Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 22.01.2003, Az.: 2 B 75/02

Aufbauseminar; Fahrerlaubnis; Fristberechnung; Probezeit

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
22.01.2003
Aktenzeichen
2 B 75/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 47937
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für die Berechnung der Dauer der Probezeit ist § 187 Abs. 1 BGB maßgebend.

Gründe

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar.

2

Ihm wurde am 06.07.2000 eine Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L auf Probe erteilt.

3

Am 06.07.2002 um 17:10 Uhr überschritt der Antragsteller auf der L 53 zwischen Sögel und Ostenwalde die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 29 km/h. Der Antragsgegner erließ wegen dieses Vorfalls gegen den Antragsteller den seit dem 17.10.2002 rechtskräftigen Bußgeldbescheid, mit dem der Antragsteller mit einer Geldbuße von 50 € belegt wurde.

4

Aufgrund dieses Verkehrsverstoßes ordnete der Antragsgegner mit Verfügung vom 14.11.2002 die Teilnahme des Antragstellers an einem Aufbauseminar durch einen Fahrlehrer mit Seminarerlaubnis an. Dem Antragsteller wurde eine Frist bis zum 15.01.2003 gesetzt.

5

Der Antragsteller hat dagegen rechtzeitig Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist, und sucht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Zur Begründung trägt er vor: Er könne zu der Teilnahme an dem Aufbauseminar nicht mehr verpflichtet werden, weil die zweijährige Probezeit bereits einen Tag vor dem fraglichen Vorfall, am 05.07.2002 abgelaufen sei. Die Probezeit habe nämlich mit Erteilung der Fahrerlaubnis am 06.07.2000 zu laufen begonnen. Der 06.07.2000 sei bei der Fristberechnung aber mitzurechnen, weil es in der entsprechenden Vorschrift heiße, dass die Probezeit zwei Jahre vom Zeitpunkt der Erteilung an laufe. Die von dem Antragsgegner vorgenommene Berechnung der Probezeit, nämlich Beginn mit dem auf die Erteilung der Fahrerlaubnis folgenden Tage, führe zu einer dem Gesetz widersprechenden Verlängerung der Probezeit über zwei Jahre hinaus. Im Übrigen führe eine solche Berechnung auch zu dem kuriosen Ergebnis, dass - wenn die Berechnung der Frist erst am Tage nach Aushändigung der Fahrerlaubnis beginne - der Fahrerlaubnisinhaber am Tage der Aushändigung der Fahrerlaubnis Verkehrsverstöße begehen könne, ohne befürchten zu müssen, wegen eines Verstoßes in der Probezeit zur Teilnahme an einem Aufbauseminar verpflichtet zu werden. Darüber hinaus sei die Frist zur Teilnahme an dem Aufbauseminar zu kurz bemessen. Sie berücksichtige nicht seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Er leiste gerade den Grundwehrdienst bei der Bundeswehr in Werlte und erhalte als Gefreiter nur einen geringen Wehrsold.

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Der Antragsteller beantragt,

7

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14.11.2002 anzuordnen.

8

Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

10

Er ist der Auffassung, dass die Aushändigung der Fahrerlaubnis ein in den Lauf des Tages fallendes Ereignis sei, so dass die Probezeit erst am Tage nach Erteilung der Fahrerlaubnis zu laufen beginne.

11

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

12

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen belastenden Verwaltungsakt, der von Gesetzes wegen - hier § 2a Abs. 6 StVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3 VwGO - keine aufschiebende Wirkung entfaltet - angesichts dessen kommt es auf die Ausführungen des Antragstellers bezüglich einer hinreichend begründeten Anordnung der aufschiebenden Wirkung ( § 80 Abs. 2 S. 1 Nr.4 VwGO nicht an - , anordnen. Bei dieser Entscheidung bedarf es einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung einerseits und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers andererseits, bei der insbesondere auch die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen sind. Diese Abwägung fällt hier zulasten des Antragstellers aus, weil keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen.

13

Ist gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen, die nach § 28 Abs. 3 Nr. 1-3 StVG in das Verkehrszentralregister einzutragen ist, so hat  - ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessen eingeräumt ist - die Fahrerlaubnisbehörde seine Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn er eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat (§ 2a Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 StVG).

14

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Antragsteller hat nach lfd. Nr. 2.1 der Anlage 12 zu § 34 FeV i.V.m. §§ 24 StVG, 49 Abs. 3 Nr. 4 und 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274) StVO eine schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 29 km/h überschritten hat. Wegen dieser Ordnungswidrigkeit ist eine am 17.10.2002 rechtskräftig gewordene Entscheidung gegen den Antragsteller ergangen, die nach § 28 Abs. 3 Ziff. 3 StVG in das Verkehrszentralregister einzutragen war. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der Vorfall auch innerhalb der zweijährigen Probezeit nach § 2a Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StVG stattgefunden.

15

Gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG gelten im Verwaltungsverfahrensrecht für die Berechnung von Fristen und für Bestimmung von Terminen die §§ 187-193 BGB entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2-5 der Vorschrift etwas anderes bestimmt ist. Einer der Fälle des § 31 Abs. 2-5 VwVfG liegt nicht vor, so dass § 31 Abs. 1 VwVfG einschlägig ist.

16

Demzufolge ist für den Beginn einer gesetzlichen Frist § 187 BGB maßgebend. Das Bürgerliche Gesetzbuch folgt in dieser Vorschrift der römisch-rechtlichen Methode der Zivilkomputation, bei welcher nur nach ganzen Tagen gerechnet wird, nicht aber von dem Zeitpunkt an, in welchem das maßgebliche Anfangsereignis fällt, wie dies bei der Naturalkomputation der Fall ist.

17

Nach dem Grundsatz des § 187 Abs. 1 BGB wird, wenn für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend ist, bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgezählt, in welchen das Ereignis fällt. Diese Regelung hat ihren praktischen Grund darin, dass vermieden werden soll, Bruchteile von Tagen für die Fristberechnung berücksichtigen zu müssen (vgl. Motive I, S. 283; Schmitz, Die Fristberechnung nach römischem Recht, S. 279, Fn 279; Staudinger, 11. Aufl., § 187 Rn. 3; OLG Frankfurt, Rpfl. 1974, S. 21).

18

Eine Ausnahme von dieser Grundregel findet sich in § 187 Abs. 2 BGB. Danach wird, wenn der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt ist, der erste Tag mitgezählt. Diese Ausnahmeregelung hat ihren Grund darin, dass die Berücksichtigung von Bruchteilen von Tagen in diesen Fällen nicht notwendig ist und somit der erste Tag vollständig in die Frist eingerechnet werden kann (vgl. Staudinger, aaO). Bei der Entscheidung über die Frage der Berücksichtigung des ersten Tages wird also nicht danach unterschieden, ob dem Betroffenen nach Ablauf der Frist Nachteile drohen oder ob der Ablauf der Frist für ihn vorteilhaft ist. Entscheidend sind vielmehr allein Zweckmäßigkeitserwägungen.

19

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist bei der Fristberechnung nach § 2a Abs. 1 Satz 1  2. Halbs. StVG der Tag der Erteilung der Fahrerlaubnis nicht einzurechnen. Denn für den Anfang der Probezeit bestimmt das Gesetz nicht den Anfang des Tages, an welchem die Fahrerlaubnis erteilt wird, sondern den Zeitpunkt der Erteilung. Letzterer fällt aber immer in den Lauf des Tages und liegt nicht an dessen Beginn.

20

Dem kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, dass bei einer derartigen Auslegung der Vorschrift ein Fahrerlaubnisinhaber in dem Zeitraum zwischen Erteilung der Fahrerlaubnis und Beginn des Laufs der zweijährigen Probezeit ohne Konsequenzen im Hinblick auf die im vorliegenden Fall zu erörternden Sanktionen Verkehrsverstöße begehen könne. Denn auch wenn der Tag der Erteilung der Fahrerlaubnis für die Fristberechnung nicht zu berücksichtigen ist, läuft die Probezeit (selbstverständlich) tatsächlich vom Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis an. Dies widerspricht auch nicht dem Wortlaut des § 2a Abs. 1 Satz 1  2. Halbs. StVG. Denn die Methode zur Berechnung der zweijährigen Probezeit ergibt sich nicht aus § 2a Abs. 1 Satz 1  2. Halbs. StVG, sondern hat wegen der Verweisung in § 31 Abs. 1 VwVfg nach den beschriebenen zivilrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen.

21

Schließlich kann der Antrag auch nicht mit dem Argument des Antragstellers Erfolg haben, dass die ihm zur Teilnahme am Aufbauseminar gesetzte Frist zur kurz bemessen gewesen sei. Insoweit ist dem Antragsteller zwar einzuräumen, dass die vom Antragsgegner gesetzte Zweimonatsfrist im Hinblick darauf, dass der Kurs aus vier Sitzungen besteht, relativ knapp bemessen ist. Eine unangemessen kurze Frist, die sich als Ermessensfehler darstellen könnte, ist darin aber nicht zu erkennen. Dass der Antragsteller wegen der Ableistung des Grundwehrdienstes nicht in der Lage sein sollte, an einem Kurs in der genannten Frist teilzunehmen, ist weder ersichtlich, noch vom Antragsteller substantiiert dargelegt. Im übrigen hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass er die Frist um 2 Monate verlängert wurde, wenn die Entscheidung in diesem Verfahren nicht bis zum 15.01.2003 ergehe. Die Behauptung des Antragstellers, er sei zur Aufbringung der Kosten für den Aufbaukurs wirtschaftlich nicht in der Lage, ist unbeachtlich (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., 2001, § 2a StVG, Rn. 15).