Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 10.10.2005, Az.: L 8 AS 177/05 ER

Bedarfsmindernde bzw. einkommensmindernde Berücksichtigung der Eigenheimzulage bei der Berechnung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende; Anerkennung des Unterkunftsbedarfs als notwendige Kosten zur Sicherung des Lebensunterhalts bei Bestehen des Unterkunftsbedarfs in Zinszahlungen für die zur Finanzierung des Kaufs eines Hausgrundstücks aufgenommen Darlehen; Keine Minderung des Unterkunftsbedarfs durch den Bezug von Einkommen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
10.10.2005
Aktenzeichen
L 8 AS 177/05 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 30077
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2005:1010.L8AS177.05ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Aurich - 05.07.2005 - AZ: S 25 AS 62/05 ER

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 5. Juli 2005 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellern vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - ab dem 1. Mai 2005 bis 31. Oktober 2005 über die mit Bescheid vom 25. April 2005 bereits gewährten Leistungen hinaus weitere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der monatlichen Eigenheimzulage von 170,42 EUR auf der Bedarfs- wie auf der Einkommensseite zu gewähren. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

Gründe

1

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Sie haben Anspruch auf weitere Leistungen des Antragsgegners, weil die der Antragstellerin zu 1. zustehende Eigenheimzulage in Höhe von 2.045,00 EUR jährlich (170,42 EUR monatlich) bei der Berechnung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) weder bedarfs- noch einkommensmindernd berücksichtigt werden darf. Dementsprechend war der angegriffene Beschluss zu ändern. Die Antragsteller haben im Umfang der Stattgabe einen Anordnungsanspruch wie -grund glaubhaft gemacht. Der Anordnungsgrund ist zu bejahen, wie die Unterkunftskosten zu den notwendigen Kosten zur Sicherung des Lebensunterhalts gehören, § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II, und den Antragstellern keine anderen Mittel zur Verfügung stehen.

2

Der Rechtsstreit betrifft nur noch die Frage, ob und in welchem Umfang die der Antragstellerin zu 1. gewährte Eigenheimzulage in Höhe von jährlich 2.045,00 EUR im Rahmen der Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II berücksichtigt werden kann. Die Höhe der Eigenheimzulage ergibt sich aus dem Bescheid des Finanzamtes E. vom 12. Februar 2004, wonach der Antragstellerin zu 1. ab dem Jahre 2003 bis zum Jahre 2010 eine jährliche Eigenheimzulage von 2.045,00 EUR zu zahlen ist. Der Senat hat mit Beschluss vom 25. April 2005 (L 8 AS 39/05 ER - info also 2005, 125 [LSG Niedersachsen 25.04.2005 - L 8 AS 39/05 ER]) entschieden, dass die Eigenheimzulage nicht als Einkommen gem § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen ist, weil insoweit eine zweckbestimmte Einnahme i.S. des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II vorliegt. Dieser Entscheidung folgen dem Grunde nach der Antragsgegner wie auch das Sozialgericht (SG). Allerdings haben sie eine Einschränkung insoweit gemacht, als Zinszahlungen in Höhe von 54,00 EUR monatlich (Darlehensnummer F.) nicht als Unterkunftskosten berücksichtigt werden sollen. Diese Zinszahlungen (ohne Tilgungsleistung) beruhen auf einem von der Antragstellerin aufgenommenen Darlehen, welches passgenau auf die Höhe der Eigenheimzulage zugeschnitten ist. Dies geschieht in der Weise, dass die jeweils anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen für dieses Darlehen komplett durch die Eigenheimzulage abgedeckt werden. Daraus folgert der Antragsgegner und dem folgend das SG, dass in Höhe dieser Zinszahlungen kein Unterkunftsbedarf besteht, weil er durch die entsprechende Zahlung der Eigenheimzulage abgedeckt werde.

3

Dieser Rechtsansicht ist nicht zu folgen. Denn sie vermischt zu Unrecht unterschiedliche rechtliche Kategorien, nämlich den Unterkunftsbedarf, der in § 22 Abs. 1 SGB II geregelt ist und die Berücksichtigung von Einkommen, welche von § 11 SGB II erfasst wird.

4

Der Unterkunftsbedarf der Antragsteller besteht hier in den Zinszahlungen für die beiden Darlehen, die die Antragstellerin zu 1. zur Finanzierung des Kaufs des Hausgrundstücks aufgenommen hat). Der Unterkunftsbedarf betrug daher monatlich 202,75 EUR (148,75 EUR Zinszahlungen für das Darlehen Nr. G.) und 54,00 EUR Zinszahlungen für das hier fragliche "Eigenheimzulagedarlehen" F ... Dieser Unterkunftsbedarf ist anspruchsbegründend in die Bedarfsberechnung für die Höhe der Leistungen nach dem SGB II einzustellen. Allerdings wird nunmehr zu berücksichtigen sein, dass sich die fraglichen monatlichen Zinszahlungen von 54,00 EUR aktuell verringert haben. Als "Unterkunftsbedarf" sind insoweit die geringeren Zinszahlungen für das Darlehen F. in die Bedarfsberechnung einzustellen.

5

Die Berücksichtigung der Eigenheimzulage als bereits den Unterkunftsbedarf mindernd wie dies der Antragsgegner und das SG tun widerstreitet dem maßgeblichen Begriff des Unterkunftsbedarfs nach § 22 Abs. 1 SGB II. Dieser Bedarf bezieht sich auf das Haben einer Unterkunft und wird durch den Sozialleistungsträger durch Übernahme der "tatsächlichen Aufwendungen" gem § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gedeckt. Die Höhe dieser "tatsächlichen Aufwendungen" hängt von der Höhe des Mietzinses bzw. der Belastungen ab, die mit der Nutzung der Unterkunft unmittelbar zusammenhängen. Der Bezug der Eigenheimzulage ist darauf ohne Einfluss (vgl Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 5 C 50.03 - FEVS 56, S 343, wonach Wohngeld sozialhilferechtlich nicht auf der Bedarfs-, sondern der Einkommensseite zu berücksichtigen ist).

6

Der Bezug von Einkommen führt nicht zum Wegfall oder zur Minderung des (Unterkunfts-)Bedarfs, sondern kann zur Minderung des Hilfeanspruchs wegen bereiter Selbsthilfemittel führen. Denn die Antragsteller sind insoweit nicht bedürftig, als sie über berücksichtigungsfähiges Einkommen (oder Vermögen) verfügen, § 9 Abs. 1 SGB II. Daher käme hier allenfalls eine Minderung der Hilfebedürftigkeit durch Anrechnung von Einkommen (Eigenheimzulage) gem §§ 9, 11 SGB II in Betracht. Da eine Einkommensanrechnung nach dem oben erwähnten Senatsbeschluss nicht in Betracht kommt, haben die Antragsteller Anspruch auf Geldleistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der Eigenheimzulage auf der Bedarfs- wie der Einkommensseite. Dementsprechend wird der Antragsgegner eine Neuberechnung der Geldleistungen nach dem SGB II durchführen müssen und dabei die Eigenheimzulage vollkommen unberücksichtigt lassen.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §§ 193 SGG. Da der Antragsgegner unterliegt, trägt er die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

8

Der Beschluss ist gem § 177 SGG unanfechtbar.