Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 27.05.2003, Az.: 1 A 9/03

Abkömmling; Spätaussiedler; Spätaussiedlerbescheinigung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
27.05.2003
Aktenzeichen
1 A 9/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48507
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG - 31.03.2004 - AZ: 13 LB 352/03

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Abkömmling eines Spätaussiedlers, der an sich die gesetzlichen Merkmale eines Spätaussiedlers erfüllt, vom Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft aber wegen seiner Funktion im Aussiedlergebiet gemäß § 5 Nr. 2 b BVFG ausgeschlossen ist, hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 2 BVFG.

Tatbestand:

1

Der am  05.03.1954 in A. (B.) geborene Kläger reiste am 25.06.2002 mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland ein, nachdem er in den Aufnahmebescheid seines Vaters F. G. als Abkömmling eines Spätaussiedlers einbezogen worden war. Der Einziehungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 16.05.2002 enthielt den Hinweis, dass aus diesem keine Rechte und Vergünstigungen nach dem Bundesvertriebenengesetz hergeleitet werden könnten, weil ein Ausschlusstatbestand für den Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft vorliege. Gleichwohl beantragte der Kläger am 08.08.2002, ihm eine Spätaussiedlerbescheinigung auszustellen.

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Dies lehnte die Beklagte durch Verfügung vom 03.09.2002 mit der Begründung ab, dass der Kläger von dem Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft und damit auch der Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung gem. § 5 Nr. 2 b BVFG ausgeschlossen sei, weil er im Aussiedlungsgebiet eine Funktion ausgeübt habe, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems als bedeutsam gegolten und er damit den Schutz des Systems genossen habe. Davon sei bei Personen auszugehen, die als Parteifunktionäre hauptamtlich in der KPdSU tätig gewesen seien. Das sei beim Kläger der Fall gewesen. Nach seinen eigenen Angaben sei er von 1977 bis 1992 Mitglied der KPdSU tätig gewesen. Aus seinem Arbeitsbuch ergebe sich, dass er von 1981 bis 1983 "Instrukteur der Organisations- und Landwirtschaftsabteilung "des Parteikreiskomitees H." gewesen sei. Am 11.11.1983 sei er sodann in der Sowchose "I." als Abteilungs-Agronom eingestellt und zum Sekretär des Parteibüros gewählt worden. Am 10.05.1988 habe er schließlich den Posten eines stellvertretenden Direktors der Produktion und am 12.09.1990 den des Direktors der Vereinigung der Produktionsbetriebe übernommen. Dass er hauptamtlich tätiger Parteifunktionär gewesen sei, habe der Kläger auch bei seinem Sprachtest am 26.03.1998 im Generalkonsulat in Nowosibirsk eingeräumt. Danach scheide nicht nur die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung, sondern auch eine solche als Abkömmling eines Spätaussiedlers aus, weil nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BVFG die Ausschlusstatbestände des § 5 BVFG auf den Ehegatten und die Abkömmlinge eines Spätaussiedlers entsprechend anzuwenden seien.

3

Der Kläger widersprach, soweit ihm auch die Ausstellung der Bescheinigung als Abkömmling eines Spätaussiedlers versagt worden war. Dazu machte er geltend, die Eigenschaft eines Abkömmlings eines Spätaussiedlers erwerbe man mit der Einreise kraft Gesetzes . Der Tatbestand des § 5 Nr. 2 b BVFG stehe dem Erwerb dieser Eigenschaft nicht entgegen, sondern schließe ihn nur von Leistungen aus, zu deren Entgegennahme ansonsten die Bescheinigung berechtige.

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Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Weser-Ems durch Bescheid vom 11.02.2003 aus den Gründen des angefochtenen Bescheides mit dem ergänzenden Hinweis zurück, dass die Bescheinigung für den Ehegatten und die Abkömmlinge eines Spätaussiedlers, anders als die Spätaussiedlerbescheinigung, nicht der Feststellung eines Status, sondern lediglich der Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen für die im Gesetz vorgesehenen Eingliederungsleistungen diene.

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Dagegen ist am 18.02.2003 Klage erhoben worden.

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Der Kläger vertieft sein Vorbringen aus dem Vorverfahren, weist ergänzend darauf hin, dass in die beantragte Bescheinigung der Hinweis aufgenommen werden könne, dass er von Leistungen nach dem Bundesvertriebenengesetz ausgeschlossen sei und dies auch so in Thüringen gehandhabt werde, und beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 30.09.2002 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 11.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Spätaussiedlerbescheinigung gem. § 15 Abs. 2 BVFG (Abkömmling eines Spätaussiedlers) zu erteilen.

8

Unter Berufung auf die Gründe der angefochtenen Bescheide beantragt die Beklagte,

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die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nicht begründet.

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Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG erhalten Spätaussiedler auf ihren Antrag zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung. Der Ehegatte und die Abkömmlinge eines Spätaussiedlers erhalten eine solche zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 gem. § 15 Abs. 2 BVFG. Danach kann es schon in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung nicht zweifelhaft sein, dass die Bescheinigungen unterschiedlichen Zwecken dienen sollen und diejenige nach § 15 Abs. 2 BVFG nur zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BVFG und damit nicht zu anderen Zwecken zu erteilen ist.

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Demzufolge scheidet die Erteilung einer derartigen Bescheinigung aus, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BVFG nicht vorliegen. Das ist hier der Fall.

13

Nach § 7 Abs. 2 BVFG sind die §§ 8, 10 und 11, die die Verteilung der Spätaussiedler auf die Länder, die Anerkennung von Prüfungen und Befähigungsnachweisen sowie die Leistungen bei Krankheit regeln, auf den Ehegatten und die Abkömmlinge des Spätaussiedlers, die die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 oder 2 und damit die Spätaussiedlereigenschaft nicht erfüllen, aber die Aussiedlungsgebiete im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen haben, entsprechend anzuwenden. Dabei gilt § 5 sinngemäß. Danach kann es nicht zweifelhaft sein, dass der Ehegatte und die Abkömmlinge eines Spätaussiedlers von den in § 8, 10 und 11 vorgesehenen Leistungen ausgeschlossen sind, wenn sie die in § 5 BVFG genannten Voraussetzungen erfüllen, die dem Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft nach § 4 Abs. 1 oder 2 BVFG entgegenstehen. Das ist hier der Fall. Insoweit wird im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.04.2001 - 5 C 19.00 - (DVBl. 2001, 1527) gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Begründungen der angefochtenen Bescheide verwiesen, denen das Gericht folgt.

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Dass der Kläger wegen seiner Stellung und seiner Tätigkeit im Aussiedlungsgebiet gem. § 5 Nr. 2 b BVFG vom Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft ausgeschlossen ist, stellt er selbst nicht infrage. Er räumt auch ein, keinen Anspruch auf die in §§ 8, 10 und 11 BVFG vorgesehenen Leistungen zu haben. Seiner Ansicht, dass die Beklagte gleichwohl verpflichtet sei, ihm eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG auszustellen, weil er die Eigenschaft eines Abkömmlings eines Spätaussiedlers mit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erworben habe, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Zwar mag Letzteres zutreffen. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG nicht zum Nachweis seiner Spätaussiedlerabkömmlingseigenschaft, sondern lediglich zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 ausgestellt wird. Zu mehr ist die Beklagte nicht verpflichtet. Daher kann der Kläger auch nicht eine Bescheinigung beanspruchen mit der "Auflage", dass ihm wegen des Vorliegens eines Ausschlusstatbestandes die Leistungen nach §§ 8, 10 und 11 BVFG nicht zustehen. Dass nach den von dem Kläger vorgelegten Bescheinigungen in Thüringen anders verfahren wird, ändert daran nichts.

15

Für seine gegenteilige Ansicht kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf das vorgenannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts berufen. Dort hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich ausgeführt, dass auch der Ehegatte und die Abkömmlinge eines Spätaussiedlers, bei denen Ausschlussgründe dem Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft entgegenstehen, in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbezogen werden können. Das gibt jedoch für die Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG nichts her. Abgesehen davon, dass der die Erteilung von Aufnahmebescheiden regelnde § 27 BVFG§ 5 BVFG nicht für entsprechend anwendbar erklärt, dienen der Aufnahmebescheid nach § 27 BVFG und die Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG ersichtlich unterschiedlichen Zwecken.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Ziff. 11 ZPO.