Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 20.01.2003, Az.: 1 B 86/02
amtsangemessene Beschäftigung; Anhörung; Anordnungsgrund; Disziplinarverfahren; Mitbestimmung des Personalrates; Rückumsetzung; sachlicher Grund; Umsetzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 20.01.2003
- Aktenzeichen
- 1 B 86/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 47653
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 123 VwGO
- § 126 Abs 3 BRRG
Gründe
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, die am 22. November 2002 vor dem Hintergrund von Disziplinarverfahren erfolgte und bis zum Abschluss des gegen den Antragsteller eingeleiteten Disziplinarverfahrens befristete Umsetzung des Antragstellers von der Polizeihundeschule in ... zur Grenzschutzschule in ... rückgängig zu machen und ihn auf seine alte Dienststelle als Polizeihundelehrwart in der Polizeihundeschule ... zurück umzusetzen, hat keinen Erfolg.
Abgesehen von der Frage, ob der Antragsteller den erforderlichen Anordnungsgrund - die Dringlichkeit einer Eilentscheidung - hinreichend dargelegt und im Sinne von §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht hat, und unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller - wie begehrt - seine endgültige Rückumsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens überhaupt erreichen kann, besteht jedenfalls kein Anordnungsanspruch, der weitere Voraussetzung für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist. Nach der hier allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung ist die Umsetzung des Antragstellers rechtmäßig, so dass er keinen Anspruch auf die begehrte Rückumsetzung auf seinen bisherigen Dienstposten hat.
Die Umsetzung ist die Übertragung eines anderen Amtes im konkret-funktionellen Sinn, ohne dass das Amt im statusrechtlichen und im abstrakt-funktionellen Sinn berührt wird oder die Beschäftigungsbehörde sich ändert. Sie gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu der Vielzahl der im Einzelnen nicht normativ erfassten Maßnahmen, die zur Erhaltung und Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung unerlässlich sind und denen keine Verwaltungsaktsqualität zukommt (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 22.5.1980 - 2 C 30.78 -, BVerwGE 66, 144, 146 ff. [BVerwG 25.08.1982 - BVerwG 8 C 44.81]). Die Umsetzung liegt allein im Ermessen des Dienstherrn, dem hierbei grundsätzlich sehr weite Grenzen gesetzt sind. Der Beamte hat kein Recht auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm einmal übertragenen konkret-funktionellen Amtes (Dienstposten), sondern muss Änderungen seines dienstlichen Aufgabenbereiches durch Umsetzung oder sonstige organisatorische Maßnahmen des Dienstherrn nach Maßgabe seines statusrechtlichen Amtes hinnehmen. Der Dienstherrn kann einen Beamten innerhalb der Beschäftigungsbehörde mithin aus jedem "sachlichen Grund" auf einen anderen, seinem statusrechtlichen Amt gemäßen Dienstposten umsetzen; das Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses ist hierbei nicht erforderlich (BVerwG, Beschl. v. 27.11.2000 - 2 B 42.00 - und Beschl. v. 25.6.1997 - 2 B 123/96 -, <beide zitiert nach juris>). Die Ermessensausübung des Dienstherrn kann bei einer Umsetzung daher im Allgemeinen nur darauf überprüft werden, ob sie durch einen Ermessensmissbrauch maßgebend geprägt ist (BVerwG, Urt. v. 22.5.1980, a. a. O.; VGH Mannheim, Beschl. v. 2.2.1993 - 4 S 2467/91 -, DÖD 1993, 263; OVG Saarlouis, Beschl. v. 23.12.1993 - 1 W 104/93 -, ZBR 1995, 47, 48).
Nach diesen Maßstäben ist die Umsetzung des Antragstellers in der Sache nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller und u. a. auch andere Beamte der Diensthundeschule ... zum Anlass für die Umsetzung u. a. des Antragstellers genommen. Der Antragsteller und die anderen betroffenen Beamten stehen im konkreten Verdacht, während eines längeren Zeitraumes bis in die jüngste Vergangenheit während des Dienstes in erheblichem Umfang Alkohol (Bier und Cola-Whisky-Gemisch) konsumiert und unter Alkoholeinfluss Dienstfahrzeuge geführt sowie diverse andere Straftaten begangen zu haben. Der Alkoholkonsum soll sich sowohl während der Grundlehrgänge, die der Antragsteller als Polizeihundelehrwart abhält, als auch zumindest während des Einsatzes anlässlich des Castortransportes im Jahre 2001 als stellvertretender Zugführer des 1. Diensthundezuges ereignet haben. Des Weiteren sollen Lehrgangsteilnehmer vom Antragsteller geradezu genötigt worden sein, ebenfalls während des Dienstes Alkohol zu konsumieren. Zudem besteht der Verdacht, dass der Antragsteller und ein weiterer Beamter versucht haben, einen Zeugen im Hinblick auf seine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage im Rahmen des Disziplinarverfahrens bis hin zur Nötigung zu beeinflussen. Darüber hinaus gibt es zureichende Anhaltspunkte dafür, die fachliche Eignung und das Führungsverhalten des Antragstellers in Frage zu stellen. Es haben sich nämlich Diensthundeführer, die an der Polizeihundeschule in ... mit ihren Hunden Lehrgänge absolviert haben, massiv über die dortige Aus- und Fortbildungspraxis beschwert. Diese Vorwürfe stellen hinreichende "sachliche Gründe" für die ausgesprochene befristete Umsetzung des Antragstellers dar.
Die Einwände des Antragstellers hiergegen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Soweit der Antragsteller im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. Januar 2003 rügt, dass die Antragsgegnerin weder dem Gericht noch ihm die vollständigen Ermittlungsakten des Disziplinarverfahrens einschließlich der vollständigen und individualisierten Zeugenaussagen zur Einsicht überlässt, und in diesem Zusammenhang unter Zuordnung einzelner Zeugenaussagen zu konkreten Personen versucht, die bisher gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu widerlegen und zu entkräften, übersieht er, dass es im vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein um die angegriffene Umsetzung nach Lübeck und hier zudem nur um eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage und gerade nicht um die disziplinaren Ermittlungen geht. Allein die bisher bekannt gewordenen Vorwürfe, die entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht "aus der Luft" gegriffen sind, rechtfertigen - wie dargelegt - die streitige Umsetzung. Sollte sich hingegen im weiteren Laufe des Disziplinarverfahrens herausstellen, dass die Vorwürfe gegen den Antragsteller nicht gerechtfertig sind, wird (erst) dies die Antragsgegnerin zum Anlass nehmen müssen, über die weitere Verwendung des Antragstellers und in diesem Zusammenhang über eine Rückversetzung nach ... eine Entscheidung zu treffen; zum jetzigen Verfahrensstand gibt es hierfür hingegen keinen begründeten Anlass. Deshalb kommt es im vorliegenden Verfahren im Einzelnen auch nicht auf die vollständigen Ermittlungsakten des Disziplinarverfahrens an, so dass die Antragsgegnerin entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht zu verpflichten ist, diese dem Gericht und ihm zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.
Auf die Frage, ob der Antragsteller auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten bei der Grenzschutzschule in ... amtsangemessen beschäftigt wird, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Zum einen würde aus einer nicht amtsangemessenen Verwendung in Lübeck nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf Rückumsetzung auf den bisherigen Dienstposten nach..., sondern ggf. allenfalls ein Anspruch auf Umsetzung auf ( irgend- )einen anderen, amtsadäquaten Dienstposten folgen (vgl. hierzu Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 4. Aufl. 1998, Rdnr. 146). Zum anderen kommt im Fall einer Ausnahmesituation auch ein vorübergehender nicht amtsgemäßer Einsatz in Betracht (Schnellenbach, a. a. O., Rdnr. 145; Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Stand: Oktober 2002, § 26 BBG Rdnr. 47). Eine derartige Ausnahmesituation liegt hier angesichts der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe und angesichts des Umstandes, dass die Abordnung zeitlich bis zum Abschluss der disziplinaren Ermittlungen begrenzt ist, ersichtlich vor.
Die übrigen Einwände des Antragstellers greifen ebenfalls nicht durch. Entgegen seiner Behauptung ist der Antragsteller im Rahmen des dienstlichen Gespräches am 22. November 2002 offenbar auch in hinreichendem Umfang angehört worden. Eine derartige Anhörung ist aber entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin wenn auch nicht aus § 28 VwVfG, so doch wegen des Grundsatzes einer sachgerechten Personalführung und der Fürsorgepflicht des Dienstherrn erforderlich (vgl. hierzu Plog/Wiedow, a. a. O.). Jedenfalls aber kann ein etwaig doch gegebener Anhörungsmangel noch während des nach § 126 Abs. 3 BRRG erforderlichen Widerspruchsverfahrens nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG und nach § 45 Abs. 2 VwVfG sogar bis zum Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden.
Da es sich bei der vom Antragsteller beanstandeten Maßnahme nur um eine zeitlich befristete Umsetzung handelt, bedarf diese nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, der die Kammer folgt, auch angesichts des Umstandes, dass mit ihr ein Wechsel des Dienstortes einhergeht, nicht der Mitbestimmung des Personalrates (BVerwG, Beschl. v. 10.10.1991 - 6 P 23.90 -, PersR 1992, 301).