Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.05.1997, Az.: 9 U 204/96

Rechtsfolgen bei Einberufung einer Gesellschafterversammlung an einen unzulässigen Ort; Ortswahl bei Einberufung einer Gesellschafterversammlung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.05.1997
Aktenzeichen
9 U 204/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 24156
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1997:0521.9U204.96.0A

Fundstelle

  • NJW-RR 1998, 970-971 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 1997
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ... vom 16. August 1996 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer: 18.000 DM.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist Mitgesellschafter der beklagten GmbH in Höhe eines Anteils von 36 %. Mit der Klage wendet er sich - nach erstinstanzlichem Erlaß eines Teilanerkenntnisurteils - noch gegen die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses, welcher in seiner Abwesenheit auf der Gesellschafterversammlung vom 25. Januar 1996 gefaßt worden ist. Widerklagend begehrt die Beklagte die Feststellung, der Kläger sei im Wege der Kaduzierung seines Geschäftsanteils wegen Nichteinzahlung seiner Resteinlage auf bloßes Anfordern durch den Geschäftsführer ohne vorhergehenden Gesellschafterbeschluß aus der GmbH ausgeschlossen worden, nachdem der Versuch zur Einziehung des klägerischen Geschäftsanteils (§ 34 GmbHG) an den Mehrheitsverhältnissen gescheitert war. Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

2

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

3

I.

Anfechtungsklage

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1.

Der Kläger hat gegen den von ihm angegriffenen Gesellschafterbeschluß fristgerecht (vgl. § 7 Nr. 3 der Satzung) Anfechtungsklage erhoben. Der Beschluß leidet an einem die Vorbereitung der Beschlußfassung betreffenden Fehler, weil die Gesellschafterversammlung an einen unzulässigen Ort einberufen wurde.

5

Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die Einberufung nicht an einen Ort außerhalb des Gesellschaftssitzes erfolgen durfte. Das muß nicht schlechthin zu einem Einladungsmangel führen. Analog § 121 Abs. 4 AktG bestimmt zwar der Gesellschaftssitz der GmbH den Versammlungsort und schützt vor einer willkürlichen Ortswahl. Maßgebend ist aber, ob die abweichende Festlegung des Ortes das Teilnahmerecht der Gesellschafter beeinträchtigt (BGH WM 1985, 567, 568). Denkbar ist, daß mit einer Abweichung sogar Erleichterungen verbunden sein können.

6

Es bedarf keiner Entscheidung, ob hier schon die Auswahl der Gemeinde zu beanstanden ist, weil der Weg des Klägers nach Sch. weiter ist als nach B.. Jedenfalls ist die Einladung nicht in ein neutrales Tagungslokal erfolgt. Eingeladen wurde nämlich in die Privatwohnung einer Mitgesellschafterin, obwohl das Zerwürfnis des Klägers mit dieser Gesellschafterin nach der Zwangsvollstreckung gegen den Kläger durch deren Ehemann offenkundig ist. Dem Kläger war daher die Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung in dieser Privatwohnung nicht zumutbar (vgl. zu dieser Konstellation MünchHdb. GesR III/Ingerl, § 39 Rdn. 35; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl. § 48 Rdn. 5).

7

Die Einberufung an einen falschen Ort führt nur zur Anfechtbarkeit (vgl. BGHZ 100, 264 f. [BGH 30.03.1987 - II ZR 180/86] - Nichtwahrung der Ladungsfrist; BGH GmbHR 1972, 177 - fehlende Ankündigung des Tagesordnungspunktes). Der Kläger hatte der Einberufung an den gewählten Tagungsort Sch. bereits in der Gesellschafterversammlung vom 30. November 1995 widersprochen. Er hat den Widerspruch zwar nach Zugang der erneuten Einladung dorthin nicht ausdrücklich wiederholt. Das war aber wegen der Eindeutigkeit der generellen Ablehnung entbehrlich.

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2.

Der Einberufungsmangel war für das Zustandekommen des angegriffenen Beschlusses kausal, obwohl der Kläger an der Sitzungsteilnahme aus Termingründen verhindert war und deshalb die Sperrminorität seines Stimmenanteils nicht durch persönliche Stimmabgabe zur Wirkung bringen konnte.

9

Der BGH verlangt in ständiger Rechtsprechung die Ursächlichkeit des Mangels für das Zustandekommen des angegriffenen Beschlusses (BGH NJW 1987, 1890, 1891 [BGH 27.10.1986 - II ZR 240/85]; GmbHR 1972, 177 f.), geht aber von einer entsprechenden tatsächlichen Vermutung aus (BGH NJW 1987, 1890, 1891 [BGH 27.10.1986 - II ZR 240/85]; MünchHdb. GesR III/Ingerl § 40 Rdn. 29). Ob die Ursächlichkeit fehlt, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen (BGHZ 36, 121, 140) [BGH 23.11.1961 - II ZR 4/60].

10

Der Kläger hätte sich in der Gesellschafterversammlung entsprechend der von ihm behaupteten Absicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen können (§ 6 Nr. 4 der Satzung). Das schlichte Bestreiten der Vertretungsabsicht durch die Beklagte ist unerheblich. Unsubstantiiert ist auch die Behauptung der Beklagten, ein vom Kläger entsandter anwaltlicher Vertreter hätte nicht gegen den den Kläger benachteiligenden Beschluß gestimmt. Ein Vertreter unterliegt der Weisung des Vertretenen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der vom Kläger benannte Rechtsanwalt, der ihn schon zuvor zu einer Gesellschafterversammlung begleitet hatte, berufswidrig die Weisung des Mandanten unbeachtet gelassen hätte.

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II.

Kaduzierung

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Die Kaduzierung des Gesellschaftsanteils des Klägers ist fehlgeschlagen, weil das eingeschlagene Verfahren rechtswidrig war. Ohne vorangegangenen Gesellschafterbeschluß über die Einzahlung der restlichen Stammeinlage brauchte der Kläger keine Zahlung zu leisten.

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1.

Das Kaduzierungsverfahren des § 21 GmbHG ist nach § 25 GmbHG zwingend einzuhalten. Dahingestellt bleiben kann, ob die nicht vorgetragene formgerechte Kaduzierungserklärung erfolgt ist und ob sie durch Erklärungen im Prozeß ersetzbar war. Das Erfordernis einer verzögerten Einzahlung setzt seinerseits die ordnungsgemäße Einforderung und Anforderung der Resteinlage voraus, soweit beides nicht ausnahmsweise entbehrlich ist (MünchHdb. GesR III/Gummert, § 51 Rdn. 130). Über die Einzahlung einer Resteinlage, für die ein Leistungszeitpunkt nicht festgelegt ist, muß nach § 46 Nr. 2 GmbHG ein Gesellschafterbeschluß gefaßt werden; das bloße Anfordern durch den Geschäftsführer reicht dafür nicht aus. Ein entsprechender Beschluß liegt im Streitfall nicht vor und sollte wegen der Mehrheitsverhältnisse anscheinend übergangen werden. Offenbar ging es den Gesellschaftern der Beklagten darum, den Kläger nach dem vorangegangenen fehlgeschlagenen Einziehungsverfahren durch den ersatzweise eingeschlagenen Weg auszuschalten; bei einem zu fassenden Gesellschafterbeschluß wäre er nämlich stimmberechtigt gewesen (vgl. BGH NJW 1991, 172, 173 [BGH 18.10.1990 - IX ZR 43/90] = GmbHR 1990, 452, 453 [BGH 09.07.1990 - II ZR 9/90]; RGZ 138, 106, 111).

14

2.

Die Satzung der Beklagten hat von dem gesetzlichen Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses nicht dadurch dispensiert, daß § 3 Nr. 3 von der Einzahlung der Resteinlage "auf Anfordern der Gesellschaft" spricht. Zwar wäre nach § 45 GmbHG eine Abweichung von der Zuständigkeitsregelung des § 46 GmbHG zulässig (zur Möglichkeit der Übertragung auf den Geschäftsführer: RGZ 138, 106, 111), doch bedarf dies einer eindeutigen Festlegung in der Satzung. Daran fehlt es im Streitfall. Mit der Regelung in § 3 Nr. 3 der Satzung der Beklagten ist das zuständige Gesellschaftsorgan nicht bezeichnet, das für die Gesellschaft zu handeln hat; auch die Gesellschafterversammlung ist - oberstes Willens- - Organ der Gesellschaft.

15

Die organschaftliche Vertretungsregelung des § 35 GmbHGüberspielt nicht die gesellschaftsinternen Voraussetzungen einer Mitwirkung anderer Gesellschaftsorgane. § 3 Nr. 3 der Satzung bringt nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, daß es Angelegenheit der Gesellschaft ist, die ihr zustehende Resteinlage einzufordern. Bei dieser Einforderung wird der Geschäftsführer nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich nur zur Umsetzung eines nach § 46 Nr. 2 GmbHG gefaßten Gesellschafterbeschlusses tätig (vgl. BGH GmbHR 1961, 144, 145 [BGH 29.06.1961 - II ZR 39/60] = BB 1961, 953; RGZ 138, 106, 111; OLG Köln MDR 1987, 675; MünchHdb. GesR III/Gummert § 51 Rdn. 12, 118, 134); er fordert den durch Gesellschafterbeschluß fällig gestellten Betrag an (OLG München GmbHR 1985, 56 f. [OLG München 01.02.1984 - 7 U 4142/83]). Damit wird die gestaltende unternehmerische Entscheidung, ob und wann die Resteinlagen von der Gesellschaft benötigt werden, in die Hand der Gesellschafter gelegt, die davon auch in der Regel alle persönlich betroffen sind, weil für die Einforderung der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt.

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Unterstützt wird diese Auslegung der Satzung durch die in § 10 Nr. 6 getroffene Regelung. Das sich an die vergebliche Anforderung anschließende Kaduzierungsverfahren verlangt seinerseits zwar keinen weiteren Gesellschafterbeschluß (MünchHdb. GesR III/Gummert § 51 Rdn. 134). Immerhin ist aber darauf hinzuweisen, daß die Satzung in § 10 Nr. 6 für die an Gewicht gleich bedeutsame unternehmerische Entscheidung der Einziehung in Übereinstimmung mit § 46 Nr. 4 GmbHG die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung vorsieht. Die Satzung bringt damit die gewollte grundsätzliche Zuständigkeitsverteilung in unternehmerisch bedeutsamen Angelegenheiten des § 46 GmbHG zum Ausdruck.

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III.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges nach § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Wert der Beschwer: 18.000 DM.