Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 11.07.2007, Az.: L 2 R 341/07 ER

Verrechnung von Beitragsforderungen (Gesamtsozialversicherungsbeiträge) einer Krankenkasse mit laufenden Rentenzahlansprüchen; Nachweis einer Hilfebedürftigkeit i.S.d. Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII); Reichweite des Verbots des § 93 Insolvenzordnung (InsO); Begriff der Anforderung von Beiträgen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
11.07.2007
Aktenzeichen
L 2 R 341/07 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 37041
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0711.L2R341.07ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 18.05.2007 - AZ: S 13 R 548/06 ER

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Rentenversicherungsträger kann die laufenden Rentenzahlansprüche des Versicherten mit Beitragsansprüchen der Krankenkasse bis zur Hälfte verrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch (sozial-) hilfebedürftig wird. Dieser Nachweis geht bei der summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren fehl, wenn nach der Aktenlage bereits durchgreifende Zweifel daran bestehen, dass der Leistungsberechtigte seine Einkommensverhältnisse umfassend und vollständig dargelegt hat, weil sich aus den vorgelegten Kontounterlagen ergibt, dass anderweitige finanzielle Mittel existieren, mit denen der allgemeine Lebensunterhalt bestritten wird.

  2. 2.

    § 93 InsO schränkt nicht die Verrechnungsmöglichkeiten der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I ein, wenn die Verrechnung unterhalb des Pfändungsfreibetrags erfolgt.

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Mai 2007 wird aufgehoben.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erhält von der Antragsgegnerin eine Rente in Höhe von monatlich 445,29 EUR netto. Er wendet sich dagegen, dass die Antragsgegnerin seit Januar 2007 von diesen monatlichen Rentenbezügen jeweils 185 EUR nach §§ 51, 52 SGB I zur Tilgung von Beitragsforderungen der zu 2. beigeladenen Krankenkasse einbehält.

2

Der Antragsteller war persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG), die insolvent geworden ist. Zum Insolvenzverwalter der KG ist der Beigeladene zu 1. bestellt worden.

3

Die KG - und damit auch der Antragsteller als persönlich haftender Gesellschafter - schulden der Beigeladenen zu 2. Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Monate Februar und März 2002 in einer Gesamthöhe von 6.821,55 EUR.

4

Die Beigeladene zu 2. forderte die Antragsgegnerin auf, diese Beitragsrückstände mit den Rentenansprüchen des Antragstellers zu verrechnen. Diesem Ersuchen entsprach die Antragsgegnerin nach vorheriger Anhörung des Antragstellers mit Bescheid vom 10. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 hinsichtlich der Verrechnung eines monatlichen Teilbetrages von 185 EUR. Dieser wird seit Januar 2007 von der Rente des Antragstellers einbehalten; der einbehaltene Betrag wird einem Verwahrkonto gutgeschrieben. Dies bedeutet, dass von dem o.g. Nettorentenbetrag von monatlich 445,29 EUR seit Januar 2007 unter Berücksichtigung des Einbehalts monatlich nur noch 260,29 EUR an den Antragsteller überwiesen werden.

5

Der Antragsteller verfügt über Grundvermögen, das allerdings "wertüberschreitend" belastet sein soll. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 machte die I. Sparkasse gegen den Antragsteller Forderungen in Höhe von rund 4,5 Millionen EUR geltend.

6

Neben der o.g. Rente bezieht der Antragsteller als ehemaliges Mitglied eines Landesparlaments eine Altersentschädigung in Höhe von monatlich 233 EUR. Seine Ehefrau erhält aus einer Teilzeittätigkeit monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von ca. 650 EUR.

7

Der Antragsteller hat seine Klage vom 4. Dezember 2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage verbunden.

8

Mit Beschluss vom 18. Mai 2007, der Antragsgegnerin zugestellt am 22. Mai 2007, hat das Sozialgericht Lüneburg festgestellt, dass insbesondere die Klage vom 4. Dezember 2006 aufschiebende Wirkung entfalte. Zugleich hat es die Aufhebung der Vollziehung angeordnet. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die streitige Verrechnung verstoße gegen § 93 InsO. Zum Schutz der anderen Gläubiger der KG sei es erforderlich, die Verrechnung zu unterbinden. Darüber hinaus sei die Verrechnung auch aus dem Grunde rechtswidrig, weil aufgrund ihrer der Antragsteller und seine Ehefrau hilfebedürftig im Sinne des SGB XII bzw. des SGB II würden.

9

Mit der am 19. Juni 2007 eingelegten Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, dass der von der Verrechnung betroffene Teil der Renteneinkünfte des Antragstellers unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen ohnehin nicht dem Zugriff der anderen Gläubiger der KG offen stehe. Unter Berücksichtigung von monatlichen Gesamteinkünften in Höhe von 1.330 EUR verblieben dem Antragsteller und seiner Ehefrau auch nach Abzug der einbehaltenen 185 EUR mehr als der sozialhilferechtlich notwendige Betrag zum Lebensunterhalt.

10

Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten und hat auf Aufforderung des Senates ergänzende Unterlagen zu seinen finanziellen Verhältnissen vorgelegt.

11

Die Beigeladenen haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

13

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg, so dass er unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses abzulehnen ist.

14

Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen eine Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Klage des Antragstellers vom 4. Dezember 2006 weist nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung auf, da die angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin die Anforderung von Beiträgen im Sinne dieser Vorschrift betreffen. Eine "Anforderung" in diesem Sinne erfasst nicht nur das Geltendmachen einer Geldforderung, sondern darüber hinaus auch alle weiteren Verwaltungsakte, die zur Realisierung eines behördlichen Anspruchs auf öffentliche Abgaben ergehen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86a, Rn. 13). Zu solchen Realisierungsakten zählen auch Verrechnungen nach § 52 SGB I.

15

Der Senat sieht jedoch unter Abwägung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls keinen Anlass, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 anzuordnen. Es überwiegen die öffentlichen Interessen der Antragsgegnerin an der alsbaldigen Umsetzung der angefochtenen Bescheide, da nach derzeitigem Sach- und Streitstand keine ernsthaften Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide ersichtlich sind.

16

1.

Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger, wie im vorliegenden Fall die Antragsgegnerin hinsichtlich der Rentengewährung, mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers (wie vorliegend der Beigeladenen zu 2.) dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist.

17

Gemäß § 51 Abs. 2 SGB I darf der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen, wie sie vorliegend von der Beigeladenen zu 2. geltend gemacht werden, gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen und damit auch gegen laufende Rentenzahlansprüche bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt (bzw. der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II) wird.

18

Die Antragsgegnerin hat eine Verrechnung in Höhe von monatlich 185 EUR und damit mit weniger als der Hälfte der laufenden Rentenansprüche des Antragstellers vorgenommen. Der - nicht mehr im Erwerbsleben stehende - Antragsteller hat auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht nachzuweisen vermocht, dass er durch die Verrechnung hilfebedürftig im Sinne des SGB XII wird.

19

Der Senat sieht im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage keinen Raum, den Nachweis einer solchen Sozialhilfebedürftigkeit als geführt anzusehen. Nach Aktenlage bestehen bereits durchgreifende Zweifel daran, dass der Antragsteller seine Einkommensverhältnisse umfassend und vollständig dargelegt hat.

20

Der Antragsteller, der inzwischen auf Aufforderung des Senats allerdings seine Kontoauszüge vorlegen musste, hat schriftsätzlich zuvor nur folgende Einnahmen eingeräumt: Auch nach Abzug des streitigen Einbehalts von monatlich 185 EUR überweise die Antragsgegnerin ihm monatlich aus seiner Rente 260,29 EUR. Darüber hinaus erhalte er als ehemaliges Mitglied eines Landesparlaments eine Altersentschädigung in Höhe von monatlich 233 EUR, so dass er über monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 493,29 EUR verfüge. Bezüglich seiner Ehefrau werden nur die o.g. Gehaltszahlungen von monatlich ca. 650 EUR netto angegeben. Ausweislich dieser Daten müssten der Antragsteller und seine Ehefrau seit Januar dieses Jahres von monatlichen Nettoeinkünften von ca. 1150 EUR leben.

21

Gleichwohl haben der Antragsteller und seine Ehefrau im Juni dieses Jahres allein 457 EUR für Benzin ausgegeben (vgl. Kreditkartenabrechnung vom 22. Juni 2007 betreffend Umsätze - ausschließlich an Tankstellen unter Ausweisung eines Tankrabattes - für den Zeitraum 29. Mai bis 19. Juni 2007). Weitere 379 EUR (zuzüglich weiterer 15 EUR) sind an Energieversorger für Strom und Gas abgeführt worden; die Telefonrechnung belief sich 91 EUR und für Zeitschriften sind von dem Konto 32,50 EUR abgebucht worden. Damit wären nach Abzug der vorstehenden Positionen von den geltend gemachten Nettoeinkünften in Höhe von monatlich 1150 EUR lediglich noch ca. 175 EUR für den Lebensunterhalt des Ehepaares übrig geblieben, auch diese Summe hätte allerdings nur unter der Annahme zur Verfügung gestanden, dass auf die Kaltmiete überhaupt keine Zahlungen erbracht worden sind.

22

Selbst bei äußerst sparsamer Haushaltsführung dürfte ein Betrag von monatlich nur 175 EUR nicht mehr zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts für zwei Personen ausreichen. Es sei daher nur ergänzend darauf hingewiesen, dass weder Benzinaufwendungen von 457 EUR in rund drei Wochen (von denen überschlägig allenfalls ein Fünftel auf die geltend gemachten Fahrten der Ehefrau zum Teilzeitarbeitsplatz entfallen dürften) noch einem monatlichen Energieverbrauch von 379 EUR für einen Zweipersonenhaushalt auch nur ansatzweise eine Tendenz zur Sparsamkeit entnommen werden kann.

23

Selbst der rechnerisch (unter der Annahme ausgebliebener Mietzahlungen) für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Betrag von 175 EUR ist allerdings im Juni im Ergebnis gar nicht von dem Girokonto abgehoben worden. Es findet sich zwar für den 5. Juni eine Auszahlung über 400 EUR; ein Betrag in gleicher Höhe ist aber am Folgetag auch wieder eingezahlt worden. Dies lässt sich nur damit erklären, dass der Antragsteller und seine Ehefrau über anderweitige finanzielle Mittel verfügen, mit denen sie insbesondere auch ihren allgemeinen Lebensunterhalt bestreiten.

24

Bezeichnenderweise weisen die Kontoauszüge auch erhebliche weitere - vom Antragsteller nicht näher erläuterte - Einnahmen aus. Dies betrifft namentlich folgende Zahlungseingänge: 17.1.2007 (Miete Gewerbehalle) 535,50 EUR 22.01.2007 668,00 EUR 13.02.2007 356,00 EUR 02.04.2007 515,00 EUR 17.04.2007 (Miete Lagerhalle) 535,50 03.05.2007 148,00 EUR 11.06.2007 439,00 EUR

25

Bezüglich einer weiteren Bareinzahlung in Höhe von 3.500 EUR am 19. Februar 2007 hat der Antragsteller erläutert, dass ein "Gönner" ihm diesen Betrag für eine Urlaubsreise zur Verfügung gestellt habe. Der Betrag sei auch für diesen Zweck verwandt worden.

26

Insgesamt lässt das Gesamtbild keine Feststellung zu, dass dem Antragsteller aufgrund des streitigen (seit inzwischen rund sechs Monaten vollzogenen) Einbehalts so wenig finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, dass er nicht einmal das Sozialhilfeniveau erreicht. Vielmehr spricht nach Aktenlage vieles dafür, dass der Antragsteller und seine Ehefrau finanziell deutlich besser gestellt sind als Sozialhilfeempfänger. Bezeichnenderweise weist ihr Girokonto auch zum Ende des Monats Juni 2007 (unmittelbar vor Eingang der nächsten Gehalts- und Rentenzahlungen) ungeachtet der gerade in diesem Monat angefallenen erheblichen Ausgaben ein Guthaben von ca. 750 EUR auf.

27

Bei dieser Sachlage weist der Senat nur ergänzend darauf hin, dass sich der sozialhilferechtlich zu berücksichtigender Bedarf des Antragstellers aus dem Regelsatz in Höhe von monatlich 311 EUR und den Unterkunftskosten (soweit diese nicht den Rahmen des Notwendigen überschreiten) zusammensetzt. Bezüglich der Unterkunftskosten kann der Senat nur darauf hinweisen, dass mangels entsprechender Belege in Anbetracht der vorstehend erläuterten allgemeinen Finanzlage ohnehin nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller bzw. seine Ehefrau die vereinbarte (den sozialhilferechtlich berücksichtigungsfähigen Betrag deutlich übersteigende) Miete von monatlich 900 EUR tatsächlich zahlen; bezeichnenderweise weist der Antragsteller selbst auf erhebliche Mietrückstände hin. Bislang hat der Antragsteller die Vermutung nicht auszuräumen vermocht, dass ihm im Ergebnis ein mietfreies Wohnen (abgesehen von den Heizungskosten und einzelnen Nebenkosten) ermöglicht wird.

28

Die Kosten für die Gasheizung (zu denen nicht die Kosten für Strom, Warmwasser und für das Kochen zählen) sind sozialhilferechtlich ohnehin nur zu berücksichtigen, soweit sie bei einer sparsamen Haushaltsführung, die insbesondere den üblichen Empfehlungen zur Energieeinsparung Rechnung trägt, erforderlich sind. Der Senat sieht bislang keinen Raum für eine Feststellung, dass die tatsächlich vom Antragsteller regelmäßig aufgewandten und sozialhilferechtlich berücksichtigen Unterkunftskosten sich auf einen größeren Betrag als geschätzt monatlich allenfalls 150 EUR belaufen. Hiervon ausgehend und unter weiterer Berücksichtigung des Regelsatzes von monatlich 311 EUR läge sein sozialhilferechtlich berücksichtigungsfähiger Bedarf noch unter dem Betrag, der ihm monatlich durch die (um den Verrechnungsbetrag von monatlich 185 EUR gekürzten) Rentenzahlungen der Antragsgegnerin und aufgrund seiner früheren Tätigkeit im Landesparlament zufließt.

29

2.

Eine andere Entscheidung ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 93 Insolvenzordnung (InsO). Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (wie vorliegend der KG) eröffnet, so kann die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach dieser Vorschrift während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.

30

Nach Auffassung des Senates ist diese Regelung unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten gesetzgeberischen Ziels einschränkend auszulegen. § 93 InsO will verhindern, dass einzelne Gläubiger der betroffenen Gesellschaft andere Gläubiger dadurch benachteiligen, dass sie isoliert den persönlich haftenden Gesellschafter in Anspruch nehmen. Diese Inanspruchnahme soll vielmehr gebündelt durch den Insolvenzverwalter erfolgen, damit die Gläubiger anteilig entsprechend ihrer sich aus den Vorgaben der InsO ergebenden Rangstellung gleichmäßig berücksichtigt werden können.

31

Hiervon ausgehend kann das Verbot des § 93 InsO nur dann zum Tragen kommen, wenn und soweit ein Zugriff des Insolvenzverwalters auf den persönlich haftenden Gesellschafter in Betracht kommt. Letzteres ist in Bezug auf die im vorliegenden Fall streitigen Verrechnungsbeträge nicht festzustellen.

32

Auf die laufenden Einkünfte des Antragstellers und damit namentlich auf dessen Renteneinkünfte könnte der Insolvenzverwalter nach § 54 Abs. 4 SGB I i.V.m. § 850c Abs. 1 und 3 ZPO nur dann im Wege der Pfändung zugreifen, wenn und soweit diese die Pfändungsfreibeträge übersteigen. Dieser Freibetrag beträgt auch unter der Annahme, dass der Antragsteller keine Unterhaltspflichten hat, monatlich 989 EUR. Weder die Renteneinkünfte des Antragstellers für sich allein noch die Summe aus diesen Rentenzahlungen und den Alterseinkünften aus seiner früheren parlamentarischen Tätigkeit erreichen diesen Pfändungsfreibetrag.

33

Soweit die Antragsgegnerin im Interesse der Beigeladenen zu 2. von den weitergehenden Verrechnungsmöglichkeiten der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I Gebrauch macht, gefährdet sie daher nicht die Vermögensinteressen anderer Gläubiger der KG. Bezeichnenderweise werden auch von Seiten des beigeladenen Insolvenzverwalters keine Einwendungen gegen die Verrechnung geltend gemacht.

34

Der Gesetzgeber hat zum Schutz der Vermögen der gesetzlichen Sozialversicherungsträger mit den Regelungen der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I weitergehende Möglichkeiten zur Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Auf- bzw. Verrechnung geschaffen. Dabei soll § 52 SGB I auch sicherstellen, dass den Schuldner keine Vorteile aus der Verteilung der Zuständigkeiten im Sozialrecht für die Leistungsgewährung und Beitragsheranziehung auf eine Vielzahl von Trägern erwachsen.

35

Diese Normen ermöglichen den Sozialversicherungsträgern in den erläuterten Grenzen auch den Zugriff auf solche Sozialleistungen, die einer Pfändung sonstiger Gläubiger aufgrund der Bestimmungen über die Pfändungsfreibeträge nicht zur Befriedigung offen stehen. Jedenfalls soweit - wie auch im vorliegenden Fall - die Zugriffsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters auf das Vermögen des Haftungsschuldners nicht beeinträchtigt werden, besteht kein Anlass, den Haftungsschuldner von dieser vom Gesetzgeber bewusst gewollten verschärften Haftung für Beitragsschulden allein deshalb freizustellen, weil die Gesellschaft, für die er persönlich haftet, in Insolvenz geraten ist.

36

Ein anderweitiges Verständnis des § 93 InsO würde entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht die anderen Gläubiger der KG, sondern - ohne rechtfertigenden Grund - allein den Antragsteller persönlich begünstigen.

37

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen kann dahingestellt bleiben, inwieweit § 93 InsO im übrigen auch unter den Voraussetzungen des § 94 InsO eine Aufrechnung des Gläubigers, der Ansprüche gegen die Gesellschaft und damit auch einen Haftungsanspruch gegen den persönlich haftenden Gesellschafter hat, mit einer Gegenforderung des Gesellschafters (zur generellen Statthaftigkeit einer solchen Aufrechnung vgl. etwa Palandt-Sprau, 66. Aufl., § 714, Rn. 15) ausschließt und ob ggfs. unter der Annahme einer solchen unter den Voraussetzungen des § 94 InsO auch in der Insolvenz fortbestehenden Aufrechnungsmöglichkeit diese sich auch auf Verrechnungsmöglichkeiten im Sinne von § 52 SGB I erstrecken könnte.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

39

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).