Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.07.2007, Az.: L 2 R 85/07
Ruhen eines Arbeitslosengeldanspruches bei Zahlung einer Abfindung bzw. Entschädigung; Bestehen eines kausalen Zusammenhangs zwischen der vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und der Zahlung einer Abfindung bei Vorliegen einer Entlassungsentschädigung; Anrechnung einer Betriebsrente auf eine gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU); Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei fehlendem Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze; Voraussetzungen für eine über die Beteiligten hinausgehende Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes; Ansehung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als Entlassungsentschädigung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.07.2007
- Aktenzeichen
- L 2 R 85/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 37606
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0725.L2R85.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 09.11.2006 - AZ: S 23 RI 280/02
Rechtsgrundlagen
- § 143a Abs. 1 SGB III
- § 96a Abs. 1 S. 1 und 2 SGB VI
- § 96a Abs. 3 SGB VI
- § 77 SGG
- § 117 Abs. 2 AFG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Der Ruhensbescheid einer Arbeitsagentur entfaltet keine Bindungs- und Tatbestandswirkung für das Rentenverfahren des Versicherten. Ob die rentenrechtliche Hinzuverdienstgrenze durch den Bezug einer Sozialleistung überschritten wird, ist im Rentenverfahren gesondert festzustellen.
- 2.
Die vorzeitige Auszahlung der Betriebsrente stellt eine mit der Entlassungsentschädigung / Abfindung vergleichbare Leistung i.S.d. § 143a SGB III dar, wenn und soweit die Ausgestaltung des Betriebsrentenanspruchs einen Anreiz zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beinhaltet.
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 9. November 2006 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2002 wird aufgehoben, soweit dieser Rückforderungsansprüche für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. März 2001 festsetzt.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 6. September 1949 geborene Kläger wendet sich gegen die Anrechnung einer Betriebsrente auf die ihm gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der Kläger war als gelernter Karosseriebauer seit 1987 bei den Stadtwerken K. AG (swb AG) tätig. Das Arbeitsverhältnis ist von dieser AG auf deren Teilrechtsnachfolgerin bzw. Tochterfirma, die swb L. GmbH und Co. KG (im Folgenden: L.) übergegangen. Der Haustarifvertrag der L. i.V.m. dem Zusatzversorgungsvertrag der swb AG sieht Betriebsrentenansprüche der Mitarbeiter vor. Diese werden auch bei Berufsunfähigkeit gewährt, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis mit der L. nicht mehr fortbesteht.
Mit Wirkung vom 16. November 1999 an war der Kläger als Schwerbehinderter mit einem GdB von 60 anerkannt.
Die Beklagte erkannte ihm mit Bescheid vom 20. März 2000 rückwirkend ab dem 7. Juli 1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von anfänglich 1.482,16 DM zu. In diesem Bescheid wies die Beklagte den Kläger zugleich auf die für diese Rente maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen hin.
Dabei erläuterte sie u.a. Folgendes:
"Die maßgebende Hinzuverdienstgrenze ist auch dann zu beachten, wenn anstelle von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen (z.B. Krankengeld ... Arbeitslosengeld ...) besteht. Für die Höhe des Hinzuverdienstes ist nicht die Sozialleistung selbst, sondern das dieser Leistung zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen maßgebend ...
Ferner besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung folgender Leistungen unverzüglich mitzuteilen: ...
- Arbeitslosengeld, - Vorruhestandsgeld ...
Am 13. Juli 2000 beantragte der Kläger bei der Bundesanstalt für Arbeit unter Hinweis auf den Rentenbescheid der Beklagten Arbeitslosengeld. Dem Antrag entsprach die Bundesanstalt zunächst unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 913,31 DM (vgl. Änderungsbescheid vom 8. August 2000).
Mit Schreiben vom 21. August 2000 beantragte die L. bei der Hauptfürsorgestelle für Schwerbehinderte unter Hinweis u.a. auf die tarifvertraglich gesicherten Betriebsrentenansprüche des Klägers die Zustimmung zu seiner ordentlichen Kündigung. Nachdem die Hauptfürsorgestelle am 28. September 2000 die begehrte Zustimmung erteilt hatte, sprach die L. noch mit Schreiben vom gleichen Tage, dem Kläger am darauffolgenden Tag zugestellt, die ordentliche und fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2001 aus.
Zugleich bot die L. dem Kläger die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2000 an. In dem Vertragsentwurf hieß es u.a.: "Aufgrund des Umstandes, dass der Mitarbeiter eine gesetzliche Rente wegen Berufsunfähigkeit beschieden bekommen hat, sind mit Abschluss dieses Aufhebungsvertrages mit Wirkung ab 01. Juni 2000 auch die Voraussetzungen für den Bezug dieser Betriebsrente erfüllt. Es ergibt sich dann ab dem 01. Juni 2000 eine betriebliche Rente von 1.794,20 DM ... brutto."
Auf Nachfrage des Klägers teilte das Arbeitsamt Bremen diesem mit Schreiben vom 12. Oktober 2000 mit, dass es sich bei der vom Arbeitgeber zugesagten Betriebsrente um eine Entlassungsentschädigung handele, aufgrund derer der Arbeitslosengeldanspruch für den Zeitraum vom 13. Juli 2000 bis zum 31. März 2001 ruhe.
Der Kläger schloss gleichwohl den Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber entsprechend dem erläuterten Entwurf am 16. Oktober 2000 ab. Dementsprechend ist dem Kläger rückwirkend ab Juni 2000 die Betriebsrente in der o.g. Höhe bewilligt worden.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 stellte das Arbeitsamt Bremen daraufhin fest, dass der Leistungsanspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld bis zum 31. März 2001 gemäß § 143a SGB III ruhe. Er habe von seinem Arbeitgeber eine Entlassungsentschädigung in Höhe von 199.156,20 DM (entsprechend der Gesamthöhe der Betriebsrentenbezüge in dem - 111 Monate umfassenden - Zeitraum vom 1. Juni 2000 bis zum 30. September 2009, d.h. bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres und damit bis zur Erreichung der Altersrente, und zwar ausgehend von einer monatlichen Rentenhöhe von 1.794,20 DM; vgl. Vermerk vor Bl. 45 der Verwaltungsvorgänge der Bundesanstalt und Schriftsatz der Beigeladenen vom 22. Mai 2007) erhalten. Von diesem Betrag von 199.156,20 DM seien nach den gesetzlichen Vorgaben 35%, entsprechend 69.704,67 DM zu berücksichtigen. Ausgehend von dem während der Beschäftigungszeit zuletzt erzielten Arbeitsentgelt in Höhe von täglich 164,23 DM, führe dieser zu berücksichtigende Entschädigungsanspruch zu einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches für einen Zeitraum von 424 Tagen, da in diesem Zeitraum der Betrag von 69.704,67 DM dem zuvor täglich erzielten Arbeitsentgelt von 164,23 DM entspreche. Längstens erstrecke sich der Ruhenszeitraum allerdings auf den Zeitraum, zu dem das Arbeitsverhältnis ohne den Aufhebungsvertrag aufgrund der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung fiktiv geendet hätte, d.h. vorliegend auf den Zeitraum bis zum 31. März 2001.
Ab dem 1. April 2001 erhielt der Kläger wieder Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von wöchentlich 469,77 EUR.
Einen gegen das vorausgegangene Ruhen des Anspruchs gerichteten Überprüfungsantrag des Klägers vom 30. April 2001 lehnte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 13. August 2001 insbesondere mit der Begründung ab, dass er nicht den Nachweis einer überwiegenden Selbsteinzahlung der gewährten Betriebsrente erbracht habe.
Der Kläger unterrichtete die Beklagte nicht von dem Bezug des Arbeitslosengeldes.
Nachdem eine zentrale Warnungsprüfung im Januar 2002 auf den zeitgleichen Bezug der BU-Rente und des Arbeitslosengeldes im Zeitraum ab April 2001 hingewiesen hatte, teilte das Arbeitsamt der Beklagten auf Nachfrage im Februar 2002 mit, dass der Kläger ab April 2001 bis auf weiteres Arbeitslosengeld beziehe und dass zuvor im Zeitraum vom 13. Juli 2000 bis 31. März 2001 der Anspruch auf Arbeitslosenentgelt nach § 143a SGB III geruht habe.
Mit Bescheid vom 18. Februar 2002 kürzte die Beklagte die dem Kläger zustehende Rente wegen Berufsunfähigkeit mit Wirkung zum 1. April 2002 auf monatlich 517,97 EUR brutto (entsprechend einem Nettozahlbetrag von 478,61 EUR) und wies zugleich darauf hin, dass in dem Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. März 2002 eine Überzahlung in Höhe von 4.736,74 EUR zu verzeichnen sei.
Nach vorheriger Anhörung des Klägers forderte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Mai 2002 die im Zeitraum vom 1. August 2000 an überzahlten Rentenbeträge in Höhe von 4.736,74 EUR gestützt auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X zurück und kündigte eine Aufrechnung des Rückforderungsanspruchs mit den laufenden Rentenansprüchen des Klägers in Höhe von monatlich 100 EUR an. Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 5. Juni 2002.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger rückwirkend ab 1. April 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung und sprach dem Kläger für den Zeitraum vom 1. April bis 31. August 2002 eine Nachzahlung in Höhe von 2.311,79 EUR zu. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2002 nahm die Beklagte die Aufrechnung dieses Nachzahlungsanspruchs mit dem Rückforderungsanspruch in Höhe von 4.736,74 EUR vor.
Den gegen die Teilrentenrückforderung für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. März 2001 gerichteten Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 16. Mai 2002 wies die Beklagte mit Bescheid vom 4. November 2002 unter Heranziehung des § 96a SGB VI zurück.
Zur Begründung der am 18. November 2002 erhobenen Klage hat der Kläger hervorgehoben, dass er auf die Betriebsrentenzahlungen einen tarifvertraglichen Anspruch gehabt habe.
Mit Urteil vom 9. November 2006, dem Kläger zugestellt am 17. Januar 2007, hat das Sozialgericht Bremen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere erläutert, dass der Arbeitslosengeldanspruch vom 13. Juli 2000 bis zum 31. März 2001 "unstreitig" nicht wegen des Bezuges der Berufsunfähigkeitsrente geruht habe, die Beklagte habe daher zutreffend § 96a Abs. 3 SGB VI herangezogen.
Zur Begründung der am 15. Februar 2007 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass er einen gesetzlichen Anspruch auf die ihm gewährte Betriebsrente gehabt habe.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 9. November 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2002, soweit dieser Rückforderungsansprüche für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. März 2001 festsetzt, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die beigeladene Bundesagentur für Arbeit stellt keinen Antrag.
Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.
Der Senat hat eine Auskunft der M. AG vom 28. März 2007 eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Bundesagentur für Arbeit Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2002 steht aufgrund der spätestens erstinstanzlich vorgenommenen Einschränkung seiner Anfechtung nur insoweit zur Überprüfung des Senates, wie mit diesem die dem Kläger gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit anteilig für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis 31. März 2001 zurückgefordert wird. Insoweit ist der Rückforderungsbescheid rechtswidrig.
Dem Kläger stand der zuerkannte und ausgezahlte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit im streitigen Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. März 2001 in voller Höhe zu. Namentlich hat der Kläger in diesem Zeitraum keinen nach § 96a SGB VI anzurechnenden Hinzuverdienst erzielt.
Nach § 96a Abs. 1 S. 1 und 2 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt (wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt).
Nach § 96a Abs. 3 SGB VI (in der für den streitigen Zeitraum maßgebenden Fassung des Gesetzes v. 16. Dezember 1997 BGBl. I 2998) steht bei der Feststellung eines solchen Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen Berufsunfähigkeit oder einer Rente für Bergleute erzielt wird, dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleich der Bezug insbesondere von (Nr. 4) den weiteren in § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Vierten Buches genannten Sozialleistungen, zu denen insbesondere auch das Arbeitslosengeld zählt.
Dabei ist als Hinzuverdienst nicht der Nennbetrag der jeweiligen Sozialleistung, sondern das der Sozialleistung zugrundeliegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen (§ 96a Abs. 3 S. 3 SGB VI). Die vorstehend erläuterten Regelungen sind § 96a Abs. 3 S. 4 SGB VI auch für eine Sozialleistung anzuwenden, die aus Gründen ruht, die nicht in dem Rentenbezug liegen.
Im streitigen Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. März 2001 hat der Kläger kein Arbeitslosengeld bezogen. Das ihm anfänglich gewährte Arbeitslosengeld ist von der Arbeitsverwaltung in Ausführung des Bescheides vom 18. Oktober 2000 über das Ruhen eines solchen Anspruchs im Zeitraum bis zum 31. März 2001 zurückgefordert worden.
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld hat in diesem Zeitpunkt auch nicht aus Gründen, die nicht in dem Bezug der Berufsunfähigkeitsrente gelegen haben, in einem solchen Umfang geruht, dass dadurch der streitige Rentenanspruch gemindert worden ist. Diesbezüglich ist hinsichtlich des allein in Betracht zu ziehenden Ruhenstatbestandes des § 143a SGB III im vorliegenden Verfahren eine eigenständige Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen vorzunehmen. Der - bestandskräftig gewordene - Ruhensbescheid des Arbeitsamtes vom 18. Oktober 2000 entfaltet keine Tatbestandswirkung zulasten des Klägers.
Die normale Bindungswirkung von Verwaltungsakten besteht nach § 77 SGG nur zwischen den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens, nicht auch gegenüber Dritten. Im vorliegenden Zusammenhang war die Beklagte in dem Verfahren betreffend die Gewährung von Arbeitslosengeld und die Anordnung des Ruhens eines solchen Anspruchs nicht beteiligt. Die Ruhensentscheidung vom 18. Oktober 2000 bindet daher nur den Kläger und die Beigeladene, die Bindungswirkung aus § 77 SGG erstreckt sich damit nicht auf das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten.
Allerdings spricht die Rechtsprechung einem Verwaltungsakt ausnahmsweise eine über die Beteiligten hinausgehende Bindungswirkung zu, soweit dieser eine sog. Tatbestandswirkung aufweist.
Tatbestandswirkung (vgl. dazu und zum Folgenden: BSG, U.v. 18. September 1997 - 11 RAr 85/96 - SozR 3-4100 § 34 Nr. 4) haben insbesondere Verwaltungsakte, die - wie z.B. eine Einbürgerung oder eine Namensänderung - rechtsgestaltende Wirkung haben und deshalb von jedermann zu beachten sind. Tatbestandswirkung kommt ferner Entscheidungen zu, wenn das Gesetz bestimmt, dass sie im Verhältnis zu anderen, insbesondere Behörden, verbindlich sind (vgl z.B. § 15 Abs. 1 Bundesvertriebenengesetz). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
Tatbestandswirkung haben Verwaltungsakte schließlich auch dann (BSG, a.a.O.), wenn das Gesetz zwar nicht ausdrücklich, aber seinem Sinne nach anordnet, dass ein Tatbestandsmerkmal so hinzunehmen ist, wie es durch eine getroffene Entscheidung, insbesondere eines anderen Rechtsträgers, festgestellt oder gestaltet worden ist. Eine entsprechende Regelung vermag der Senat der erläuterten Bestimmung des § 96a Abs. 3 Satz 4 SGB VI nicht zu entnehmen. Diese gesetzliche Regelung stellt allein auf das Ruhen eines entsprechenden Sozialleistungsanspruchs ab, ohne erkennen zu lassen, dass bezüglich dieser tatbestandlichen Voraussetzung die Entscheidung des dafür zuständigen Leistungsträgers vorgreiflich und bindend sein soll.
Die demnach vom Senat eigenverantwortlich vorzunehmende Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Ruhenstatbestandes des § 143a Abs. 1 SGB III fällt im Ergebnis zugunsten des Klägers aus.
Nach § 143a Abs. 1 S. 1 und 2 SGB III gilt Folgendes: Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Ergänzend bestimmt insbesondere § 143a Abs. 2 S. 1 bis 3 SGB III: Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach Absatz 1 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus, (Nr. 1) bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von sechzig Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte, (Nr. 2) an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte oder (Nr. 3) an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Der nach Satz 2 Nr. 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres um je fünf Prozent; er beträgt nicht weniger als fünfundzwanzig Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung.
Im vorliegenden Fall ist das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der L. ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist durch den Aufhebungsvertrag vom 16. Oktober 2000 rückwirkend zum 31. Mai 2000 beendet worden. Ohne diesen Aufhebungsvertrag wäre die - rechtswirksam ausgesprochene - Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber erst zum 31. März 2001 wirksam geworden.
Wegen dieser Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger zwar keine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) im unmittelbaren Wortsinne bekommen, jedoch hat er in Form der vorzeitigen Auszahlung der Betriebsrente eine vergleichbare Leistung erhalten, aufgrund derer § 143a SGB III entsprechend anzuwenden ist.
In der Literatur wird allerdings teilweise die Auffassung vertreten, dass Leistungen der betrieblichen Altersversorgung keine Entlassungsentschädigung im Sinne von § 143a Abs. 1 SGB III beinhalten, wenn - wie im vorliegenden Fall - diese während des Arbeitsverhältnisses erdient worden sind und keine Vergünstigungen eingeräumt werden, die über die bis Ende des Arbeitsverhältnisses erworbene Versorgungsanwartschaft hinausgehen (vgl. Henke in Schlegel, SGB III, § 143a Rn. 77; ähnlich Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 12, Rn. 190).
Demgegenüber hat das BSG jedoch (bezogen auf die vorausgegangene Vorschrift des § 117 Abs. 2 AFG) darauf abgestellt, dass es auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der vorzeitigen Beendigung und der Abfindung nicht ankommen kann. Die gesetzliche Ruhensvorschrift beruhe auf dem Grundgedanken, dass der Arbeitslose nicht der Leistungen der Versichertengemeinschaft bedürfe, solange er keinen Lohnausfall habe. In diesem Zusammenhang wolle das Gesetz verhindern, dass die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Termin beendeten und anstelle eines ohnehin zum Ruhen des Arbeitslosengeldes führenden Arbeitsentgelts eine erhöhte als Abfindung ausgewiesene Arbeitgeberleistung vereinbaren (BSG, U.v. 21. September 1995 - 11 RAr 41/95 - E 76, 294). Hiervon ausgehend hat das BSG den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Gewährung einer Leistung auch bezogen auf eine - tarifvertraglich normierte - vorgezogene Altersrente und eine Ausgleichsrente bejaht (BSG, U.v. 22. Februar 1984 - 7 RAr 55/82 - SozR 4100 § 118 AFG Nr. 13 zu § 117 AFG a.F.).
Dieser Ansatz spricht wegen der vergleichbaren Interessenlage für eine Einbeziehung auch von Betriebsrentenansprüchen in die Regelung des § 143a SGB III, soweit solche Ansprüche - wie im vorliegenden Fall - erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen. Die vom BSG herangezogene Umgehungsgefahr besteht nicht nur bei ausdrücklich vereinbarten Entlassungsentschädigungen, vielmehr können die Unternehmer allein (oder beim Abschluss von darauf abzielenden Tarifverträgen im Zusammenwirken mit den Gewerkschaften) vergleichbare Regelungen auch durch eine entsprechende Ausgestaltung von Betriebsrentenansprüchen herbeiführen. Insbesondere aus der Sicht eines betroffenen Arbeitnehmers ist es vielfach gleichgültig, ob die Zustimmung zu einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beispielsweise mit einer ausdrücklich als solcher bezeichneten Entlassungsentschädigung in Höhe von 10.000 EUR honoriert wird oder ob er im Gegenzug dafür zehn Monate früher einen Anspruch auf eine Betriebsrente von monatlich 1000 erwirbt.
Allerdings darf die entsprechende Einbeziehung von durch die vorzeitige Vertragsbeendigung bedingten Betriebsrentenansprüchen in den Tatbestand des § 143a SGB III nicht schematisch, sondern nur nach Maßgabe der jeweiligen Interessenlage und der gesetzgeberischen Zielsetzung erfolgen. Für Abfindungen und Entschädigungen im eigentlichen Wortsinne hat der Gesetzgeber eine pauschalierende Regelung in dem Sinne getroffen, dass eine solche Abfindung bzw. Entschädigung generell nach Maßgabe und im Rahmen des § 143a SGB III zum Ruhen eines Arbeitslosengeldanspruches führt. Dies gilt auch dann, wenn sie der Arbeitgeber auch bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erhalten hätte (BSG, U.v. 21. September 1999 a.a.O.). Der gesetzlichen Regelung wird eine unwiderlegliche Vermutung dafür entnommen, dass in den wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährten Abfindungen, Entschädigungen oder ähnlichen Leistungen in dem durch § 143a Abs. 2 pauschalierten Ausmaß auch Arbeitsentgelte enthalten sind (Valgolio in Hauck/Noftz, § 143a SGB III Nr. 25).
Dieser Ansatz ist auf vorzeitig gewährte Betriebsrenten jedoch nur mit den sachlich gebotenen Differenzierungen zu übertragen. Auch wenn in Fällen der vorliegenden Art die Betriebsrentengewährung bei objektiver Betrachtung den Nebenzweck fördert, dem Arbeitnehmer die Zustimmung zu einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erleichtern, so stellt dies doch nur einen Nebenaspekt der Betriebsrentengewährung dar. Im Vordergrund der Betriebsrentengewährung steht demgegenüber die typischerweise lebenslange Versorgung des Arbeitnehmers, dessen Lohnanspruch durch den Eintritt einer Erwerbsminderung bzw. durch das Erreichen der Altersgrenze auf Dauer wegfällt. Im Hinblick auf diesen anders gelagerten Hauptzweck bildet die vorzeitige Betriebsrentengewährung keine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung "wegen" der Beendigung des Arbeitsverhältnisses". Sie wird lediglich aus Anlass dieser Beendigung gezahlt und wird von dem Tatbestand des § 143a SGB III nur entsprechend erfasst, wenn und soweit die Ausgestaltung des Betriebsrentenanspruchs einen Anreiz zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beinhaltet.
Für ohnehin nur entsprechend heranzuziehende Betriebsrentenansprüche fehlt bereits eine Typisierungsentscheidung des Gesetzgebers in dem Sinne, dass der gesamte - letztlich lebenslange - Betriebsrentenanspruch - auch dann in vollem Umfang im Rahmen von § 143a Abs. 2 SGB III zu berücksichtigen ist, wenn die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht den Betriebsrentenanspruch als solchen bedingt, sondern - wie auch im vorliegenden Fall - nur dazu führt, dass die ohnehin bestehende Anwartschaft auf Gewährung einer solchen Betriebsrente bereits einige Monate früher zum Vollrecht erstarkt. Der Gesetzgeber hat die vorstehend angesprochene Vermutung nur auf Entlassungsentschädigungen im eigentlichen Sinne, nicht aber auf Betriebsrentenansprüche beziehen wollen. Schon in Anbetracht der typischerweise lebenslangen Gewährung solcher Rentenansprüche fehlt es auch an Anhaltspunkten dafür, dass die sich aus § 143a Abs. 2 SGB III ergebenden Pauschsätze typischerweise den Anteil von Arbeitsentgelten zum Ausdruck bringen, die lebenslängliche Betriebsrentenansprüche beinhalten könnten. Dementsprechend würde bei einem anderweitigen Verständnis dass verfassungsrechtliches Gebot missachtet, wonach Typisierungen nicht so weit gehen dürfen, dass dadurch eine große Zahl der Fälle unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ungerecht behandelt werden (vgl. BVerfG, Beschluss v. 12. Mai 1976 - 1 BvL 31/73 - E 42, 176).
Zugleich gewährleistet die vorstehend erläuterte Auslegung, dass dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot (vgl. BVerfG, U.v.23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 und 48/87 - E 81, 156, 197) ausreichend Rechnung getragen wird. Diesem Verbot kommt im vorliegenden Zusammenhang besondere Bedeutung im Hinblick darauf zu, dass die Betriebsrentenanwartschaften und -ansprüche, die sich der Arbeitnehmer während eines regelmäßig langjährigen beruflichen Einsatzes erdient hat, unter dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG stehen.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass bei der Anwendung des § 143a SGB III nicht der gesamte Betriebsrentenanspruch des Klägers bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder gar bis zum Lebensende in Ansatz zu bringen ist, sondern allein der Teil des Anspruchs, der auf den Zeitraum zwischen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2000 und dem Tag entfällt, zu dem anderenfalls die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung rechtswirksam geworden wäre. Nur für diese zehn Monate umfassende Zeitspanne vom 1. Juni 2000 bis zum 31. März 2001 hat die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zusätzlichen Betriebsrentenansprüchen des Klägers geführt; für die Folgezeit ab dem 1. April 2001 hätte er - auch ohne die vorzeitige Aufhebung des Arbeitsverhältnisses - aufgrund der dann infolge der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung eintretenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohnehin die Betriebsrente in gleicher Höhe erhalten.
Zu berücksichtigen ist demnach im Rahmen von § 143a SGB III lediglich eine Entlassungsentschädigung in Höhe von 17.942 DM (entsprechend dem zehnfachen Monatsbetrag der Betriebsrente). Da der Kläger seinerzeit das 50. Lebensjahr vollendet hatte und seit rund 13 Jahren bei der swb tätig war, sind von dieser Summe nach § 143a Abs. 2 SGB III 35%, entsprechend 6.279,70 DM anzurechnen. Ausgehend von dem von der Arbeitsverwaltung zutreffend ermittelten letzten Arbeitsentgelt von täglich 164,23 DM, ruhte der Arbeitslosengeldanspruch nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB III lediglich für die Dauer von 38 Tagen, d.h. während des Zeitraums von der Stellung des Arbeitslosengeldantrages am 13. Juli 2000 bis zum 19. August 2000.
Für den Monat August 2000 bedeutet dies, dass die grundsätzlich nach § 96a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB VI als Hinzuverdienst zu berücksichtigende Bemessungsgrundlage des ruhenden Arbeitslosengeldes von wöchentlich 469,77 EUR nur für 19 Tage, d.h. in einer Gesamthöhe von 1.275,09 EUR, zu berücksichtigen ist. Bei einem Hinzuverdienst in dieser Höhe stand dem Kläger die Rente wegen Berufsunfähigkeit noch in voller Höhe zu (vgl. Anlage 19 zum Bescheid vom 18. Februar 2002).
Für die Folgezeit fehlte es bereits aus den erläuterten Gründen an einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs im Sinne von § 96a Abs. 3 S. 4 SGB VI i.V.m. § 143a SGB III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.