Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 09.06.2009, Az.: L 13 AS 39/09 B ER

Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bei Besuchen einer Fachschule für Sozialpädagogik in Form des Teilzeitunterrichts durch den Antragsteller; Ablehnung eines Antrags nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wegen Überschreitens der maßgeblichen Altersgrenze; Erfüllung des Ausschlusstatbestands von § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II bei Versagung der Ausbildungsförderung nach § 7 BAföG

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
09.06.2009
Aktenzeichen
L 13 AS 39/09 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 15786
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0609.L13AS39.09B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 22.12.2008 - AZ: S 48 AS 2431/08 ER

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Dezember 2008 wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 18. Dezember 2008 bis zum 31. Juli 2009 in Höhe von monatlich 749,00 EUR zu gewähren.

Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechzügen sind zu erstatten.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hat, obwohl sie eine Fachschule für Sozialpädagogik in Form des Teilzeitunterrichts besucht.

2

Die im Januar 1971 geborene, ledige Antragstellerin hat früher eine Ausbildung zur Kinderpflegerin absolviert. Sie bewohnt seit dem Januar 1995 eine Wohnung, die im Eigentum ihrer Mutter steht und für die sie monatlich eine Miete von 255,65 EUR und Abschlagszahlungen für Heizung und Nebenkosten in Höhe von 92,50 EUR und 49,50 EUR zu zahlen hat. Die Warmwasserbereitung erfolgt nach einem früheren Vermerk in den Verwaltungsvorgängen mittels Strom. Bis zum 24. Oktober 2008 erhielt die Antragstellerin laufende Leistungen nach dem Arbeitslosengeld I von der Bundesagentur für Arbeit; ihr Anspruch war mit diesem Tag erschöpft.

3

Seit dem 21. August 2008 besucht die Antragstellerin in F. die Fachschule für Sozialpädagogik mit dem Ziel, dort eine Ausbildung zur staatlich geprüften Erzieherin zu absolvieren. Dieser Fachschulbesuch hat die Besonderheit, dass die Klasse in Teilzeitunterricht von den Berufsbildenden Schulen angeboten wird. Die Unterrichtsstunden im Umfang von 10,5 Stunden wöchentlich werden am Dienstag und Donnerstag in der Zeit von 17:00 bis 20:30 Uhr und am Samstag in der Zeit von 8:30 bis 14:00 Uhr erteilt. Daneben wird erwartet, dass die Schülerinnen ein ausbildungseinschlägiges Praktikum absolvieren, das die Antragstellerin nach ihrem Vorbringen in einem Kindergarten eines Freien Trägers in der Gemeinde G. durchgeführt. Nach einem Vermerk ihres persönlichen Ansprechpartners in der Bundesagentur für Arbeit (Bl. 32 der Verwaltungsvorgänge) hat die Antragstellerin zwar aufgrund ihrer Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin und der Berufserfahrung grundsätzlich gute Voraussetzungen für eine berufliche Integration; allerdings sei sie mangels einer Ausbildung zur staatlich geprüften Erzieherin nur als Zweitkraft einsetzbar und derartige Posten würden zunehmend auch mit staatlich geprüften Erzieherinnen besetzt.

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Der Antrag der Antragstellerin, ihr für den Besuch der Fachschule in Teilzeitform Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu gewähren, wurde von der Stadt F. mit Bescheid vom 25. November 2008 mit der Begründung abgelehnt, dass die Antragstellerin die für die Gewährung von Ausbildungsförderung maßgebliche Altersgrenze nach § 10 BAföGüberschritten habe.

5

Am 24. Oktober 2008 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Gewährung von laufenden Leistungen. Sie legte dabei ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und die näheren Umstände ihrer Ausbildung dar. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2008 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen mit der Begründung ab, dass die Antragstellerin eine dem Grunde nach den Vorschriften des BAföG förderungsfähige Ausbildung betreibe, so dass sie dem Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II unterfalle. Dagegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 10. November 2008 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass sie tatsächlich weiterhin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe und sich um die Aufnahme einer Tätigkeit bemühe.

6

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 27. November 2008 als unbegründet zurückgewiesen; der Widerspruchsbescheid wurde ausweislich eines handschriftlichen Vermerks am gleichen Tage zur Post gegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung betreibe, jedoch lediglich wegen Überschreitens der Altersgrenze und damit mangels persönlicher Anspruchsvoraussetzungen Leistungen nach dem BAföG nicht erhalte. Damit unterfalle sie dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Auch sei bei ihr kein besonderer Härtefall gegeben, der ausnahmsweise die Gewährung von Leistungen in Form eines Darlehens rechtfertigen könne. Dagegen hat die Antragstellerin am 2. Januar 2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben, die dort unter dem Aktenzeichen S 48 AS 4/09 behandelt worden.

7

Bereits am 18. Dezember 2008 hat sich die Antragstellerin an das SG Oldenburg mit der Bitte um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt. Sie hat geltend gemacht, dass sie trotz zahlreicher Bewerbungen als ausgebildete Kinderpflegerin keine Arbeit finden könne, weil die besser qualifizierten Erzieherinnen auf dem Arbeitsmarkt bevorzugt würden. Tatsächlich suche sie auch nach einer bezahlten Arbeit, die sie aber nicht finde.

8

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 hat es das SG Oldenburg abgelehnt, die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Antragstellerin eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung betreibe, so dass sie grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Auch sei bei ihr ein besonderer Härtefall, der die darlehensweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II rechtfertigen könnte, nicht gegeben. Der Umstand, dass die Antragstellerin im vorgerückten Alter nun eine schulische Ausbildung absolviere, stellte keinen Grund für die Annahme eines Härtefalles dar. Denn die Regelungen des SGB II stellten keine allgemeine Auffangregelung für den Fall dar, dass mangels persönlicher Voraussetzungen Leistungen nach dem BAföG nicht gewährt würden. Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 23. Dezember 2008 zugestellt.

9

Am 23. Januar 2009 hat die Antragstellerin Beschwerde erhoben. Sie macht geltend: Aufgrund der Ausbildung in Teilzeitform sei es ihr möglich, einer beruflichen Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt regelmäßig nachzugehen. Außerdem stehe der Anwendung des Ausschlusstatbestandes nach § 7 Abs. 5 SGB II die Regelung in § 7 Abs. 6 SGB II entgegen, weil sie im Sinne dieser Vorschrift weiterhin bei ihren Eltern wohne. Denn die von ihr bewohnte Wohnung stehe im Eigentum ihrer Mutter.

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Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und macht geltend, dass die in § 12 Abs. 3 a BAföG angesprochene Regelung über den im Eigentum der Eltern stehenden Wohnraum der Auszubildenden für die Anwendung der Gewährung von Förderungsleistungen nach § 2 Abs. 1 a BAföG keine Anwendung finde.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der genannten Akte des Klageverfahrens der Antragstellerin.

12

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

13

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, BVerfGE 79, 69, 74 [BVerfG 25.10.1988 - 2 BvR 745/88] m.w.N.).

14

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin nach dem Kenntnisstand des Senats sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch auf Gewährung von Leistungen glaubhaft dargetan. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und des SG Oldenburg betreibt nämlich die Antragstellerin nicht eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung im Sinne des Ausschlusstatbestands von § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Dazu im Einzelnen:

15

Leistungen nach den §§ 20, 22 SGB II erhalten gem. § 7 Abs. 1 Satz1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (Nr. 4). Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragstellerin allesamt nach Aktenlage bis heute. Für den Fall, dass die Hilfesuchende nur allgemein vorbringt, arbeitsuchend zu sein, aber tatsächlich eine Ausbildung betreibt, wurde in § 7 Abs. 5 und 6 SGB II für Auszubildende ein Sonderrecht geschaffen, um zu vermeiden, dass durch Leistungen nach dem SGB II Ausbildungsförderung in "zweiter Linie" geleistet wird, obwohl staatliche Ausbildungsförderungsleistungen im Regelfall ausschließlich nach den Bestimmungen des BAföG oder des Berufsausbildungsrechts im SGB III - dort §§ 59 bis 63 - gewährt wird. Durch die Formulierung in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II wird deutlich, dass es nicht darauf ankommt, ob der Hilfesuchenden tatsächlich Leistungen nach dem BAföG gewährt werden, weil individuelle Versagungsgründe nach dem BAföG außer Betracht bleiben; vielmehr kommt es auf die Förderungsfähigkeit der betreffenden Ausbildung dem Grunde nach an (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R - in: FEVS 59, 289 und Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 28/07 R - zitiert nach [...], zur beruflichen Zweitausbildung).

16

Zur Beantwortung der Frage, ob es sich bei der konkret in Frage stehenden Ausbildung um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung im Sinne des BAföG handelt, ist auf die in § 2 BAföG umschriebenen Ausbildungsstätten und dort genannten Ausbildungsgänge zurückzugreifen. Unterfällt eine Ausbildung nicht dieser Regelung, so handelt es sich nicht um eine "dem Grunde nach" förderungsfähige Ausbildung im Sinne des BAföG.

17

Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass es für die Frage der grundsätzlichen Förderungsfähigkeit nicht darauf ankommt, ob der betreffende Auszubildende tatsächlich Ausbildungsförderungsleistungen erhält; vielmehr ist der Ausschlusstatbestand von § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II auch dann erfüllt, wenn Ausbildungsförderung aufgrund der Regelungen in § 7 BAföG versagt worden ist (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 2. Februar 1984 - 2 B 9/84 - in: FEVS 33, 147; BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1993 - 5 B 82.92 - in: FEVS 44, 138 beide noch zur Vorgängervorschrift § 26 BSHG; anderer Ansicht zum individuellen Ausschlusstatbestand des § 7 BAföG beim Aufbaustudium, Masterstudiengang und Promotionsstudium: Sächsisches LSG Chemnitz, Urteil vom 23. August 2007 - L 3 AS 59/06 - und Urteil vom 21. August 2008 - L 3 AS 62/06 - sowie LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. April 2008 - L 2 AS 71/06 - in: FEVS 60, 234). Aus den gleichen in der Person des Auszubildenden und nicht in der Eigenart des Ausbildungsganges liegenden Gründen ist es für die Bejahung des Ausschlusstatbestandes in § 7 Abs. 5 SGB II ohne Bedeutung, wenn die betreffende Hilfesuchende deswegen keine Ausbildungsförderungsleistungen nach dem BAföG erhält, weil sie etwa die Altersgrenze überschritten hat (§ 10 BAföG), die Staatsangehörigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt (§ 8 BAföG), die Förderungshöchstdauer überschritten hat (§ 15 BAföG) oder eine Zweitausbildung betreibt (§ 7 BAföG). Dasselbe gilt für das Fehlen persönlicher Voraussetzungen bei einer Förderung der Berufsausbildung. Fällt z.B. die Auszubildende nicht unter den förderungsfähigen Personenkreis nach § 63 SGB III, so ist die Berufsausbildung dennoch dem Grunde nach förderungsfähig, so dass der Anspruchsausschluss nach dem SGB II greift. Auch die besonderen Voraussetzungen für eine Förderung von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (§ 61 SGB III) nach § 64 Abs. 2 SGB III (individuelle Fähigkeiten des Auszubildenden) berühren die dem Grunde nach bestehende Förderungsfähigkeit nicht (vgl. Grube zur Parallelnorm § 22 SGB XII in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 22 Rdn. 26 m.w.N.). Durch dieses Regelungssystem kommt zum Ausdruck, dass § 7 Abs. 5 SGB II nicht etwa nur Ausdruck des Nachranggrundsatzes ist, sondern darüber hinaus deutlich macht, dass laufende Grundsicherungsleistungen für den Typus Ausbildung sozialhilferechtlich - sei es nach dem SGB II oder sei es nach dem SGB XII - nicht mehr ein beachtlicher Bedarf sind.

18

Mithin ist die von der Antragstellerin konkret betriebene Ausbildung zur Beantwortung der Frage, ob es sich um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung handelt, nach den Voraussetzungen und Regelungen in § 2 BAföG zu beurteilen. Werden in dieser Regelung aufgrund der Eigenart des Ausbildungsganges - losgelöst von den persönlichen Voraussetzungen des jeweiligen Auszubildenden - bestimmte Ausbildungen ausgeschlossen, so kann dies zunächst nicht allgemein über § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II dem Hilfesuchenden als Ausschlusstatbestand entgegengehalten werden. So hat der Senat bereits entschieden, dass es sich bei einer erwerbsfähigen Hilfesuchenden, die als Beamtin auf Widerruf in der Referendarausbildung hin zum zweiten Staatsexamen befindet, nicht um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung handelt, weil für diese Art von Ausbildung Ausbildungsförderung dem Grunde nach ausgeschlossen ist, wie es sich aus § 2 Abs. 6 Nr. 3 BAföG ergibt. Nach dieser Vorschrift wird nämlich Ausbildungsförderung nicht geleistet, wenn die Auszubildende als Beschäftigte im öffentlichen Dienst Anwärterbezüge oder ähnliche Leistungen aus öffentlichen Mitteln erhält (vgl. Beschluss des Senat vom 29. Mai 2009 - L 13 AS 261/08 ER - V. n. b.).

19

Ähnlich verhält es sich im vorliegenden Falle. Denn die Antragstellerin führt eine Ausbildung in Teilzeitform durch. Vollständig in Teilzeitform durchgeführte Ausbildungen unterfallen aber dem Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG. Nach dieser Vorschrift kann nur eine solche Ausbildung durch Leistungen nach dem BAföG gefördert werden, für die die Auszubildenden im Allgemeinen, d.h. im Normalfall, ihre Arbeitszeit ganz einsetzen müssen. Die von der Antragstellerin durchgeführte Teilzeitausbildung mit 10,5 Wochenstunden Unterrichtszeit entspricht dieser Anforderung nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin möglicherweise bei einem Teilzeitstudium nicht voll ausgelastet wäre und sie möglicherweise individuell zu einem Vollzeitstudium durchaus in der Lage wäre. Denn der Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 5 Satz 1, 2. HS BAföG betrifft nicht die Förderung im konkreten Falle, sondern die abstrakte Förderungsfähigkeit wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ausführlich unter Bezugnahme auf Wortlaut, Regelungszusammenhang, Entstehungsgeschichte und Zweck dieser Vorschrift ausgeführt hat (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 28.93 - in: Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 112 = FamRZ 1995, 839 und Beschluss vom 22. Dezember 2003 - 5 B 51/03 - zit. nach [...]). Es kommt danach nicht darauf an, ob der einzelne Auszubildende nach seinen persönlichen Verhältnissen in der Lage ist, neben der Ausbildung seine Arbeitskraft für eine andere Tätigkeit einzusetzen, sondern allein darauf, ob die Ausbildung als solche in Vollzeit- oder Teilzeitform ausgeführt wird. Wird sie in Teilzeitform ausgeführt, ist diese Ausbildung deshalb nicht förderungsfähig, weil der entsprechende Ausbildungsgang so gestaltet ist, dass er der Auszubildenden die Möglichkeit belässt, neben dieser Ausbildung eine Berufstätigkeit auszuüben und so den Lebensunterhalt zu sichern. Insoweit kann auf die Regelung in § 120 Abs. 2 SGB III verwiesen werden. Danach wird bei Schülern oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätten vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Nach Satz 2 der Regelung kann diese Vermutung widerlegt werden, wenn der Schüler oder Student darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei einer ordnungsgemäßen Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt. Dann widerspricht es auch nicht dem Konzept des SGB II, in den Fällen, in denen die Möglichkeit der Aufnahme einer den Lebensunterhalt (vollständig) sichernden Erwerbstätigkeit neben der Ausbildung nicht realisiert werden kann, weil keine Arbeit vorhanden ist, bedürftigkeitsabhängige Leistungen zu gewähren. Zwar dienen die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II nicht dem Zweck, gleichsam eine Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene sicherzustellen, nach dem die primär dafür vorgesehenen Leistungen nicht gewährt werden können. Finanziert wird mit den Leistungen des SGB II in Fällen einer in Teilzeit durchgeführten Ausbildung aber nicht in erster Linie die Ausbildung, sondern es wird vielmehr das Risiko der Erwerbslosigkeit abgedeckt, das unabhängig von der nur in Teilzeit durchgeführten Ausbildung besteht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 1. August 2007 - L 28 B 1098/07 AS ER - und Beschuss vom 19. November 2007 - L 14 B 1224/07 AS ER -; LSG Thüringen, Beschluss vom 15. Januar 2007 - L 7 AS 1130/06 ER - in: FEVS 59, 45; anderer Ansicht: LSG Hessen, Beschluss vom 22. November 2005 - L 9 AS 76/05 ER - und Beschluss vom 7. November 2006 - L 7 AS 200/06 ER - in: ZfSH/SGB 2007, 274). Auch in der Literatur wird bei einem Teilzeitstudium eine dem Grunde nach gegebene Förderungsfähigkeit nach dem BAföG verneint (vgl. Schlette in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2008, § 22 Rdn. 12f; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand April 2008, § 7 Rdn. 87 a; A. Loose in: GK-SGB II, Hrsg. Hohm, Stand 9. Lieferung, § 7 Rdn. 121.1 und 141.4).

20

Gehört die von der Antragstellerin betriebene Teilzeitausbildung nicht zu den dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildungen, und wird damit diese Ausbildung als solche nicht vom Anspruchsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II erfasst, so bedeutet dies keineswegs, dass für derartige Ausbildungen stets und immer Grundsicherungsleistungen ohne Weiteres beansprucht werden könnten. Denn Ausbildungsförderung durch die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem SGB II gehört nicht zu den Aufgaben der Grundsicherung abgesehen von den Sonderregelungen in § 16 SGB II. Dass im vorliegenden Fall für die Antragstellerin Leistungen der Antragsgegnerin auch beim Betreiben einer Ausbildung nach § 16 SGB II in Betracht kommen können, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne ausschlaggebende Bedeutung, da der Antragsgegnerin insoweit ein sehr weites Ermessen eingeräumt ist und eine Ermessensreduzierung auf Null nicht erkennbar geworden ist. Auch ist im vorliegenden Fall keine Situation gegeben, die auch unter Berücksichtigung des der Antragsgegnerin eingeräumten Ermessens es gebieten würde, von einer für die Antragstellerin gebotenen Leistung auszugehen (vgl. Beschluss des 12. Senats des erkennenden Gerichts vom 16. Oktober 2006 - L 12 AL 202/06 ER - in: Breithaupt 2007, 342).

21

Kann mithin der Antragstellerin gegenwärtig der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 5 SGB II nicht entgegengehalten werden, so spricht nach dem Kenntnisstand des Senats in diesem Verfahren Überwiegendes dafür, einen Anordnungsanspruch zu bejahen. Die Antragstellerin ist erwerbsfähig und findet keine Arbeit. Es wäre ihr möglich, neben der Teilzeitausbildung zu den normalen täglichen Beschäftigungszeiten - abgesehen vom Samstag - eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Allerdings sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach § 2 Abs. 2 SGB II die Antragstellerin gehalten ist, in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten; nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II ist die Annahme einer Arbeit nur dann nicht zumutbar, wenn der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht. Während dies wohl für den Besuch einer allgemeinbildenden höheren Schule angenommen werden kann (vgl. hierzu: Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 10 Rdn. 130; Sander in: GK-SGB II, a.a.O., § 10 Rdn. 77), so ist angesichts der schon von der Antragstellerin absolvierten ersten Ausbildung und ihres fortgeschrittenen Lebensalters jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob sie einer angebotenen Beschäftigung die Fortführung ihrer begonnenen Ausbildung als wichtigen Grund entgegen halten kann. Allerdings liegt dies angesichts der von der Arbeitsverwaltung festgestellten niedrigen Vermittlungschancen und der schlechten Entlohnung in ihrem bisherigen Beruf durchaus nahe, weil durch die Ausbildung sich ihre Vermittlungschancen und ihre Wiedereingliederung ins Arbeitsleben deutlich erhöhen mögen. Die Frage der Leistungsberechtigung nach dem SGB II kann sich dabei aber nur unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 c SGB II stellen. Eine Absenkung oder Einstellung von Leistungen nach dem aus dem Recht des SGB III entnommenen Gesichtspunkt der "fehlenden Verfügbarkeit" (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) ist im SGB II nicht vorgesehen. Für eine fehlende Erreichbarkeit der Antragstellerin im Sinne des § 7 Abs. 4 a SGB II ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt.

22

Nach alledem geht der Senat nach seinem derzeitigen Erkenntnisstand davon aus, dass der Antragstellerin unter Berücksichtigung des Regelsatzes und der Kosten der Unterkunft gegenwärtig (gerundet) monatlich ein Leistungsanspruch von 749,00 EUR zur Seite steht. Hinsichtlich des Bewilligungszeitraums knüpft der Senat an den Tag der Antragstellung beim SG im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an, soweit es den Beginn der Regelungsanordnung betrifft (vgl. Wündrich, Vorläufiger Rechtsschutz in: SGb 2009, 267, 271); hinsichtlich der Dauer der Regelungsanordnung stellt der Senat auf das voraussichtliche Ende des Teilzeitunterrichts zum 31. Juli 2009 ab. Sollte die Antragstellerin danach ihre Ausbildung in Teilzeitform fortsetzen, ohne eine Erwerbstätigkeit gefunden zu haben oder ohne dass ihr von der Antragsgegnerin eine zumutbare Tätigkeit angeboten wurde, so wird die Antragsgegnerin einen eventuell geltend gemachten Anspruch auf Leistungen erneut unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu prüfen haben.

23

Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der wirtschaftlichen Notlage der Antragstellerin, die sie im vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht hat.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Eine Entscheidung über das von der Antragstellerin geltend gemachte Prozesskostenhilfebegehren ist nicht mehr notwendig, da die Antragstellerin nunmehr mit der Antragsgegnerin über eine leistungsfähige Kostenschuldnerin verfügt.

25

Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG nicht anfechtbar.