Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 06.02.2003, Az.: 2 B 65/02
Fahrerlaubnisentzug; Fahrerlaubnissperre; Sperrfrist
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 06.02.2003
- Aktenzeichen
- 2 B 65/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 47936
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 StVG
- § 46 Abs 1 FeV
- § 69 StGB
- § 80 Abs 5 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Straßenverkehrsbehörde kann die Fahrerlaubnis entziehen, wenn der Strafrichter in Unkenntnis der Tatsache, dass der Täter eine Fahrrelaubnis besitzt, nur eine Sperre verfügt
Tatbestand:
Der Antragsteller wendet sich gegen die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Entziehung der Fahrerlaubnis.
Nach vorherigem Entzug im Februar 1998 erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller am 13.06.2001 die Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L und am 08.08.2001 die der Klasse C.
Zuvor, nämlich am 17.05.2001, war der Antragsteller der Polizei wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis aufgefallen. Wegen dieses Vorfalls setzte das Amtsgericht Osnabrück mit dem seit dem 22.03.2002 rechtskräftigen Strafbefehl vom 05.10.2001 eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu 25 DM fest. Das Gericht stellte fest, dass sich aus der Tat ergebe, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei und wies die Verwaltungsbehörde an, dem Antragsteller vor Ablauf von 12 Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen (Az.: AG OS D.). Aus den beigezogenen Strafakten (Bl. 9) ergibt sich, dass dem Amtsgericht bei seiner Entscheidung hätte bekannt sein können, dass dem Antragsteller zwischen dem Vorfall vom 17.05.2001 und dem Erlass des Strafbefehls die Fahrerlaubnis wiedererteilt worden war.
Nachdem der Antragsgegner von dieser Verurteilung Kenntnis erlangt hatte, entzog er dem Antragsteller mit Verfügung vom 30.09.2002 die Erlaubnis zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zur Begründung wies er auf die Entscheidung des Amtsgerichts hin, in der festgestellt worden sei, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr ungeeignet sei.
Der Antragsteller hat gegen die Verfügung Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist, und sucht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Er macht geltend, dass wegen der Bindungswirkung des Strafurteils des Amtsgerichts Osnabrück der Antragsgegner gehindert sei, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, nachdem das Gericht dies nicht getan habe, obwohl ihm die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis habe bekannt sein müssen. Im Übrigen habe er, ohne erneut auffällig geworden zu sein, seit dem 13.06.2001 weiterhin Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr geführt, so dass es an einer besonderen Dringlichkeit der angefochtenen Maßnahme fehle. Bei der Entscheidung sei zu berücksichtigen, dass durch die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis seine wirtschaftliche Existenz gefährdet sei, weil dann die Spedition seiner Ehefrau, in der er als einziger Fahrer beschäftigt sei, nicht weiterbetrieben werden könne.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30.09.2002 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er macht geltend, dass wegen der durch das Gericht festgestellten fehlenden Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen diesem die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen sei. Angesichts dessen überwiege das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
Entscheidungsgründe
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen belastenden Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehung die Behörde - wie hier - gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet und gemäß § 80 Abs. 3 VwGO schriftlich begründet hat, wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einerseits und das private Interesse an der Aussetzung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit andererseits gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen, soweit sie bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung bereits überschaubar sind.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gebührt im vorliegenden Fall dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Vorrang, da sich der Bescheid des Antragsgegners vom 30.09.2002 aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist - ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessen zusteht - die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Dass der Antragsgegner zum Zeitpunkt seiner Entscheidung am 30.09.2002 zu Recht von der Nichteignung des Antragstellers ausging, steht außer Frage, weil dies durch das Amtsgericht Osnabrück im Strafbefehl vom 05.10.2001 festgestellt und deshalb eine Fahrerlaubnissperre von 12 Monaten, mithin bis zum 05.10.2002 - nach Entscheidung des Antragsgegners - verfügt worden war. Die Anordnung der Sperre aber enthält die verbindliche Entscheidung über die Nichteignung des Betroffenen für die Dauer der Sperrfrist (vgl. OVG Bremen, B. v. 21.03.1975 - II B 5/75 -, DAR 1975, S. 307). Dies folgt im Übrigen ohne weiteres aus § 3 Abs. 4 StVG.
Zu Unrecht geht der Antragsteller davon aus, dass ihm gleichwohl die Fahrerlaubnis nicht habe entzogen werden dürfen, weil der Amtsrichter dies neben der Fahrerlaubnissperre nicht ebenfalls verfügt habe. Denn wegen der Sperre hätte dem Antragsteller in der Zeit der Sperrfrist keine Fahrerlaubnis erteilt werden dürfen. Dann aber liegt es auf der Hand, dass eine Fahrerlaubnis, die der Amtsrichter, wenn er von deren Existenz gewusst hätte, wegen der Erkenntnis, dass der Fahrzeugführer zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, im Strafbefehl hätte entziehen müssen (§ 69 StGB), von der Verwaltungsbehörde entzogen werden muss, weil Voraussetzung für die Fahrerlaubnis eben die Eignung des Bewerbers ist, deren Vorliegen in derartigen Fällen vom Amtsgericht gerade verneint worden ist.
Allerdings ist im Hinblick auf die eingangs gemachten Bemerkungen, dass nämlich bei der Entscheidung über Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Erfolgaussichten in der Hauptsache in den Blick zu nehmen sind, zu berücksichtigen, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verfügung, die den Entzug der Fahrerlaubnis zum Inhalt hat, die bei Beendigung des Verwaltungsverfahrens gegebene Sach- und Rechtslage maßgebend ist (ständ. Rspr. d. Bundesverwaltungsgerichts, vgl. etwa BVerwGE 51, S. 359), es im Falle eines Klagverfahrens also auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde ankäme. Das bedeutet, da die vom Amtsgericht verfügte Sperrfrist mittlerweile abgelaufen ist, dass im Rahmen des Widerspruchsverfahrens die Frage der Eignung des Antragstellers neu aufzuwerfen sein wird, weil der Antragsgegner - für den Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Recht - allein auf die vom Amtsgericht festgestellte Ungeeignetheit für die Dauer von 12 Monaten abgestellt hat.
Wird demzufolge der Antragsgegner bzw. die Widerspruchsbehörde sich im Widerspruchsverfahren die Frage stellen müssen, ob der Antragsteller nach Ablauf der Sperrfrist als zum Führen von Kraftfahrzeugen wieder geeignet anzusehen ist, spricht bei der hier gebotenen summarischen Prüfung Überwiegendes dafür, dass derzeit von einer Fahreignung des Antragstellers noch nicht auszugehen sein dürfte und deshalb auch sein Begehren in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird. Denn der Antragsteller ist - nachdem ihm wegen wiederholter Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften die Fahrerlaubnis 1998 entzogen worden war - ohne Fahrerlaubnis mit einem Lastkraftwagen auf öffentlichen Straßen gefahren und hat damit eine Straftat gemäß § 21 Abs. 1 StVG begangen. Unter Berücksichtigung der früheren Verkehrsverstöße, die zu dem Entzug der Fahrerlaubnis 1998 führten und des Umstandes, dass der Antragsteller nach Entzug der Fahrerlaubnis 1998 mit Zwangsgeldern zur Abgabe des Führerscheins veranlasst werden musste, belegt dieser erneute Verstoß gegen eine verkehrsrechtliche Strafvorschrift, dass sich beim Antragsteller der Hang zur Missachtung der Rechtsordnung manifestiert hat, er die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht akzeptiert hatte und sich zur Durchsetzung eigener Interessen über die Rechtsordnung und zu ihrem Schutze (nämlich dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Kraftfahrzeugführern) erlassene Verwaltungsverfügungen hinwegsetzt. Dieses Verhalten spricht jedenfalls im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung für eine überdauernde Fehlhaltung, die von mangelndem Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Belangen der Allgemeinheit bzw. der Verkehrssicherheit geprägt ist und deshalb die Prognose rechtfertigt, dass der Antragsteller, jedenfalls zurzeit, noch nicht (wieder) über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verfügt. Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, dass er seit Erteilung der Fahrerlaubnis am 13.06.2001 nicht mehr aufgefallen sei, relativiert sich dies ohne weiteres dadurch und ändert deshalb an der Einschätzung nichts, dass der Antragsteller seit dem Strafbefehl vom 05.10.2001 kein Fahrzeug mehr führen durfte, sich die von ihm für sich reklamierte „Bewährung“ also lediglich auf knapp vier Monate beziehen kann.
Eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung rechtfertigt sich schließlich auch nicht deshalb, weil nach dessen Auffassung ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse nicht besteht, andererseits seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse den Besitz der Fahrerlaubnis für ihn unabdingbar machen. Ergibt die in einem gerichtlichen Eilverfahren vorzunehmende rechtliche Prüfung nämlich, dass sich die angefochtene Entziehung der Fahrerlaubnis wahrscheinlich als rechtmäßig und der hiergegen im Hauptsacheverfahren eingelegte Rechtsbehelf deshalb als erfolglos erweisen wird, so kann auch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig allein aus diesem Grunde keinen Erfolg haben, denn auch ein solches Verfahren dient allein dem Schutz etwaiger (tatsächlich bestehender) materieller Rechte, nicht dagegen dazu, dem Betroffenen vorläufig eine bestimmte Rechtsposition einzuräumen oder zu belassen, die einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhalten würde. Die vom Antragsteller geltend gemachten persönlichen und beruflichen Nachteile können daher im Ergebnis keine Berücksichtigung finden.