßig von einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise ausgegangen werden (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 23 und Nr. 27).
Hierbei steht den Prüfgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt zu überprüfender Beurteilungsspielraum zu. Die Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, die Verwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 25 m.w.N.).
Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall der Umfang der gerichtlichen Überprüfung dadurch eingeschränkt, dass das SG über die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise der klägerischen Praxis in den Quartalen I-III/94 bereits durch Urteil vom 26. Januar 2000 rechtskräftig entschieden hat. Denn rechtskräftige Urteile binden gemäß § 141 Abs. 1 SGG die Beteiligten, soweit über den Streitgegen- stand entschieden worden ist. Da dies ausweislich der genannten Vorschrift selbst für die Rechtsnachfolger der Beteiligten gilt, erstreckt sich die Rechtskraft der den Ärztinnen Dr. G. und Dr. H. als Klägerin gegenüber ergangenen Entscheidung erst recht auf die vorliegende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die in Übereinstimmung mit der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH; NJW 2001, 1056) zur partiellen Rechtsfähigkeit der GbR in die Position der Klägerin eingetreten ist.
Bescheidungsurteile wie das des SG Hannover vom 26. Januar 2000 erwachsen in Rechtskraft, soweit der jeweilige Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet worden ist, darüber hinaus aber auch, soweit dieser dabei die Rechtsauffassung des Gerichts beachten muss (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 22. April 1987 - 7 B 76/87 - [...]; BVerwG NJW 1996, 737f; Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 141 Rdnr 11c; Clausing a.a.O., § 121 Rdnr 85). Denn nur wenn die in den Entscheidungsgründen dargelegten einzelnen rechtlichen Vorgaben für die erneute Bescheidung bindend sind, ist gewährleistet, dass die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts entsprechend der Vorgabe des § 141 SGG durchgesetzt wird. Als Folge hiervon sind nicht nur die Beteiligten an die im Urteil dargelegte Rechtsauffassung gebunden, sondern auch das Gericht in einem Folgeprozess über denselben Streitgegenstand. In diesem darf es keine erneute Sachprüfung durchführen, soweit die Rechtskraft des vorangegangenen Urteils reicht (BVerwGE 14, 359, 362 [BVerwG 30.08.1962 - I C 161/58]; Assmann a.a.O. § 121 Rdnr 24; sog. Präjudizialität).
Das BVerwG hat zwar in einer - vereinzelt gebliebenen - Entscheidung (NVwZ 1996, 66) die Auffassung vertreten, dass die Rechtskraft eines Bescheidungsurteils im Hinblick auf die dort dargelegte Rechtsauffassung des Gerichts nur gegenüber der Beklagten eintritt, während es der Klägerseite freistehe, in späteren Prozessen eine ihr noch günstigere "Rechtsauffassung des Gerichts" zu erwirken als im ersten Urteil. Dem kann jedoch schon deshalb nicht beigepflichtet werden, weil dies dem Sinn der Vorschriften über die Rechtskraft von Urteilen entgegenstünde, zu verhindern, dass eine einmal unanfechtbar entschiedene Rechtslage erneut Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens wird (BVerwGE 14, 359, 363) [BVerwG 30.08.1962 - I C 161/58]. Ein Kläger, der mit seiner Rechtsauffassung in einem Bescheidungsurteil nicht voll durchgedrungen ist, kann deshalb später nicht erneut klagen, sondern ist von Anfang an darauf beschränkt, gegen das Urteil Berufung einzulegen; die Berufung ist trotz der Verurteilung der Verwaltungsbehörde zulässig, weil die Klägerseite beschwert ist, soweit das Gericht ihrer Rechtsauffassung nicht beigetreten ist (BVerwG, Beschluss vom 22. April 1987 a.a.O.; NJW 1996, 737f; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 27).
Die Rechtskraft tritt in dem angeführten Umfang unabhängig davon ein, ob die Rechtslage in dem Urteil erschöpfend und zutreffend gewürdigt worden ist (BVerwG NJW 1996, 737 m.w.N.). Sie entfällt nur, wenn und soweit nachträglich Änderungen in der entscheidungserheblichen Sach- und Rechtslage eingetreten sind (BVerwGE 14, 359, 363 [BVerwG 30.08.1962 - I C 161/58]; BVerwG NJW 1996, 737f; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage, § 121 Rdnr 21a).
Als Folge hiervon ist der betroffene Vertragsarzt in Verfahren über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- oder Verordnungsweise gehalten, alle Einwände, die er gegen den ihm Unwirtschaftlichkeit vorwerfenden Bescheid des Beschwerdeausschusses hat, vollständig und substantiiert in dem hiergegen gerichteten Klageverfahren vorzubringen. Soweit das SG der von ihm vertretenen Auffassung in der Begründung seines Bescheidungsurteils nicht folgt oder zu einzelnen Punkten keine Stellung nimmt, ist er darauf verwiesen, Berufung einzulegen. Er kann dagegen nicht die Neubescheidung durch den Beschwerdeausschuss abwarten und sodann in einem erneuten Gerichtsverfahren seine ursprünglichen Bedenken - ggf. nunmehr substantiiert - oder neue Argumente vorbringen, die er bereits im ersten Prozess hätte geltend machen können. Allerdings kann er gerichtlich überprüfen lassen, ob der Beschwerdeausschuss die ihm aufgegebene Neubescheidung in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Bescheidungsurteils durchgeführt hat. Er kann in einem neuen Gerichtsverfahren auch prüfen lassen, ob der Beschwerdeausschuss die Prüfungsschritte korrekt durchgeführt hat, die im Ablauf des Prüfverfahrens den Schritten folgen, auf die sich die Verurteilung zur Neubescheidung bezogen hat; denn hierbei handelt es sich um neue Gesichtspunkte, zu denen im Bescheidungsurteil in der Regel noch keine Ausführungen gemacht werden konnten. Schließlich ist es möglich, dass der Beschwerdeausschuss in seinem neuen Bescheid von der ihm gemäß § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) offen stehenden Möglichkeit Gebrauch macht, zu Gunsten des Vertragsarztes von einer Vorgabe im Bescheidungsurteil abzuweichen, wenn er nachträglich zur Einsicht gelangt ist, dass insoweit sein ursprünglicher Bescheid - und das ihn stützende SG-Urteil - rechtswidrig gewesen ist. Auch in diesem Fall kann der Vertragsarzt gerichtlich überprüfen lassen, ob diese Zugunstenentscheidung bzw. die darauf aufbauende weitere Prüfung in vollem Umfang rechtmäßig gewesen ist, sofern Zweifel hieran bestehen und der Vertragsarzt hierdurch (auch) beschwert wäre.
Dementsprechend war es dem SG im vorliegenden erstinstanzlichen Verfahren verwehrt, sachlich zu prüfen, ob der Beklagte die Klägerin im Hinblick auf die Quartale I-III/94 mit der richtigen Vergleichsgruppe verglichen hat; denn dies ist bereits im vorangegangenen SG-Urteil vom 26. Januar 2000 rechtskräftig bejaht worden. Die Rechtskraft dieses Urteils steht auch der Prüfung entgegen, ob und inwieweit nunmehr geltend gemachte Praxisbesonderheiten (Phlebologie, hoher Frauenanteil, Chirotherapie, Schmerzpatienten) neben derjenigen vorliegen, die im Urteil vom 26. Januar 2000 angenommen worden ist (ambulante Operationen in der Tagesklinik). Auch mit ihren Einwänden hinsichtlich kompensatorischer Einsparungen und der ihrer Ansicht nach nicht ausreichenden Berücksichtigung der Rezeptgebühr ist die Klägerin bezüglich der genannten Quartale ausgeschlossen, weil das SG im vorangegangenen Verfahren S 10 KA 103/97 insoweit keine Bedenken erhoben hat.
Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid (dort Seite 7) allerdings eingeräumt, dass eine erhöhte Inanspruchnahme der Gemeinschaftspraxis auf Grund der Zusatz- bzw. Schwerpunktbezeichnungen möglich sein könne, und dem mit einer Restüberschreitung von 70 % Rechnung getragen. Dabei hat er jedoch nicht in ausreichend deutlicher Weise zum Ausdruck gebracht, dass er hiermit zu Gunsten der Klägerin von den Ausführungen im rechtskräftigen Urteil vom 26. Januar 2000 abweichen wollte, in denen diesbezügliche Besonderheiten nicht gesehen worden sind. Eine Zugunstenentscheidung nach § 44 Abs. 2 SGB X, die erneut die gerichtliche Prüfung dieser Gesichtspunkte eröffnen könnte, liegt damit nicht vor. Ob die genannten Zusatz- bzw. Schwerpunktbezeichnungen bei der Vergleichsgruppenbildung oder im Rahmen von Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen sind und wenn ja, in welchem Umfang , ist deshalb nicht erneut zu untersuchen.
Sachlich zu prüfen war dagegen die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der Beklagte bei seiner erneuten Bescheidung alle Arzneikosten berücksichtigt hat, die im Zusammenhang mit ambulanten Operationen entstanden sind, wie ihm dies im ursprünglichen SG-Urteil aufgegeben worden war. Dies ist entgegen der Ansicht des SG im angefochtenen Urteil vom 18. September 2002 zu bejahen. Denn der Beklagte hat im Bescheid vom 7. August 2000 ausdrücklich mitgeteilt, dass alle hiermit im Zusammenhang stehenden Kosten des gesamten Behandlungsfalls berücksichtigt und von den Gesamtverordnungskosten abgesetzt worden seien. Wenn die Klägerin in ihrer Klagebegründung die Vor- und Nachbehandlung und insbesondere die Heparinisierung hervorhebt, ist darauf zu verweisen, dass bereits der Prüfungsausschuss und ihm folgend der Beklagte den Verbrauch von blutverdünnenden, abschwellenden sowie schmerzstillenden Medikamenten im Zusammenhang mit Krampfaderoperationen als Praxisbesonderheit anerkannt hatte. Angesichts dessen, dass der Beklagte in seinem ursprünglichen Bescheid vom 24. Januar 1997 die Kosten, die für die (nach Angaben der Klägerin besonders teuren) Heparine angefallen waren, für das Quartal I/94 mit 3.583,03 DM und für II/94 mit 2.432,50 DM beziffert hat, sind keine Anzeichen dafür ersichtlich, dass die nunmehr abgesetzten Arzneimittelkosten für ambulante Operationen (I/94: 5.010,48 DM, II/94: 3.201,98 DM und III/94: 1.082,17 DM) unzutreffend ermittelt sein sollten.
Zu Unrecht rügen Klägerin und SG auch, dass der Beklagte die Klägerin im Rahmen der Prüfung dieser Praxisbesonderheit nur mit den ebenfalls ambulant operierenden Chirurgen vergleicht, während für die Prüfung der Auswirkungen der Praxisbesonderheit wiederum alle Chirurgen herangezogen worden seien. Denn der im Hinblick auf die EBM-Ä-Ziffer 82 angestellte Vergleich mit der Gruppe der Chirurgen, die ebenfalls ambulant operieren (vgl. Seite 3 des angefochtenen Bescheids), diente - entsprechend der Argumentation in den Entscheidungsgründen des SG-Urteils vom 26. Januar 2000 - nur als Aufgreifkriterium für die Beurteilung der Frage, ob ambulante Operationen überhaupt als Praxisbesonderheit anzuerkennen sind. Ist eine derartige Anerkennung - wie vorliegend - erfolgt, entspricht es jedoch der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 106 Nr. 41), den um die auf Praxisbesonderheiten entfallenden Kosten verminderten Fallwert des Arztes mit dem Fachgruppendurchschnitt (hier: aller Chirurgen) zu vergleichen. Allerdings entsprach es nicht der vom BSG a.a.O. angeführten Berechnungsweise, wenn der Beklagte die auf ambulante Operationen entfallenden Fälle auch aus der bei der Fallwertberechnung zu Grunde zu legenden Fallzahl herausgenommen hat. Denn dies führt dazu, dass die Fallwertminderung, die als Folge der Berücksichtigung der Praxisbesonderheit eintritt, nur unzureichend abgebildet wird. Richtig wäre es gewesen, die durch die Praxisbesonderheit verursachten Kosten durch die Zahl aller Behandlungsfälle zu dividieren und den derart ermittelten Mehraufwand pro Fall von den Gesamtverordnungskosten der Klägerin pro Fall abzuziehen (BSG a.a.O.). Bei Zugrundlegung der richtigen Berechnungsweise beträgt der Fallwert der Gemeinschaftspraxis im Quartal I/94 (nach Abzug der Hilfsmittel) 30,42 DM. Der entsprechende Wert für das Quartal II/94 ist 39,78 DM, wobei 641,65 DM für Hilfsmittel in Abzug zu bringen waren; warum insoweit weitere 641,65 DM für Hilfsmittel hätten abgerechnet werden müssen, wie dies im erstinstanzlichen Verfahren behauptet worden ist, hat die Klägerin nicht näher substantiiert. Der entsprechende Fallwert für das Quartal III/94 beträgt schließlich 31,77 DM. Die jeweiligen Fallwerte der Vergleichsgruppe sind damit um 82,92 %, 145,10 % und 97,57 % überschritten worden. Damit liegt auch nach Berücksichtigung der anzuerkennenden Praxisbesonderheit ein offensichtliches Missverhältnis zur Verordnungsweise der Vergleichsgruppe vor, das bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppenvergleichswerts von 40 % angenommen werden kann (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 41).
Der genannte Fehler würde sich zwar auch auf die Berechnung des unwirtschaftlichen Mehraufwands auswirken, der Grundlage für die Bemessung der Regressbeträge ist; denn auch auf den entsprechenden Seiten 8 und 9 des Bescheides ist der Beklagte von zu hohen Fallwerten für die Gemeinschaftspraxis der Klägerin ausgegangen. Dieser Fehler wirkt sich vorliegend jedoch nicht aus, weil der Beklagte der Praxis einen Toleranzbereich von 70 % eingeräumt hat, so dass die Kürzung ihr noch eine Überschreitung im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses belässt. In einem derartigen Fall hätte die Quantifizierung des unwirtschaftlichen Mehraufwands auch ganz unterbleiben können (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 15 und Nr. 41). Auch der Abzug von Rezeptgebühren und Zuzahlungen der Versicherten ist schließlich in einem derartigen Fall entbehrlich (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 38).
2.
Während nach alledem die erneute Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise in den Quartalen I-III/94 vor dem Hintergrund des rechtskräftigen Urteils vom 26. Januar 2000 nicht zu beanstanden ist, erweist sich die Durchführung der Prüfung für das Quartal IV/94 als rechtswidrig.
Allerdings hat der Beklagte die Gemeinschaftspraxis vorliegend zu Recht mit allen Chirurgen in Niedersachsen verglichen und war nicht gehalten, eine demgegenüber verfeinerte Vergleichsgruppe zu bilden. Dies kann zwar dann geboten sein, wenn die zum Vergleich herangezogene Arztgruppe nicht aus solchen Ärzten besteht, die eine annähernd gleiche Patientenschaft wie die geprüfte Praxis versorgen und im Wesentlichen dieselben Erkrankungen behandeln (BSG, Urteil vom 27. April 2005 - B 6 KA 39/04 R). Bei den Chirurgen wird dies nicht selten der Fall sein, weil diese Fachgruppe eine eher heterogene Ausrichtung mit zahlreichen Spezialisierungen aufweist (vgl. BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 2). Hierauf kann sich die Klägerin aber nicht berufen, weil ihr Behandlungsspektrum - mit ambulanten Operationen, Phlebologie, Chirotherapie, Unfallchirurgie, Sportmedizin - ähnlich inhomogen wie die Fachgruppe ist und sich demgegenüber eine eindeutige Schwerpunktbildung gerade nicht erkennen lässt. Zutreffend hat im Übrigen der Beklagte darauf verwiesen, dass das Führen von Zusatzbezeichnungen allein nicht dazu zwingt, eine verfeinerte Vergleichsgruppe zu bilden. Das BSG (SozR 3-2500 § 106 Nr. 57) hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass die kaum zu überblickende Vielzahl der Kombinationen von Arztgruppen und Zusatzbezeichnungen regelmäßig zu so kleinen Vergleichsgruppen führen würde, dass eine sinnvolle statistische Prüfung nicht mehr möglich wäre. In Übereinstimmung hiermit hat die Klägerin selbst erstinstanzlich vorgetragen, dass bei der Kombination der Gebietsbezeichnung Chirurgie mit der Teilgebietsbezeichnung Unfallchirurgie und den Zusatzbezeichnungen Chirotherapie und Sportmedizin nach Angaben der Beigeladenen zu 1.) nur noch eine Vergleichsgruppe mit 11 Ärzten übrig bleiben würde, die sogar noch kleiner würde, wenn man z.B. die Ausrichtung auf Phlebologie als weitere Spezialisierung hinzunähme. Soweit das BSG (a.a.O.) etwas anderes für die Schwerpunktbezeichnungen angenommen hat, führt auch dies zu keinem für die Klägerin günstigen Ergebnis, weil ihrer Schwerpunktbezeichnung "Unfallchirurgie" schon nach ihrem eigenen Vortrag keine dominierende Bedeutung im Rahmen ihrer Gesamtpraxis zukommt.
Nach der o. a. BSG-Entscheidung kann das Führen einer Zusatzbezeichnung aber für die Prüfgremien Anlass sein, näher zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für eine besondere, vom üblichen Zuschnitt der Vergleichsgruppe abweichende Praxisausrichtung gegeben sind. Der Beklagte hätte das Vorliegen derartiger Praxisbesonderheiten umso mehr prüfen müssen, als er es ausweislich der Begründung seines Bescheids selbst für möglich gehalten hat, dass die Gemeinschaftspraxis auf Grund der Zusatz- bzw. Schwerpunktbezeichnungen erhöht in Anspruch genommen wird. In diesem Fall muss er entsprechenden Anhaltspunkten auch konkret nachgehen und darf sich nicht darauf beschränken, diese pauschal mit einer Restüberschreitung von 70 % abzugelten.
Nachvollziehbar ist insbesondere der Vortrag der Klägerin, im Rahmen ihrer Zusatzbezeichnung "Chiropraktik" behandele sie vermehrt Bandscheibenpatienten mit Infusionen von Arzneimitteln wie Tolyprin oder Tramal. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, hierbei handele es sich um Medikamente, die als Sprechstundenbedarf verordnet würden und deshalb nicht Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise von Arzneimitteln sein könnten. Denn die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Ersatzkassenverbänden getroffene "Regelung über die Verordnung von Sprechstundenbedarf" vom 7. Februar 1991 - die für das Quartal IV/94 galt - sah Mittel zur Lokal- und Leitungsanästhesie nur als Sprechstundenbedarf an, wenn sie zur "Narkose und örtlichen Betäubung" eingesetzt wurden (vgl. Ziffer III.2), also als Mittel, die in der Praxis zur Durchführung von operativen Eingriffen vorgehalten werden mussten. Mittel, die für einen einzelnen Kranken bestimmt waren, stellten dagegen gemäß Ziffer II.3 Satz 1 keinen Sprechstundenbedarf dar. Selbst wenn aber die Verordnung als Sprechstundenbedarf möglich gewesen wäre, hätte es den Ärztinnen freigestanden, die entsprechenden Medikamente gleichwohl einzeln zu verordnen. Dies haben sie jedenfalls getan, wie ihre erstinstanzlich vorgelegte Aufstellung vom 16. September 2002 (Infusionspatienten bei Bandscheibenvorfall) zeigt.
Auch im Hinblick auf die Schwerpunktbezeichnung "Unfallchirurgie" besteht Anlass, entsprechende Praxisbesonderheiten bei der Verordnung von Arzneimitteln zu prüfen. Denn die Klägerin hat bereits vor Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses (mit Schreiben vom 21. Februar 1996) in grundsätzlich einleuchtender Weise geltend gemacht, unfallchirurgische Patienten benötigten nach ihrer Behandlung im Krankenhaus in vielen Fällen eine intensive medikamentöse Nachbehandlung (z.B. Heparinisierung über vier Wochen oder länger).
Schließlich hat der Beklagte das Führen einer Tagesklinik mit ambulanten Operationen zutreffend als Praxisbesonderheit gewürdigt. Außerdem hat er zu Recht die phlebelogische Tätigkeit der Ärztinnen als Praxisbesonderheit anerkannt. Dabei durfte er sich jedoch nicht auf Krampfaderoperationen beschränken. Vielmehr hat die Klägerin zur Begründung ihrer Klage nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass zur Vermeidung von Operationen auch Arzneimittel zur konservativen Behandlung zur Anwendung kommen.
Soweit die Klägerin sich weiterhin auf die Zusatzbezeichnung "Schmerztherapie" beruft, kann dies dagegen nicht zur Anerkennung einer weiteren Praxisbesonderheit führen. Denn wie ihre Schreiben aus dem Jahre 1995 zeigen, führten weder Dr. G. noch Dr. H. im Quartal IV/94 diese Bezeichnung. Dementsprechend wurden ursprünglich auch keine chronischen Schmerzpatienten als Besonderheit angeführt, so dass das Nachschieben dieser Kategorien im Verlauf des vorliegenden Gerichtsverfahrens (mit Schreiben vom 16. September 2002) nicht zu überzeugen vermag. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass Schmerzpatienten in jeder chirurgischen Praxis vorkommen, ebenso wie z.B. Patienten mit schweren Erkrankungen (vgl. hierzu Spellbrink, Wirtschaftlichkeitsprüfung im Kassenarztrecht, Rdnr 668).
Auch ein höherer Anteil von weiblichen Patienten, insbesondere bei den Rentnern, kann nicht als Praxisbesonderheit anerkannt werden. Seitens der Klägerin ist nicht dargelegt worden, warum ein Frauenanteil von 64 % (bzw. 81 % bei den über 70-jährigen) angesichts der bekanntermaßen höheren Lebenserwartung von Frauen im Vergleich zur Vergleichsgruppe aller Chirurgen atypisch sein soll. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Frauen bevorzugt weibliche Chirurgen aufsuchen, ist dem Senat jedenfalls nicht bekannt. Soweit die Klägerin die vermehrte Verordnung des Knorpelaufbaupräparats "Dona 200 S" bei jüngeren Patienten damit erklärt, diese seien zum großen Teil in der orthopädischen Klinik I. vorgestellt worden bzw. die dortigen Chefärzte hätten das Präparat empfohlen, kann dem eine sachlich nachvollziehbare besondere Praxisausrichtung nicht entnommen werden.
Schließlich ist auch nicht erkennbar, inwiefern die medikamentöse Behandlung von Patienten mit Polyneuropathie Folge einer spezifischen Qualifikation oder besonderer Behandlungsmethoden sein sollte, so dass auch diesbezüglich eine Praxisbesonderheit nicht anzuerkennen ist. Das Gleiche gilt für die angeblich vermehrt durchgeführten Hausbesuche. Insofern hatte schon der Prüfungsausschuss darauf hingewiesen, dass die Ärztinnen deutlich weniger Punkte je Fall für Hausbesuche abrechnen als die Vergleichsgruppe.
Kompensatorische Einsparungen bei Krankenhauseinweisungen, die durch ambulante Operationen und damit in Zusammenhang stehende Mehrverordnung von Arzneimitteln verursacht sein könnten, sind vom Beklagten zu Recht nicht berücksichtigt worden. Denn die ambulanten Operationen sind bereits als Praxisbesonderheit anerkannt worden; eine nochmalige Berücksichtigung im Rahmen kompensatorischer Einsparungen ist daneben nicht möglich (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 42).
Der Beklagte wird demnach im Hinblick auf das Quartal IV/94 die Untersuchung durchzuführen haben, ob die angeführten Praxisbesonderheiten vorliegen. Im Anschluss daran hat er zu ermitteln, ob nach deren quantitativer Berücksichtigung ein offensichtliches Missverhältnis des Verordnungsumfangs der Klägerin im Vergleich zur Fachgruppe der Chirurgen verbleibt. Die Rezeptgebühr und die von den Versicherten geleisteten Zuzahlungen hat er - wie bereits dargelegt - nur dann zu berücksichtigen, wenn die ggf. noch vorgenommene Kürzung den Grenzwert zum offensichtlichen Missverhältnis nicht überschreitet. Der Einwand der Klägerin, der Apothekenrabatt sei mit 10 % nicht korrekt festgesetzt, trifft in diesem Zusammenhang nicht zu. Denn der Beklagte hat den Rabatt im angefochtenen Bescheid zu Recht mit 5 % angesetzt; dies entspricht der hierfür einschlägigen Vorschrift des § 130 Abs. 1 SGB V (in der bis zum 2. August 2001 geltenden Fassung).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung).
Der Senat misst der Frage, in welchem Umfang Bescheidungsurteile im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung Rechtskraft entfalten, grundsätzliche Bedeutung zu und hat deshalb gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.