Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.02.1991, Az.: 7 L 3/90

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.02.1991
Aktenzeichen
7 L 3/90
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1991, 22519
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1991:0205.7L3.90.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg/Oldenburg - 25.10.1989 - AZ: 3 VG A 193/88

Tenor:

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 3. Kammer - vom 25. Oktober 1989 wird zurückgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Der Kläger kann die Kostenvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe eines gegen ihn festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

  5. Die Revision wird nicht zugelassen.

  6. Der Streitwert wird für jeden Rechtszug auf 10 000,- DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Kläger betreibt entsprechend einer ihm von dem Beklagten am 14. März 1988 erteilten Erlaubnis ein Alten- und Pflegeheim mit insgesamt 29 Pflege- sowie sechs Altenheimplätzen. Nach Ziff. 2.2.1. der Erlaubnis sind die in den Plänen mit den Nrn. 9 bis 14 bezeichneten Zimmer im Obergeschoß des neu errichteten Nebengebäudes des Altenheimes in Abweichung von dem Erlaubnisantrag des Klägers nicht als Pflege-, sondern lediglich als Altenheimplätze genehmigt worden. Hierzu heißt es in der "Auflage" 4 des Erlaubnisbescheides:

"Die Zimmer 9 bis 14 ... dürfen nicht mit Rollstuhlfahrern bzw. Pflegefällen belegt werden ..."

2

Gegen diese "Auflage" erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er ausführte, er beabsichtige nicht, in das Obergeschoß des Nebengebäudes Rollstuhlfahrer aufzunehmen. Diese Etage solle aber nach Bedarf mit Pflegefällen belegt werden. Dementsprechend seien die Zimmer auch eingerichtet worden. Rechtliche Bestimmungen stünden dieser Nutzung nach seiner Ansicht nicht entgegen.

3

Die Bezirksregierung Weser-Ems wies den Widerspruch mit Bescheid vom 27. Juni 1988 als unbegründet zurück.

4

Mit seiner am 26. Juli 1988 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, daß die Forderung des Beklagten mit den Vorschriften der Heimmindestbauverordnung nicht in Einklang stünden. Er habe bereits zwei Pflegefälle in Zimmern des Obergeschosses des Neubaues untergebracht, weil diese Personen wegen ihres Gesundheitszustandes ihr Bett nicht verlassen könnten und auch nicht den Wunsch geäußert hätten, an Gemeinschaftsveranstaltungen im Heim teilzunehmen. Diese Personen hätten aber Zimmer im Obergeschoß wegen der schönen Aussicht ausdrücklich erwünscht.

5

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, die im Obergeschoß des Nebengebäudes gelegenen Räume Nr. 9 bis 14 als Pflegeplätze zu genehmigen, und den Erlaubnisbescheid vom 14. März 1988 insoweit aufzuheben, als er dem entgegensteht.

6

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Er hat entgegnet: Die umstrittene "Auflage" solle gewährleisten, daß im Obergeschoß des Erweiterungsbaues nur Personen untergebracht würden, die in der Lage seien, Treppenstufen zu bewältigen, um die Aufenthaltsräume im Erdgeschoß zu erreichen. Damit solle sichergestellt werden, daß Schwerstpflegefälle, die wegen ihrer Leiden ans Bett gefesselt seien, nicht durch die Unterbringung in jenen Räumen vom Gemeinschaftsleben im Altenheim ausgeschlossen würden.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. Oktober 1989, auf das wegen der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, mit der Begründung abgewiesen, daß die im Streit befangenen Zimmer nicht als Altenpflegeplätze genehmigungsfähig seien. Gemäß § 25 der Verordnung über bauliche Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige - HeimMindBauV - in der Fassung vom 3. Mai 1983 (BGBl I S. 550) seien Nutzflächen in Pflegeheimen so anzulegen, daß auch Bettlägerige an Veranstaltungen und Zusammenkünften im Heim teilnehmen könnten. Derartige Gemeinschaftsräume seien im Obergeschoß des Anwesens des Klägers ebensowenig vorhanden wie ein Aufzug zwischen Erd- und Obergeschoß existiere. Damit seien pflegebedürftige Heimbewohner von der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft in dem Heim des Klägers ausgeschlossen, da ihr Transport mit ihren Betten bzw. in Rollstühlen über die Treppe nicht gewährleistet sei.

9

Mit seiner am 5. Januar 1990 eingelegten Berufung gegen das am 8. Dezember 1989 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger sein Begehren unter Hinweis darauf weiter, daß § 25 HeimMindBauV für die Entscheidung des vorliegenden Sachverhalts nicht einschlägig sei. Zudem könnten Pflegefälle auch in ihren Betten in den Gemeinschaftsraum im Untergeschoß des Anbaues verbracht werden, soweit der Gesundheitszustand der Heimbewohner dies zulasse und ein entsprechender Wunsch geäußert werde.

10

Der Kläger beantragt,

  1. das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und seiner Klage stattzugeben.

11

Der Beklagte beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

12

Er wiederholt seine bisherigen Ausführungen. Im übrigen sei anläßlich einer Nachschau in der Einrichtung am 10. Mai 1990 versucht worden, mit Hilfe zweier Pflegekräfte eine weitere Pflegekraft vom Ober- in das Untergeschoß zu transportieren. Dies habe nur unter großen Schwierigkeiten, insbesondere unter Gefährdung der zu transportierenden Person erfolgen können. Das beteiligte Pflegepersonal habe zudem angegeben, daß der Transport unter Zuhilfenahme einer Trage oder eines Rollstuhls ungleich schwieriger sei.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vertrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Weser-Ems ergänzend Bezug genommen.

14

II.

Der Senat weist die Berufung des Klägers durch Beschluß zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet (§ 130a S. 1 VwGO n.F.). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

15

Das Verwaltungsgericht, auf dessen Ausführungen im übrigen Bezug genommen wird, hat zutreffend entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Genehmigung von sechs weiteren Pflegeplätzen in den Räumen Nr. 9 bis 14 im Obergeschoß des Nebengebäudes seines Alten- und Pflegeheimes in Nordenham-Phiesewarden hat.

16

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des Heimgesetzes - HeimG - (idF des 1. Gesetzes zur Änderung des Heimgesetzes, das am 1. August 1990 in Kraft getreten ist - BGBl I S. 758, die genannte Vorschrift jedoch unverändert gelassen hat) bedurfte der Kläger für sein Alten- und Pflegeheim einer umfassenden neuen behördlichen Erlaubnis, nachdem er dieses gebaut und erweitert hatte. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist diese Erlaubnis sowohl für eine bestimmte Art der Einrichtung wie auch für bestimmte Räume zu erteilen gewesen. § 6 Abs. 3 Nr. 3 HeimG räumt der Genehmigungsbehörde zudem die Befugnis ein, die Erlaubnis - ganz oder teilweise - zu versagen, wenn die Betreuung pflegebedürftiger Bewohner in der Einrichtung selbst oder in angemessener anderer Weise nicht gewährleistet ist. In Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen, neben § 6 insbesondere der in § 2 HeimG aufgeführten Zweckbestimmungen, ist insbesondere die Verordnung über bauliche Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige - HeimMindbauV - erlassen worden. Diese stellt besondere Anforderungen an die Einrichtungen von Pflegeheimen. Ein Pflegeheim ist ein Altenheim dann, wenn in erheblicher Zahl Pflegebedürftige aufgenommen werden sollen. Pflegebedürfige sind - in Anlehnung an die in § 68 BSHG aufgeführte Begriffsbestimmung - Personen, die infolge Krankheit oder Behinderung so hilflos sind, daß sie nicht ohne Wartung und Pflege bleiben können, wobei als Krankheit jede körperliche, geistige oder seelische Regelwidrigkeit ohne Berücksichtigung ihrer Behandlungsbedürftigkeit verstanden wird. Für die Annahme der Pflegebedürftigkeit ist lediglich entscheidend, daß es sich um einen länger dauernden Leidenszustand handelt, der eine besondere Betreuung erforderlich macht. Der Kläger begehrt die Genehmigung von Heimplätzen für derartige Pflegefälle, für die nach der HeimMindBauV in Konkretisierung der gesetzlichen Regelungen des Heimgesetzes bestimmte Mindestbedingungen vorgeschrieben sind. Er kann sich hierbei nicht darauf berufen, daß er im wesentlichen ein Altenheim betreibt, für das die Bestimmungen der HeimMindBauV nicht anwendbar sind; denn unabhängig von der Anzahl der tatsächlich in seinem Heim aufgenommenen Pflegefälle beansprucht er für sämtliche Heimplätze die Genehmigung zur Aufnahme pflegebedürftiger Personen, Deshalb fällt im vorliegenden Fall die - mögliche - Anzahl der Pflegefälle im Verhältnis zur Anzahl aller Heimbewohner entscheidungserheblich ins Gewicht (siehe dazu Hess, VGH, Urt.v. 10.9.1985 - IX OE 45/81 -, ESVGH 36, S. 31).

17

Ist der Kläger damit den Vorschriften der HeimMindBauV unterworfen, hat der Beklagte zu Recht in Ausführung der Bestimmungen des § 25 Satz 2 HeimMindBauV die Genehmigung von Pflegeplätzen im Obergeschoß des Anbaues versagt, weil dort untergebrachte Pflegebedürftige an Veranstaltungen und Zusammenkünften im Altenheim des Klägers nicht teilnehmen können.

18

Nach § 25 Satz 2 HeimMindBauV müssen in Pflegeheimen die Nutzflächen der Gemeinschaftsräume so angelegt sein, daß auch Bettlägerige an Veranstaltungen und Zusammenkünften teilnehmen können. Dies setzt notwendigerweise voraus, daß die Bettlägerigen in der Lage sind, in die Gemeinschaftsräume zu gelangen. Zu diesem Ergebnis verhilft eine Zusammenschau der auf Pflegeheime bezogenen Vorschriften der HeimMindBauV. Diese sind sämtlich darauf abgestellt, Pflegebedürftigen die tatsächliche Möglichkeit der Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen sowie des Aufsuchens von Gemeinschaftsräumlichkeiten zu gewährleisten. So sollen in der Einrichtung bauliche Anlagen einschließlich vorhandener Aufzüge wie Flure, Türen und Treppen baulich so gestaltet sein, daß auch bettlägerige wie andere pflegebedürftige Personen im Bett, ... auf einer Bahre oder sonstigen Gerätschaften liegend wie sitzend sich selbständig oder mit Hilfe von Pflegepersonen im gesamten Heim bewegen können (so auch Kunz u.a., Heimgesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 25 HeimMindBauV RN. 2; vgl. dementsprechend die einzelnen Regelungen der HeimMindBauV: § 3 Abs. 2: Transport von Pflegebedürftigen; § 4: im Falle der Überwindung von Geschoßhöhen ist die Einrichtung von Aufzügen vorzusehen; § 9 Abs. 2: breite Türen zu Pflegeplätzen; § 24 Abs. 1: Funktions- und Zubehörräume müssen den Besonderheiten der Pflegebedürftigkeit angepaßt sein; vgl. zu den Erfordernissen der Einrichtung von Pflegeheimen auch die Kommentierungen von Dahlem/Giese, HeimG, § 25 HeimMindBauV RN. 3). Danach ist es nicht zulässig, pflegebedürftige Personen in Räumen unterzubringen, von denen aus ein Transport im Bett, auf einer Bahre oder, im Rollstuhl zu dem in der Einrichtung vorhandenen Gemeinschaftsraum nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Dabei kommt es weder darauf an, ob einzelne Heimbewohner aus subjektiven Erwägungen auf den Bestand bestimmter baulicher Einrichtungen verzichten, noch darauf, ob der Heimbetreiber sich die Entscheidung darüber vorbehalten möchte, welcher Art von Pflegefällen seine Einrichtung offensteht. Nach der Intention des Gesetz- bzw. Verordnunggebers hat die Behörde sicherzustellen, daß baulichen Mindesterfordernissen im Falle der Genehmigung eines Pflegeheimes Rechnung getragen und damit grundsätzlich auch die Teilnahme pflegebedürftiger Personen an Gemeinschaftsveranstaltungen sowie deren Bewegung und Transport im Heim gewährleistet ist.

19

Da somit die Ablehnung der Genehmigung weiterer Pflegeplätze im Obergeschoß des Anwesens des Klägers durch den Beklagten aufgrund der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen hinreichend gerechtfertigt ist, ist die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Befugnis, eine Kostenvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, ergeben sich aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

21

Der Senat läßt die Revision nicht zu, weil hierzu auch bei Entscheidung der Streitsache durch Urteil kein Anlaß bestanden hätte (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO n.F.), da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Streitwertbeschluss:

Die Streitwertbemessung beruht auf §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 1 Satz 3 GKG.