Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.06.2006, Az.: 11 K 12806/03
Entnahmen eines nahen Angehörigen als verdeckte Gewinnausschüttung; Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung; Zurechnung gesellschaftsschädigender Handlungen des Geschäftsführers an die Gesellschaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.06.2006
- Aktenzeichen
- 11 K 12806/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 22817
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2006:0616.11K12806.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 06.06.2007 - AZ: VIII S 21/06 (PKH)
- BFH - 19.06.2007 - AZ: VIII R 34/06
Rechtsgrundlage
- § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG
Fundstellen
- DStR 2006, X Heft 39 (Kurzinformation)
- DStRE 2006, 1341-1342 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2006, 1856-1857 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB direkt 2006, 8
- NZG 2006, VIII Heft 19 (Kurzinformation)
- StBW 2006, 1
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist gegeben, wenn es sich um die Zuwendung eines Vermögensvorteils durch die Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter handelt, die außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung erfolgte und gesellschaftlich veranlasst ist.
- 2.
Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sind Zuwendungen eines Vermögensvorteils auch an eine nahe stehende Person als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen und dem anderen zuzurechnen.
- 3.
Die Handlungen des Geschäftsführers sind der Kapitalgesellschaft selbst dann zuzurechnen, wenn er die Gesellschaft dadurch in strafbarer Weise schädigt.
- 4.
Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung in Form der Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahe stehende Person setzt weder auf Gesellschafts- noch auf Gesellschafterebene voraus, dass die Zuwendung einen Vorteil für den Gesellschafter zur Folge hat.
Tatbestand
Streitig ist, ob in den Streitjahren verdeckten Gewinnausschüttungen - vGA - zu berücksichtigen sind.
Der Kläger, geb. am ..., errichtete am 28. April 1994 als alleiniger Gesellschafter die...GmbH. Das Stammkapital betrug 50.000 DM. In den Streitjahren war der Kläger Alleingesellschafter. Der Vater des Klägers, Architekt ..., wurde zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Am 15. Oktober 1996 wurde auf einer Gesellschafterversammlung die Abberufung des Geschäftsführers...und die Änderung der Firmierung der Gesellschaft in...- GmbH - beschlossen. Als neue Geschäftsführerin wurde ..., die Mutter des Klägers, bestellt. 1997 übernahm die Mutter vom Kläger einen Geschäftsanteil mit einem Nominalwert von 25.000 DM. 1999 übertrugen der Kläger und die Mutter ihre Geschäftsanteile auf .... Im Februar 2003 wurde die GmbH von Amts wegen gelöscht.
Für die Streitjahre wurden Steuererklärungen zunächst weder für die GmbH noch für den Kläger abgegeben. Aufgrund einer Fahndungsprüfung im Zeitraum November 2000 bis Januar 2002 stellte die Finanzbehörde u.a. fest, dass die Buchführungsunterlagen für die GmbH durch eine Steuerberaterin aufbereitet und Jahresabschlüsse für die Jahre 1995 und 1996 erstellt worden waren. In den Jahresabschlüssen für die Jahre 1995 und 1996 waren Forderungen gegen den Geschäftsführer (Konto 1503) und gegen den Gesellschafter (Konto 1507) ausgewiesen. Aus dem Journal für das Geschäftsjahr 1996 ergab sich, dass diese Forderungen insbesondere aufgrund von Barabhebungen und Zahlungen von Rechnungen, die nicht betrieblich veranlasst waren, entstanden waren. In einem Protokoll über die Vernehmung des Vaters des Klägers, die durch das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen durchgeführt worden war, wurde Folgendes festgehalten: "Mir wird weiterhin erläutert, dass die Forderungen der...an die Anteilseigner bzw. Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttungen berücksichtigt werden. Dies sind im Einzelnen: 1995 71.694 DM 1996 100.832 DM ... Damit erkläre ich mich einverstanden."
Der Beklagte erließ am 16. Januar 2003 Einkommensteuerbescheide gegen den Kläger für die Streitjahre. In ihnen wurden Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 71.694 DM (1995) und 100.832 DM (1996) erfasst. Dagegen legte der Kläger am 21. Januar 2003 Einspruch ein, der mit Einspruchsbescheid vom 14. November 2003, zugestellt am 18. November 2003, als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob der Kläger am 18. Dezember 2003 Klage vor dem Finanzgericht.
Der Kläger trägt vor, es seien keine Zahlungen durch die GmbH an den Kläger erfolgt. Der Kläger sei in den Streitjahren Schüler gewesen. Die Zahlungen könnten ihm nicht zugerechnet werden. Von den Abhebungen des Vaters habe er keine Kenntnis gehabt. Die Einverständniserklärung des Vaters könne nicht berücksichtigt werden, da der Vater den Inhalt der Erklärung nicht verstanden hätte. Er habe die Tragweite der Erklärung nicht überblicken können. Die rechtliche und steuerliche Einordnung als "verdeckte Gewinnausschüttung" habe er nicht verstanden. Dies ergebe sich auch aus der Erklärung am Ende des Protokolls. Danach habe sich der Vater des Klägers nicht um die steuerlichen Belange gekümmert.
Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 16. Januar 2003 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 14. November 2003 aufzuheben
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, aufgrund der Erklärung des Geschäftsführers sei von einer verdeckten Gewinnausschüttung auszugehen. Der Kläger und der Vater hätten Privatentnahmen getätigt; die durch diese Entnahmen begründeten Forderungen der GmbH könnten nicht mehr realisiert werden, weil die GmbH inzwischen erloschen sei.
Die Beteiligten erklärten sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden.
Gründe
I.
Die Klage ist unbegründet.
Die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 16. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2003 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Recht 71.694 DM 1995 und 100.832 DM 1996 als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt und dem Kläger zugerechnet.
1.
Verdeckte Gewinnausschüttungen sind als gesellschaftlich veranlasste Zuwendungen beim Gesellschafter zu versteuern (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz - EStG -). Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist gegeben, wenn es sich um die Zuwendung eines Vermögensvorteils durch die Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter handelt, die außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung erfolgte und gesellschaftlich veranlasst ist. Sie ist gesellschaftlich veranlasst, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sie einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht zugewendet hätte, d.h. die Ursache im Gesellschaftsverhältnis begründet ist (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2003 I B 43/02, BFH/NV 2003, 1027; Urteil vom 9. Juli 2003 I R 100/02, BFH/NV 2003, 1666; Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFH/NV 2005, 105 m.w.N.). Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sind Zuwendungen eines Vermögensvorteils auch an eine nahe stehende Person als vGA zu beurteilen und dem anderen zuzurechnen (BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFH/NV 2005, 105 m.w.N.; Urteil vom 29. September 1981 VIII R 8/77, BStBl II 1982, 248, 249).
2.
Danach sind die vom Vater und Geschäftsführer in den Streitjahren der GmbH entnommenen Beträge als Einnahmen aus Kapitalvermögen anzusetzende verdeckte Gewinnausschüttungen. Denn die GmbH, vertreten durch den Vater des Klägers als ihr Geschäftsführer, hat außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung dem Kläger bzw. überwiegend sich selbst, und damit einer dem Kläger nahe stehenden Person, in den Streitjahren Vermögensvorteile zugewandt, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.
3.
Demgegenüber kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Handlungen des Vaters ihm nicht zugerechnet werden könnten. Die Handlungen des Geschäftsführers sind der Kapitalgesellschaft zuzurechnen und darauf kommt es allein an; dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer durch diese Handlung die Gesellschaft in strafbarer Weise schädigt (BFH-Urteil vom 14. Oktober 1992 I R 17/92, BStBl II 1993, 352; Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFH/NV 2005, 105 m.w.N.). Damit handelt es sich um Zuwendungen der GmbH an eine nahe stehende Person des Klägers.
4.
Unabhängig davon hat sich der Kläger auch durch eigenes Verhalten die Vermögenszuwendungen an den Vater zuzurechnen. Der Kläger kam seinen gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten und -pflichten nicht nach (vgl. FG Münster Urteil vom 22. Juli 2005 11 K 5828/03 EStG, EFG 2005, 1697; Rev. eingelegt Az. VIII R 54/05). Obwohl für die GmbH für die Streitjahre Jahresabschlüsse gefertigt wurden und sich aus diesen Jahresabschlüssen die Forderungen gegen den Kläger und gegen den Vater und Geschäftsführer aus den Kontennachweisen zur Bilanz zum Konto 1503 und 1507 ergab, sah es der Kläger nicht für erforderlich an, diese Unterlagen zu prüfen und entsprechende Beanstandungen vorzunehmen. Der Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe sich nicht weiter um die GmbH gekümmert, macht diesen Zurechnungsbeitrag des Klägers deutlich.
5.
Ebenfalls nicht mit Erfolg kann sich der Kläger darauf berufen, dass die Zuwendungen der GmbH an den Vater nicht geeignet gewesen seien, bei ihm (dem Kläger) einen Beteiligungsertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hervorzurufen. Die Zuwendungen könnten allenfalls beim Vater zu berücksichtigen sein. Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, setzt die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung in Form der Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahe stehende Person weder auf Gesellschaftsebene (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 - I R 139/94, BStBl II 1997, 301) noch auf Gesellschafterebene (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 - VIII R 4/01, a.a.O.) voraus, dass diese Zuwendung einen Vorteil für den Gesellschafter zur Folge hat (ebenso FG Münster Urteil vom 22. Juli 2005 11 K 5828/03 EStG, EFG 2005, 1697; Rev. eingelegt Az. VIII R 54/05).
6.
Unerheblich ist auch, ob der Vater der Berücksichtigung als verdeckte Gewinnausschüttung zugestimmt hat. Maßgeblich ist allein, dass er durch sein Handeln vor allem sich selbst als dem Kläger nahe stehende Person Vermögensvorteile zugewendet hat.
7.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er habe nur die GmbH gegründet und ansonsten keinen Einfluss auf die Geschäfte geltend gemacht, nimmt er Bezug auf eine möglicherweise bestehende "Strohmann"-Stellung des Klägers. Diese führt jedoch nur dann zu einer anderen Zurechnung der Einkünfte, wenn ein Treuhandverhältnis zu einem Treugeber bestand; denn nur dann können die Einnahmen dem Treugeber nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Abgabenordnung (AO) zugerechnet werden (BFH-Beschluss vom 2. März 2004 III B 114/03, BFH/NV 2004, 1109). Ein zur abweichenden Zurechnung führendes Treuhandverhältnis ist aber nur wirksam, wenn es eindeutig vereinbart und nachweisbar ist (BFH-Beschluss vom 2. März 2004 III B 114/03, BFH/NV 2004, 1109). Weder hat der Kläger dies vorgetragen, noch ergibt sich ein solches Treuhandverhältnis aus den Akten.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
III.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Rechtssache nach Auffassung des Senats grundsätzliche Bedeutung hat.