Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 10.07.2007, Az.: L 8 SO 143/07 ER

Anspruch eines in der Haushaltsgemeinschaft seiner Eltern lebenden behinderten Menschen auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung über den Regelsatz eines Haushaltsangehörigen hinaus; Gleichheitswidriger Verstoß gegen § 20 Abs. 2a Sozialgesetzbuch II (SGB II) wegen Regelung eines höheren Regelsatzes für eine über 25- jährige erwerbsfähige Hilfebedürftige

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
10.07.2007
Aktenzeichen
L 8 SO 143/07 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 36021
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0710.L8SO143.07ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 20.04.2007 - AZ: S 53 SO 120/07 ER

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 20. April 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

1

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 20. April 2007 ist nicht begründet. Das SG hat in diesem Beschluss zutreffend dargelegt, dass der Antragsteller, der als behinderter Mensch in Haushaltsgemeinschaft mit seinen Eltern lebt und u.a. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit dem Regelsatz für einen Haushaltsangehörigen erhält, höhere Leistungen nicht erhalten kann, insbesondere nicht den Regelsatz für einen Haushaltsvorstand in Höhe von 345,00 EUR. Der Senat verweist daher zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Beschlussgründe, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.

2

Die Beschwerdebegründung bietet keinen Anlass, von der sozialgerichtlichen Entscheidung abzuweichen. Der im Juni 1974 geborene Antragsteller ist anspruchsberechtigt für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den §§ 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII umfassen die Leistungen den für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII. Danach wird der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarf nach den §§ 30 bis 34 SGB XII nach Regelsätzen erbracht. In § 3 Regelsatzverordnung wird bestimmt, dass die Regelsätze für den Haushaltsvorstand und für sonstige Haushaltsangehörige festzusetzen sind. Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand beträgt 100 vom Hundert des Eckregelsatzes; der Regelsatz für sonstige Haushaltsangehörige beträgt ab Vollendung des 14. Lebensjahres 80 vom Hundert des Eckregelsatzes, § 3 Abs. 2 Nr. 2 Regelsatzverordnung. Die Höhe des Regelsatzes für Haushaltsvorstände oder Alleinstehende (Eckregelsatz) betrug ab 1. Januar 2005 345,00 EUR monatlich (Verordnung vom 25. Januar 2005, Niedersächsisches GVBl 2005, Seite 43; Verordnung vom 23. August 2005, Niedersächsisches GVBl 2005, Seite 275; Verordnung vom 25. Oktober 2006, Niedersächsisches GVBl 2006, Seite 465). Der Regelsatz für einen Haushaltsangehörigen ab Vollendung des 14. Lebensjahres beträgt demnach 276,00 EUR (80 vom Hundert des Regelsatzes von 345,00 EUR). Dieser Regelsatz von 276,00 EUR für einen Haushaltsangehörigen ab Vollendung des 14. Lebensjahres steht dem Antragsteller zu (der seit dem 1. Januar 2005 in seiner Bedarfsberechnung eingestellt wird), nicht dagegen der Regelsatz für den Haushaltsvorstand, weil der Antragsteller kein Haushaltsvorstand im Sinne des § 3 Abs. 1 Regelsatzverordnung ist. Als Haushaltsvorstand ist die Person anzusehen, die nach ihrer Stellung in der Haushaltsgemeinschaft für die Generalkosten der gemeinsamen Haushaltsführung aufzukommen hat (vgl W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 3 Regelsatzverordnung Rdnr 5). Da der Antragsteller in Haushaltsgemeinschaft mit seinen Eltern wohnt, ist als Haushaltsvorstand in diesem Sinne entweder der Vater oder die Mutter anzusehen. Auch der Antragsteller selbst scheint nicht ernsthaft davon auszugehen, dass er als Haushaltsvorstand im Sinne der sozialhilferechtlichen Vorschriften anzusehen ist.

3

Sein Einwand zielt daher im Wesentlich auf eine seines Erachtens gleichheitswidrige Benachteiligung zum vergleichbaren Personenkreis des Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Die insoweit maßgebliche Regelung in § 20 Abse 2 und 2a SGB II unterscheidet bei der Festlegung der Leistungshöhe nicht zwischen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen. Nach § 20 Abs. 2 SGB II beträgt die monatliche Regelleistung für Personen, die allein stehend oder allein erziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, 345,00 EUR. Die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft beträgt 80 vom Hundert der Regelleistung nach Satz 1. Diese Regelung allein bedeutet noch kein Unterschied zum Regelsatz in der Sozialhilfe.

4

Einen gleichheitswidrigen Verstoß will der Antragsteller aus § 20 Abs. 2a SGB II herleiten. Danach erhalten Personen abweichend von Abs. 2 Satz 1 SGB II, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a umziehen) bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 80 vom Hundert der Regelleistung. Hieraus wird geschlossen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige ab dem 25. Lebensjahr die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 100 vom Hundert - also 345,00 EUR - erhalten (vgl Brünner in Lehr- und Praxiskommentar - SGB II, 2. Aufl. 2007, § 20 Rdnr 17).

5

Dies wird mit dem Wortlaut der Regelung begründet. Denn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger ab dem 25. Lebensjahr gehöre nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 SGB II; damit sei davon auszugehen, dass auch Personen, die in einem Haushalt leben, die aber keine Bedarfsgemeinschaft bilden, jeweils allein stehend im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II seien (vgl Schmidt in Oestreicher, Kommentar zum SGB XII/SGB II, Loseblattsammlung Stand September 2006, § 20 SGB II Rdnr 38; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2006 - L 8 AS 4364/05 - Revision anhängig beim BSG - B 7b AS 6/06 R -; siehe auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. September 2006 - L 7 SO 5536/05 - Breithaupt 2007, 329 - zur Bildung eines Mischregelsatzes).

6

Sofern es sich beim Antragsteller um einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen handelte, erhielte er - bei einer vergleichbaren Wohnkonstellation - auf der Grundlage des Gesetzeswortlautes und der dazu angenommenen Rechtsansicht nicht nur den Regelsatz für einen Haushaltsangehörigen, sondern den Regelsatz für einen Alleinstehenden, also 345,00 EUR monatlich. Hieraus will der Antragsteller einen beachtenswerten Gleichheitsverstoß herleiten. Dem ist nicht zu folgen.

7

Der Antragsteller verkennt, dass für den Bereich des SGB XII - der Sozialhilfe - das unter Geltung des BSHG angewandte Regelsatzsystem übernommen wurde, also die in der Regelsatzverordnung niedergelegte Haushaltsvorstandslösung. Dieses System hat der Gesetzgeber für den Bereich des SGB II nicht übernommen. Er hat hier in § 20 SGB II eine eigenständige Regelung getroffen, in welcher Höhe die Regelleistung für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu bestimmen ist. Es sind keine durchgreifenden Gesichtspunkte ersichtlich, wonach beide Sozialleistungsbereiche in dieser Hinsicht gleich und übereinstimmend geregelt werden müssen. Insbesondere muss berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem SGB II für erwerbsfähige Hilfebedürftige gedacht sind; zu diesem Personenkreis gehört der Antragsteller nicht. Selbst wenn zugunsten des Antragstellers ein Gleichheitsverstoß unterstellt werden sollte, folgt daraus nicht zwingend die Gewährung des vollen Regelsatzes. Denn der Gesetzgeber könnte den - unterstellten - Gleichheitsverstoß auch in der Weise bereinigen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige ab dem 25. Lebensjahr der Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 SGB II zugeordnet werden.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 193 SGG. Da der Antragsteller unterliegt, trägt er seine außergerichtlichen Kosten selbst.

9

Gerichtskosten werden in Verfahren dieser Art nicht erhoben.

10

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bleibt erfolglos, weil sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, dass für dieses Begehren keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung.

11

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.