Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 25.01.2006, Az.: 3 A 2936/05

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
25.01.2006
Aktenzeichen
3 A 2936/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44759
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2006:0125.3A2936.05.0A

Amtlicher Leitsatz

Rundfunkgebührenbefreiung ist im Einzelfall nach § 6 Absatz 3 RGebStV zu gewähren.

Ein besonderer Härtefall gemäß § 6 Absatz 3 RGebStV liegt bei Gewährung eines befristeten Zuschlags nach dem Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 24 SGB II auch dann nicht vor, wenn die Höhe dieses Zuschlags diejenige der Rundfunkgebühr unterschreitet.

Verfahren um Rundfunkgebührenbefreiung natürlicher Personen sind (weiterhin) gerichtskostenfrei.

Tatbestand:

1

Aus dem Entscheidungstext

2

Die Beteiligten streiten um die Befreiung des Klägers von der Rundfunkgebührenpflicht, von der er zuletzt bis einschließlich Mai 2005 befreit war.

3

Er beantragte unter dem 12. Mai 2005 bei der GEZ seine weitere Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht und legte dazu den Bescheid der Arbeitsgemeinschaft Oldenburg - Agentur für Arbeit Oldenburg / Stadt Oldenburg - über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 26. April 2005 vor, der den Leistungszeitraum vom 1. Mai 2005 bis 31. Oktober 2005 betrifft. In dem dazugehörigen Berechnungsbogen ist unter der Rubrik "befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld" für die Zeit von Mai bis Oktober 2005 ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 13,00 € ausgeworfen.

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Mit Bescheid vom 22. Juni 2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus, der Kläger gehöre nicht zum begünstigten Personenkreis oder habe dies nicht nachgewiesen. Der vorgelegte Nachweis bestätige nicht die erforderlichen Voraussetzungen. Die Befreiungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge nach § 24 des Zweiten Sozialgesetzbuches) seien nicht erfüllt. Andere Gründe, die eine Befreiung rechtfertigten, habe der Kläger nicht vorgetragen und seien auch nicht ersichtlich.

5

Darauf hat der Kläger am 18. Juli 2005 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er meint, sehr wohl die Voraussetzungen für eine Rundfunk- und Fernsehgebührenbefreiung zu erfüllen, da er Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) sei. Gegenüber dem Vorjahr, in welchem ihm Gebührenbefreiung gewährt worden sei, hätten sich seine Einkommensverhältnisse nicht wesentlich verändert, im Gegenteil bekomme er jetzt weniger Geld ausbezahlt. Dazu legt er den Folge-Bescheid des o.a. Sozialleistungsträgers vom 27. Oktober 2005 über die Gewährung von Leistungen im Zeitraum vom 1. November 2005 bis 30. April 2006 vor. Dort ist für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis 31. März 2006 (ebenfalls) der monatliche Bezug von 13,00 € als befristeter Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld ausgeworfen; für den Monat April 2006 beträgt dieser Zuschlag 8,23 €.

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Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, ihm Rundfunkgebührenbefreiung für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 30. April 2006 zu gewähren sowie den Bescheid des Beklagten vom 22. Juni 2005 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Der Beklagte tritt dem entgegen und beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er macht im wesentlichen geltend, die Härtefallvorschrift sei nicht anwendbar, und führt dazu umfassend, u.a. auch mit Blick auf die Rechtslage im Abgabenrecht und den dort geläufigen Begriff der Typengerechtigkeit, aus.

9

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Heftung (Beiakte A) verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg, § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Der angegriffene Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

11

Rechtlicher Anknüpfungspunkt für den geltend gemachten Anspruch ist der Rundfunkgebührenstaatsvertrag - RGebStV -, der für den Zeitraum ab 1. April 2005 anzuwenden ist (Gesetz zum 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 25. Februar 2005, Nds. GVBl. 2005, 61 - 72).

12

Ein Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht könnte sich allenfalls aus § 6 Abs. 3 RGebStV ergeben. Denn nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht, da er einen Zuschlag nach § 24 SGB II - befristeter Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld - erhält.

13

Gemäß § 6 Abs. 3 RGebStV kann der Beklagte unbeschadet der Gebührenbefreiung nach Abs. 1 in besonderen Härtefällen auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreien.

14

Diese Norm ist als Auffangtatbestand (vgl. hierzu weiteres Urteil der Kammer vom heutigen Tage - 3 A 3050/05 -) dem Grunde nach anwendbar.

15

Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 RGebStV liegen aber nicht vor, da ein besonderer Härtefall im Sinne der Norm in der Person des Klägers nicht gegeben ist.

16

1. Für die im Rahmen dieser Bestimmung durchzuführende Prüfung zieht die Kammer im ersten Schritt die für die allgemeinen Lebensumstände des Klägers als sachnah erscheinende Vergleichsgruppe aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV heran. Die typische Lebens- und Bedarfssituation der dort beschriebenen Gruppe (Empfänger von SGB II-Leistungen, die keinen Zuschlag nach § 24 SGB II erhalten) ist mit der Situation des Klägers im wesentlichen vergleichbar.

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2. Im zweiten Schritt ermittelt die Kammer für die aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV festgestellte Vergleichsgruppe den für ihren Bereich notwendigen Lebensbedarf anhand der maßgeblichen Fachgesetze unter Berücksichtigung der konkreten Lebenssituation desjenigen, der eine Härtefallregelung erstrebt. Hier ist für die Vergleichsgruppe aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV nach dem SGB II der Betrag, der sich in seinem Fall aus unterschiedlichen Bedarfspositionen ergibt, als für die Lebenssituation des Klägers notwendiger Bedarf unmittelbar aus den von ihm vorgelegten Leistungsbescheiden feststellbar. Ohne den umstrittenen Zuschlag sind monatlich als maßgeblicher Bedarf 769,00 € anzusetzen. Diesen Betrag überschreitet das tatsächliche Einkommen des Klägers um den Zuschlag nach § 24 SGB II.

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3. Die Kammer nimmt im dritten und letzten Schritt die Bewertung vor, ob - hier: dennoch - ein besonderer Härtefall vorliegt. Ein solcher ist i.d.R. anzunehmen bei einer nicht unerheblichen Unterschreitung des maßgeblichen Bedarfes, wie dieser zuvor ermittelt wurde, durch das tatsächlich zur Verfügung stehende Einkommen (vgl. Kammerurteil vom 25. Januar 2005 in der Parallelsache 3 A 3050/05). Hier überschreitet aber das tatsächlich zur Verfügung stehende Einkommen des Klägers sogar den Bedarfssatz. Es liegen auch keine besonderen Umstände des Einzelfalls vor, die in einer solchen Situation trotzdem eine besondere Härte begründen könnten. Zwar ist der Kläger in dem hier maßgeblichen Zeitraum als Rundfunkteilnehmer durch die monatliche Rundfunkgebühr rechnerisch mehr belastet als ein Rundfunkteilnehmer, der Leistungen nach dem SGB II ohne Zuschläge nach § 24 SGB II erhält. Sein verfügbares Einkommen vermindert sich gegenüber diesem um denjenigen Betrag der Rundfunkgebühr, der durch den Zuschlag nicht abgedeckt wird, hier also um 4,03 € in den Monaten Juni 2005 bis März 2006 (17,03 € abzüglich 13,00 €) und um 8,80 € im Monat April 2006 (17,03 € - 8,23 €). Es ist indessen nicht Aufgabe des § 6 Abs. 3 RGebStV, stets einen finanziellen Ausgleich zu bewirken bei denjenigen (bedürftigen) Rundfunkteilnehmern, für die ein Katalogtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV nicht eingreift. In den Fällen, in denen - wie hier - ein Empfänger von Leistungen nach dem SGB II (noch) Zuschläge nach Bezug von Arbeitslosengeld erhält, ist dies vielmehr regelmäßig und unabhängig von der Höhe dieser Zuschläge nicht geboten. Deren Bezug steht nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm einem Befreiungsanspruch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV einschränkungslos entgegen. Offenbar hat der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung die anspruchsvernichtende Wirkung des Zuschlags nicht auf diejenigen Teilbeträge begrenzen wollen, welche die monatliche Rundfunkgebühr (insgesamt 17,03 €) übersteigen. Grundsätzliche, etwa verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht. Auch andere (abgaben-) rechtliche Regelwerke sehen Belastungen vor, die nicht linear, sondern in Stufenschritten wirksam werden, so dass sie sich für die Betroffenen in gewissem Rahmen ungleich auswirken können. Das Ziel einer möglichst weitgehenden Einzelfallgerechtigkeit tritt in diesen Fällen teilweise zurück hinter den Gedanken der Praktikabilität. Der dem Landesgesetzgeber insoweit eröffnete Gestaltungsrahmen ist hier nicht überschritten. Betroffene wie der Kläger werden nicht derart stark belastet, dass ein Ausgleich im Rahmen des § 6 Abs. 3 RGebStV geboten wäre. Gegen ein solches Erfordernis spricht zunächst, dass die Gewährung des Zuschlags nach § 24 Abs. 2 SGB II tatsächlich einen finanziellen Vorteil für den Empfänger bewirkt. Er steht - in individuell unterschiedlicher Höhe, vorübergehend und mit zeitlichem Fortschritt der Höhe nach abnehmend - objektiv besser da als ohne den Zuschlag, über den er auch frei verfügen kann. In der Regel ist der Zuschlag deutlich höher als die Rundfunkgebühr. Ist dies in Ausnahmefällen - wie hier - nicht oder nicht mehr der Fall, so relativiert sich die Härte durch die zeitliche Beschränkung der Gewährung des Zuschlags. Sobald er wegfällt, greift § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV ein.

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Im Falle des Klägers ist der verbleibende Differenzbetrag für den größten Teil des hier in Rede stehenden Beurteilungszeitraums mit 4,03 € monatlich auch denkbar gering; selbst für den Monat April 2006 erreicht er nur etwa die Hälfte der monatlichen Rundfunkgebühr. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II auch geringere Belastungen spürbar auswirken können. Es hat deshalb auch Verständnis für den Unmut des Klägers über die Auswirkungen der Regelung in seiner derzeitigen Situation. Bei der beschriebenen Gesetzeslage käme die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 6 Abs. 3 RGebStV aber nur in Betracht, wenn sich die von ihm so empfundene Mehrbelastung in seinem Fall auch konkret in unzumutbarer Weise auswirken würde. Für eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne sieht die Kammer indessen keine Anhaltspunkte.

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Die Kammer hält die Voraussetzungen von § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO für erfüllt.