Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 22.01.2014, Az.: L 13 AS 267/11

Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Berücksichtigung von Kosten der Kraftfahrzeugbenutzung bei der Einkommensermittlung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.01.2014
Aktenzeichen
L 13 AS 267/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 10690
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0122.L13AS267.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 18.08.2011 - AZ: S 46 AS 733/10

Fundstelle

  • NZS 2014, 346

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 18. August 2011 wird aufgehoben.

Die Klagen werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren vom Beklagten die Bewilligung und Auszahlung höherer laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB), Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - für die Zeiträume vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2010 sowie vom 1. September 2010 bis zum 31. August 2011.

Die in O. wohnenden Kläger sind ein Ehepaar (Kläger zu 1. und Klägerin zu 2.) mit drei 1991, 1994 und 1998 geborenen Kindern (Kläger zu 3. - 5.). Seit Anfang 2005 bezogen sie Leistungen nach dem SGB II.

Zum 1. September 2008 nahm der Kläger zu 1. eine Beschäftigung bei der Volkshochschule und Musikschule in P. auf, aus welcher er ein regelmäßiges Gehalt bezog, i. H. von 2.522,00 EUR brutto bzw. 1.863,05 EUR netto gemäß Einkommensbescheinigung des Arbeitgebers für den Monat Februar 2009. Den Weg zwischen der Wohnung zur 43 km entfernt liegenden Arbeitsstätte legte der Kläger zu 1. mit dem eigenen Pkw (Typ Alfa 164) zurück. Der Kläger zu 1. vertrat insoweit im Rahmen der Berechnung seiner in Bezug auf die Ausübung dieser Tätigkeit notwendigen Ausgaben (Werbungskosten) die Ansicht, ihm stünden höhere Fahrkosten zu, denn eine Berücksichtigung von lediglich 10 Cent je gefahrenem Kilometer, entsprechend 20 Cent je Entfernungskilometer, sei zu gering; in dieser Auffassung war er nach seinen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat getätigten Ausführungen von Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin des Beklagten bekräftigt worden. Er teilte mit, nach seinen Erfahrungen der letzten zwei Jahre mit den Kosten seines Kfz und dem gegenwärtigen Benzinpreis habe er bei diesem Kostenansatz mehr als 11 Cent je Fahr-Kilometer selbst zu tragen. Seiner Aufstellung zufolge entstanden ihm seinerzeit laufleistungsabhängige Kosten für seine Fahrten in Höhe von 21,9 Cent je gefahrenem Kilometer, unter Berücksichtigung des Benzinverbrauchs, des Verschleißes und der regelmäßigen Werkstattleistungen. Nicht enthalten in der Aufstellung waren nicht laufleistungsabhängige Kosten wie Steuern, TÜV- und AU-Gebühren, Versicherungen und Wertverlust. Er legte dazu eine Übersicht mit Berechnungen einer Autofachzeitschrift vor.

Mit Bescheiden vom 21. September 2009 lehnte die Agentur für Arbeit Q. die Bewilligung von Leistungen für die Zeiträume vom 1. März bis 31. August 2009 einerseits und vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 andererseits ab, während der kommunale Träger, der Landkreis R., mit Bescheiden vom 26. September 2009 den Klägern für die Monate März bis Juni 2009 laufende Leistungen in Höhe von monatlich 233,67 EUR sowie für den Zeitraum von Juli bis September 2009 laufende Leistungen in Höhe von 299,69 EUR monatlich bewilligte. Für den Zeitraum von Oktober 2009 bis März 2010 bewilligte der Landkreis R. den Klägern für den Monat Oktober 2009 einen Betrag in Höhe von 299,67 EUR, für den Monat November 2009 einen Betrag in Höhe von 328,67 EUR sowie für den Zeitraum ab Dezember 2009 einen Betrag in Höhe von 329,67 EUR.

Die durch den Kläger zu 1. vertretenen Kläger legten gegen die Bescheide der Agentur für Arbeit Q. vom 21. September 2009 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen mit den ihrer Ansicht nach zu gering berücksichtigten Fahrkosten des Klägers zu 1. begründeten. Berücksichtigt worden seien die allgemeine Werbungskostenpauschale sowie die Entfernungspauschale in Höhe von 20 Cent für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung; jedoch könnten die Fahrkosten auch, statt pauschal geltend gemacht zu werden, wahlweise konkret abgerechnet werden. Demnach seien die Kosten des durch ihn genutzten Pkw maßgeblich; insoweit verwies er auf eine Kostenaufstellung aus einer Fachzeitschrift. Ergänzend hat er mitgeteilt, Nachweise über weitere höhere Aufwendungen, etwa über ein Fahrtenbuch oder über Reparaturrechnungen, könnten nicht vorgelegt werden, da er derartige Unterlagen nicht erstellt bzw. nicht aufbewahrt habe. Nach dem Autokatalog der Zeitschrift "Auto, Motor und Sport" errechneten sich jedoch Kosten in Höhe von 22,55 Cent je Kilometer, wobei die Preissteigerungen der vergangenen Jahre unberücksichtigt geblieben seien. Da er die Arbeiten von einer nicht markengebundenen Werkstatt ausführen lasse, erscheine ihm der Betrag von 21,9 Cent je gefahrenem Kilometer nachvollziehbar und angemessen. Streitgegenstand waren außerdem die Kosten der Unterkunft, für deren Bewilligung indes der kommunale Träger zuständig war, dessen Bescheide nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind, insoweit wurde ein gesondertes Widerspruchsverfahren beim kommunalen Träger geführt.

Am 21. Januar 2010 erging ein Änderungsbescheid der Agentur für Arbeit Q. in Bezug auf die Monate Januar und Februar 2010, mit welchen den Klägern nunmehr Leistungen i. H. von insgesamt monatlich 59 Cent nach näherer dortiger Aufstellung bewilligt wurden; hiervon entfielen 30 Cent auf den Kläger zu 1. und 29 Cent auf die Klägerin zu 2.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 5. März 2010 wies die Bundesagentur für Arbeit den Widerspruch im Hinblick auf den Leistungszeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009 ebenso wie für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis zum 28. Februar 2010 zurück und führte aus, mit Bescheid vom 21. September 2009 seien Leistungen nach dem SGB II in monatlicher Höhe von 0,00 EUR für den dort geregelten Zeitraum festgesetzt worden. Diese Festsetzung sei aufgrund des die Bedarfssätze übersteigenden Einkommens der Bedarfsgemeinschaft der Kläger erfolgt. Dieses Einkommen sei auch der Ermittlung von Ansprüchen auf die Übernahme von Kosten für die Unterkunft zugrunde zu legen; die Zuständigkeit für die Kosten der Unterkunft liege beim Landkreis R ... Hiergegen hätten sich die Widersprüche gerichtet, die mit zwei - parallel am gleichen Tage erlassenen - Änderungsbescheiden vom 5. März 2010 insoweit geändert und aufgehoben worden seien, als die Korrektur der Anrechnung des tatsächlichen Einkommens erfolgt sei. Hierdurch werde die Festsetzung der Leistungshöhe auf 0,00 EUR indes nicht verändert, jedoch sei die Höhe des ermittelten übersteigenden Einkommens mit Auswirkung auf die nachfolgend festzusetzenden Kosten der Unterkunft geändert worden. Zu den Fahrkosten hat die Bundesagentur für Arbeit im Widerspruchsbescheid ausgeführt, im angefochtenen Bescheid seien Fahrkosten in Höhe von 178,92 EUR (tatsächliche Kosten) und nicht 163,40 EUR (Kosten nach Pauschale) berücksichtigt worden, auf der Basis eines Betrages in Höhe von 21,9 Cent pro Entfernungskilometer.

Die Kläger haben am 1. April 2010 Klage erhoben und berufen sich darauf, die geltend gemachten tatsächlichen Kosten in Höhe von 21,9 Cent je gefahrenen Kilometer, entsprechend 43,8 Cent je Entfernungskilometer, würden in den angefochtenen Bescheiden nicht in Frage gestellt. Allerdings werde nicht auf die tatsächlichen Kosten eingegangen. Berücksichtigt worden sei nur ein Weg, nicht aber der (doppelte) Hin- und Rückweg. Die Bundesagentur für Arbeit ist der Klage entgegen getreten. Der Kläger zu 1. hat nochmals dargelegt, eine Vorlage von Quittungen oder weiteren Belegen sei nicht möglich, und hat auf die bereits im Verwaltungsverfahren eingereichte Kostenaufstellung aus der Zeitschrift "Auto, Motor und Sport" verwiesen. Quittungen seien nicht aufbewahrt worden, da der Kläger zu 1. hierfür keine Veranlassung gesehen habe.

Alsdann ist am 2. September 2010 ein weiterer Bescheid der Agentur für Arbeit in Bezug auf die Leistungen für die Zeit vom 1. September 2010 bis zum 28. Februar 2011 ergangen, geändert mit Bescheiden des Beklagten vom 11. März 2011 und vom 25. März 2011 unter Festsetzung eines Leistungsbetrages in Höhe von 705,21 EUR für den Zeitraum Januar 2011 und Festsetzung eines Leistungsbetrages in Höhe von 0,00 EUR im Übrigen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch hat der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 29. April 2011 zurückgewiesen, soweit ihm nicht mit Änderungsbescheid vom 25. März 2011 entsprochen worden war. Die Kläger haben, nach Zurückweisung ihres Widerspruchs durch den Widerspruchsbescheid vom 29. April 2011, am 25. Mai 2011 Klage erhoben und berufen sich auch insoweit im Wesentlichen auf die tatsächlichen Fahrkosten des Klägers zu 1., die sie nunmehr mit 23,4 Cent pro gefahrenem Kilometer beziffern. Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat diesen Rechtsstreit mit Beschluss vom 2. August 2011, geändert am 8. August 2011, dem vorgenannten Rechtsstreit hinzuverbunden.

Ferner dem Rechtsstreit durch Beschluss vom 2. August 2011, geändert am 8. August 2011, hinzuverbunden worden ist eine ebenfalls am 25. Mai 2011 erhobene Klage gegen den Folgebescheid des Beklagten vom 11. März 2011 in der Fassung eines Änderungsbescheides vom 25. März 2011, in Gestalt eines Widerspruchsbescheides vom 29. April 2011, dessen Regelungsgegenstand der Leistungsanspruch der Kläger im Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 31. August 2011 ist. Insoweit sind den Klägern nach näherer Maßgabe des zwischenzeitlich am 25. März 2011 ergangenen Änderungsbescheides Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 354,20 EUR bewilligt worden, im Monat August 2011 sind ferner 140,00 EUR als zusätzliche Leistungen für den Schulbesuch der Kläger zu 4. und 5. bewilligt worden.

Insgesamt streitig sind mithin die Leistungszeiträume vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2010 sowie vom 1. September 2010 bis zum 31. August 2011.

Die Kläger meinen, insoweit seien die tatsächlichen monatlichen Fahrkosten zu berücksichtigen, welche mindestens 357,85 EUR unter Berücksichtigung einer Fahrstrecke von 86 km (43 km hin und zurück) multipliziert mit einem Betrag von 21,9 Cent pro Kilometer und mit 19 Arbeitstagen betragen würden. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 b Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) seien bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 20 Cent für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung zu berücksichtigen, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweise. Letzteres werde hier geltend gemacht. Diese Kosten habe der Kläger zu 1. aufwändig ermittelt, und sie seien vom Beklagten der Höhe nach auch anerkannt worden. Insoweit sei nicht auf den Entfernungskilometer, sondern auf den gefahrenen Kilometer abzustellen. Der Beklagte ist dieser Argumentation unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift, die auf den Entfernungskilometer abstelle, entgegen getreten.

Mit Urteil vom 18. August 2011 hat das SG Oldenburg die Bescheide vom 21. September 2009 in der Fassung der Bescheide vom 5. März 2010, den Bescheid vom 2. September 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. März 2011, diesen in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. März 2011 sowie den Bescheid vom 11. März 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. März 2011 abgeändert und hat die insoweit ergangenen Widerspruchsbescheide vom 5. März 2010 und vom 29. April 2011 aufgehoben. Das SG hat den Beklagten verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2010 unter Berücksichtigung tatsächlicher Fahrkosten in Höhe von 357,55 EUR monatlich und für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis zum 31. August 2011 unter Berücksichtigung tatsächlicher Fahrtkosten in Höhe von 382,36 EUR monatlich zu gewähren und hat insoweit den von den Klägern gestellten Anträgen entsprochen. Unter Hinweis auf eine Verfügung vom 15. Juni 2011, mit welcher das SG Oldenburg den Beklagten um nähere Erläuterung seiner Rechtsauffassung gebeten hatte, hat das SG Oldenburg den Standpunkt vertreten, die Argumentation des Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Dieser stelle nicht in Abrede, dass der Kläger tatsächliche Kosten in Höhe von 21,9 Cent pro gefahrenem Kilometer auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstätte nachgewiesen habe. Indem der Beklagte nur die Entfernungskilometer zugrunde lege, berücksichtige er diese Kosten aber nur zur Hälfte.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 26. August 2011 zugestellte Urteil, das mit Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, hat der Beklagte am 21. September 2011 Berufung eingelegt.

Nach unter den Berufsrichtern des Senats erfolgter Zwischenberatung hat der Senat den Beteiligten mit Schreiben vom 14. Juni 2012 mitgeteilt, seines Erachtens sei für den Nachweis höherer Aufwendungen im Sinne des § 6 Abs. 1 a. E. Alg II-V, jedenfalls nach der Rechtsauffassung der Berufsrichter des Senats, ein Einzelnachweis durch die Vorlage vollständiger Belege im jeweiligen Einzelfall zu fordern. Die Bezugnahme auf statistische Vergleichswerte genüge insoweit nicht.

Der Beklagte beruft sich weiterhin darauf, es sei nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 3 b Alg II-V auf den Rechtsbegriff des Entfernungskilometers abzustellen; pro Entfernungskilometer seien den Klägern die vom Kläger zu 1. angegebenen 21,9 Cent gewährt worden. Durch die Berücksichtigung tatsächlich höherer Kosten in Höhe von 21,9 Cent pro Entfernungskilometer seien die vom Kläger vorgetragenen tatsächlich angefallenen Kosten vorliegend beachtet worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 18. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung des SG Oldenburg für inhaltlich zutreffend; zudem hat der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt, dass er seitens von Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin des Beklagten in seiner Sichtweise bestärkt worden sei, da er anderenfalls weniger Geld zur Verfügung hätte als ein vergleichbarer Leistungsbezieher, der nicht arbeitet, und dies sei auch den Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin des Beklagten unbillig erschienen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig (§ 143 SGG) und begründet. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 21. September 2009 in der Fassung der Bescheide vom 5. März 2010, vom 2. September 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. März 2011 und vom 25. März 2011, sowie vom 11. März 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. März 2011, jeweils in der Gestalt der insoweit ergangenen Widerspruchsbescheide vom 5. März 2010 und vom 29. April 2011, verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.

Die Kläger, die nicht unter die Ausschlusskriterien des § 7 Abs. 1 Satz 2, 3 SGB II fallen, erfüllten im streitgegenständlichen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 4 SGB II; insbesondere waren sie hilfebedürftig i. S. des § 9 Abs. 1 SGB II, was indes in weiten Teilen des streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu - hier allein streitgegenständlichen - Leistungsansprüchen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, sondern allein gegenüber dem Landkreis R. als dem seinerzeit zuständigen kommunalen Träger führte. Von der Berechnung der Fahrkosten unabhängige Berechnungsfehler hinsichtlich der regelmäßig gewährten Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, als deren Rechtsnachfolger kraft Gesetzes auf Beklagtenseite das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung i. S. des § 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II mit Wirkung vom 1. Januar 2011 getreten ist - das Passivrubrum ist durch das SG Oldenburg entsprechend von Amts wegen berichtigt worden (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urteile vom 24. Februar 2011 - B 14 AS 45/09 R - juris Rdn. 12, sowie vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr. 5 - juris Rdn. 11) - sind nicht ersichtlich und von den Klägern auch nicht geltend gemacht worden, so dass der Senat aus materiell-rechtlichen Gründen, unter Berücksichtigung des Umstands, dass eine Begrenzung des Streitgegenstandes nach der ständigen Rechtsprechung des BSG hier, wie auch sonst regelmäßig, nicht gegeben ist, die nachfolgende Betrachtung auf die Berücksichtigung der geltend gemachten Fahrkosten beschränkt.

Soweit das SG Oldenburg mit Urteil vom 18. August 2011 die genannten Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt hat, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die streitgegenständlichen Zeiträume vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2010 unter Berücksichtigung tatsächlicher Fahrkosten in Höhe von 357,55 EUR monatlich und vom 1. September 2010 bis zum 31. August 2011 unter Berücksichtigung tatsächlicher Fahrtkosten in Höhe von 382,36 EUR monatlich zu gewähren, steht das Urteil mit den maßgeblichen Rechtsgrundlagen nicht im Einklang. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3b Alg II-V in der hier maßgeblichen Fassung vom 17. Dezember 2007 (BGBl. 2007 I, S. 2942) ist vom Einkommen Erwerbstätiger als Pauschbetrag für die Benutzung eines Kraftfahrzeugs zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit ein Betrag i. H. von 0,20 EUR für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung abzusetzen, soweit der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist.

Wie der Senat bereits entschieden hat, geht die speziellere Regelung über die Absetzung bestimmter Beträge bei den Fahrkosten bei dem nach SGB II zu berücksichtigenden Erwerbseinkommen insoweit den allgemeinen Regelungen des Einkommensteuerrechts über die Absetzbarkeit von Werbungskosten - insbesondere Fahrkosten - vom Einkommen vor. Dies gilt schon deshalb, weil durch den im Steuerrecht, und zwar in § 9 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz festgelegten Pauschsatz pro Kilometer, alle mit Erhaltung eines Kraftfahrzeuges verbundene Aufwendungen abgegolten werden sollen, während etwa die Aufwendungen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung im Grundsicherungsrecht zusätzlich in Abzug gebracht werden können (vgl. dazu: Beschluss des Senats vom 29. Dezember 2009 - L 13 AS 379/09 B ER - juris Rdn. 20, m. w. Nachw.). Zwar machen die Kläger darauf aufmerksam, dass ihre Berechnung nur die fahrleistungsabhängigen Kosten - und eben nicht fahrleistungsunabhängige Kosten wie die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung - umfasse. Gleichwohl handelt es sich bei ihren Darlegungen lediglich um eine allgemein gehaltene Berechnung und nicht um einen einzelfallbezogenen Nachweis höherer Aufwendungen ggf. unter Beifügung von Belegen.

Die Kläger berufen sich zwar auf einen angeblich von ihnen geführten Nachweis höherer Aufwendungen, ihr Sachvortrag zielt bei genauerer Strukturanalyse aber darauf, nicht nur der Kläger zu 1. habe höhere Aufwendungen durch die Benutzung seines Kraftfahrzeuges gehabt, sondern für Halter dieses Fahrzeugtyps sei die Pauschale des § 6 Abs. 1 Nr. 3b Alg II-V insgesamt nicht ausreichend, wie sich aus der Fachliteratur ergebe. Mit diesem Vortrag indes können die Kläger keinen Erfolg haben, denn die Befugnis des Verordnungsgebers zur Normsetzung erfasst auch die Berechtigung zu Pauschalierungen und Typisierungen, die im Rahmen der Normsetzung allgemein zulässig und nicht ungewöhnlich sind. Zudem steht den Klägern vorliegend der Nachweis abweichender höherer Kosten offen, der nach Auffassung des Senats indes eine einzelfallbezogene Kostenaufstellung nebst konkretem Vortrag unter Beifügung entsprechender Nachweise erfordert, nicht lediglich einen allgemein gefassten Vortrag üblicher Betriebskosten eines Fahrzeugtyps, verbunden mit der Behauptung, die in der Verordnung festgelegte Pauschale reiche insoweit generell nicht aus. Da die Kläger sich indes auf einen derartigen Vortrag beschränkt haben und zudem angegeben haben, über konkrete Belege verfügten sie nicht mehr, hat die Agentur für Arbeit Brake als Rechtsvorgängerin des Beklagten in rechtlich zutreffender und nicht zu beanstandender Weise die Pauschale des § 6 Abs. 1 Nr. 3b Alg II-V zur Anwendung gebracht.

Zu Grunde zu legen ist hierbei - bei dem Betrag i. H. von 0,20 EUR - die einfache Entfernung, nicht aber die gesamte zurückgelegte Kilometerzahl der Hin- und Rückfahrt. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3b Alg II-V verwendet den Rechtsbegriff des Entfernungskilometers, stellt also nur auf die einfache Fahrt ab (Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2009 - L 13 AS 242/09 B ER - juris Rdn. 6).

Die Wirksamkeit dieser Vorschrift ist auch seitens des BSG nicht in Zweifel gezogen worden, zunächst hinsichtlich der nach § 3 Nr. 3 Buchst. a) bb) AlgII-V vom 20. Januar 2004 geltenden Pauschale i. H. von lediglich 6 Cent pro Entfernungskilometer mit dem Hinweis, steuerrechtliche Regelungen fänden bei der Berechnung der Höhe der Leistungen zur Existenzsicherung nach dem SGB II keine Anwendung (BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 7/10 R - juris Rdn. 16), später in Bezug auf die aktuell geltende Pauschale im Rahmen einer Entscheidung über die Absetzbarkeit von Fahrkosten im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme (BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 117/10 R - juris Rdn. 22).

Zwar trifft die Darstellung des SG Oldenburg zu, die Argumentation des Beklagten sei nicht konsequent, wenn der Beklagte nicht in Abrede stelle, dass der Kläger zu 1. tatsächliche Kosten in Höhe von 21,9 Cent pro gefahrenem Kilometer auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstätte nachgewiesen habe, aber gleichwohl durch Abstellen auf den Entfernungskilometer diese Kosten nur zur Hälfte berücksichtigt würden. Den Klägern ist zuzugeben, dass die Akzeptanz des Nachweises höherer Kosten durch den Beklagten dazu hätte führen müssen, dass der Entfernungskilometer, wenn die Zugrundelegung der Angaben des Klägers für grundsätzlich zutreffend erachtet würde, mathematisch mit 2 x 21,9 Cent = 43,8 Cent anzusetzen gewesen wäre. Zwar trifft es zu, dass der Rechtsbegriff des Entfernungskilometers den einfachen - und nicht den doppelten - geografischen Abstand zwischen zwei Orten bezeichnet und diese Auslegung auch für § 6 Abs. 1 Nr. 3b Alg II-V zutreffend ist (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. Februar 2007 - L 9 AS 67/07 ER - juris 'Rdn. 11 f.). Indes ist der Beklagte nicht verpflichtet, auf der Grundlage der festgestellten Einzelfallumstände überhaupt höhere Fahrkosten als 0,20 EUR pro Entfernungskilometer zu berücksichtigen, so dass die Kläger durch die Berücksichtigung eines Betrages i. H. von 0,219 EUR pro Entfernungskilometer nicht beschwert sind. Der Senat seinerseits wiederum ist an die Rechtsauffassung des Beklagten, der Nachweis höherer Fahrkosten sei dem Grunde nach geführt, nicht gebunden und erachtet diese aus den genannten Gründen auch nicht für zutreffend.

Sonstige Berechnungsfehler, aus denen sich eine Unrichtigkeit der angefochtenen Bescheide ergeben könnte, sind nicht ersichtlich und von den Klägern auch nicht geltend gemacht worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG liegen nicht vor.