Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 06.03.2007, Az.: 7 A 194/05

Arzneimittel; Beihilfe; dynamische Verweisung; Herzrhythmusstörung; Kalinor-Brause; Kalium; Krankheitsbild; Magnesiocard; Magnesium; Mineralien; Mineralstoff; Mineralstoffpräparat; statische Verweisung; Verschreibungspflicht; Verweisung; Vitamin; Vitaminpräparat; Vorhofflimmern

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.03.2007
Aktenzeichen
7 A 194/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71968
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. § 87c Abs. 1 NBG in der bis Ende Dezember 2004 geltenden Fassung ist als statische Verweisung auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Regelung am 01.01.2002 geltende Fassung der Beihilfevorschriften des Bundes auszulegen, mit der Folge, dass der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2b BhV in der Fassung der 27. Allg. Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vorgesehene grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel bei bis Ende des Jahres 2004 entstandenen Aufwendungen für solche Arzneimittel nicht zur Anwendung gelangt.

2. Mineralstoff- und Vitaminpräparate sind nur dann als Arzneimittel i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV anzusehen, wenn sie gezielt zur Behandlung eines speziellen Krankheitsbildes notwendig sind und von ihnen eine unmittelbar heilende oder lindernde Wirkung ausgeht (hier bejaht für "Magnesiocard" und "Kalinor-Brause" zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit Vorhofflimmern).

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger in Anwendung der Beihilfevorschriften in der Fassung der 26. Allgem. Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften Beihilfe zu den für die Beschaffung der Präparate „Magnesiocard“ und „Kalinor-Brause“ entstandenen Aufwendungen zu gewähren.

Die Bescheide des Beklagten vom 11. November 2004 und 11. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2005 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Gewährung von Beihilfe für die Präparate „Magnesiocard“ und „Kalinor-Brause“.

2

Der im F. geborene Kläger ist mit einem Beihilfebemessungssatz von 50 % beihilfeberechtigt. Mit Beihilfeantrag vom 4. November 2004 beantragte er die Gewährung von Beihilfe unter anderem für die ihm ärztlich verordneten Präparate „Magnesiocard“ und „Kalinor-Brause“ (ärztliche Verordnungen vom 17.08., 02.09., 23.09. und 18.10.2004). Für die Beschaffung der Präparate sind dem Kläger im September und Oktober 2004 Aufwendungen in Höhe von insgesamt 73,75 Euro entstanden. Der Beklagte lehnte die Gewährung von Beihilfe mit Bescheid vom 11. November 2004 insoweit mit der Begründung ab, es handele sich um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die grundsätzlich nicht beihilfefähig seien. Der Kläger legte daraufhin eine Bescheinigung seines behandelnden Arztes, des Chefarztes der Medizinischen Klinik II (Kardiologie, Pneumologie, Angiologie) des Städtischen Klinikums Braunschweig, Prof. G., vom 2. Dezember 2004 über das Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne der Arzneimittel-Richtlinien vor, wonach die Präparate als Standardtherapeutika zur Behandlung von absoluter Arrhythmie und Klappenersatz eingesetzt würden. Aus einem beigefügten Arztbrief des behandelnden Arztes vom 7. April 2004 ergeben sich für den Kläger die Diagnosen:

3

- Zustand nach Aorten- und Mitralklappenersatz 02/83 (Bioprothese)

4

- Zustand nach Re-Operation bei Mitralklappenrandleck 07/83

5

- Zustand nach SJM-Aorten- und Mitralklappenersatz 1989 bei Bioklappenfehlfunktion sowie Trikuspidalklappenraffung bei Trikuspidalklappeninsuffizienz

6

- Absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern

7

- Hyperurikämie

8

- Hyperlipoproteinämie.

9

Hauptproblem beim Kläger sei unter anderem eine absolute Arrhythmie mit Vorhofflimmern, die schwer medikamentös zu konvertieren gewesen, inzwischen aber seit einiger Zeit stabil sei. Dies sei auf eine Medikation mit hochdosiertem „Magnesiocard“ und „Kalinor-Brause“ zurückzuführen. Diese Medikation sei nicht als Nahrungsergänzung oder Mineralstoffapplikation, sondern im Sinne einer zur Rhythmusstabilisierung unabdingbaren medizinischen Dauertherapie zu verstehen. Mit Bescheid vom 11. Februar 2005 lehnte der Beklagte die Anerkennung der Beihilfefähigkeit nochmals ab. Zwar handele es sich bei den verordneten Präparaten um Standardtherapeutika im Sinne der Arzneimittel-Richtlinien, beim Kläger liege aber keine der diesen Standardtherapeutika zugeordneten schwerwiegenden Erkrankungen vor.

10

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 27. Februar 2005 Widerspruch, zu dessen Begründung er auf die bereits vorgelegten ärztlichen Unterlagen verwies. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005, dem Kläger zugestellt am 25. April 2005, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Vorliegen einer in den Arzneimittel-Richtlinien vorgesehenen Ausnahme, bei der die Beihilfefähigkeit trotz fehlender Verschreibungspflicht der Präparate anzuerkennen sei, sei nicht belegt.

11

Der Kläger hat am 20. Mai 2005 Klage erhoben. Unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Göttingen (Urt. vom 15.09.2006 - 3 A 58/05 - und Urt. vom 04.10.2006 - 3 A 526/05 -) ist er der Auffassung, die Beihilfevorschriften des Bundes seien in der Fassung anzuwenden, die vor den Änderungen durch die 27. und 28. Allgem. Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften gegolten habe, mit der Folge, dass ihm die Regelung über den grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht entgegen gehalten werden könne. Im Übrigen seien die ihm verordneten Präparate nach der Stellungnahme seines behandelnden Arztes auch als Standardtherapeutika für die bei ihm bestehende schwerwiegende Erkrankung in Gestalt von Herzrhythmusstörungen mit Vorhofflimmern anzusehen, sodass die Voraussetzungen der Arzneimittel-Richtlinien erfüllt seien. Soweit seine Erkrankung in den Arzneimittel-Richtlinien entsprechenden Präparaten nicht ausdrücklich zugeordnet sei, verbiete es sich, die Aufzählung in den Arzneimittel-Richtlinien als abschließend zu betrachten. Allein der Umstand, dass die bei ihm erfolgende, aktuellen medizinischen Erkenntnissen entsprechende Medikation noch nicht in die Arzneimittel-Richtlinien eingearbeitet worden sei, dürfe nicht zur Ablehnung der Beihilfefähigkeit der ihm entstandenen Aufwendungen führen.

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Der Kläger beantragt,

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ihm Beihilfe zu den für die Beschaffung der Präparate „Magnesiocard“ und „Kalinor-Brause“ entstandenen Aufwendungen zu gewähren und die Bescheide des Beklagten vom 11. November 2004 und 11. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2005 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegen stehen.

14

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung tritt er den vom Kläger angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Göttingen vereinzelt entgegen. Nach den Arzneimittel-Richtlinien seien die dem Kläger verordneten nicht verschreibungspflichtigen Präparate nur zur Behandlung von Hypokaliämie, d.h. einem verminderten Kaliumgehalt des Blutes, bzw. bei angeborenen Magnesiumverlusterkrankungen beihilfefähig (Ziff. 16.4.21 und 16.4.24 Arzneimittel-Richtlinien). Diese Diagnosen seien für den Kläger nicht gestellt worden. Dass die Arzneimittel-Richtlinien in der Fassung aus dem Jahre 2004 den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht hinreichend berücksichtigten, könne nicht angenommen werden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung von Beihilfe für die Präparate „Magnesiocard“ und Kalinor-Brause“. Die die Gewährung von Beihilfe insoweit versagenden Bescheide des Beklagten vom 11. November 2004 und 11. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2005 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

19

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Beihilfe zu den für die Beschaffung der Präparate „Magnesiocard“ und „Kalinor-Brause“ entstandenen Aufwendungen ist § 87c Abs. 1 Nds. Beamtengesetz (NBG) in der bis Ende Dezember 2004 und damit auch im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen des Klägers im September und Oktober 2004 (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunktes: BVerwG, Urt. v. 15.12.2005 - 2 C 35/04 -, BVerwGE 125, 21 ff.) geltenden Fassung der Neubekanntmachung des Nds. Beamtengesetzes vom 19. Februar 2001 (Nds. GVBl. S. 33), geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2001 (Nds. GVBl. S. 806). Danach erhalten Beamte und Versorgungsempfänger nach den für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes geltenden Vorschriften Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen nach Maßgabe von § 87c Abs. 2 und 3 NBG. Entgegen der Auffassung des Beklagten finden die durch das niedersächsische Landesrecht in Bezug genommenen Beihilfevorschriften des Bundes dabei nicht in der Fassung der 27. und 28. Allgem. Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 17. Dezember 2003 (GMBl. 2004, S. 227) und vom 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379), sondern in der zuvor geltenden Fassung der 26. Allgem. Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 1. November 2001 (GMBl. S. 919) Anwendung. Der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 b BhV in der Fassung der 27. Allgem. Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vorgesehene grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, der in Niedersachsen bei ab dem 1. September 2004 entstehenden Aufwendungen zur Anwendung gelangt (vgl. Rd.Erl. des Nds. MF vom 21.07.2004, Nds. MBl. 2004 S. 523), kann dem Kläger deshalb nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden.

20

Die Vorschrift des § 87c Abs. 1 NBG in der bis Ende des Jahres 2004 geltenden Fassung der Änderung durch Gesetz vom 18. Dezember 2001 (a. F.) ist aus verfassungsrechtlichen Gründen als statische Verweisung auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Regelung am 1. Januar 2002 geltende Fassung der Beihilfevorschriften des Bundes auszulegen. Die Norm des § 87c Abs. 1 NBG a. F. enthält eine Verweisung auf die für die Gewährung von Beihilfe geltende Verwaltungsvorschrift des Bundes. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Tatbestände nicht stets selbst umschreiben muss, sondern im Wege der Verweisung auch auf andere Vorschriften Bezug nehmen darf. Solche Verweisungen sind als gesetzestechnische Methode anerkannt, sofern die Verweisungsnorm hinreichend klar erkennen lässt, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen. Dabei ist der zuständige Gesetzgeber auch nicht gehindert, auf fremdes, nicht von ihm formuliertes und in Kraft gesetztes Recht eines anderen Kompetenzbereiches zu verweisen, also beispielsweise in einem Bundesgesetz auf Landesrecht Bezug zu nehmen oder umgekehrt. Eine derartige gesetzestechnische Vereinfachung erscheint insbesondere dann tragbar, wenn lediglich die bei Verabschiedung der Verweisungsnorm geltende Fassung des in Bezug genommenen Rechts in Geltung gesetzt wird. Bei einer solchen statischen Verweisung weiß der zuständige Gesetzgeber, welchen Inhalt das in Bezug genommene Recht hat, und kann prüfen, ob er es sich mit diesem Inhalt zu eigen machen will. Ändert sich das in Bezug genommene Recht des anderen Kompetenzbereiches, hat dies bei einer statischen Verweisung keinen Einfluss auf den Inhalt der Verweisungsnorm. Verweist ein Gesetzgeber hingegen auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung, sog. dynamische Verweisung, so kann dies dazu führen, dass er den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überlässt. Bei fehlender Identität der Gesetzgeber bedeutet eine dynamische Verweisung mehr als eine bloße gesetzestechnische Vereinfachung; sie führt zur versteckten Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen. Damit sind dynamische Verweisungen zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber nur in dem Rahmen zulässig, den die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit ziehen; grundrechtliche Gesetzesvorbehalte können diesen Rahmen zusätzlich einengen. Nicht zu beanstanden ist eine dynamische Verweisung, wenn der Inhalt der in Bezug genommenen Vorschrift des anderen Gesetzgebers im Wesentlichen feststeht. In diesem Fall kann von einem unzulässigen Verzicht des Gesetzgebers auf seine Rechtssetzungsbefugnis nicht die Rede sein (BVerfG, Beschl. v. 25.02.1988 - 2 BvL 26/84 -, BVerfGE 78, 32 ff; Beschl. v. 16.10.1984 - 1 BvL 17/80 -, BVerfGE 67, 348 ff.; Beschl. v. 01.03.1978 - 1 BvR 786/70 u. a. -, BVerfGE 47, 285 ff; Beschl. v. 15.07.1969 - 2 BvF 1/64 -, BVerfGE 26, 338 ff.).

21

Dem Wortlaut des § 87c Abs. 1 NGB a. F. ist nicht zu entnehmen, ob die Vorschrift eine statische oder eine dynamische Verweisung auf die Beihilfevorschriften des Bundes enthält. Läge eine dynamische Verweisung vor (vgl. in diesem Sinne Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des § 87c NBG a. F. vom 14.10.2004, LT-Drs. 15/1340, S. 14), würde das für niedersächsische Landesbeamte geltende Beihilferecht mit jeder Änderung der in Bezug genommenen Beihilfevorschriften des Bundes geändert, ohne dass der Landesgesetzgeber grundsätzlich die Möglichkeit hätte, auf die Ausgestaltung des Beihilferechts Einfluss zu nehmen (vgl. zu dieser Wertung auch LT-Drs. 15/1340, aaO.). Dass sich Änderungen der Beihilfevorschriften des Bundes lediglich auf untergeordnete Detailfragen beschränken würden, die Beihilfevorschriften des Bundes mithin im Wesentlichen feststehen und eine dynamische Verweisung deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden wäre, kann nicht angenommen werden. Insbesondere die mit der 27. und 28. Allgem. Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften des Bundes eingeführten Neuregelungen verdeutlichen, dass bei den Beihilfevorschriften des Bundes weitreichende Änderungen erfolgen, indem etwa die Beihilfefähigkeit sowohl verschreibungspflichtiger als auch nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel erstmals durch Bezugnahme auf die nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch erlassenen Arzneimittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen eingeschränkt worden ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 b BhV). Den damit der Zulässigkeit einer dynamischen Verweisung entgegenstehenden Gesichtspunkten kann begegnet werden, indem die Norm des § 87c Abs. 1 NBG a. F. als verfassungsrechtlich unbedenkliche statische Verweisung ausgelegt wird (vgl. ebenso: VG Göttingen, Urt. v. 15.09.2006 - 3 A 58/05 -, Entscheidungsdatenbank des Nds. OVG im Internet). In diesem Sinne ist § 87c Abs. 1 NBG im Übrigen durch Gesetz vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 664) mit Wirkung zum 1. Januar 2005 dahingehend geändert worden, dass nunmehr ausdrücklich im Sinne einer statischen Verweisung auf die Beihilfevorschriften des Bundes in der Fassung der 28. Allgem. Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 30. Januar 2004 (GMBl. S. 379) Bezug genommen wird (vgl. zu den diese Gesetzesänderung tragenden Erwägungen: Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes im Nds. Landtag zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP vom 30.11.2004, abgedruckt bei Topka/Möhle, Komm. zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Stand Januar 2007, § 87c NBG i. d. F. d. Änd. durch Gesetz vom 17.12.2004, S. 2).

22

Ausgehend von der Regelung des § 87c Abs. 1 NBG a. F. ist damit die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen, die - wie hier - vor Inkrafttreten der zum 1. Januar 2005 erfolgten Änderung des Gesetzes entstanden sind, nach den im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 87c Abs. 1 NBG a. F. am 1. Januar 2002 geltenden Beihilfevorschriften des Bundes in der Fassung der 26. Allgem. Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften (BhV a. F.) zu beurteilen, die einen Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht vorsieht. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV a. F. sind Aufwendungen für die vom Arzt, Zahnarzt oder Heilpraktiker bei Leistungen nach Abs. 1 Nr. 1 verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen - ohne weitere Einschränkung - beihilfefähig.

23

Die dem Kläger ärztlich verordneten Präparate „Magnesiocard“ und „Kalinor-Brause“ sind als Arzneimittel in diesem Sinne anzusehen. Als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften kommen grundsätzlich nur Mittel in Betracht, die dazu bestimmt sind, ihre Wirkung im Rahmen der Krankenbehandlung durch Anwendung am oder im menschlichen Körper zu erzielen. Die Beihilfevorschriften stellen nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter sowie darauf ab, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 30.05.1996 - 2 C 5/95 -, DVBl 1996, 1149; Nds. OVG, Urt. vom 14.09.2004 - 5 LB 141/04 -, Nds. RPfl. 2005, 45; Urt. vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Nds. RPfl. 2004, 303).

24

Mineralstoff- und Vitaminpräparate werden in der Regel vorbeugend, unterstützend oder wegen ihrer allgemein gesundheitsfördernden Wirkung verabreicht. Sie erweisen sich deshalb im Allgemeinen nicht als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts, sodass Aufwendungen für diese Präparate nicht beihilfefähig sind. Mineralstoff- und Vitaminpräparate erlangen nur dann ausnahmsweise die Eigenschaft eines Arzneimittels im Sinne der Beihilfevorschriften, wenn sie gezielt zur Behandlung eines speziellen Krankenbildes notwendig sind und von ihnen eine unmittelbar heilende oder lindernde Wirkung ausgeht, die in der Zusammensetzung oder der Eigenart ihrer Wirkstoffe begründet ist. Allein der Umstand, dass ein Mittel ärztlich verordnet worden ist, genügt zur Begründung der Beihilfefähigkeit nicht. Denn bei ärztlichen Verordnungen stehen neben der Bekämpfung akuter oder der Linderung chronischer Erkrankungen oftmals auch andere Überlegungen, wie etwa der vorbeugende oder konservierende Schutz oder die allgemeine Gesundheitsförderung im Vordergrund (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 13.05.2004 - 7 A 711/02 -; VG Osnabrück, Urt. vom 14.01.2004 - 3 A 30/03 -, juris; OVG Hamburg, Urt. vom 17.06.1994 - Bf I 17/93 -, ZBR 1995, 245; Topka/Möhle, Erl. 4.6.2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV).

25

Der Kläger leidet unter Herzrhythmusstörungen mit Vorhofflimmern, die nach der Bescheinigung des behandelnden Arztes Prof. G. durch die Medikation mit hochdosiertem „Magnesiocard“ und „Kalinor-Brause“ stabilisiert werden konnten. Die Medikation sei nicht als Nahrungsmittelergänzung oder Mineralstoffapplikation, sondern im Sinne einer zur Rhythmusstabilisierung unabdingbaren medizinischen Dauertherapie zu verstehen. Soweit damit ein Einsatz der Präparate zur gezielten Behandlung der Herzrhythmusstörungen beschrieben wird, um diese unmittelbar zu heilen oder zumindest zu lindern, erscheint dies beim Krankheitsbild des Klägers plausibel. Kalium als Wirkstoff des Präparates „Kalinor-Brause“ dient der Aufrechterhaltung des zellulären Ruhepotentials und ist an den elektrischen Vorgängen in Nerven- und Muskelgewebe beteiligt (Pschyrembel, 259. Aufl., Stichwort „Kalium“). Magnesium als Wirkstoff des Präparates „Magnesiocard“ ist für eine normale Muskelfunktion erforderlich. Es findet nicht nur bei nachgewiesenem Magnesiummangel, sondern auch beim akuten Herzinfarkt und bei Herzrhythmusstörungen Anwendung (Pschyrembel, Stichwort „Magnesium“). Eine Beeinflussung der beim Kläger aufgetretenen Herzrhythmusstörungen im Sinne einer unmittelbar von den ärztlich verordneten Präparaten ausgehenden, zumindest lindernden Wirkung ist damit erkennbar, so dass die Präparate trotz Fehlens eines beim Kläger diagnostizierten Mineralstoffmangels als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften anzusehen sind.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.