Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 12.10.2005, Az.: L 3 KA 128/05 ER

Notwendigkeit einer vertragzahnsärztlichen Zulassung für die Berechtigung zur Durchführung kieferorthopädischer Behandlungen von gesetzlich Krankenversicherten zu Lasten der Krankenkassen; Folgen des Verzichts auf die vertragszahnärztliche Zulassung nach einer kollektiven Absprache i.S.d. § 95 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V); Zulässigkeit der Inanspruchnahme von Privatzahnärzten durch gesetzlich Krankenversicherte im Falle eines so genannten Systemversagens; § 95b Abs. 3 SGB V als Regelung des speziellen Falls eines unwiderleglich vermuteten Systemversagens bei Kollektivverzicht; Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch eines Privatarztes in Bezug auf ein gezieltes Auskunftsverhalten und Beratungsverhalten der Krankenkassen; Auslegung des Wortes "grundsätzlich" in der Pressemitteilung einer gesetzlichen Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
12.10.2005
Aktenzeichen
L 3 KA 128/05 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 23733
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2005:1012.L3KA128.05ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 20.06.2005 - Az: S 35 KA 76/05 ER

Fundstelle

  • MedR 2006, 106 (amtl. Leitsatz)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Einem ehemaligen Vertragszahnarzt (hier: Kieferorthopäde), der aufgrund einer Absprache mit anderen Berufskollegen seine kassenzahnärztliche Zulassung zurück gegeben hat, kann gegenüber einem Krankenkassenverband ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Unterlassung unrichtiger bzw. irreführender Pressemitteilungen zustehen.

  2. 2.

    Unrichtig bzw. irreführend ist die generalisierend formulierte Behauptung, dass ein Zahnarzt, der im Rahmen einer Absprache mit Berufskollegen die kassenzahnärztliche Zulassung zurück gegeben hat, Kassenpatienten nicht mehr behandeln darf.

  3. 3.

    Die zur Bejahung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr ist bereits dann zu vermuten, wenn es einmal zu einer rechtswidrigen Beeinträchtigung gekommen ist.

  4. 4.

    Der Schutz der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG erffordert den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Gunsten des Betroffenen nur dann, wenn dem ausgeschiedenen Zahnarzt wegen des Eingreifens der Wiederzulassungssperre gemäß § 95b Abs. 2 SGB V die Rückkehr in das vertragszahnärztliche System versagt bleibt und der dauerhafte Ausfall von Forderungen nach § 95b Abs. 3 SGB V den Weiterbestand seiner Praxis gefährdet.

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 20. Juni 2005 wird geändert.

Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, es zu unterlassen, ihren Versicherten bzw. den Versicherten ihrer Mitgliedskassen gegenüber zu erklären, die Antragstellerin dürfe neue Behandlungen zu Lasten der Krankenkassen nicht beginnen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiergegen wird den Antragsgegnern ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000,- EUR angedroht.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert wird auf 150.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin ist als Fachzahnärztin für Kieferorthopädie in C. (Landkreis D.) niedergelassen und nahm ursprünglich an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Ebenso wie 40 andere Kieferorthopäden oder kieferorthopädisch tätige Zahnärzte in Niedersachsen verzichtete sie mit Wirkung zum 30. Juni 2004 auf ihre Zulassung. Das niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (im Folgenden: Sozialministerium) stellte als Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 3. Juni 2004 fest, dass in den drei niedersächsischen Planungsbereichen Landkreis E., Landkreis F. und Landkreis G. insgesamt 23 und jeweils mehr als 50 % aller dort niedergelassenen Vertragszahnärzte, die kieferorthopädische Leistungen erbringen, in einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung zum 30. Juni 2004 nach § 95b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verzichtet hätten und dadurch die vertragszahnärztliche kieferorthopädische Versorgung ab 1. Juli 2004 nicht mehr sichergestellt sei. In der Begründung des Bescheids wurden 41 niedersächsische Kieferorthopäden bzw. kieferorthopädisch tätige Zahnärzte namentlich aufgeführt, bei denen die Gesamtabwägung aller Einzelfallumstände ergeben habe, dass sie miteinander abgestimmt zum 30. Juni 2004 auf ihre Zulassung verzichtet hätten; hierzu gehörte auch die Antragstellerin.

2

Unter dem 25. Januar 2005 veröffentlichten die Antragsgegner unter der Bezeichnung: "Die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen" eine Pressemitteilung, die - auszugsweise - wie folgt lautete:

" ...Kieferorthopäden führen Patienten in die Irre: Kassen müssen Behandlungen weiterhin genehmigen

Hannover, 25. Januar 2005. Die Krankenkassen in Niedersachsen warnen davor, sich von Verlautbarungen einzelner Kieferorthopäden in die Irre führen zu lassen. Die Zahnärzte hatten sowohl in Anzeigen als auch in öffentlichen Erklärungen immer wieder behauptet, Versicherte könnten privatärztliche Leistungen in Anspruch nehmen, für die die Kassen dann zahlen würden. "Diese Aussagen sind falsch", stellten die Kassen in einer gemeinsamen Erklärung fest. "Eine kieferorthopädische Behandlung muss nach wie vor von der Krankenkasse genehmigt werden. Genehmigungen werden grundsätzlich nur erteilt, wenn die Leistungen medizinisch notwendig sind und die gewählten Kieferorthopäden eine Kassenzulassung haben." Während sich die große Mehrheit der Kieferorthopäden in Niedersachsen vertragstreu verhalte, versuche eine Minderheit, die Patienten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Einer Behandlung ohne Zustimmung der Kasse fehlt die Rechtsgrundlage, ihre Abrechnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ist dementsprechend nicht möglich. Die Kasse übernimmt keine Kosten. Bricht der Kieferorthopäde die Behandlung daraufhin ab, müssen Eltern betroffener Kinder im günstigsten Fall nur einen neuen Behandler mit Kassenzulassung suchen. Da aber nicht in jedem Fall Leistungsanspruch besteht, kann der Patient die Therapie dann möglicherweise gar nicht fortsetzen. Ein zusätzliches Risiko droht, wenn Privatpraxen entgegen Verlautbarungen doch Honorare direkt von den Patienten kassieren wollen. Die Kasse wird dafür nicht einspringen können, weil eine rückwirkende Übernahme von Behandlungskosten eines Privatzahnarztes ausscheidet. Um sich nicht in den Konflikt ziehen zu lassen, sollten Eltern betroffener Kinder von vornherein nur Kieferorthopäden mit Kassenzulassung aufsuchen. Die Krankenkassen informieren über entsprechende Praxen ..."

3

Mit Schreiben vom 16. Februar 2005 verlangten die Antragstellerin und 24 weitere Kieferorthopäden, die auf ihre Zulassung verzichtet haben, von den Antragsgegnern u.a. die Unterlassung der Erklärung, dass Kieferorthopäden, die auf ihre Kassenzulassung in einem mit anderen Kieferorthopäden abgestimmten Verhalten verzichtet haben, neue Behandlungen zu Lasten der Krankenkasse nicht beginnen dürfen. Dabei richteten sie sich neben der o.a. Presseerklärung auch gegen Rundschreiben der "Verbände der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen" vom 10. November 2004, die an die im Bescheid des Sozialministeriums vom 3. Juni 2004 genannten Kieferorthopäden gerichtet waren und u.a. die Aussage enthielten, die Aufnahme neuer Behandlungsfälle zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen durch aus der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ausgeschiedene Zahnärzte und Kieferorthopäden sei auf Grund der gesetzlichen Regelung des § 95b Abs. 3 SGB V und der eindeutigen Gesetzesbegründung ausgeschlossen. Zur rechtlichen Begründung ihrer "Abmahnung" beriefen sich die Kieferorthopäden im Wesentlichen auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 5. Januar 2005 in dem Verfahren L 3 KA 237/04 ER.

4

Die Abgabe der dem Schreiben beigefügten "Unterlassungsverpflichtungserklärungen" wurde von den Antragsgegnern zu 4. bis 7. ausdrücklich abgelehnt; die übrigen Antragsgegner beantworteten das Schreiben nicht.

5

Am 10. März 2005 hat die Antragstellerin - ebenso wie 25 weitere Kieferorthopäden - vor dem Sozialgericht (SG) Hannover den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, es zu unterlassen, ihren Versicherten bzw. den Versicherten ihrer Mitgliedskassen gegenüber zu erklären, die Kieferorthopäden dürften neue Behandlungen zu Lasten der Krankenkassen nicht beginnen. Außerdem hat sie die Feststellung beantragt, dass die Antragsgegner bzw. ihre Mitgliedskassen bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren verpflichtet sind, den Kieferorthopäden solche zahnärztlichen Leistungen in Höhe des 1,0-fachen GOZ-Satzes zu vergüten, die diese an Patienten erbringen, die nach dem Zulassungsverzicht der Kieferorthopäden bei diesen eine kieferorthopädische Behandlung begonnen haben. Neben dem Rundschreiben vom 10. November 2004 und der Pressemitteilung vom 25. Januar 2005 haben die antragstellenden Kieferorthopäden dabei ein Schreiben der Barmer Ersatzkasse vom 7. Februar 2005 an einen ihrer Versicherten vorgelegt, in dem dieser darüber informiert worden ist, dass er für die kieferorthopädische Behandlung seiner Tochter weiterhin nur zugelassene Vertragszahnärzte zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse in Anspruch nehmen könne.

6

Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, die Antragsgegner und ihre Mitgliedskassen lehnten in einem abgestimmten Verhalten weiterhin die Vergütung der Leistungen ab, die sie und die anderen Kieferorthopäden an Neupatienten erbrächten, durchweg mit der Begründung, dass neue Behandlungsfälle nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet werden könnten. Die von den Antragsgegnern abgegebenen Erklärungen seien nachweisbar unrichtig, weil das Gesetz in § 95b Abs. 3 SGB V im Fall des kollektiven Verzichts ausdrücklich vorsehe, dass die Versicherten einen hieran beteiligten Arzt oder Zahnarzt weiterhin in Anspruch nehmen könnten. Dass dies allein auf bereits begonnene Behandlungsfälle beschränkt sein solle, lasse sich dieser Norm nicht entnehmen. Dies habe auch der erkennende Senat mit seinen Beschlüssen vom 5. Januar 2005 und vom 18. Februar 2005 (beide im Verfahren L 3 KA 237/04 ER) bestätigt. Die Interessen der Antragstellerin würden durch die Verbreitung der unwahren Aussagen in rechtswidriger Weise berührt, weil potenzielle Patienten hierdurch davon abgehalten würden, Neubehandlungen von ihr durchführen zu lassen. Suchten dennoch Neupatienten ihre Praxis auf, würden entweder Behandlungspläne nicht genehmigt oder die kieferorthopädischen Leistungen würden von den Antragsgegnern mit dem Hinweis nicht vergütet, dass es sich um Neufälle handele. Im Ergebnis erbringe sie seit über einem halben Jahr ihre Leistungen an gesetzlich krankenversicherte Neupatienten ohne Vergütung. Der Ausfall der Forderungen führe zu einer Existenzbedrohung für ihre Praxis. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei damit gegeben, dass die falsche Information der Versicherten auf der einen und die Verweigerung der Kostenübernahme auf der anderen Seite zu schwer wiegenden Nachteilen und irreversiblen Rechtsverlusten führten. Dies gelte umso mehr, als die bisher noch vergüteten Altfälle über kurz oder lang auslaufen würden. Allein auf der Grundlage der privaten Krankenversicherung sei ihre Praxis wirtschaftlich jedoch nicht überlebensfähig.

7

Die Antragsgegner zu 1. und zu 3. bis 7. haben erstinstanzlich die Eilbedürftigkeit bestritten, weil die Antragstellerin mit ihrem Zulassungsverzicht selbst den Grundstein für die beklagten Einkommensminderungen gelegt habe. Sie mache außerdem keine nachprüfbaren Angaben zu ihrer wirtschaftlichen Situation und verschweige, dass sie in großem Umfang weiterhin privatärztliche Behandlungen durchführe. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe nicht, weil die Antragstellerin mit ihren Anträgen nur das Recht zur Wiedergabe einer Rechtsauffassung bestreite, das durch Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützt sei. Der Feststellungsantrag sei außerdem unzulässig, weil ein Rechtsverhältnis nicht konkretisiert und zum besonderen Feststellungsinteresse nichts vorgetragen werde. § 95b Abs. 3 SGB V könne nach Sinn und Zweck der Regelung nur so ausgelegt werden, dass Neufälle hiervon nicht erfasst würden. Hierfür spreche, dass die Erbringung kieferorthopädischer Leistungen von der vorherigen Genehmigung eines Behandlungsplanes und der Einstufung in kieferorthopädische Indikationsgruppen abhänge. Ohne eine vertragszahnärztliche Zulassung bestehe für die Krankenkassen jedoch keine Verlässlichkeit bezüglich eines vertragskonformen Verhaltens als Basis für die Behandlungsgenehmigung. Außerdem sei eine Kontrolle der Leistungserbringung und -abrechnung des Behandlers durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) nicht möglich. Gemäß § 76 SGB V sei die freie Arztwahl weiterhin auf zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte/Zahnärzte, medizinische Versorgungszentren, ermächtigte Ärzte usw. begrenzt. Der Schutzmechanismus des § 95b Abs. 3 SGB V könne außerdem keine Ewigkeitswirkung entfalten, weil hierdurch die Bedeutung der vertragszahnärztlichen Zulassung verloren ginge. Eine einschränkende Auslegung des § 95b Abs. 3 SGB V sei vor allem deswegen geboten, weil der "ausgestiegene" Kieferorthopäde hierdurch eine individuelle Besserstellung erfahre, da für ihn Einschränkungen des vertragszahnärztlichen Systems (Beschränkungen im Honorarverteilungsmaßstab (HVM), Honorarbegrenzung aus der Gesamtvergütung, Wirtschaftlichkeitsprüfung, Degression, Abzug von Verwaltungskosten, Altersbeschränkung) nicht gelten würden. Außerdem seien die Kieferorthopäden nach der Rückgabe ihrer Zulassung weder den Richtlinien für die kieferorthopädische Behandlung (KFO-Richtlinien) noch den Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) unterworfen; durch die Anwendung der privatzahnärztlichen Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) ergebe sich eine teilweise eklatante Besserstellung. Durch die Schaffung einer dauerhaften Parallelstruktur in der ambulanten vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung werde die Neuansiedlung von Kieferorthopäden behindert, weil sich angesichts der unveränderten Abrechnung ausgeschiedener Kieferorthopäden für sie keinerlei wirtschaftliche Perspektive ergebe. Schließlich führe eine der Antragstellerin günstige Interpretation angesichts des § 95b Abs. 3 zur systemwidrigen Installation eines parallelen privatzahnärztlichen Kostenerstattungssystems, das dem dem deutschen Krankenversicherungssystem immanenten Sachleistungsprinzip zuwider laufe. Inzwischen gäben immer mehr Kieferorthopäden in Aussicht auf eine Abrechnungsmöglichkeit in Höhe des einfachen GOZ-Satzes ihre Zulassung zurück.

8

Der Antragsgegner zu 2. hat die Auffassung vertreten, er habe in keinem Schriftstück gegenüber Versicherten seiner Mitgliedskassen erklärt, die Antragstellerin dürfe neue Behandlungen zu Lasten der Krankenkassen nicht beginnen. Es sei außerdem kein Rechtsverhältnis streitig und die Antragstellerin habe wesentliche Nachteile nicht konkret dargelegt. Ein Feststellungsinteresse gegenüber seinen Mitgliedskassen sei nicht dargetan, ganz abgesehen davon fehle die Passivlegitimation für den Antragsgegner zu 2. § 95b Abs. 3 SGB V enthalte schließlich lediglich eine Regelung zur Zahlungsmodalität.

9

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 20. Juni 2005 abgelehnt. Die von der Antragstellerin angegriffenen Schreiben entsprächen der geltenden Rechtslage. Denn § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V beschränke das Wahlrecht der Versicherten auf zugelassene bzw. ermächtigte Vertragszahnärzte. Sonstige Ärzte könnten nur in Anspruch genommen werden, soweit ein Notfall vorliege, was bei kieferorthopädischen Behandlungen im Regelfall ausgeschlossen sei. Das Wahlrecht der Krankenversicherten sei auch nicht auf Grund des § 95b SGB V erweitert worden. Denn im Gesetz müssten klare Hinweise dafür enthalten sein, dass der Gesetzgeber einen derartigen Systembruch gewollt hätte. § 95b Abs. 3 SGB V regele vielmehr eine Schuldübernahme der gesetzlichen Krankenkassen. Hierin liege der in der Vorschrift angelegte besondere Schutz der gesetzlich Krankenversicherten. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats führe demgegenüber zur Benachteiligung der Zahnärzte, die nicht kollektiv aus dem vertragszahnärztlichen System ausgestiegen seien, weil hierdurch ein Sondervergütungssystem mit den gesetzlichen Krankenkassen als Schuldner installiert werde. Außerdem begründe diese Rechtsprechung auch Nachteile der Vertragszahnärzte gegenüber der Gruppe der sich pflichtwidrig verhaltenden Kollektivaussteiger, weil letztere den vielfältigen gesetzlichen und vertraglichen Bindungen bei der Leistungserbringung nicht unterworfen seien. Selbst der in der Beschränkung des Vergütungsanspruchs auf den 1,0-fachen GOZ-Satz 1iegende einzige Nachteil könne durch den kompletten Wegfall aller mengensteuernden Mechanismen kompensiert werden. Diesen Widerspruch könne das vertragszahnärztliche System auf Dauer nicht aushalten.

10

Gegen den ihr am 28. Juni 2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 27. Juli 2005 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Zur Begründung legt sie im Einzelnen dar, aus verschiedenen Schreiben und der ständigen Verwaltungspraxis der Krankenkassen ergebe sich, dass keine neuen Behandlungspläne bei Kieferorthopäden genehmigt würden, denen eine Beteiligung am kollektiven Verzicht vorgeworfen werde. In diesem Zusammenhang sei auch die Pressemitteilung zu sehen, mit der ihr deshalb im Ergebnis öffentlich das Recht abgesprochen werde, Versicherte zu Lasten der GKV zu behandeln. Die Unrichtigkeit der Äußerungen der Antragsgegner folge aus § 95b Abs. 3, was sich inzwischen nicht nur aus Entscheidungen des erkennenden, sondern auch des 4. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen ergebe. Dem könne auch nicht die in § 76 Abs. 1 enthaltene Beschränkung auf die dortigen Ärzte und Einrichtungen entgegen gehalten werden, ebenso wenig wie eine angebliche honorarmäßigen Besserstellung der sog. "Kollektivverzichtler", die tatsächlich nicht bestehe. Ihre Pflicht, gemäß § 95b Abs. 3 S. 2 nach dem 1,0-fachen GOZ-Satz abzurechnen, bedinge gleichzeitig eine über die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) grundrechtlich geschützte Rechtsposition. Da dieser wegen der Ablehnungshaltung der Krankenkassen Gefahren drohten, die zu einer Existenzgefährdung ihrer Praxis führen könnten, sei im Wege der Regelungsanordnung auch die Feststellung zu treffen, dass die Antragsgegner zur Vergütung vorgenommener Behandlungen verpflichtet seien. Auf die Wiederzulassung als Vertragszahnärztin zur Abwendung dieser Nachteile könne sie nicht verwiesen werden, weil dies bedeute, dass sie auf ihre grundrechtlich geschützte Rechtsposition verzichten müsste. Dies sei ihr schon deshalb nicht zumutbar, weil ihr ein entsprechender Anordnungsanspruch zustehe.

11

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

  1. 1.

    den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 20. Juni 2005 aufzuheben,

  2. 2.

    die Antragsgegner zu verpflichten, es zu unterlassen, ihren Versicherten bzw. den Versicherten ihrer Mitgliedskassen gegenüber zu erklären, die Antragstellerin dürfe neue Behandlungen zu Lasten der Krankenkassen nicht beginnen, hilfsweise: die Antragsgegner zu verpflichten, es zu unterlassen, in Bezug auf die Antragstellerin gegenüber den Versicherten zu erklären, dass die Aufnahme einer kieferorthopädischen Behandlung (so genannte Neufälle) auf der Grundlage des § 95b Abs. 3 SGB V von der Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung abhänge, weiter hilfsweise: die Antragsgegner zu verpflichten, es zu unterlassen, Dritten gegenüber zu erklären: "Eine kieferorthopädische Behandlung muss nach wie vor von der Krankenkasse genehmigt werden. Genehmigungen werden grundsätzlich nur erteilt, wenn die Leistungen medizinisch notwendig sind und die gewählten Kieferorthopäden eine Kassenzulassung haben.",

  3. 3.

    für jeden Fall der Zuwiderhandlung den Antragsgegnern ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 125.000,00 EUR anzudrohen,

  4. 4.

    festzustellen, dass die Antragsgegner bzw. ihre Mitgliedskassen bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren verpflichtet sind, der Antragstellerin im Rahmen des § 95b Abs. 3 SGB V solche zahnärztlichen Leistungen in Höhe des 1,0-fachen GOZ-Satzes zu vergüten, die die Antragstellerin an Patienten erbringt, die nach dem Zulassungsverzicht der Antragstellerin bei ihr eine kieferorthopädische Behandlung begonnen haben (sog. Neufälle).

12

Die Antragsgegner beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

13

Ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf ein gezieltes Auskunfts- und Beratungsverhalten der Krankenkassen gehe ins Leere, weil die Krankenkassen dazu verpflichtet seien, über ihre entscheidungserhebliche Rechtsauffassung zu informieren. Die rechtliche Unterscheidung zwischen dem Behandlungsanspruch für Alt- und Neufälle, die das SG vorgenommen habe, sei außerdem nicht zu beanstanden. Wenn das SG die bereits erstinstanzlich genannten Widersprüche zu Gunsten des vertragszahnärztlichen Systemerhalts löse, sei dem vollinhaltlich zu folgen. Insbesondere Neufälle könnten von § 95b Abs. 3 SGB V nicht erfasst sein, weil im SGB V kein Regelungsbedürfnis für die Vergütungsansprüche von Leistungser-bringern bestehe, die auf Grund eines Zulassungsverzichts nicht mehr Teil des Sachleistungssystems der GKV seien. Nur für Notfälle nach § 13 Abs. 3 SGB V werde in § 95b Abs. 3 eine Vergütungsbegrenzungsregelung einbezogen, der die Versorgung der Kranken garantiere und überhöhte Honorarforderungen abwehre. Zur Begründung eines "Rechtsverhältnisses sui generis" bedürfe es im Übrigen eines zu Grunde liegenden konstitutiven Akts, der in § 95b SGB V aber fehle. Schließlich sei eine Existenzbedrohung, die die Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erlauben würde, weder behauptet noch substantiiert vorgetragen worden. Der Antragsgegner zu 2. hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass der Versicherte kein Selbstbeschaffungsrecht habe, was bei der Auslegung des § 95b Abs. 3 Satz 1 SGB V zu berücksichtigen sei. In § 95b SGB V habe der Gesetzgeber im Übrigen keine Regelung zur Aufhebung der für den Versicherten und die Krankenkasse verbindlichen Normen des 1. und 3. Kapitels des SGB V bzw. des dritten Abschnitts des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch (SGB I) getroffen.

14

Der Senat hat das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) im Parallelverfahren L 3 KA 109/05 ER um Auskunft gebeten, ob und ggf. welche Erkenntnisse über die Entwicklung des vertragsärztlichen und des vertrags(zahn)ärztlichen Honorarniveaus von 1992 bis 2004 bzw. über die Entwicklung des Verhältnisses zwischen privat(zahn)ärztlichem und vertrags(zahn)ärztlichem Honorarniveau in diesem Zeitraum bestehen. Das BMGS hat mit Schreiben vom 30. August 2005 mitgeteilt, aussagekräftige Daten hierzu lägen nicht vor.

15

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Die Antragsgegner waren im Wege der einstweiligen Anordnung zur Unterlassung zu verpflichten, Versicherten der GKV gegenüber zu erklären, die Antragstellerin dürfe neue Behandlungen zu Lasten der Krankenkassen nicht beginnen (1.). Die begehrte Feststellung einer Pflicht zur Vergütung kieferorthopädischer Leistungen konnte dagegen nicht erfolgen (2.).

16

1.

Der auf Unterlassung gerichtete Antrag ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Dieses Ziel verfolgt die Antragstellerin, wenn sie sich gegen Erklärungen der Antragsgegner wendet, durch die ihrer Ansicht nach ihr Recht auf Behandlung von Patienten zu Lasten der Krankenkassen vereitelt wird. In der Hauptsache wäre hiergegen eine Unterlassungsklage - als Unterfall der Leistungsklage, § 54 Abs. 5 SGG - statthaft, weil nach ihrem Vorbringen auch in Zukunft mit den umstrittenen Erklärungen der Antragsgegner zu rechnen ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 54 RdNr. 42).

17

Der Antrag ist auch begründet.

18

a)

Der Antragstellerin steht ein Anordnungsanspruch zu. Sie kann sich auf einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch berufen, der sich als Abwehrrecht unmittelbar aus Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergibt (vgl. hierzu Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 5. Auflage, Vorb. vor Art. 1 RdNr. 7). Dieser setzt voraus, dass zu besorgen ist, die Antragsgegner würden künftig durch - in ihrer Funktion als Hoheitsträger verlautbarte - unrichtige Erklärungen rechtswidrig in die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin eingreifen (BVerwG, Beschluss vom 29. April 1985 - Az.: 1 B 149/84 -; zu Eingriffen in die Berufsfreiheit vgl. auch BVerwGE 71, 183, 189) [BVerwG 18.04.1985 - 3 C 34/84]. Ein derartiger Eingriff liegt in der Pressemitteilung vom 25. Januar 2005, die die Antragsgegner als Verbände der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen abgegeben haben und mit denen sie sinngemäß den gesetzlich Krankenversicherten in Niedersachsen gegenüber erklärt haben, diese könnten kieferorthopädische Behandlungen zu Lasten der GKV nicht bei solchen Kieferorthopäden durchführen, die - wie die Antragstellerin - ihre Zulassung im Rahmen eines abgestimmten Verfahrens zurückgegeben haben.

19

Dieser Erklärungsinhalt ergibt sich aus dem Wortlaut der in der Pressemitteilung enthaltenen Äußerung, dass "Genehmigungen (zu kieferorthopädischen Behandlungen) ... grundsätzlich nur erteilt" werden, "wenn die Leistungen medizinisch notwendig sind und die gewählten Kieferorthopäden eine Kassenzulassung haben", in Verbindung mit dem Kontext der Mitteilung und dem Empfängerhorizont. Bei der Auslegung des Inhalts der Erklärung ist nicht am buchstäblichen Ausdruck zu haften, sondern zu erforschen, welchen Inhalt der Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung von Kontext, Verkehrsverständnis und ihm bekannten Hintergrund der Erklärung darin erkennen kann (vgl. BGH NJW 2000, 3421 f. [BGH 30.05.2000 - VI ZR 276/99]; OLG München, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 29 U 4296/03; VG Köln, Beschluss vom 18. November 2003 - 4 L 2623/03; jeweils Juris). Für die Frage, wer Erklärungsempfänger ist, ist dabei vorliegend entscheidend, dass die Versicherten Presseerklärungen der Spitzenverbände der Krankenkassen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; SozR 4-1500 § 67 Nr. 1) so würdigen können, dass sich damit alle durch die Spitzenverbände repräsentierten Krankenkassen an sie wenden und sie über Umstände aufklären, die für das Versicherungsverhältnis relevant sind. Ein derartiger Umstand ist durch die genannte Äußerung angesprochen.

20

Das Wort "grundsätzlich" in der in Rede stehenden Presseerklärung lässt unterschiedliche Deutungen zu. Der Begriff "grundsätzlich" kann im Sinne von "im Prinzip, mit dem Vorbehalt bestimmter Ausnahmen" zu verstehen sein (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Auflage, Stichwort "grundsätzlich", Anmerkung 2b). Bei diesem Textverständnis müsste der Antragsteller die Presserklärung vom 25. Januar 2005 wohl hinnehmen. Denn dass die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit im Regelfall Voraussetzung dafür ist, dass Kieferorthopäden Behandlungen im Rahmen der GKV durchführen können, steht außer Frage und wird auch von dem Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. "Grundsätzlich" kann aber auch "ohne Ausnahme" bedeuten (Duden a.a.O., Anmerkung 2a). Zur Überzeugung des Senats müssen die Versicherten die Pressemitteilung der Antragsgegner in genau diesem Sinne verstehen. Denn die Notwendigkeit der Kassenzulassung wird in der Presseerklärung gerade für solche Fälle betont, in denen das Vorliegen eines Ausnahmefalls diskutiert wird. An die öffentlich ausgetragene Diskussion um die Frage, ob Kieferorthopäden, die miteinander abgestimmt auf ihre Zulassung verzichtet haben, dennoch berechtigt sind, Versicherte der GKV zu behandeln, knüpft die Pressemitteilung vom 25. Januar 2005 nämlich erkennbar an. Das machen bereits die beiden einleitenden Sätze deutlich: "Die Krankenkassen in Niedersachsen warnen davor, sich von Verlautbarungen einzelner Kieferorthopäden in die Irre führen zu lassen. Die Zahnärzte hatten sowohl in Anzeigen als auch in öffentlichen Erklärungen immer wieder behauptet, Versicherte können privatärztliche Leistungen in Anspruch nehmen, für die die Kassen dann zahlen würden". Ausgehend hiervon können die Versicherten die genannte Äußerung der Kassen deshalb nur so verstehen, dass der Beginn neuer kieferorthopädischer Behandlungen nur - also ausschließlich - genehmigt werden kann, wenn der Kieferorthopäde über eine Zulassung verfügt, und die kollektiv aus dem vertragszahnärztlichen System ausgeschiedenen Kieferorthopäden deshalb neue Behandlungen zu Lasten der Krankenkassen nicht beginnen können.

21

Auch ohne namentliche Nennung bezieht sich diese Aussage auch auf die Antragstellerin, weil diese zu den kollektiv ausgeschiedenen Kieferorthopäden gehört, wie sich aus dem Bescheid des Sozialministeriums vom 3. Juni 2004 ergibt und von ihr im vorliegenden Verfahren auch nicht bestritten wird. Jeder Versicherte, der sich in Kenntnis der Presseerklärung in die Behandlung der Antragstellerin begeben möchte und von deren "Ausstieg" erfährt, muss davon ausgehen, dass die Antragstellerin nach Ansicht der jeweiligen Kasse nicht berechtigt ist, ihn als Kassenpatient zu behandeln. Vor dem Hintergrund der o.a. BSG-Rechtsprechung zur Auslegung von Pressemitteilungen der vorliegenden Art entwickelt der Senat damit seine Rechtsprechung fort, nach der ein Unterlassungsanspruch bisher nur bejaht worden war, wenn eine Kasse einzelnen Versicherten gegenüber die Behandlungsberechtigung eines namentlich genannten Kieferorthopäden verneinte (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Januar 2005 - L 3 KA 237/04 ER - Nds. Rpfl. 2005, 214ff).

22

b)

Die in der Pressemitteilung enthaltene Erklärung ist sachlich unrichtig. Die Antragstellerin ist berechtigt, auch nach dem 1. Juli 2004 beginnende kieferorthopädische Behandlungen von gesetzlich Krankenversicherten zu Lasten der Krankenkassen durchzuführen.

23

Wie der Senat in seinem o.a. Beschluss näher ausgeführt hat, folgt dies aus § 95b Abs. 3 SGB V, wonach die Krankenkasse die Vergütung für eine (zahn)ärztliche Behandlung mit befreiender Wirkung an den Arzt oder Zahnarzt zahlt, wenn ihr Versicherter einen Arzt oder Zahnarzt in Anspruch nimmt, der auf seine Zulassung nach § 95b Abs. 1 SGB V verzichtet hat. Der Senat hat hierzu a.a.O näher dargelegt, dass der Vertrags(zahn)-arzt, der im Rahmen einer kollektiven Absprache auf seine Zulassung verzichtet hat, als Folge des § 95b Abs. 3 in einem Rechtsverhältnis sui generis zu den Krankenkassen verharrt. Versicherte können die ausgeschiedenen Kieferorthopäden - in den Grenzen des § 29 SGB V - weiterhin als Behandler wählen und die Übernahme der ihren Eigenanteil übersteigenden Kosten durch die Krankenkasse beantragen, die ihre Leistungspflicht dem Versicherten gegenüber im Verhältnis zum Kieferorthopäden durch die Zahlung gemäß § 95b Abs. 3 Satz 1 SGB V erfüllt, wobei der Honoraranspruch auf den 1,0-fachen Satz der GOZ beschränkt ist (§ 95b Abs. 3 Satz 2 SGB V). Dabei wird nicht zwischen Behandlungen, die bereits vor dem Wirksamwerden des Zulassungsverzichts begonnen worden sind, und neuen Behandlungsfällen differenziert. Diese Rechtslage ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 95b Abs. 3 und den hierzu ergangenen gesetzgeberischen Materialien (BT-Drs. 12/3608, Seite 95f); dies entspricht auch der im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. hierzu insgesamt den Senatsbeschluss vom 5. Januar 2005 a.a.O. m.w.N.).

24

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch angesichts der hiergegen vom erstinstanzlichen Gericht und von den Antragsgegnern erhobenen Einwände fest.

25

Insbesondere kann es nicht überzeugen, wenn eingewandt wird, nach § 76 Abs. 1 SGB V könnten Versicherte nur unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten und den sonstigen dort aufgezählten Einrichtungen wählen, während andere Ärzte nur in Notfällen in Anspruch genommen werden dürften. Denn hiermit ist nur geregelt, welche Behandler im Rahmen des vertrags(zahn)ärztlichen Systems in Anspruch genommen werden können. Dabei ist klarzustellen, dass auch die Antragstellerin evtl. Notfälle innerhalb dieses Systems behandeln dürfte; in derartigen Ausnahmefällen besteht aber ein Vergütungsanspruch gegenüber der KZV, nicht gegenüber den Krankenkassen (Hess in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Lsbls - Stand Juni 2005 -, § 76 SGB V RdNr. 11).

26

Daneben ist aber seit langem anerkannt, dass Versicherte ausnahmsweise auch Privat(zahn)-ärzte in Anspruch nehmen können, wenn ein sog. Systemversagen vorliegt, etwa weil Versorgungslücken vorliegen oder weil beispielsweise Privatbehandler als Folge von Informationspflichtverletzungen eines Vertragsarztes in Anspruch genommen worden sind (vgl. etwa BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 12; SozR 3-2500 § 29 Nr. 3; Höfler in: Kasseler Kommentar a.a.O., § 13 SGB V RdNr. 34; Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Lsbls. - Stand April 2005 - , § 13 SGB V RdNr. 25ff, jeweils m.w.N.). In derartigen Fällen wird der Versicherte - mit Ausnahme der oben angeführten Notfälle - zwar als Privatpatient behandelt; ihm steht aber seiner Kasse gegenüber ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V zu. Folglich ist die Kasse in derartigen Fällen nicht berechtigt, dem Privat(zahn)-arzt die Berechtigung abzusprechen, ihre Versicherten zu ihren Lasten zu behandeln.

27

§ 95b Abs. 3 SGB V regelt einen speziellen Fall des Systemversagens und erweitert damit den Kreis der im Ergebnis zu Lasten der Kassen behandlungsberechtigten Ärzte und Zahnärzte in grundsätzlich vergleichbarer Weise wie § 13 Abs. 3 SGB V, sieht an Stelle der bloßen Erstattungspflicht der Kassen jedoch deren Pflicht zur Zahlung unmittelbar an die betroffenen Ärzte bzw. Zahnärzte vor. Mit dem Wortlaut der Vorschrift mag es zu vereinbaren sein, hierin eine Anknüpfung an § 13 Abs. 3 SGB V zu sehen, verbunden lediglich mit der Anordnung einer hiervon abweichenden Rechtsfolge. Folge einer derartigen Rechtsgrundverweisung wäre, dass die Anwendbarkeit von § 95b Abs. 3 SGB V in jedem Einzelfall - wie bei § 13 Abs. 3 - den Nachweis einer konkreten Versorgungslücke voraussetzen würde. Diesem Verständnis der Norm widerspricht jedoch schon ihre systematische Stellung im Gesetz, wo sie nicht im Zusammenhang des § 13 SGB V, sondern mit den statusrechtlichen Regelungen der § 95ff SGB V steht. Darin kommt zum Ausdruck, dass die hierunter fallenden Behandler nicht wie die in § 13 Abs. 3 SGB V betroffenen Personen "reine" Privatärzte bzw. -zahnärzte bleiben, sondern dem Vertragsarztsystem kraft Gesetzes "verhaftet" bleiben (so ausdrücklich die gesetzgeberische Begründung, BT-Drs. 12/3608 Seite 95).

28

Vor allem aber widerspräche diese Lesart der Vorschrift dem erklärten Willen des Gesetzgebers, die Interessen der Versicherten im Falle eines Kollektivausstiegs zu schützen (BT-Drs. a.a.O.). Dass diese nachhaltig beeinträchtigt sind, wenn plötzlich ein größerer Teil der bisherigen Vertragsbehandler nicht mehr für die (zahn)medizinische Versorgung im Rahmen der GKV zur Verfügung steht, bedarf keiner näheren Darlegung. Diese Beeinträchtigung ist auch dann schon erheblich, wenn beispielsweise nur 40 % einer Arztgruppe (z.B. Allgemein- oder Kinderärzte) nicht mehr für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung stünden; die Anwendbarkeit des § 95b Abs. 3 SGB V setzt gerade deshalb - und auch nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift - nicht voraus, dass es im betroffenen Zulassungsbezirk zu einer Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs. 1 SGB V gekommen ist. Der beabsichtigte Schutz der Versicherten wäre jedoch nur lückenhaft gewährleistet, wenn diese zur Begründung ihres Behandlungsanspruchs bei einem "Aussteiger" erst in jedem Einzelfall darlegen und ggf. nachweisen müssten, dass Vertragsbehandler unter zumutbaren Bedingungen nicht erreichbar sind, zumal dies zu einer Fülle von Abgrenzungsproblemen im Hinblick auf die "Zumutbarkeit" führen würde, die sich zu Lasten der Versicherten auswirken würden. Durch die ablehnende Haltung der Antragsgegner und deren Mitgliedskassen ist es in Niedersachsen letztlich auch zu der Vielzahl rechtlicher Auseinandersetzungen (auch) zwischen Versicherten und Kassen gekommen, die der Gesetzgeber mit der Einführung des § 95b Abs. 3 SGB V vermeiden wollte.

29

Nach alledem hat der Gesetzgeber mit § 95b Abs. 3 SGB V eine Vorschrift geschaffen, die den Fall eines unwiderleglich vermuteten Systemversagens bei Kollektivverzicht regelt, sodass im Einzelfall nicht mehr dargelegt werden muss, dass es zu Versorgungslücken gekommen ist. In dieser Weise ist § 95b Abs. 3 SGB V ersichtlich auch vom BSG verstanden worden (SozR 3-2500 § 29 Nr. 3 - betreffend kieferorthopädische Behandlung).

30

Die Berechtigung der Antragstellerin und anderer kollektiv ausgeschiedener Kieferorthopäden zur Behandlung von Versicherten der GKV widerspricht auch nicht leistungsrechtlichen Grundsätzen des SGB V. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 5. Januar 2005 (a.a.O.) dargelegt, dass der Leistungsanspruch der Versicherten nach Inhalt und Umfang nicht dadurch verändert wird, dass sein Behandler zu dem in § 95b Abs. 1 SGB V genannten Personenkreis gehört. Die Antragstellerin darf im Rahmen des § 95b Abs. 3 deshalb z.B. nur den in § 28 Abs. 2 Satz 6 und 7 genannten Personenkreis behandeln und ist dabei an die in § 29 Abs. 1 und Abs. 4 (in Verbindung mit den KFO-Richtlinien) vorgegebenen Voraussetzungen ebenso gebunden wie an das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V. Die Krankenkassen können die Einhaltung der leistungsrechtlichen Vorgaben auch kontrollieren, weil nach wie vor ein Behandlungsplan gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 vor Beginn der Behandlung vorgelegt und genehmigt werden muss. Darüber hinaus bewirkt die fortwirkende (Rest)-einbeziehung der Kieferorthopäden in das vertragszahnärztliche System, dass der vom SGB V und vom Richtlinienrecht vorgegebene Umfang der zu beanspruchenden Behandlung bei der Auslegung dessen zu berücksichtigen ist, was nach § 1 Abs. 2 GOZ als "zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung" im Rahmen des § 95b Abs. 3 SGB V anzusehen ist. Schließlich haben die Kassen u.a. auch zu kontrollieren, ob die Gebührenpositionen der GOZ zu Recht angesetzt sind und ob zwischen den Kieferorthopäden und dem Versicherten überhaupt ein wirksamer Behandlungsvertrag zu Stande gekommen ist (vgl. in diesem Zusammenhang § 95b Abs. 3 Satz 4). Im Streitfall tragen jeweils die Kieferorthopäden die Darlegungs- und objektive Feststellungslast.

31

Demgegenüber ist zutreffend, dass die vorliegend betroffenen Kieferorthopäden nicht den typischen vertragszahnärztlichen Beschränkungen - wie Vergütungsbudgets, Mengenbegrenzungen oder Degression - und entsprechenden Kontrollmechanismen - z.B. der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V - unterliegen. Dies ist vom Gesetzgeber aber bewusst in Kauf genommen worden; dass er diesen Umstand nicht gesehen haben könnte, kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil er einige der genannten Instrumente - nämlich die Budgetierung und die Degression - mit demselben Gesetz (Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 - BGBl I 2266) eingeführt hat wie § 95b (vgl. § 85 Abs. 3 Satz 2, Abs. 3a, Abs. 4a ff SGB V i.d.F. des GSG). Zum Ausgleich hierfür und um das rechtswidrige Verhalten der kollektiv handelnden Vertrags(zahn)-ärzte zu sanktionieren, hat er stattdessen die Höhe der Vergütung auf den 1,0-fachen GOZ-Satz beschränkt (§ 95b Abs. 3 Satz 2). Dass die damit beabsichtigte Schlechterstellung gegenüber einem Verbleib im System bei Kieferorthopäden inzwischen relativiert worden ist (etwa als Folge von Neubewertungen im Bema-Z oder einer im Vergleich zum privatzahnärztlichen Honorarniveau besonders ungünstigen Entwicklung der vertragszahnärztlichen Vergütung), konnte im vorliegenden summarischen Verfahren nicht festgestellt werden. Denn das BMGS hat in seiner im Parallelverfahren L 3 KA 109/05 ER erteilten Auskunft vom 30. August 2005 mitgeteilt, Erkenntnisse über die Entwicklung des vertragsärztlichen und des vertrags(zahn)ärztlichen Honorarniveaus von 1992 bis 2004 bzw. über die Entwicklung des Verhältnisses zwischen privat(zahn)ärztlichem und vertrags(zahn)ärztlichem Honorarniveau in diesem Zeitraum lägen nicht vor. Unabhängig hiervon könnte dieser Gesichtspunkt nichts daran ändern, dass der Schutz der Versicherten vor Versorgungslücken entsprechend der Intention des Gesetzgebers durch § 95b Abs. 3 Satz 1 weiterhin zu gewährleisten ist.

32

c)

Ihre nach alledem im hier angegriffenen Punkt unrichtige Presseerklärung können die Antragsgegner auch nicht damit rechtfertigen, sie würden nur ihre Rechtsauffassung darlegen. Denn bei Erklärungen der vorliegenden Art handelt es sich nicht um bloße Diskussionsbeiträge im öffentlichen Diskurs. Die Pressemitteilung ist rechtlich vielmehr als Maßnahme der Aufklärung der Versicherten gemäß § 13 SGB I zu werten. Diese muss aber richtig sein (vgl Seewald in: Kasseler Kommentar a.a.O., § 13 SGB I RdNr. 12; Baier in: Krauskopf a.a.O. § 13 SGB I RdNr. 7). Auf Artikel 5 GG berufen sich die Antragsgegner in diesem Zusammenhang ohnehin zu Unrecht, weil Kassen und Kassenverbände Bestandteile der mittelbaren Staatsverwaltung und damit nicht grundrechtsfähig im Sinne des Artikels 19 Abs. 3 GG sind (BVerfGE 39, 302, 313 [BVerfG 09.04.1975 - 2 BvR 879/73]; BVerfG-Beschluss vom 7. Juni 1991 - 1 BvR 1707/88 - Juris).

33

d)

Die zur Bejahung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr (vgl. Bassenge in: Palandt, BGB, 64. Auflage, § 1004 RdNr. 32) liegt vor. Sie ist bereits dann zu vermuten, wenn es einmal zu einer rechtswidrigen Beeinträchtigung gekommen ist (BGH NJW 2004, 1035). Dass die Antragsgegner ohne die vorliegende Anordnung den Versicherten auch in Zukunft mitteilen würden, dass die Antragstellerin keine Neufälle zu Lasten der GKV behandeln darf, ist im Übrigen schon deshalb anzunehmen, weil sie - wie das vorliegende Verfahren zeigt - nach wie vor an ihrer abweichenden Rechtsansicht festhalten. Dabei ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass nicht nur Pressemitteilungen unter das untersagte Informationsverhalten fallen, sondern jegliche Erklärungen des tenorierten (auch sinngemäßen) Inhalts, die die Antragsgegner an Versicherte der GKV richten, also z.B. auch individuelle Schreiben.

34

e)

Der Antragstellerin steht auch ein Anordnungsgrund zur Seite. Das ihr gemäß § 95b Abs. 3 SGB V zustehende Recht, im Rahmen ihrer Berufsausübung auch gesetzlich krankenversicherte Patienten zu behandeln, wäre weitgehend vereitelt, wenn sie auf den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens warten müsste. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hätten die rechtswidrigen Erklärungen der Antragsgegner voraussichtlich Versicherte in erheblicher Zahl dazu veranlasst, sich nicht von der Antragstellerin, sondern von anderen, weiterhin zugelassenen (oder ermächtigten) Kieferorthopäden behandeln zu lassen, sodass es zu irreversiblen Rechtsverlusten kommen würde.

35

f)

Der Senat hat davon abgesehen, seine Anordnung zeitlich zu beschränken. Der Gesetzgeber dürfte allerdings eine nur vorübergehende Geltungsdauer der genannten Rechtslage im Blick gehabt haben, weil er in der Begründung zu § 95b Abs. 1 von einer "zumindest kurzzeitigen Unterversorgung" ausgegangen ist (BT-Drs. a.a.O.). Wenn er § 95b Abs. 3 gleichwohl mit keiner Befristung versehen hat, lag dem möglicherweise die Erwartung zu Grunde, die sich aus dem Kollektivverzicht ergebenden Versorgungsprobleme würden sich mit der Zeit durch Neuzulassungen (oder Vertragsabschlüsse gemäß § 72a Abs. 3 und 5 SGB V) tatsächlich dadurch erledigen, dass keine "Aussteiger" mehr nach § 95b Abs. 3 von Versicherten in Anspruch genommen werden. Zur Neuansiedlung einer ausreichenden Zahl von Kieferorthopäden ist es aber bisher nicht gekommen, wie sich aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Antragsgegner zu 1. und zu 3. bis 7. (Schriftsatz vom 15. April 2005) ergibt; vielmehr verweisen die Krankenkassen die Versicherten auf bisher schon zugelassene Kieferorthopäden (vgl. hierzu den Beschluss des 4. Senats des LSG Nds.-Bremen vom 16. August 2005 - L 4 KR 197/05 ER -). Wann damit zu rechnen ist, dass die Versorgung der Versicherten wieder durch zugelassene Kieferorthopäden sichergestellt werden kann, ist zurzeit unklar. Eine absolute Grenze der Geltungsdauer der aus § 95b Abs. 3 folgenden Rechtslage dürfte sich allerdings aus § 95b Abs. 2 ergeben, wonach kollektiv ausgeschiedene Ärzte in Zulassungsbezirken im Sinne des § 72a Abs. 1 eine erneute Zulassung nach Ablauf von 6 Jahren erhalten können.

36

g)

In Anwendung des § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 928, 890 Zivilprozessordnung (ZPO) war außerdem antragsgemäß ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe angesichts der Bedeutung der vorliegenden Angelegenheit für die Antragstellerin mit 100.000,00 EUR als angemessen anzusetzen war.

37

2.

Der weiterhin gestellte Antrag auf vorläufige Feststellung einer Verpflichtung der Antragsgegner, der Antragstellerin zahnärztliche Leistungen in sog. Neufällen in Höhe des 1,0-fachen GOZ-Satzes zu vergüten, ist dagegen unbegründet.

38

Entscheidungsgrundlage ist § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei ist der vorliegend gestellte Feststellungsantrag auch statthaft, wie der Senat in einem parallel gelagerten Verfahren (L 3 KA 109/05 ER) entschieden hat (Beschluss vom 12. Oktober 2005). Der geltend gemachte Anordnungsanspruch besteht auch, und zwar auf der Grundlage des § 95b Abs. 3 Satz 1 SGB V, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt.

39

Es fehlt vorliegend jedoch an dem zusätzlich notwendigen Anordnungsgrund.

40

Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die Antragstellerin angesichts der einheitlichen Haltung der Krankenkassen, Honorarforderungen nach § 95b Abs. 3 nicht zu begleichen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit dem vorläufigen Ausfall eines größeren Teils ihrer Behandlungshonorare rechnen müsste. Damit dürfte eine schon jetzt absehbare Gefährdung der Existenz ihrer Praxis nicht auszuschließen sein, wenn sie Versicherte der GKV nicht zu Lasten der Krankenkassen behandeln kann. Ob eine Regelungsanordnung zur Abwendung dieses wesentlichen Nachteils "nötig erscheint", ist vom Gericht aber auf Grund einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Lsbls. - Std.: Sept. 2004 - , § 123 RdNr. 82), wobei das Interesse der Antragstellerin an einer sofortigen Regelung, das Interesse des Antragsgegners daran, die rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, und gegebenenfalls auch andere schutzwürdige Interessen Dritter oder der Allgemeinheit zu berücksichtigen sind (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., RdNr. 156 m.w.N.). Dabei ist zu Lasten des jeweiligen Antragstellers u.U. auch zu berücksichtigen, ob er die nunmehr vorliegende nachteilige Situation selbst mitzuverantworten hat (VGH Mannheim NVwZ-RR 1992, 380, 381; OVG Hamburg NVwZ-RR 1998, 314 [OVG Hamburg 06.01.1997 - Bs III 157/96]; Finkelnburg/Jank a.a.O., RdNr. 155 m.w.N) und ob ihm Alternativen zur Verfügung stehen, um den drohenden Nachteil auch ohne vorläufigen Rechtsschutz abzuwenden (HessVGH DVBl 1993, 57; NVwZ-RR 1992, 361).

41

Die zuletzt genannten Punkte sprechen im vorliegenden Fall gegen die Notwendigkeit einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Die Antragstellerin hat die nunmehr eingetretene nachteilige Situation schon deshalb mitzuverantworten, weil sie sie durch ihr eigenes rechtswidriges Verhalten mitverursacht hat. Denn dass sie ihre Honorarforderungen nunmehr in (zeit)aufwändigen Klageverfahren geltend machen muss, ist Folge ihrer Teilnahme an dem abgestimmten Verhalten, mit dem Kieferorthopäden in Niedersachsen auf ihre Zulassung verzichtet haben. § 95b Abs. 1 SGB V stellt ausdrücklich klar, dass ein derartiges Verhalten mit den Pflichten eines Vertragsarztes nicht vereinbar ist. Dass die Rechtsordnung einen gleichwohl erfolgten kollektiven Verzicht missbilligt, ergibt sich aus der Reduzierung der verbliebenen Honorarforderungen auf den 1,0-fachen GOZ-Satz und aus der gravierenden Sanktion des § 95b Abs. 2, der beim zusätzlichen Vorliegen der Voraussetzungen des § 72a Abs. 1 SGB V eine sechsjährige Zulassungssperre vorsieht. Mit Ausnahme dieses Falles bleiben die aus der vertragszahnärztlichen Versorgung kollektiv ausgeschiedenen Kieferorthopäden deshalb im öffentlichen Interesse weiterhin aufgerufen, ihre rechtswidrige Aktion zu beenden und in das vertragszahnärztliche System zurückzukehren, solange die Versorgung der Versicherten ohne sie nicht sichergestellt ist; vieles spricht sogar dafür, dass sie auf der Grundlage der gemäß § 95b Abs. 3 bestehenden Nachhaft zum vertragszahnärztlichen System hierzu verpflichtet sind.

42

Die Wiederzulassung als Vertragszahnarzt wäre auch das einfachste Mittel, um die jetzt vorliegende Notlage der Antragstellerin zu beseitigen, zumal sich ihre wirtschaftliche Situation auch nach eigenem Vorbringen hierdurch verbessern dürfte. Wenn die Antragstellerin gleichwohl meint, die Vergütung ihrer Behandlungen von Versicherten der GKV gerade über § 95b Abs. 3 im Wege der einstweiligen Anordnung durchsetzen zu müssen, kann dies nur als Ausdruck ihrer weiter bestehenden Absicht gewertet werden, in einer gemeinsam mit anderen Kieferorthopäden durchgeführten berufspolitisch motivierten Aktion das gesetzlich vorgegebene System der vertragszahnärztlichen Versorgung in ihrem Fachgebiet zu treffen (vgl. hierzu die nachvollziehbaren Darlegungen im Bescheid des Sozialministeriums vom 3. Juni 2004). Diese gegen das Gesetz gerichtete Entscheidung ist im vorliegenden Zusammenhang aber nicht schutzwürdig; die Geltendmachung vorläufigen Rechtsschutzes zum Zweck ihrer Durchsetzung ist rechtsmissbräuchlich. Denn es kann nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes sein, ihr mit gerichtlicher Hilfe nicht nur die Ergebnisse ihres rechtswidrigen Verhaltens zu sichern, sondern sie auch finanziell in die Lage zu versetzen, den genannten rechtswidrigen Zustand aufrechtzuerhalten.

43

Der notwendige Schutz des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG gebietet keine hiervon abweichende Betrachtungsweise. Die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 schützt zwar auch die Freiheit des Zahnarztes sich zu entscheiden, ob er im Rahmen des vertragszahnärztlichen Versorgungssystems oder privatrechtlich tätig werden möchte. Dies gilt aber dann nicht mehr, wenn diese Freiheit - wie im Fall des § 95b Abs. 1 - durch konzertiertes Verhalten zu dem Zweck eingesetzt wird, Druck auszuüben, etwa um den Gesetzgeber oder die Normgeber der Selbstverwaltung der Vertragszahnärzte zur Änderung von Rechtsvorschriften zu bewegen oder sogar die vertragszahnärztliche Versorgung in einem bestimmten Gebiet insgesamt auszuhöhlen. Denn die Berufsausübungsfreiheit des (Zahn)-arztes wird durch Gemeinwohlbelange beschränkt, zu denen insbesondere der Schutz eines funktionierenden vertrags(-zahn)-ärztlichen Systems im Rahmen der GKV gehört (BVerfG SozR 3-2500 § 295 Nr. 2). Lediglich in den Fällen, in denen ausgeschiedenen Kieferorthopäden wegen des Eingreifens der Wiederzulassungssperre gemäß § 95b Abs. 2 die Rückkehr in das vertragszahnärztliche System versagt bleibt und der dauerhafte Ausfall von Forderungen nach § 95b Abs. 3 deshalb den Weiterbestand der Praxis gefährdet, erfordert Art. 12 Abs. 1 GG in Fällen der vorliegenden Art, eine einstweilige Anordnung zu Gunsten des Betroffenen zu erlassen (vgl. Senatsbeschluss v. 12. Oktober 2005 - L 3 KA 109/05 ER). Dies betrifft jedoch nur die Landkreise Hildesheim und Cuxhaven bzw. das Gebiet des früheren Landkreises Hannover, nicht den Kreis Soltau-Fallingbostel.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus der Anwendung des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

45

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).-

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 150.000,- EUR festgesetzt.

Bei der gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 1 S.1 und Abs. 2 und 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) erfolgten Streitwertfestsetzung hat sich der Senat daran orientiert, dass er in dem vergleichbaren Verfahren L 3 KA 237/04 ER (Senatsbeschluss v. 5. Januar 2005), das allein die Antragsgegnerin zu 1. als größte niedersächsische Krankenkasse betraf, von einem Streitwert von 100.000,- EUR ausgegangen ist. Dieser war in Hinblick auf die übrigen Kassen bzw. Kassenverbände im Wege der Schätzung angemessen zu erhöhen. Der sich daraus ergebende Betrag von 150.000,- EUR ist allerdings nur einmal angesetzt worden, weil sich sowohl der Unterlassungs- als auch der Feststellungsantrag wirtschaftlich auf dasselbe Interesse gerichtet haben.