Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 04.06.2003, Az.: 2 B 34/03
Alarmierung durch Private; Gebührenrecht; Kosten; Polizei; Ungerechtfertigtes Alarmieren
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 04.06.2003
- Aktenzeichen
- 2 B 34/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48093
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Nr 108.1.3.1 AllgGO ND
- § 1 Abs 1 VwKostG ND
- § 3 Abs 1 VwKostG ND
- § 5 Abs 1 VwKostG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein ungerechtfertigtes - und damit gebührenpflichtiges - Alarmieren der Polizei durch eine Person liegt dann vor, wenn die Polizei bei ihrem (unmittelbar) nachfolgenden Einsatz vor Ort die gemeldeten Umstände tatsächlich nicht feststellt und diese sich auch aus den Gesamtumständen, insbesondere dem sonstigen Vortrag des Alarmierenden, nicht hinreichend plausibel ergeben.
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich gegen seine Heranziehung zu den Kosten für einen Polizeieinsatz.
Am 28.12.2002 gegen 22.00 Uhr alarmierte der Antragsteller telefonisch die Polizei und beschwerte sich über eine vom Nachbargrundstück bzw. seinem dort wohnenden Nachbarn, einem Herrn D. E., ausgehende Ruhestörung. Daraufhin begaben sich zwei Streifenbeamte des Polizeikommissariats F. mit einem Polizeifahrzeug zu dem vom Antragsteller angegebenen Grundstück, konnten jedoch ausweislich des insoweit am 29.12.2002 gefertigten Berichts keine Lärmbelästigungen feststellen, obwohl sie sich zwecks Überprüfung der Angaben des Antragstellers ca. 20 Minuten in unmittelbarer Nähe des Grundstücks aufgehalten hatten. Im weiteren Verlauf des Abends rief der Antragsteller gegen 23.20 Uhr ein zweites Mal bei der Polizei an und teilte mit, dass ca. 20 Jugendliche auf der Straße herumgrölten und randalierten. Auch dieser Beschwerde gingen die beiden Polizeibeamten nach, konnten jedoch vor Ort wiederum keine Lärmbelästigungen o.ä. feststellen. Vielmehr trafen sie dort ausweislich des bereits erwähnten Berichts vom 29.12.2002 lediglich einige Nachbarn bzw. Anwohner an, die vor ihren Häusern auf der Straße standen und auf Befragen der Polizeibeamten angaben, dass es keine Lärmbelästigungen gegeben habe; sie hätten lediglich das laute Herumgeschreie des Antragstellers gehört und seien deshalb auf die Straße getreten.
Mit Bescheid vom 24.02.2003 setzte die für die Antragsgegnerin handelnde Polizeiinspektion Emsland nach vorheriger Anhörung des Antragstellers für den am 28.12.2002 mit einem Polizeifahrzeug durchgeführten Polizeieinsatz eine Gebühr von 112,- EUR wegen ungerechtfertigten Alarmierens der Polizei fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die nach der (jeweiligen) Alarmierung vor Ort eingesetzten Polizeibeamten die vom Antragsteller behaupteten Ruhestörungen bzw. Lärmbelästigungen nicht hätten feststellen können; angesichts dessen habe es sich um einen gebührenpflichtigen Fehlalarm gehandelt.
Der Antragsteller hat hiergegen Widerspruch erhoben und - nachdem die Antragsgegnerin seinen gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung abgelehnt hatte - um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Er macht geltend, dass am Abend des 28.12.2002 erheblicher ruhestörender Lärm vom Nachbargrundstück ausgegangen sei, der insbesondere dadurch verursacht worden sei, dass in einem dort befindlichen, über längere Zeit offen stehenden Schuppen (über-) laute Musik gespielt worden sei. Er habe dann zunächst versucht, diese Lärmbelästigungen in eigener Initiative einzudämmen, indem er die Ruhestörer von seinem Balkon aus angesprochen und ihnen für den Fall einer Fortsetzung der Ruhestörung mit einer Benachrichtigung der Polizei gedroht habe. Diese Bemühungen seien jedoch erfolglos gewesen; vielmehr sei er insoweit lediglich verlacht worden. Erst danach habe er, nachdem die Lärmbelästigungen nicht aufgehört hätten, die Polizei angerufen. Dazu sei er auch berechtigt gewesen, weil im Zeitpunkt dieser Anrufe der Ordnungswidrigkeitentatbestand der unzulässigen Lärmausübung vorgelegen habe und es das Recht eines jeden Bürgers sei, derartige Gesetzesverstöße anzuzeigen. Dies gelte hier umso mehr, als es in der Vergangenheit - was die Antragsgegnerin in einem Fall sogar selbst einräume - schon mehrfach zu ähnlichen Ruhestörungen, insbesondere durch seinen Nachbarn E., gekommen sei und in diesem Zusammenhang auch bereits eine Schlichtungsverhandlung vor dem Jugendamt stattgefunden habe. Demgegenüber sei es unerheblich, dass die am Vorfallstag alarmierte Polizeibeamten bei ihrem Eintreffen vor Ort die von ihm gemeldeten Umstände nicht mehr vorgefunden hätten.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.02.2003 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt aus den Gründen des angefochtenen Bescheides,
den Antrag abzulehnen.
II. Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO hat ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, mit dem - wie hier - öffentliche Abgaben oder Kosten angefordert werden, keine aufschiebende Wirkung, so dass der geforderte Betrag grundsätzlich sofort zu zahlen ist. Eine Aussetzung der Vollziehung soll in derartigen Fällen gem. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO nur dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen, oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres ist hier angesichts der Höhe des geforderten Betrages (112,- EUR) nicht ersichtlich und wird im Übrigen vom Antragsteller selbst nicht behauptet. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides, wobei im Ergebnis offen bleiben kann, ob dies bereits dann der Fall ist, wenn ein Erfolg des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg oder ob insoweit zu fordern ist, dass ein Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher sein muss als ein Misserfolg (vgl. zum Meinungsstand u.a. Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 80 Rdnr. 116 m.w.N.). Vielmehr sprechen bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung - umgekehrt - gewichtige Gründe dafür, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller zu Recht zu der streitigen Gebühr herangezogen hat.
Nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 und 4, 5 Abs. 1 Satz 1 des Nds. Verwaltungskostengesetzes i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung - AllGO -) vom 05.06.1997 (Nds. GVBl. S. 171) i.d.F. der Änderungsverordnung vom 25.06.2002 (Nds. GVBl. S. 201) sind - nach Maßgabe dieser Gebührenordnung - für Amtshandlungen der Landesverwaltung Kosten (Gebühren und Auslagen) von demjenigen Beteiligten zu erheben, der zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat. Eine in diesem Sinne gebührenpflichtige Amtshandlung stellt dabei u.a. das ungerechtfertigte Alarmieren der Polizei durch eine Person dar (Nr. 108.1.3.1 des Kostentarifs zur AllGO i.d.F. der Verordnung vom 25.06.2002, durch die die im angefochtenen Bescheid zitierte Tarifstelle ersetzt worden ist), wobei sich die Höhe der Gebühr in den Fällen, in denen die Polizei - wie hier - unter Einsatz eines Fahrzeugs tätig geworden ist, auf 112,- EUR (Nr. 108.1.3.2.1 des Kostentarif zur AllGO) beläuft. In der Anmerkung zu Nr. 108.1.3 des Kostentarifs ist dazu ergänzend bestimmt, dass eine Alarmierung durch eine Person dann ungerechtfertigt ist, wenn die Polizei keinen Grund für ein polizeiliches Einschreiten feststellt, es sei denn, der Verfügungsberechtigte weist Tataschen nach, die die Annahme rechtfertigen, dass die Alarmauslösung berechtigt war.
Unter Berücksichtigung dessen dürfte davon auszugehen sein, dass die Voraussetzungen des genannten Gebührentatbestandes hier erfüllt sind, weil die vom Antragsteller am Abend des 28.12.2002 (zweimal) alarmierten Polizeibeamten ausweislich des insoweit gefertigten Berichts vom 29.12.2002 bei ihrem (jeweiligen) Eintreffen vor Ort weder die vom Antragsteller behaupteten Ruhestörungen bzw. Lärmbelästigungen noch sonstige Gründe für ein etwaiges polizeiliches Einschreiten festgestellt haben. Nach dem derzeit überschaubaren Sachverhalt kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller (im Sinne der Anm. zur Tarifstelle Nr. 108.1.3) Tatsachen nachgewiesen hat, die die Annahme einer berechtigten Alarmauslösung rechtfertigen. Die in dem erwähnten Polizeibericht enthaltenen Ausführungen, wonach im Zeitpunkt des (jeweiligen) Eintreffens der Polizeibeamten aktuell keine Lärmbelästigungen o.ä. feststellbar gewesen seien, bestreitet der Antragsteller selbst nicht; er behauptet vielmehr, dass es jeweils vor der Alarmierung der Polizei derartige Belästigungen gegeben habe und versucht diesen Vortrag durch den ergänzenden Hinweis darauf zu untermauern, dass es auch in der Vergangenheit bereits mehrfach zu entsprechenden Ruhestörungen gekommen sei. Soweit es den letztgenannten Gesichtspunkt betrifft, ist dem erwähnten Polizeibericht allerdings zu entnehmen, dass es in der Vergangenheit - jeweils auf entsprechende Beschwerden des Antragstellers über seinen Nachbarn E. hin - zwar schon mehrfach zu vergleichbaren Polizeieinsätzen gekommen sei, der Nachbar des Antragstellers jedoch lediglich einmal als Verursacher einer Lärmbelästigung habe festgestellt werden können; angesichts dessen ist der diesbezügliche Vortrag des Antragstellers eher zurückhaltend zu bewerten. Auch im Übrigen vermag das Vorbringen des Antragstellers, wonach es am 28.12.2002 jeweils vor seinen Telefonanrufen bei der Polizei erhebliche Ruhestörungen gegeben habe bzw. - wie er in seiner Widerspruchsbegründung geltend gemacht hat - bereits seit den Nachmittagsstunden bis in den (späten) Abend hinein „permanent Lärm aus dem auf dem Nachbargrundstück befindlichen, längere Zeit offen stehenden Schuppen gekommen sei“, insgesamt nicht zu überzeugen. Denn wenn die geltend gemachten Lärmbelästigungen tatsächlich ein derartiges (auch zeitliches) Ausmaß gehabt hätten, hätte es nach allgemeiner Lebenserfahrung nahe gelegen, dass Derartiges auch von den ermittelnden Polizeibeamten bei ihren jeweiligen Einsätzen vor Ort - sei es auf Grund eigener Wahrnehmung, sei es durch Befragung von Zeugen o.ä. - festgestellt worden wäre. Dies war hier jedoch nicht der Fall, obwohl sich die Polizeibeamten beim ersten Einsatz (kurz nach 22.00 Uhr) selbst ca. 20 Minuten in unmittelbarer Nähe der fraglichen Grundstücke aufgehalten und anlässlich des zweiten Einsatzes (gegen 23.30 Uhr) mehrere Nachbarn bzw. Anwohner befragt haben, die entsprechende, vom Nachbargrundstück ausgehende Lärmbelästigungen gerade nicht bestätigt haben; irgendwelche Hinweise auf (zu) laute Musik aus dem auf dem Nachbargrundstück befindlichen Schuppen finden sich in dem genannten Polizeibericht ebenfalls nicht. Angesichts dieser Gesamtumstände kann der - vom Antragsteller zu führende - Nachweis einer berechtigten Alarmauslösung daher jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht als erbracht angesehen werden; allein der vom Antragsteller eingenommene Standpunkt, es sei sein gutes Recht, (vermeintliche) Ordnungswidrigkeiten bzw. Gesetzesverstöße anzuzeigen, reicht hierfür nicht aus.