Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 09.03.2005, Az.: L 3 KA 258/04 ER
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 09.03.2005
- Aktenzeichen
- L 3 KA 258/04 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 42596
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2005:0309.L3KA258.04ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 02.06.2004 - AZ: S 31 KA 53/04 ER
In dem Rechtsstreit
...
hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
am 09. März 2005 in Celle
durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Dr. Günniker,
den Richter am Landessozialgericht Dr. Pfitzner und
den Richter am Landessozialgericht Pilz
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 02. Juni 2004 wird aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2001 wird angeordnet.
Die Aufhebung der Vollziehung dieses Bescheides wird mit der Maßgabe angeordnet, dass die Antragsgegnerin den Betrag von 3 266,24 € bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig an die Antragstellerin zu zahlen hat.
Die Kosten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auf 816,56 € festgesetzt.
GRÜNDE:
I.
Die Antragstellerin ist die Witwe des am 02. März 2002 verstorbenen C.. Dieser war als Zahnarzt niedergelassen und nahm an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Mit "endgültigem Bescheid über die HVM relevanten Honorare für 1996" vom 14. Dezember 2001 stellte die Antragsgegnerin die Summe seiner Abrechnungsergebnisse für dieses Honorarjahr mit 243 621,50 DM fest. Den Jahreshonoraranspruch setzte sie auf der Grundlage ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) für 1996 auf 229 666,55 DM fest. Da nach den vorangegangenen vorläufigen Quartalsbescheiden ursprünglich höhere Honorarzahlungen zur Auszahlung gekommen waren, forderte die Antragsgegnerin außerdem einen Betrag von 6 388,21 DM (= 3 266,24 €) zurück. In Höhe dieses Betrages belastete sie das Honorarkonto des Vertragszahnarztes zum Quartalsabschluss III/2001. Gegen den Honorarbescheid legte der Vertragszahnarzt am 04. Januar 2002 Widerspruch ein, über den die Antragsgegnerin bislang nicht entschieden hat.
Am 12. Januar 2004 hat die Antragstellerin vor dem Sozialgericht (SG) Hannover um einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel nachgesucht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs sowie eine Kontogutschrift in Höhe des Rückforderungsbetrages anzuordnen. Es sei ihr nicht zuzumuten, auch nur einen weiteren Tag auf ihr zustehendes Honorar zu verzichten, zumal sie bereits jetzt einen Zinsverlust in beträchtlicher Höhe erleide.
Mit Beschluss vom 02. Juni 2004 hat das SG den Antrag zurückgewiesen, weil sich die Antragstellerin trotz mehrfacher Erinnerungen nicht als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes legitimiert habe.
Gegen den ihr am 05. Juni 2004 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 21. Juni 2004 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Sie legt nunmehr die Fotokopie eines von ihr und ihrem Ehemann unter dem 31. Januar 2002 unterzeichneten "Gemeinschaftlichen Testaments" vor, das am 16. April 2002 vor dem Amtsgericht Hannover eröffnet worden ist und in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Erben eingesetzt haben.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
- 1.
den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 02. Juni 2004 aufzuheben,
- 2.
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2001 anzuordnen,
- 3.
die Aufhebung der Vollziehung dieses Bescheides mit der Maßgabe anzuordnen, dass die Antragsgegnerin den Betrag von 3 266,24 € bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig an sie auszahlt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin möge die beglaubigte Abschrift eines Erbscheins vorlegen. Die Fotokopie eines Testaments beweise nicht die Erbfolge; es frage sich, woraus sich für das Gericht ergeben solle, dass nicht nach dem 31. Januar 2002 weitere Testamente errichtet worden sind.
Gründe
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Antragstellerin war vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren.
Ihr Antrag ist gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Honorarbescheid vom 14. Dezember 2001 ist durch § 85 Abs. 4 Satz 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausgeschlossen.
Der Antrag ist auch begründet.
Die Antragstellerin ist Inhaberin der aus der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes verbliebenen Honoraransprüche; denn sie hat gemäß § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) allein dessen Rechtsnachfolge angetreten. Dies hat sie im Beschwerdeverfahren durch Vorlage der Kopie des handschriftlichen "Gemeinschaftlichen Testaments" vom 31. Januar 2002 glaubhaft gemacht. Zwar wird der Nachweis der Rechtsnachfolge in gerichtlichen Verfahren am verlässlichsten durch Vorlage eines Erbscheins erbracht; er ist jedoch auch in anderer Weise möglich (Edenhofer in: Palandt, BGB, 64. Aufl., § 2353 Rd. Nr. 5). Der Senat hat angesichts des Testaments vom 31. Januar 2002, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Erben eingesetzt haben, keine Zweifel daran, dass die Antragstellerin Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes geworden ist. Denn dafür, dass später noch ein anders lautendes Testament erstellt worden ist, fehlt angesichts des kurz danach - am 02. März 2002 - eingetretenen Todes des Vertragszahnarztes jeder Anhaltspunkt.
Die Rechtmäßigkeit des dem Zahnarzt bekannt gegebenen Bescheides vom 14. Dezember 2001 unterliegt erheblichen Zweifeln. In Hinblick auf die Honorarverteilung für das Jahr 1997 hat der Senat bereits rechtskräftig entschieden, dass die diesbezüglichen Verwaltungsakte der Beklagten u.a. deshalb rechtswidrig sind, weil der zu Grunde liegende HVM 1997 den Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung der Gesamtvergütung verletzt Urteile vom 25. Juni 2003 - L 3 KA 348/02 u.a.). Da der hier streitige HVM 1996 dem für das Jahr 1997 beschlossenen im Wesentlichen gleicht, gilt entsprechendes auch für das Honorarjahr 1996. Die Antragsgegnerin bereitet zwar gegenwärtig auf der Grundlage eines neuen HVM eine Neubescheidung ihrer Mitglieder vor; solange diese nicht erfolgt ist, bleiben die bisherigen -rechtswidrigen- Bescheide aber alleinige Rechtsgrundlage der Rückforderung, die deshalb ebenfalls rechtswidrig ist.
Auch die in Fällen der vorliegenden Art erforderliche wirtschaftliche Bedeutung des Rückforderungsbetrages (vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom 15. Januar 2003, Breithaupt 2003, 265, 268) liegt vor. Diese ist bei einem Betrag ab ca. 2 500,00 € im Honorarjahr zu bejahen, der durch den vorliegend umstrittenen Rückforderungsbetrag von 3 266,24 € überschritten wird.
Da die Rückforderung durch die Belastung des Honorarkontos des Vertragszahnarztes mit einem entsprechenden DM-Betrag zum Quartalsabschluss III/2001 bereits vollzogen worden ist, hat der Senat im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung auf entsprechenden Antrag der Antragstellerin gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung in der Weise angeordnet, dass dieser Betrag an die Antragstellerin vorläufig auszuzahlen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 3 entsprechend Gerichtskostengesetz (GKG) a.F.. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einem Viertel des im Hauptsacheverfahren maßgeblichen Streitwertes.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).