Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 21.02.2005, Az.: L 4 KR 138/03

Abgrenzung; Art; Federholz-Lattenrost; Gebrauchsgegenstand; Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens; gesetzliche Krankenversicherung; Hersteller; Hilfsmittel; Kostenerstattung; Krankenkasse; Krankenversicherung; motorgetriebener Federholz-Lattenrost; selbstbeschaffte Leistung; tägliches Leben; unaufschiebbare Leistung; Unerheblichkeit; Vermarktungsweg; zu Unrecht

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.02.2005
Aktenzeichen
L 4 KR 138/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 51081
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 23.05.2003 - AZ: S 1 KR 144/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein motorgetriebener Federholz-Lattenrost ist ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens und deshalb kein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung der Kosten für einen motorbetriebenen Federholz-Lattenrost.

2

Der im Dezember 1945 geborene Kläger leidet an einem Wirbelsäulen-Verschleiß mit Neuralgien, einer therapieresistenten Polyarthrose sowie an einem chronischen Schmerzsyndrom. Die Pflegeversicherung hat einen Hilfebedarf im Umfang der Pflegestufe I anerkannt. Im Februar 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für einen motorbetriebenen Federholz-Lattenrost, der ihm von dem Facharzt für Allgemeinmedizin C. verordnet worden war. Der Federholz-Lattenrost sollte nach dem Kostenvoranschlag der Firma Karstadt „Motorrahmen 3-Motorig Hülsta High-Flex 90/200“ 1.799,- DM kosten.

3

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheiden vom 24. März und 4. August 1999 ab, weil das beantragte Hilfsmittel medizinisch nicht notwendig sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 13. September 2000 mit der weiteren Begründung zurück, dass es sich bei dem beanspruchten motorbetriebenen Lattenrost, den der Kläger im Mai 2000 selbst beschaffte, um einen handelsüblichen Lattenrost, mithin um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele.

4

Das Sozialgericht (SG) Stade hat die hiergegen erhobene Klage durch Urteil vom 23. Mai 2003 abgewiesen. Die Erstattung der Kosten für den bereits angeschafften motorbetriebenen Federholz-Lattenrost könne der Kläger nicht beanspruchen, weil die Beklagte die Übernahme der Kosten nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Dies beruhe darauf, dass es sich dabei um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele.

5

Gegen dieses ihm am 12. Juni 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Juni 2003 Berufung eingelegt. Er sei inzwischen in einem solchen Ausmaß pflegebedürftig, dass er die Pflegestufe II beantragt habe. Er sei als Schwerbehinderter anerkannt und beziehe Erwerbsunfähigkeitsrente. Ohne den elektrisch betriebenen Lattenrost könne er selbst mit fremder Hilfe nicht aus dem Bett kommen.

6

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

7

1. das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 23. Mai 2003 sowie die Bescheide der Beklagten vom 24. März 1999 und 4. August 1999 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2000 aufzuheben;

8

2. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für den motorbetriebenen Lattenrost in Höhe von 919,81 € zu erstatten.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie hält das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

13

II. Der Senat konnte über die gemäß §§ 143 und 144 Abs. 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

14

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist - nachdem das Hilfsmittel nach Bescheidablehnung durch die Beklagte bereits beschafft und von dem Versicherten bezahlt wurde - § 13 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in der hier noch anzuwendenden alten Fassung. Diese Vorschrift lautete:

15

Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Voraussetzung 1) oder hat sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt (Voraussetzung 2) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

16

Die Beklagte hat die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt.

17

Nach § 33 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Sozialgesetzbuch -Fünftes Buch- (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Ein Hilfsmittel ist nach der Rechtsprechung des BSG nur dann “erforderlich“, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dazu gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppen steigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) und zum anderen die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfasst. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation und mit Hilfe des von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittels wieder aufschließen soll (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 SGB V Nr 31, Seite 185 mwN).

18

Der von dem Kläger begehrte motorbetriebene Lattenrost ist ein bereits gesetzlich ausgeschlossener allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Die Krankenversicherung deckt nur den Sonderbedarf von Kranken und Behinderten ab. Hingegen ist ein Gegenstand, mag er auch Kranken und/oder Behinderten - wie dem Kläger - in hohem Maße helfen, nicht als Hilfsmittel der Krankenversicherung zu gewähren, wenn er schon von seiner Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und/oder Behinderte gedacht ist (st Rspr des BSG, vgl Urteil vom 16. September 1999, B 3 KR 1/99 R, BSGE 84, 266, 268f = SozR 3-2500 § 33 Nr 33 - Luftreinigungsgerät II -), wie das hier der Fall ist. Lattenroste mit veränderbarer Liegeposition werden auch für Gesunde hergestellt sowie von diesen gekauft und benutzt. Sie werden von Möbel- und Kaufhäusern vertrieben. So hat der Kläger einen Kostenvoranschlag für den von ihm angeschafften Lattenrost von der Firma Karstadt vorgelegt. Dass Lattenroste mit ähnlichem oder sogar demselben Funktionsspektrum auch von Reha-Herstellern angeboten und dabei werbend als "medizinische Hilfsmittel" bezeichnet werden, spielt demgegenüber keine Rolle; auch diese Lattenroste sind als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens einzuordnen, weil es nicht auf die Art des Herstellers und den konkreten Vermarktungsweg ankommt (vgl. BSG aaO).

19

Nach allem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

21

Es hat keine Veranlassung bestanden, die Revision zuzulassen.