Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 04.07.2013, Az.: 12 A 5299/13

Achterbahn; Branche; Gesamtkonzeption; Gestaltungsermessen; Markt; Platzkonzeption; Richtlinie; Unterkategorie; Zulassungsverfahren

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
04.07.2013
Aktenzeichen
12 A 5299/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es steht im weiten Gestaltungsermessen einer Gemeinde als Veranstalterin eines gem. § 60b GewO festgesetzten Volksfestes für dieses - vor der Auswahlentscheidung für bestimmte Bewerber - eine Gesamtkonzeption zu beschließen, in der bestimmte Branchen - ggfls. mit Unterkategorien - ausgewiesen sind.
2. Im Bereich der Branche Achterbahn ist die Unterscheidung zwischen Bahnen dynamischerer Fahrweise (z.B. der Kategorie Maus) und Bahnen ruhigerer Fahrweise nicht ermessensfehlerhaft.
3. Hat ein Veranstalter die Branche Achterbahn in seiner Gesamtkonzeption in die Unterrubriken - Bahnen dynamischerer Fahrweise (z.B. der Kategorie Maus) und Bahnen ruhigerer Fahrweise - eingeteilt und für ein Jahr die Zulassung ausschließlich einer Unterrubrik beschlossen, so ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn er Bewerber der anderen Unterrubrik in diesem Jahr ausschließt, ohne die Bahnen dieser Bewerber in eine Auswahlentscheidung nach Attraktivitätskriterien gemäß ihrer Vergaberichtlinien einzubeziehen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Zulassung ihres Fahrgeschäftes C. zum …-Markt 2013.

Sie ist Schaustellerin und bewarb sich mit ihrem Fahrgeschäft C. am 6. August 2012 bei der Beklagten um einen Platz auf dem …-Markt 2013. Unter dem 20. Februar 2013 wählte die Beklagte einen der 8 Bewerber in der Branche Achterbahn, die auf Anforderung ihre Bewerbung konkretisiert hatten, aus. In ihrem Vergabevermerk vom 20. Februar 2013 führt sie hierzu aus, seit dem Jahr 2006 habe sich der thematische Wechsel im Bereich der Achterbahnen bewährt. Es bestehe Einvernehmen auch im Jahr 2013 in diesem Bereich die Fahrweise zu ändern. Nachdem im letzten Jahr eine W. mit dynamischer Fahrweise platziert worden sei, bestehe Einvernehmen keine solche zu berücksichtigen, wenn auch Bewerbungen für Familienachterbahnen vorliegen würden. Dies sei in Gestalt der Bewerbungen der Achterbahnen B.&T. und R. der Fall. Die Beklagte hat für 2013 die Achterbahn R. zugelassen.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Zulassung zum …-Markt 2013 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, im Vorfeld ihrer Ermessensauswahl habe sie im Rahmen ihrer Gestaltungshoheit zu entscheiden, ob und wie viele Geschäfte sie aus den einzelnen Bereichen zulasse. Sie habe beschlossen, 2013 im Bereich der Achterbahnen ein Geschäft zuzulassen. Mit dem Ziel im Vergleich zum Vorjahr ein verändertes Marktbild und -erlebnis zu schaffen, sei wiederum ein Wechsel im Segment vorgesehen. Im Jahr 2012 sei eine W. platziert worden. Da für dieses Jahr auch 4 Bewerbungen für Fahrgeschäfte anderer Art vorgelegen hätten, sei von den Achterbahnen mit dynamischer Fahrweise des Segmentes Maus keine und damit auch die Klägerin mit ihrem Fahrgeschäft C. nicht zugelassen worden.

Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 25. Juni 2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Ablehnung des Fahrgeschäftes der Klägerin sei rechtswidrig. Die Beklagte habe ihre Auswahlentscheidungen bei Platzmangel auf der Grundlage ihrer Vergaberichtlinien zu treffen, insbesondere nach Ziffer 5.2 in einem Attraktivitätsvergleich. Zwar sei nicht zu verkennen, dass ein Veranstalter bestimmen könne, ob er überhaupt eine bestimmte Geschäftsart zulassen wolle oder nicht. Hier beruhe die Ablehnung jedoch auf der in der Branche Achterbahnen willkürlichen, aus der Luft gegriffenen Unterscheidung zwischen Maus und anderen Achterbahnen. Die Unterscheidung sei nicht nachvollziehbar und entspreche nicht transparentem Verwaltungshandeln. Die Auswahl innerhalb einer Branche habe die Beklagte ausschließlich nach den Vorgaben ihrer eigenen Richtlinie zu treffen, hier insbesondere in einem Attraktivitätsvergleich. Ihr Geschäft weise zahlreiche herausragende Merkmale auf; es sei verhältnismäßig neu und verfüge über herausragende Attraktivitätskriterien wie eine Fotoanlage und vollständig drehbare Gondeln und etliches mehr. In einer Gesamtschau sei es dem zugelassen Geschäft weit überlegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag auf Zulassung ihres Fahrgeschäftes C. zum …-Markt 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden und den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und nimmt zur Begründung zunächst Bezug auf den Inhalt des angegriffenen Bescheides und ihres Vergabevermerks vom 20. Februar 2013. Ergänzend trägt sie vor, sie nehme seit dem Jahr 2006 jährlich einen thematischen Wechsel im Segment Achterbahn vor. Dabei unterscheide sie zwischen Bahnen der dynamischeren Fahrweise wie den Achterbahnen der Kategorie Maus und den Bahnen ruhigerer Fahrweise, den sog. Familienachterbahnen. Für 2013 sei die Zulassung einer Bahn ruhigerer Fahrweise beschlossen worden. Die Bewerbungen der Kategorie Maus, so auch das Geschäft der Klägerin, seien daher dieses Jahr nicht berücksichtigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den des Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage konnte gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrages auf Zulassung ihres Fahrgeschäfts C. zum …-Markt 2013, § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.

Die Beklagte betreibt den …-Markt als ein nach § 69 S. 1 GewO festgesetztes Volksfest (§ 60 b GewO), so dass die Klägerin grundsätzlich gemäß § 60 b Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 70 Abs. 1 GewO nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen einen Anspruch auf Zulassung zum …-Markt hat. Dieser im Grundsatz freie Zugang zum Markt folgt aus der allgemeinen Gewerbefreiheit und der aus Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit und ermöglicht so allen potentiellen Interessenten die Marktteilnahme. Das von der Klägerin angebotene Fahrgeschäft gehört als volksfesttypisches Geschäft zum Gegenstand des festgesetzten …-Marktes, so dass ihr ein Teilnahmeanspruch grundsätzlich zusteht.

Der Zulassungsanspruch wird jedoch durch § 70 Abs. 3 GewO eingeschränkt. Danach kann der Veranstalter aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller von der Teilnahme ausschließen. Das dem Veranstalter bei dieser Auswahlentscheidung eingeräumte Ermessen, das sich auch an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientieren darf, ist gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar, ihm steht insoweit ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser umfasst nicht nur die Festlegung des für den Markt verfügbaren Platzes und die räumliche wie branchenmäßige Aufteilung dieses Platzes. Er schließt neben dieser Festlegung der Gesamtkonzeption und insbesondere der Platzkonzeption auch die Festlegung von Auswahlkriterien bei einem Bewerberüberhang ein (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - 6 B 63/05 -, GewArch 2006, 81 = NVwZ-RR 2006, 786).

Die Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in Ausübung ihres Gestaltungsermessens ein Gesamtkonzept beschlossen, welches den Ausschluss des Fahrgeschäftes der Klägerin rechtfertigt.

Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren nachvollziehbar und detailliert dargelegt, dass sie für den …-Markt in Ausübung ihres Gestaltungsermessens in jedem Jahr vor der Auswahlentscheidung für bestimmte Bewerber ein detailliertes Gesamt- und Platzkonzept beschließt, in dem insbesondere für die Branchen und Unterrubriken der Großfahrgeschäfte, die jährlich mit jeweils nur einem oder wenigen Vertretern zugelassen werden, Zulassungen und zumeist auch konkrete Plätze vorgesehen sind. Dies hat die Beklagte auch für das Jahr 2013 nachvollziehbar dar- und belegt. Die Konzepte der zurückliegenden Jahre und dieses Jahres ähneln sich stark. Änderungen von Jahr zu Jahr finden insbesondere in Gestalt des Austausches der Plätze für einzelne Typen von Großfahrgeschäften zur Änderung des Marktbildes oder in Gestalt des Austausches einzelner Rubriken der Großfahrgeschäfte, wenn z.B. eine Neuheit zur Verfügung steht und zugelassen werden soll und dafür aus Platzgründen eine Rubrik in dem betreffenden Jahr aus dem Konzept „herausgenommen“ wird, oder auch in Gestalt des turnusmäßigen Austausches von Unterkategorien einer Branche statt. Zu solch einem im Gestaltungsermessen der Beklagten stehenden Austausch gehört auch der jährliche Segmentwechsel bei den Achterbahnen zwischen den Fahrgeschäften dynamischer Fahrweise, zu denen die Achterbahnen der Kategorie Maus (W., C. und M.) gehören, und den Fahrgeschäften gemäßigterer Fahrweise, den sog. Familienachterbahnen, zu denen z.B. die Achterbahnen der Kategorie Berg- und Talbahn gehören.

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Ausübung ihres Gestaltungsermessens in jedem Jahr für den …-Markt ein solches Gesamt- und Platzkonzept entwickelt und beschließt, bevor sie die konkrete Auswahlentscheidung zwischen den Bewerbern vorbereitet und schließlich vornimmt (vgl. insoweit auch VG Koblenz, Urteil vom 23. Juli 2012 – 3 K 467/12.KO -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 29. Juni 2006 - Au 7 6.681 -, juris).

Die Vorgehensweise der Beklagten widerspricht auch nicht den in ihren Vergaberichtlinien festgelegten Vorgaben. Dort ist in der Präambel ausgeführt, dass es vorrangiges Ziel sei, die Volksfeste/Spezialmärkte unter Berücksichtigung ihrer Tradition, eines veranstaltungstypischen Gesamtbildes und einer besonderen Nähe zur Region mit einer größtmöglichen Attraktivität und Ausgewogenheit des Angebotes der Betriebsarten untereinander als auch innerhalb der jeweiligen Betriebsart auszustatten, um die Veranstaltungen auf diesem Weg zu einem Publikumsmagneten und Wirtschaftsfaktor mit herausragender Bedeutung weiterzuentwickeln. Die Beschließung des jeweiligen Gesamt- und Platzkonzeptes ist als Umsetzung dieses Zieles in Gestalt der Strukturierung des Angebotes und des Platzes zu qualifizieren. Die im Folgenden, insbesondere in Ziffer 5.2 der Richtlinien niedergelegten „Grundsätze für die Zulassung bei Überangebot“ stehen der Beschließung eines Platzkonzeptes nicht entgegen, sondern setzen dieses vielmehr voraus.

Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte u.a. im Bereich der Achterbahnen auch für das Jahr 2013 einen Segmentwechsel beschlossen. Die vorgenommene Differenzierung zwischen den Bahnen dynamischerer und gemäßigterer Fahrweise ist dabei detailliert dar- und belegt worden. Sie ist - anders als die Klägerin meint - insbesondere vor dem Hintergrund des angesprochenen unterschiedlichen Publikums - einmal Familien und einmal jüngere Leute - nicht willkürlich oder „aus der Luft gegriffen“ sondern nachvollziehbar. Die Achterbahnen der Kategorie Maus unterscheiden sich erheblich von den Achterbahnen ruhigerer Fahrweise. Sie zeichnen sich insbesondere durch enge Kurven in strikt horizontaler (nicht angeschrägter) Schienenführung aus, die beim Durchfahren den Eindruck erwecken, man fahre über die Kurve hinaus, und durch kleine Hügel in der Schienenführung. Beide Elemente führen zu einer unruhigeren, dynamischeren Fahrweise, als es bei Achterbahnen ohne diese Elemente der Fall ist. Es bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das Konzept des Segmentwechsels in dieser Branche willkürlich bzw. nach sachfremden Kriterien vorgenommen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Nichtberücksichtigung der Bewerbungen der Kategorie Maus und damit auch der Bewerbung der Klägerin für das Jahr 2013 rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat ermessensgerecht in ihre Auswahl nach Attraktivitätskriterien nur noch die Achterbahnen der Kategorie ruhigerer Fahrweise einbezogen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.