Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.02.1991, Az.: 17 L 17/89

Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei Rückgruppierung in eine niedrigere Lohngruppe; Korrigierende Höherstufung oder Rückstufung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.02.1991
Aktenzeichen
17 L 17/89
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1991, 17191
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1991:0225.17L17.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 10.08.1989 - AZ: PB A 5/89

Verfahrensgegenstand

Mitbestimmung bei der Rückgruppierung von Arbeitern

In dem Rechtsstreit
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig Holstein
am 25. Februar 1991
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski und
die ehrenamtlichen Richter Abteilungsleiter Haase, Postoberrat Lange, Bundesbahnoberamtsrat Minor und Regierungshauptsekretär Olinski
ohne mündliche Anhörung
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 10. August 1989 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts an korrigierenden Rückgruppierungen.

2

In der Heeresfliegerwaffenschule ... werden 250 gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt, auf die der Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes - MTB II - nebst zugehörigen Nebentarifverträgen Anwendung findet. Personalbewirtschaftende Dienststelle ist die Standortverwaltung Bückeburg. Mehrere dieser Arbeiter waren am 1. Oktober 1975 der Lohngruppe II Fallgruppe 1.1 SV 2 a MTB II und am 1. Oktober 1980 der Lohngruppe II a Allgemeiner Teil MTB II zugeordnet worden. Durch Schreiben vom 15. September 1988 teilte ihnen die Standortverwaltung ... mit, eine diesbezügliche Überprüfung habe ergeben, daß die von ihnen wahrzunehmenden Tätigkeiten dem Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe III Fallgruppe 1.1 SV 2 a entsprächen und sie im Wege des Bewährungsaufstiegs aus dieser Lohngruppe den Lohn der Lohngruppe II Fallgruppe 4 Allgemeiner Teil MTB II erhalten müßten.

3

Daraufhin erklärte der Antragsteller gegenüber dem Kommandeur der Heeresfliegerwaffenschule ... mit Schreiben vom 11. November 1988, daß er sich der erfolgten Rückgruppierung nicht anschließen könne und ihn wegen der fehlenden Beteiligung des Personalrats auffordere, die von der Standortverwaltung Bückeburg verfügte Maßnahme aufzuheben. Demgegenüber berief sich der Kommandeur mit Schreiben vom 23. November 1988 auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. April 1982, nach welchem es sich bei der getroffenen Maßnahme nicht um eine mitbestimmungspflichtige Rückgruppierung im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG handele. Mehrere der betroffenen Arbeiter haben inzwischen arbeitsgerichtliche Urteile erwirkt, nach denen die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, ihnen über den 30. September 1988 hinaus Lohn nach der Lohngruppe II a Allgemeiner Teil MTB II zu zahlen.

4

Der Antragsteller hat am 23. Februar 1989 die Fachkammer angerufen und geltend gemacht: Der Beteiligte verkenne, daß auch der Hinweis auf eine angeblich irrtümlich erfolgte Bewertung der Eingruppierungsmerkmale und die vorgenommene Korrektur in Verbindung mit einer Neufestsetzung der angeblich richtigen Lohngruppe eine Rückgruppierung und Neueingruppierung im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG darstelle. Da den jeweiligen Arbeitgebern bei der Eingruppierung der Arbeiter nicht unerhebliche Bewertungsspielräume eingeräumt seien, stelle die Zuweisung einer neuen Lohngruppe nicht nur einen reinen Erkennntnis-, sondern auch einen Willensakt dar. Der Personalvertretung werde aus diesem Grunde in § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG zur vorbeugenden Kontrolle der Rechts- bzw. Tarifanwendung ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt. Die vom Beteiligten vorgenommenen Herabgruppierungen bedeuteten nicht nur eine Entscheidung über die Unrichtigkeit der bisherigen Eingruppierungen, sondern zugleich auch eine Entscheidung darüber, welches nunmehr die richtige Eingruppierung sein solle. Daher unterliege diese Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats.

5

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, daß die Herabgruppierung und Neufestsetzung der Lohngruppen der in der Heeresfliegerwaffenschule in ... beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer D., I., B. und K. aus der Lohngruppe II a - Allgemeiner Teil - MTB II in die Lohngruppe II Fallgruppe 4 - Allgemeiner Teil - MTB II der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt.

6

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

7

und entgegnet: Er sei berechtigt gewesen, die rechtsgrundlos im Wege des Bewährungsaufstiegs vorgenommenen Höhergruppierungen der Arbeiter in die Lohngruppe II a Allgemeiner Teil MTB II zu berichtigen und die Zahlungen aus dieser Lohngruppe einzustellen. Dazu habe es keiner Änderungskündigung und auch nicht der Mitwirkung der zuständigen Personalvertretung bedurft. Das habe das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 21. April 1982 bei einem gleichgelagerten Sachverhalt entschieden.

8

Mit Beschluß vom 10. August 1989 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers stattgegeben, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

9

Nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG habe der Personalrat in Personalangelegenheiten der Angestellten und Arbeiter bei der Höher- oder Rückgruppierung mitzubestimmen. Dazu gehöre auch die Korrektur einer fehlerhaften Eingruppierung.

10

Gegen den ihm am 18. August 1989 zugestellten Beschluß richtet sich die am 14. September 1989 eingelegte und nach entsprechender Fristverlängerung am 14. Dezember 1989 begründete Beschwerde des Beteiligten, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft.

11

Der Beteiligte beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.

12

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

13

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachverhalte und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

15

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

16

II.

Die zulässige Beschwerde, über die gemäß §§ 83 Abs. 4 Satz 3, 90 Abs. 2 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers zu Recht stattgegeben. Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 BPersVG hätte der Antragsteller an den Rückgruppierungen beteiligt werden müssen.

17

Nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit, Höher- oder Rückgruppierung und Eingruppierung. Die Begriffe der Höher- bzw. Rückgruppierung sind dabei dem Tarifrecht entnommen und grundsätzlich in demselben Sinne und mit demselben Inhalt anzuwenden, der ihnen im Tarifrecht zukommt. Danach besteht die Höher- bzw. Rückgruppierung in der Zuordnung zu einer höheren Vergütungs- oder Lohngruppe nach der jeweils in Betracht kommenden Vergütungsordnung bzw. dem Lohngruppenverzeichnis, die durch die übertragene Tätigkeit bestimmt wird. Da der für die Vergütung entscheidende Akt die Festlegung der auszuübenden Tätigkeit ist, hatte die Rechtsprechung bereits unter der Geltung des PersVG 1955 auch schon die Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit der Mitbestimmung unterworfen (vgl. BVerwGE 15, 212, 215 [BVerwG 14.12.1962 - VII P 3/62] = PersV 1963, 206; BVerwGE 35, 164 = PersV 1970, 277). § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG trägt dem dadurch Rechnung, daß die Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit als Regelfall jetzt an erster Stelle steht; die weiterhin daneben aufgeführte isolierte "Höher- oder Rückgruppierung" ist als Auffangtatbestand für die Fälle bedeutsam, die nicht bereits von dem ersteren Begriff erfaßt werden (BVerwGE 54, 92, 97 [BVerwG 03.06.1977 - VII P 8/75] = PersV 1978, 245).

18

Zu diesen Fällen gehören nach ständiger Rechtsprechung aber insbesondere die korrigierende Höher- oder Rückgruppierung, bei der eine nach der ausgeübten Tätigkeit bisher zu niedrige oder zu hohe Eingruppierung bzw. Einreihung berichtigt wird (BVerwG a. zuletzt a.O.; Beschl. v. 4.8.1988 - 6 P 1.86 -, PersR 1988, 296). Dabei ist es, wie der Senat bereits entschieden hat (Beschl. v. 5.9.1990 - 17 L 12/89 -), für das Mitbestimmungsrecht im Falle der Rückgruppierung unerheblich, ob der Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag Anspruch auf Beschäftigung und Vergütung nach einer bestimmten Vergütungs- oder Lohngruppe hat. Ist das der Fall, so kann ihm dieser Anspruch allerdings nur durch eine einvernehmlich oder mittels Änderungskündigung bewirkte Änderung des Arbeitsvertrages wieder entzogen werden. Ist eine Änderungskündigung erforderlich, so greift zusätzlich auch das Beteiligungsrecht nach § 79 Abs. 1 BPersVG ein (BAG, Urt. v. 3.11.1977 - 2 AZR 277/76 -. DB 1978, 1135; Lorenzen/Haas/Schmitt, § 75 RN 45; Fischer/Goeres, § 75 RN 29 m. Nachw.). Beide Beteiligungsrechte stehen jedoch unabhängig nebeneinander; insbesondere setzt das Mitbestimmungsrecht an der Rückgruppierung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG nicht voraus, daß aufgrund einer Änderungskündigung zugleich ein Mitwirkungsfall nach § 79 BPersVG gegeben ist. Die korrigierende Rückgruppierung unterliegt vielmehr auch dann der Mitbestimmung, wenn dem Arbeitnehmer eine ihm einzelvertraglich nicht zustehende tarifliche Vergütung entzogen werden soll und es dazu einer Änderungskündigung nicht bedarf.

19

Seine bisher entgegenstehende Rechtsprechung hat der 4. Senat des BAG (Urt. v. 21.4.1982 - 4 AZR 671/79 -, PB 1983, 193; 29.1.1986 - 4 AZR 279/84 -. AP Nr. 17 zu § 75 BPersVG; 18.5.1988 - 4 AZR 751/87 -, BAGE 58, 269, 282 [BAG 18.05.1988 - 4 AZR 751/87]; ebenso Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 75 RN 20) nunmehr ausdrücklich aufgegeben (Urt. v. 30.5.1990 - 4 AZR 74/90 -, PersR 1990, 270). Das für sie angeführte Argument, hier gehe es nur um die Korrektur einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB), durch die die tarifliche und vertragliche Position des Arbeitnehmers nicht berührt werden, überzeugte deshalb nicht, weil - entsprechend dem Fall der korrigierenden Höhergruppierung - auch hier die normvollziehende Feststellung, daß dem Arbeitnehmer eine niedrigere Vergütung als bisher angenommen zusteht, der Richtigkeitskontrolle seitens des Personalrats bedarf (Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl. § 75 RN 42 ff; Fischer/Goeres, a.a.O., RN 30). Die Feststellung des Arbeitgebers, daß die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe entspricht, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist, sondern den Tätigkeitsmerkmalen einer niedrigeren, ist danach stets eine mitbestimmungspflichtige Rückgruppierung. Darauf, aus welchem Anlaß diese Feststellung getroffen wird, kommt es nicht an; dies gilt insbesondere für die Korrektur einer nach Ansicht des Arbeitgebers fehlerhaften Eingruppierung (BAG, Beschl. v. 20.3.1990 - 1 ABR 70/89 -, PersR 1990, 238). Für diese Auffassung spricht auch, daß die Fragen, ob der Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag Anspruch auf Beschäftigung und Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe hat und ob seine bisherige Eingruppierung richtig oder falsch ist, arbeitsrechtlicher Natur sind und nicht in die Zuständigkeit der besonderen Spruchkörper für Personalvertretungssachen fallen; von ihrer Beantwortung kann deshalb der Bestand des Mitbestimmungsrechts nicht abhängen. Der Einwand, bei dieser Lösung könne sich der Personalrat selbst einer von den Arbeitsgerichten als sachlich zutreffend erkannten Korrektur widersetzen, greift nicht durch. Denn in einem solchen Falle wird eine verantwortungsbewußte Personalvertretung auch der zwangsläufigen Rückgruppierung ihre Zustimmung nicht versagen können.

20

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

21

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski
Minor
Lange
Haase
Olinski