Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 16.07.2007, Az.: L 13 SO 26/07 ER

Verpflichtung eines Sozialhilfeträgers zur Übernahme der Kosten für eine Räumung und Auszugsrenovierung einer früheren Wohnung eines nunmehr pflegebedürftigen Leistungsempfängers

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
16.07.2007
Aktenzeichen
L 13 SO 26/07 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 51328
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0716.L13SO26.07ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 10.04.2007 - AZ: S 2 SO 54/07 ER

Fundstellen

  • ZfF 2009, 86-87 (Volltext mit red. LS)
  • info also 2009, 144

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. April 2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sich diese gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Oldenburg vom 10. April 2007 wendet, in dem sie im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem Vorbehalt der Rückforderung verpflichtet worden ist, die Kosten für die Räumung und Auszugsrenovierung der früheren Wohnung der Antragstellerin in der F. in G. zu übernehmen, bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das SG Oldenburg die Antragsgegnerin verpflichtet, sowohl die Kosten der Auszugsrenovierung für die frühere Wohnung (hierzu 1.) als auch die Kosten für die Räumung der Wohnung (hierzu 2.) vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu übernehmen.

2

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen Beschluss und macht sich diese zu eigen (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

3

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

4

1.

Die Antragsgegnerin gewährt der Antragstellerin seit dem 1. Januar 2003 Leistungen der Grundsicherung. Vor ihrer Aufnahme in das Pflegeheim, H. G., die am 7. Februar 2007 erfolgte, berücksichtigte die Antragsgegnerin bei der Gewährung der Grundsicherungsleistungen gemäß §§ 41 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - auch Kosten der Unterkunft für die frühere Wohnung der Antragstellerin in der F. (vgl. Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 27. November 2006). Der Anspruch auf die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung ergibt sich aus § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 29 SGB XII. Zutreffend weist das SG in dem angefochtenen Beschluss vom 10. April 2007 darauf hin, dass zu diesen Unterkunftskosten auch die hier strittigen notwendigen Auszugsrenovierungskosten gehören. Kosten der Unterkunft i.S.v. § 29 Abs. 1 SGB XII sind nicht nur laufende Kosten, sondern auch einmalige Aufwendungen, die mit Bezug, Unterhaltung und Wechsel der Unterkunft zusammenhängen (ebenso: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2006, L 7 SO 4415/05 Rz. 23, zit. nach [...]). Die Kosten einer Auszugsrenovierung sind im Rahmen der Grundsicherung jedenfalls dann zu erstatten, wenn der Hilfeempfänger hierzu mietvertraglich verpflichtet ist und der Wechsel in eine andere Wohnung unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Kosten notwendig war (LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die am 2. Mai 1948 geborene Antragstellerin leidet nach einem Schlaganfall im Jahre 2001 an einem Multiinfarkt-Syndrom bei bestehender vasculärer Encephalopathie, arterieller Hypertonie, diabetischer Polyneuropathie sowie Herzrhythmusstörungen bei Zustand nach Herzschrittmacherimplantation und Zustand nach Nephrektomie rechts. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 teilte Dr. W., Praktischer Arzt, mit, dass die medikamentöse Behandlung - Insulin 2-mal pro Tag, Blutzuckerwertbestimmungen und generelle Pflege auf Dauer durch die Antragstellerin selbst nicht mehr sichergestellt sei. Aus diesen Gründen erfolgte dann zum 7. Februar 2007 die Aufnahme der Antragstellerin im Pflegeheim H. G ... Die Antragstellerin war somit nach Kenntnisstand des Gerichts in diesen Eilverfahren aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, in der früheren Unterkunft F. weiter zu wohnen. Dies wird von der Antragsgegnerin auch nicht bestritten. Die Antragsgegnerin gewährt der Antragstellerin vielmehr seit dem 1. März 2007 Hilfe zur Pflege in Einrichtungen nach § 61 ff. SGB XII (vgl. Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Februar 2007). Nach derzeitigem Kenntnisstand des Gerichts ist die Antragstellerin auch mietvertraglich verpflichtet, die streitgegenständlichen Kosten der Auszugsrenovierung für die frühere Wohnung zu übernehmen. Gemäß § 2 Ziffer 5 a des Mietvertrages vom 12. März 1998 war die Antragstellerin verpflichtet, die Schönheitsreparaturen gemäß Nrn. 4 und 11 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB) auszuführen. Gemäß Nr. 11 Abs. 3 AVB sind die nach Nr. 4 Abs. 2 AVB fälligen Schönheitsreparaturen rechtzeitig vor Beendigung des Mietverhältnisses nachzuholen. Der konkrete Umfang der mietvertraglich geschuldeten Renovierungsmaßnahmen ergibt sich hier aus dem Vorabnahmeprotokoll der I. vom 6. März 2007. Letztlich haben die streitgegenständlichen Kosten der Auszugsrenovierung ihre Ursache darin, dass die Antragstellerin es offensichtlich unterlassen hat, während der Mietdauer die mietvertraglich vereinbarten Schönheitsreparaturen regelmäßig durchzuführen. Es handelt sich also um "Folgekosten" wegen nachträglicher Ausführung der Schönheitsreparaturen. Die Kosten für Schönheitsreparaturen waren jedoch nicht im Regelsatz enthalten. Daher gehören auch Kosten einer Auszugsrenovierung, die wegen der verspäteten Ausführung der Schönheitsreparaturen entstanden sind, zu den Kosten der Unterkunft im Sinne von § 29 Abs. 1 SGB XII (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2006, a. a. O, Rz. 24). Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass vorliegend die mietvertraglichen Vereinbarungen über die Durchführung von Schönheitsreparaturen unwirksam seien mit der Folge, dass diese Leistungen nicht geschuldet seien. Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23. Juni 2004 (VIII ZR 361/03, NJW 2004, S 2586) entschieden, dass eine starre Fristenregelung im Hinblick auf die Durchführung von Schönheitsreparaturen unwirksam ist. Eine derartige Formularklausel stelle eine unangemessene Benachteiligung (des Mieters) i.S.v. § 307 BGB dar und verstoße zudem gegen § 309 Nr. 5 BGB analog. Denn im Einzelfall habe eine solche Klausel zur Folge, dass der Mieter Schönheitsreparaturen unabhängig vom tatsächlichen Renovierungsbedarf auszuführen hat (BGH a.a.O.; Palandt, BGB-Kommentar, 65. Auflage 2006, § 535 Rdn. 47). Allerdings liegt eine starre Fristenregelung erst dann vor, wenn die Schönheitsreparaturen zu einem fixen Endzeitpunkt ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache zu erbringen sind. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin vermag der Senat vorliegend nicht von einer "starren" Fristenregelung auszugehen. Die Regelung in Nr. 4 Abs. 3 AVB lässt ausdrücklich eine Verlängerung und (Verkürzung) der in Nr. 4 Abs. 2 AVB genannten Fristen für die Durchführung der Schönheitsreparaturen bei bestimmten Umständen zu. Hierdurch soll erkennbar den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall Rechnung getragen werden. Eine abschließende Bewertung muss allerdings dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Der Antragstellerin ist es aber nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens zunächst abzuwarten.

5

2.

Der angefochtene Beschluss des SG Oldenburg vom 10. April 2007 ist auch insoweit rechtlich nicht zu beanstanden, als die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zur Übernahme der Räumungskosten der früheren Wohnung verpflichtet worden ist. Auch die hier streitgegenständlichen Räumungskosten sind nicht vom Regelsatz erfasst, sondern vielmehr den Kosten der Unterkunft im Sinne von § 29 Abs. 1 SGB XII zuzuordnen. Ebenso wie die Kosten einer Auszugsrenovierung stellen auch die Räumungskosten einmalige Aufwendungen dar, die mit dem Wechsel der Unterkunft zusammenhängen. Zwar gilt auch insoweit der Nachranggrundsatz des § 2 SGB XII, wonach grundsätzlich der Hilfeempfänger gehalten ist, die Räumung der Wohnung selbst bzw. mit Hilfe von Freunden und Bekannten durchzuführen. Nach Aktenlage bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Möglichkeit hier in Betracht kam. Allein der oben dargestellte Gesundheitszustand und die Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin sprechen gegen der Möglichkeit der Selbsthilfe. Auch ist der Betreuer nicht verpflichtet, selbst die Räumung der Wohnung durchzuführen. Nach der vorliegenden Bestellungsurkunde des Amtsgerichts G. umfasst der Aufgabenkreis des Betreuers der Antragstellerin u.a. "Entscheidung über die Unterbringung" sowie "Wohnungsangelegenheiten". Dies bedeutet aber nur, dass der Betreuer den Betroffenen in diesen Aufgabenkreisen gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Da es sich im Übrigen offensichtlich um einen notwendigen Umzug in das Pflegeheim handelte, wäre die Antragsgegnerin wohl auch verpflichtet gewesen, die notwendigen Umzugskosten zu übernehmen. Nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin scheiterte ein Umzug nur daran, dass die Antragstellerin nur wenige persönliche Gegenstände mit in das Pflegeheim mitnehmen konnte. In dem hier vorliegenden Fall sind "Umzugskosten" also auch Kosten der Räumung und Entsorgung in der alten Wohnung vorhandener Möbel und Geräte.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

7

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).