Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 22.07.2013, Az.: 6 A 4884/12
Beihilfe; Fürsorgepflicht; Treppenlift
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.07.2013
- Aktenzeichen
- 6 A 4884/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64434
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 78 BBG
- § 25 BBhV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Anschaffung eines Treppenlifts verstößt nicht gegen den Fürsorgegrundsatz.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm die Kosten für die Anschaffung eines Treppenliftes i.H.v. 12.471,00 Euro zu erstatten.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2012 beantragte der Kläger im Rahmen der Beihilfe die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Treppenliftes. Mit Bescheid vom 19. Juli 2012 lehnte die Wehrbereichsverwaltung West die begehrte Kostenerstattung ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2012 wies die Wehrbereichsverwaltung West den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 19. Juli 2012 zurück.
Der Kläger hat am 2. November 2012 Klage erhoben. Er trägt vor: Er habe Anspruch auf die Erstattung der Kosten für den Treppenlift. Seine Ehefrau habe durch einen Sturz einen Abriss der linken Achillessehne erlitten und sei seitdem gehbehindert. Seine Räumlichkeiten seien so ausgestaltet, dass sich das Schlafzimmer und das Bad im ersten Obergeschoss befänden und nur über eine Treppe mit 15 schmalen Holzstufen zu erreichen seien. Diese Treppe könne seine Ehefrau nicht ohne den Lift überwinden. Durch die erheblich eingeschränkte Beweglichkeit sei sie auf den Treppenlift angewiesen. Ihr behandelnder Arzt habe daher die Anschaffung eines Treppenliftes ausdrücklich empfohlen. Eine anderweitige Umgestaltung des Wohnraumes sei nicht möglich gewesen. Etwaige Umbaumaßnahmen hätten deutlich höhere Kosten verursacht. Dieses Hilfsmittel sei daher notwendig und erforderlich sowie im Ergebnis angemessen i.S.v. § 6 BBhV. Der Treppenlift unterfalle nicht Anlage 12 zu § 25 BBhV. Die dortige Aufzählung sei lediglich eine Konkretisierung des Grundsatzes, wonach nicht zu den beihilfefähigen Hilfsmitteln Gegenstände gehörten, die weder notwendig noch wirtschaftlich angemessen seien. Wie bereits ausgeführt, sei der Treppenlift jedoch notwendig und auch wirtschaftlich angemessen. Ungeachtet dessen liege eine unbillige Härte gemäß § 6 Abs. 7 BBhV vor. Ihm sei es wirtschaftlich nur unter allergrößten Anstrengungen möglich gewesen, den Treppenlift anzuschaffen. Die Anschaffung sei auch lediglich vor dem Hintergrund erfolgt, dass er darauf vertraut habe, dass ihm die Beklagte für diese Aufwendungen Beihilfe gewähre.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, ihm die Kosten für die Anschaffung eines Treppenliftes „Lifta Klassik 5000“ i.H.v. 12.471,00 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen des Klägers entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung und durch den Einzelrichter entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 19. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat nicht Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, ihm die Kosten für die Anschaffung eines Treppenliftes i.H.v. 12.471,00 Euro zu erstatten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24. Februar 2011 - 2 C 40.09 -, juris) und des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 4. Januar 2012 - 5 LA 176/10 -, juris; vgl. auch § 58 Abs. 1 BBhV) ist für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich. Die hier streitigen Aufwendungen für den Erwerb des Treppenliftes „Lifta Klassik 5000“ i.H.v. 12.471,00 Euro entstanden mit Rechnungsstellung durch die Firma Lifta Lift und Antrieb GmbH unter dem 22. Juni 2012. Daher findet die BBhV vom 13. Februar 2009 (BGBl. I, Seite 326) in der Fassung ihrer 2. Änderungsverordnung vom 13. Juli 2011 (BGBl. I, Seite 1394) Anwendung. Dies vorausgeschickt, besteht der geltend gemachte Anspruch nicht.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen beihilfefähig. Bereits diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Anschaffung des Treppenliftes notwendig gewesen wäre. Den Schilderungen des Klägers über den Gesundheitszustand seiner Ehefrau stehen die Ausführungen des Facharztes für Innere Medizin Dr. ,,, vom 13. Juli 2012 entgegen. Der die Ehefrau des Klägers behandelnde Facharzt erachtet die Anschaffung eines Treppenliftes nicht für erforderlich. Er befürwortet bzw. empfiehlt lediglich dessen Anschaffung. Entgegen der Behauptung des Klägers ist es nach dieser ärztlichen Äußerung seiner Ehefrau auch nicht unmöglich, in das Obergeschoss zu gelangen. Dr. … erklärte dazu, dass insoweit zur unterstützenden Hilfe die Anschaffung eines Treppenliftes empfohlen werde.
Ungeachtet dessen ist die Beihilfefähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen gemäß der Anlage 6 zu § 25 BBhV ausdrücklich ausgeschlossen. Nach § 25 Abs. 2 Nr. 4 BBhV sind nicht beihilfefähig Aufwendungen für Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die in Anlage 6 genannt sind. Dies ist - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - der Fall. Der Treppenlift ist dort ausdrücklich genannt.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eine Anlage 12 benennt, handelt es sich um die BBhV in der Fassung der 3. Änderungsverordnung vom 8. September 2012 (BGBl. I, Seite 1935), die hier - wie dargelegt - nicht Anwendung findet -; wobei sich insoweit in der Sache nichts anderes ergibt, da die Beihilfefähigkeit der hier streitigen Aufwendungen nach Ziffer 20.7 der Anlage 12 zu § 25 BBhV in der Fassung der 3. Änderungsverordnung ebenfalls ausgeschlossen ist.
Entgegen der Auffassung des Klägers unterfällt der Treppenlift bereits aufgrund seiner ausdrücklichen Benennung der Anlage 6 zu § 25 BBhV. Zutreffend ist zwar, dass die Aufzählung in Anlage 6 den dortigen Satz 1 konkretisieren soll („insbesondere“). Danach gehören zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände, die nicht notwendig und angemessen, von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber den Treppenlift den Gegenständen zuordnet, die zur allgemeinen Lebenshaltung gehören. Denn es handelt sich nicht um unmittelbare Aufwendungen eines Beihilfeberechtigten in einem Krankheitsfall, sondern nur um mittelbare Folgekosten, die zudem ihrer Art nach den Bereich der allgemeinen Lebensführung berühren (VGH Hessen, Urteil vom 28. Oktober 1987 - 1 UE 462/85 -, juris). Davon abgesehen war die Anschaffung des Treppenlifts - wie oben dargelegt - nicht erforderlich.
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf eine unbillige Härte gemäß § 6 Abs. 7 BBhV. Denn diese Regelung ist erst mit der 3. Änderungsverordnung vom 8. September 2012 in die BBhV eingeführt worden. Aber auch auf § 6 Abs. 1 Satz 2 BBhV in der Fassung der 2. Änderungsverordnung, der insoweit als Vorgängervorschrift von § 6 Abs. 7 BBhV i.d.F. der 3. Veränderungsordnung angesehen werden kann und wonach andere Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig sind, wenn die Ablehnung der Beihilfe im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG eine besondere Härte darstellen würde, kann der geltend gemachte Anspruch des Klägers nicht mit Erfolg gestützt werden. Denn für eine Verletzung der Fürsorgepflicht nach § 78 BBG ist nichts ersichtlich. In dieser Hinsicht trägt der Kläger lediglich vor, es sei ihm wirtschaftlich nur unter allergrößten Anstrengungen möglich gewesen, den Treppenlift anzuschaffen. Mit diesem Vorbringen ist bereits nichts für eine Verletzung der Fürsorgepflicht dargetan. Vielmehr zeigt sich, dass der Kläger den Treppenlift bereits bestellt hatte, bevor er am 2. Juli 2012 ein Telefonat mit der Beihilfestelle führte.
Es überzeugt schließlich nicht, wenn der Kläger in diesem Zusammenhang erklärt, die Anschaffung des Treppenliftes sei lediglich vor dem Hintergrund erfolgt, dass er darauf vertraut habe, dass die Beklagte für diese Aufwendungen Beihilfe gewähre. Denn das Gericht kann nicht erkennen, wodurch die Beklagte ein entsprechendes Vertrauen vor der Bestellung des Treppenliftes im Juni 2012 geschaffen haben sollte.