Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 16.08.2024, Az.: 6 B 88/24

Begutachtungsaufforderung; Bevollmächtigung; Bevollmächtigter; Verständigung; Rechtserheblichkeit eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG; unterbliebene Verständigung eines Bevollmächtigten

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
16.08.2024
Aktenzeichen
6 B 88/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 21112
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0816.6B88.24.00

Fundstelle

  • SVR 2024, 396-400

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG ist hinsichtlich einer Begutachtungsaufforderung gemäß § 11 Abs. 2 FeV bzw. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FeV (a. F.) anwendbar, auch wenn das Verwaltungsverfahren auf die Überprüfung der Fahreignung ausgerichtet ist und § 2 Abs. 3 Nr. 2 NVwVfG den Verweis u a. auch § 14 VwVfG für die für die Tätigkeit von Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen ausschhließt. Denn die Anwendung § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG ist hierdurch nur ausgeschlossen, soweit der Kern der Eignungsüberprüfung in Rede steht und die Behörde sich aus höchstpersönlichen und von dritter Seite unbeeinflussten Äußerungen und Verhaltensweisen des Betroffenen ein Urteil über dessen Eignung bilden muss, nicht hingegen auch darüber hinaus, insbesondere nicht, soweit die näheren Umstände oder das Verwaltungsverfahren der Eignungsüberprüfung in Rede stehen.

  2. 2.

    Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG ist nicht nicht grundsätzlich unbeachtlich, sondern vielmehr als Verfahrensfehler grundsätzlich beachtlich und bewirkt grundsätzlich die formelle Rechtswidrigkeit des zugrundeliegenden Bescheids; die Folgen des Verstoßes beurteilen sich dann insbesondere nach § 46 VwVfG.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage 6 A 87/24 wird hinsichtlich der Anordnungen zu den Nummern 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2024 wiederhergestellt und hinsichtlich der Anordnung zu Nummer 4 des Bescheids angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 3.750 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehung eines Bescheids, mit dem die Antragsgegnerin ihm die Fahrerlaubnis u. a. der Klassen BE und CE entzogen hat.

Der Antragsteller ist Berufskraftfahrer und war im Besitz der Fahrerlaubnis der Klassen A1, A, C1, C1E, CE, C, B, BE, L, T und AM.

Am 23. Mai 2022 wurde der Antragsteller gegen 16 Uhr im Rahmen einer Schwerpunktkontrolle für Alkohol- und Drogenerkennung der Polizeiinspektion A-Stadt / E. / F. in E. bei einer privaten Fahrt mit einem Pkw kontrolliert. Nachdem insgesamt drei mit dem Einverständnis des Antragstellers durchgeführte Urintests jeweils ein positives Ergebnis bezüglich des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) gezeigt hatten, ergab die Auswertung seitens des Landeskriminalamtes Niedersachsen einer ihm anschließend um 16:53 Uhr entnommenen Blutprobe eine Konzentration von 1,2 ng/ml THC sowie 6,6 ng/ml Nor-THC-Carbonsäure. Der Antragsteller erklärte gegenüber den Polizeibeamten, dass er vor Fahrtantritt keine berauschenden Mittel konsumiert habe; vor etlichen Jahren habe er den Führerschein im Zusammenhang mit einem Drogenkonsum abgeben müssen, seitdem habe er nicht wieder konsumiert.

Mit Schreiben vom 23. März 2023, dem Antragsteller am 25. März 2023 zugestellt, forderte die Antragsgegnerin diesen auf, zum Nachweis seiner Kraftfahreignung innerhalb von acht Tagen seit Zustellung der Verfügung ein verkehrsmedizinisches Gutachten einer Ärztin / eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung einzuholen, das zu der Frage, ob Cannabiskonsum vorliege, der nach Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Fahreignung in Frage stellen könne, Stellung nehmen solle. Die Antragsgegnerin nahm Bezug auf den Befund zu der am 23. Mai 2022 entnommenen Blutprobe, hieraus resultierende Bedenken hinsichtlich der Kraftfahreignung des Antragstellers und stützte die Anordnung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anordnung vom 23. März 2023 (Bl. 47 der Beiakte 1) verwiesen.

Mit Schreiben vom 3. April 2023 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers für diesen gegenüber der Antragsgegnerin, versicherten anwaltlich eine ordentliche Bevollmächtigung und beantragten, die Frist zur Durchführung der Begutachtung um mindestens zwei Wochen zu verlängern, weil der Antragsteller seit dem 27. März 2023 stark erkrankt und arbeitsunfähig gewesen sei und er die Begutachtungsaufforderung deswegen erst am 1. April 2023 zur Kenntnis genommen habe. Eine Begutachtungsstelle für Fahreignung sei bereits kontaktiert, vergebe aber einen Termin zur Begutachtung nur, sofern die Antragsgegnerin die Frist für die Begutachtung verlängere. Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben an die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 4. April 2023 die Vorlage einer Reiseunfähigkeitsbescheinigung verlangt hatte und um Übersendung einer Kopie einer Vertretungsvollmacht für ihre Unterlagen bat, "sofern Ihnen [den Prozessbevollmächtigten] eine Vertretungsvollmacht vorliegen sollte", übersandten die Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. April 2023 ein Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin G. in F. vom 17. April 2023 über eine akute Erkrankung und Reiseunfähigkeit des Antragstellers im Zeitraum vom 30. März 2023 bis zum 7. April 2023. Mit Schreiben an die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 5. Mai 2023 teilte die Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller innerhalb der nächsten sechs Monate erneut eine Anordnung zur Vorlage eines verkehrsmedizinischen Gutachtens erhalten werde.

Mit Schreiben an die Antragsgegnerin vom 1. Juni 2023 verwiesen die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers darauf, dass dem Antragsteller im Rahmen einer Verkehrskontrolle am 19. Juni 2022 erneut eine Blutprobe entnommen worden sei, in dieser aber keine Betäubungsmittel oder deren Abbauprodukte nachweisbar gewesen seien. Angesichts dessen und weil hinsichtlich der Blutprobe vom 23. Mai 2022 eine Verwechslung nicht ausgeschlossen werden könne, regten sie an, von einer verkehrsmedizinischen Begutachtung abzusehen. Die Antragsgegnerin verwies mit Schreiben an die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 20. Juni 2023 darauf, dass von einer verkehrsmedizinischen Begutachtung nicht abgesehen werden könne.

Mit an den Antragsteller adressiertem Schreiben vom 26. September 2023 - diesem ausweislich einer Zustellungsurkunde am 28. September 2023 durch Einlegen in den zur Wohnanschrift gehörenden Briefkasten zugestellt - forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller abermals auf, zum Nachweis seiner Kraftfahreignung innerhalb von acht Tagen seit Zustellung der Verfügung ein verkehrsmedizinisches Gutachten einer Ärztin / eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung einzuholen, das zu der Frage, ob Cannabiskonsum vorliege, der nach Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung die Fahreignung in Frage stellen könne, Stellung beziehe, und ihr das Gutachten innerhalb von 28 Tagen seit Zustellung der Verfügung vorzulegen; anderenfalls werde sie auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Die Antragsgegnerin nahm Bezug auf den Befund zu der am 23. Mai 2022 entnommenen Blutprobe, hieraus resultierende Bedenken hinsichtlich der Kraftfahreignung des Antragstellers und stützte die Anordnung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV. In dem Schreiben führte die Antragsgegnerin u. a. aus: "Ihr Rechtsanwalt erhält eine Durchschrift dieses Schreibens". Wegen der Einzelheiten wird auf die Anordnung vom 26. September 2023 (Bl. 71 ff. der Beiakte 1) verwiesen. Die Antragsgegnerin informierte die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten, nicht über die an den Antragsteller gerichtete Begutachtungsaufforderung und versandte insbesondere nicht eine Abschrift des Schreibens vom 26. September 2023 an die Prozessbevollmächtigten.

Mit an den Antragsteller gerichtetem Schreiben vom 7. Februar 2024 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu ihrer Absicht an, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, und gab ihm bis zum 24. Februar 2024 Gelegenheit zur Stellungnahme. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen darauf, dass der Antragsteller auf das Schreiben vom 26. September 2023 das angeforderte verkehrsmedizinische Gutachten nicht beigebracht habe und deswegen nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf dessen Nichteignung zu schließen sei. Den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers übersandte die Antragsgegnerin eine Abschrift des Anhörungsschreibens und begründete den Versand des Anhörungsschreibens unmittelbar an den Antragsteller damit, dass auch die beabsichtigte Fahrerlaubnisentziehung unmittelbar an den Antragsteller adressiert würde.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 22. Februar 2024 nahm der Antragsteller im Wesentlichen wie folgt Stellung: Er habe sich - bedingt durch seine berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer - im Zeitraum zwischen der Zustellung der Begutachtungsaufforderung vom 26. September 2023 und dem Ablauf der dort gesetzten Frist zur Vorlage des Gutachtens nicht zu Hause befunden und von der erneuten Begutachtungsanordnung erst nach Ablauf der dort genannten Frist Kenntnis erlangt. Die Begutachtungsanordnung sei seinen Prozessbevollmächtigten nicht übermittelt worden; deswegen hätten diese ihn nicht hierüber informieren können. Er wolle sich seiner Begutachtung und Untersuchung (weiterhin) nicht entziehen, sondern würde einer (erneuten) Begutachtungsaufforderung entsprechen; eine erneute Begutachtungsaufforderung solle an seine Prozessbevollmächtigten übermittelt werden, damit eine schnelle Weiterleitung an ihn und die fristgerechte Vorlage des Gutachtens gesichert seien. Als Berufskraftfahrer sei er zur Sicherung seiner Existenz auf das Innehaben der Fahrerlaubnis angewiesen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27. Februar 2024 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis hinsichtlich sämtlicher ihm erteilter Klassen (Nummer 1 des Bescheids), forderte ihn auf, den Führerschein unverzüglich nach Zugang der Verfügung, spätestens bis zum 15. März 2024 bei ihr abzuliefern (Nummer 2 des Bescheids), ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Nummer 3 des Bescheids) und drohte für den Fall, dass die zu Nummer 2 des Bescheids gesetzte Frist nicht eingehalten werde, die Festsetzung von Zwangsmitteln an (Nummer 4 des Bescheids). Die Antragsgegnerin begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Sie habe die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil der Antragsteller nicht mehr zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei. Hierauf sei zu schließen, weil dieser das mit Schreiben vom 26. September 2023 auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zu Recht angeforderte verkehrsmedizinische Gutachten nicht fristgerecht beigebracht habe. Die mit Schreiben vom 22. Februar 2024 genannten Umstände, wonach er insbesondere aufgrund berufsbedingter Ortsabwesenheit erst nach Ablauf der Frist zur Vorlage des Gutachtens von der Anordnung erfahren habe, rechtfertigten keine abweichende Beurteilung, weil er darüber informiert gewesen sei, dass ihn erneut eine Aufforderung zur verkehrsmedizinischen Begutachtung erreichen würde, weswegen er habe sicherstellen müssen, dass er auch während seiner Ortsabwesenheit über Posteingänge informiert werde. Die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung und der Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins sei im Hinblick auf die Gefahren, die aus der Teilnahme eines hierzu nicht geeigneten Kraftfahrzeugführers am öffentlichen Straßenverkehr resultieren, geboten und würden gegenüber seinem Interesse, als Berufskraftfahrer zunächst weiterhin am Kraftfahrzeugverkehr teilnehmen und im Besitz des Führerscheins bleiben zu können, überwiegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid vom 27. Februar 2024 (Bl. 81 ff. der Beiakte 1) verwiesen. Mit weiterem Bescheid vom 27. Februar 2024 setzte die Antragsgegnerin Verwaltungskosten in Höhe von insgesamt 117,94 EUR fest.

Am 6. März 2024 hat der Antragsteller Klage gegen die Bescheide vom 27. Februar 2024 erhoben (gerichtliches Aktenzeichen: 6 A 87/24) und zugleich den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er begründet diesen im Wesentlichen wie folgt: Die Antragsgegnerin habe ihm zu Unrecht die Fahrerlaubnis entzogen. Sie habe bereits nicht hinreichend und angemessen berücksichtigt, dass die ihm am 19. Juni 2022 entnommene Blutprobe keine Auffälligkeiten aufgewiesen habe. Die Anordnung vom 26. September 2023, ein verkehrsmedizinisches Gutachten beizubringen, sei zudem im Hinblick auf den seit dem Vorfall vom 23. Mai 2022 verstrichenen Zeitraum unverhältnismäßig. Die Voraussetzungen von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV seien nicht erfüllt: Er habe sich einer Begutachtung nicht verweigert; das fristgerechte Beibringen des Gutachtens sei lediglich an seiner berufsbedingten Ortsabwesenheit gescheitert. Er sei in dem Zeitraum zwischen dem Zugang der Begutachtungsaufforderung mit Schreiben vom 26. September 2023 und dem Ablauf der dort genannten Frist nicht in seiner Wohnung gewesen, sondern habe mit Zustimmung seines Arbeitgebers in dem von diesem bereitgestellten Lkw geschlafen, um sich den Arbeitsweg zu ersparen. Er wohne allein und habe keine Familienangehörigen, die eine Postkontrolle hätten vornehmen können. Seine Prozessbevollmächtigten habe die Antragsgegnerin nicht über die erneute Begutachtungsaufforderung vom 26. September 2023 informiert. Hierzu sei die Antragsgegnerin nach § 14 Abs. 3 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) verpflichtet gewesen. Die Antragsgegnerin habe die Wirksamkeit der Bevollmächtigung zu keinem Zeitpunkt gerügt, sondern durchweg akzeptiert. Zu Unrecht beanstande die Antragsgegnerin die Plausibilität und Richtigkeit seiner Angaben dazu, die Begutachtungsanordnung erst nach Ablauf der hiermit gesetzten Frist zur Vorlage des Gutachtens zur Kenntnis genommen zu haben. Sein Arbeitsplatz sei in H. gewesen. Der Arbeitsweg habe bereits ohne Staus und andere Verkehrsbehinderungen eine Fahrtzeit von jeweils 45 Minuten gedauert. Im Hinblick auf tägliche Arbeitszeiten von 12 Stunden, jeweils auch am Samstag und Sonntag, und einen täglichen Arbeitsbeginn um sechs Uhr morgens, habe er regelmäßig - und auch in dem in Rede stehenden Zeitraum - in H. in dem Lkw übernachtet.

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

die sofortige Vollziehung des Fahrerlaubnisentziehungsbescheids der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2024 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. März 2024 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Sie wiederholt und vertieft die Begründung des Bescheids vom 27. Februar 2024 und führt ergänzend im Wesentlichen wie folgt aus: Um belastbare Ergebnisse erbringen zu können, müsse die verkehrsmedizinische Begutachtung des Antragstellers im Hinblick auf die geringe Nachweisdauer von Cannabis und dessen Abbauprodukten kurzfristig nach einer Begutachtungsanordnung erfolgen, ohne dass dem Antragsteller das genaue Untersuchungsdatum schon längere Zeit zuvor bekannt sei. Weil sie dem Antragsteller mit ihrem Schreiben vom 5. Mai 2023 angekündigt habe, ihn innerhalb von sechs Monaten erneut zur verkehrsmedizinischen Begutachtung aufzufordern und er mit dem Zugang eines entsprechenden Schreibens habe rechnen müssen, könne er nicht mit dem Einwand durchdringen, aufgrund beruflicher Abwesenheit keine Kenntnis von der Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023 erlangt zu haben. Vielmehr habe er Vorkehrungen dafür treffen müssen, dass er von einer Begutachtungsanordnung Kenntnis erlange. Zwar verweise er zu Recht darauf, dass sie seine Prozessbevollmächtigten nicht über die Begutachtungsanordnung mit Schreiben vom 26. September 2023 informiert habe. Diese hätten allerdings zunächst auch nur eine Bevollmächtigung hinsichtlich der Anordnung zur Vorlage eines Gutachtens mit Schreiben vom 23. März 2023 anwaltlich versichert. Dass die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht zusätzlich über die Begutachtungsanordnung mit Schreiben vom 26. September 2023 informiert worden seien, begründe auch deshalb keine Rechtswidrigkeit, weil der Antragsteller bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt von der Anordnung hätte Kenntnis erlangen können. Es sei zudem nicht plausibel und glaubhaft belegt, dass und weshalb der Antragsteller nicht zu Hause übernachtet habe und hierbei Kenntnis von der Begutachtungsanordnung habe erlangen können. Hiergegen spreche auch, dass der Antragsteller sich erstmals auf die Anhörung zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung im Februar 2024 bei ihr gemeldet habe. Eine unterbliebene Information der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers über die Begutachtungsanordnung mit Schreiben vom 26. September 2023 begründe nach dem Maßstab von § 46 VwVfG keinen Anspruch auf Aufhebung des Entziehungsbescheids unter dem Aspekt dessen formeller Rechtswidrigkeit. Ihr sei, weil der Antragsteller nicht hierauf verwiesen habe, nicht offensichtlich bekannt gewesen, dass der Antragsteller keine Kenntnis von der Begutachtungsanordnung erlangt habe und die Prozessbevollmächtigten über die Anordnung mit Schreiben vom 26. September 2023 nicht informiert worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Beiakte 1 verwiesen.

II.

1. Das beschließende Gericht legt den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dahingehend aus, dass von diesem die Anordnungen zu den Nummern 1, 2 und 4 des Bescheids über die "Entziehung der Fahrerlaubnis" vom 27. Februar 2024 erfasst sind, der Kostenfestsetzungsbescheid vom 27. Februar 2024 hingegen nicht Gegenstand des Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes ist. Der Antragsteller ist dem dahingehenden, ihm mit Schreiben vom 7. März 2024 eröffneten Verständnis des Gerichts nicht entgegengetreten. Lediglich klarstellend weist das Gericht darauf hin, dass ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbescheids nach § 80 Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unzulässig wäre.

2. Der so verstandene Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO (hinsichtlich der Anordnungen zu den Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 27. Februar 2024) bzw. Var. 1 VwGO (hinsichtlich der Anordnung zu Nummer 4) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er ist auch vollumfänglich begründet.

a. Zwar hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung hinsichtlich der Regelungen zu den Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 27. Februar 2024 formell ordnungsgemäß angeordnet und insbesondere gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichender Weise schriftlich begründet, aus welchen Gründen sie angenommen hat, dass das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins gegenüber dem Interesse des Antragstellers an einem Belassen der Fahrerlaubnis und des Führerscheins bis zu einer Bestandskraft des Bescheids überwiegt, indem sie auf die besonderen Gefahren verwiesen hat, die aus einer Teilnahme des Antragstellers als hierzu nicht länger als geeignet zu beurteilendem Kraftfahrzeugführer folgen könnten, und sie deshalb dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit vor einem ungeeigneten Kraftfahrzeugführer den Vorrang eingeräumt hat. Auch wenn die Begründung teilweise pauschal gehalten und auch auf andere Konstellationen einer Fahrerlaubnisentziehung übertragbar ist, genügt dies den formellen Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, denn bei gleichartigen Tatbeständen können ausnahmsweise auch typisierte Begründungen den Anforderungen genügen. Dies ist in der Konstellation der Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung regelmäßig der Fall, weil stets zwischen den Gefahren für herausragend wichtige Schutzgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern und dem Interesse des Betroffenen abzuwägen ist, bis zur Hauptsacheentscheidung im Besitz seiner Fahrerlaubnis zu bleiben. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. bspw. Nds. OVG, B. v. 15.6.2023 - 12 ME 54/23 -, V. n. b.; VG Gelsenkirchen, B. v. 23.1.2019 - 9 L 2289/18 -, juris Rn. 7).

b. Allerdings besteht aus materiell-rechtlichen Gründen Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der Klage 6 A 87/24 wiederherzustellen, soweit sich die Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins richtet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind maßgeblich die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein gebotene summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf aller Voraussicht nach erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück, sofern zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als aller Voraussicht nach rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache offen, ist aufgrund einer umfassenden, von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache losgelösten Abwägung zu ermitteln, wessen Interesse für die Dauer des Hauptsacheverfahrens der Vorrang einzuräumen ist.

aa) Nach diesem Maßstab überwiegt vorliegend das Interesse des Antragstellers, die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung zu suspendieren. Die Klage 6 A 87/24 hat insoweit voraussichtlich schon deshalb Erfolg, weil der Bescheid vom 27. Februar 2024 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis nach summarischer Bewertung voraussichtlich formell rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht über die Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023 informiert hat, ist der Entziehungsbescheid vom 27. Februar 2024 verfahrensfehlerhaft zustande gekommen (hierzu (1)), was die formelle Rechtswidrigkeit des Bescheids begründet (hierzu (2)); der formelle Mangel des Entziehungsbescheids ist auch nicht geheilt und nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich (hierzu (3)).

(1) Der Bescheid vom 27. Februar 2024 ist hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis nach summarischer Bewertung im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nicht über die Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023 informiert hat, verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die Antragsgegnerin war nach § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG (zumindest) verpflichtet, die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers über die an den Antragsteller persönlich versandte Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023 zu informieren. Nach § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG soll die Behörde, wenn für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt ist und sich die Behörde entgegen der Regelung in § 14 Abs. 3 Satz 1 VwVfG nicht an den Bevollmächtigten, sondern an den Beteiligten selbst wendet, den Bevollmächtigten verständigen. Den sich hiernach ergebenden Anforderungen hat die Antragsgegnerin nicht genügt.

Die Regelung des § 14 Abs. 3 VwVfG ist gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG) anwendbar gewesen, weil die Antragsgegnerin ein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG betrieben hat, indem sie u. a. mittels der Begutachtungsaufforderungen vom 23. März 2023 und vom 26. September 2023 überprüfen wollte, ob die Fahrerlaubnis des Antragstellers wegen Fortfalls der Kraftfahreignung zu entziehen sei. Dem steht nicht entgegen, dass eine auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 bzw. § 14 Abs. 1 FeV ergangene Aufforderung zu einer verkehrsmedizinischen Begutachtung nach überwiegend vertretener Auffassung selbst kein Verwaltungsakt ist (vgl. bspw. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, FeV § 11 Rn. 25 m. w. N.). Denn das Verwaltungshandeln der Antragsgegnerin war nicht im Sinne des § 9 VwVfG (nur) auf den Erlass der Begutachtungsanordnungen vom 23. März und 26. September 2023 gerichtet; vielmehr sind diese Bestandteil des auf Überprüfung der Kraftfahreignung des Antragstellers und - wie mit dem Bescheid vom 27. Februar 2024 geschehen - gegebenenfalls den Erlass eines Entziehungsbescheids gerichteten Verwaltungsverfahrens gewesen.

Die Anwendbarkeit von § 14 Abs. 3 VwVfG ist auch nicht nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 NVwVfG ausgeschlossen gewesen. Hiernach ist u. a. die Anwendbarkeit von § 14 VwVfG ausgeschlossen für die Tätigkeit von Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen. Es kommt insoweit nicht entscheidungserheblich darauf an, ob eine verkehrsmedizinische Begutachtung eine Eignungsüberprüfung im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 NVwVfG beinhaltet, was indes naheliegt. Denn nach überwiegend vertretener und nach Bewertung des Gerichts überzeugender Auffassung ist die Anwendbarkeit von § 14 VwVfG nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 NVwVfG nur ausgeschlossen, soweit der Kern der Eignungsüberprüfung in Rede steht und die Behörde sich aus höchstpersönlichen und von dritter Seite unbeeinflussten Äußerungen und Verhaltensweisen des Betroffenen ein Urteil über dessen Eignung bilden muss, nicht hingegen auch darüber hinaus, insbesondere nicht, soweit die näheren Umstände oder das Verwaltungsverfahren der Eignungsüberprüfung in Rede stehen. Neben dem Regelungszweck von § 14 VwVfG folgt dies bereits aus dem Wortlaut ("bei") in § 2 Abs. 3 Nr. 2 NVwVfG (vgl. auch Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: November 2023, § 14 Rn. 8 m. w. N.; Birk, in: BeckOK VwVfG, Stand: 1.4.2024, § 14 Rn. 1.1). Hiernach ist die Anwendbarkeit von § 14 VwVfG, u. a. die Möglichkeit der Bevollmächtigung Dritter, zwar hinsichtlich der Vornahme der verkehrsmedizinischen Begutachtung als solcher - der Vorstellung vor dem Gutachter und der Durchführung der Untersuchungen - ausgeschlossen gewesen, nicht aber, was vorliegend relevant ist, auch hinsichtlich der Anordnung der verkehrsmedizinischen Begutachtung einschließlich u. a. der Festlegung der Fragestellung und der Frist zur Begutachtung, weil dies lediglich das Verfahren der Eignungsüberprüfung betroffen hat.

Die Antragsgegnerin ist nach § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG verpflichtet gewesen, die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers über die erneute Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023 zu informieren. Der Antragsteller hatte die jetzigen Prozessbevollmächtigten für das von der Antragsgegnerin betriebene Verwaltungsverfahren im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 VwVfG bestellt. Neben den diesbezüglichen Angaben des Antragstellers und seiner Prozessbevollmächtigten spricht hierfür die zum gerichtlichen Verfahren übersandte schriftliche Prozessvollmacht, die vom 18. April 2023 datiert und als Gegenstand "Führerschein" benennt. Mit dem Schreiben vom 3. April 2023 hatten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers der Antragsgegnerin "in der Fahrerlaubnisangelegenheit" angezeigt, dass sie die rechtlichen Interessen des Antragstellers vertreten, und eine ordentliche Bevollmächtigung anwaltlich versichert.

Hinsichtlich der ihr so eröffneten Bevollmächtigung kann die Antragsgegnerin nicht erfolgreich entgegenhalten, dass die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers eine schriftliche Bevollmächtigung ihr gegenüber im Verwaltungsverfahren nicht nachgewiesen haben. Zwar hat die Antragsgegnerin die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit dem Schreiben vom 4. April 2023 darum gebeten, eine Kopie einer Vollmacht für ihre Unterlagen zu übersenden, sofern eine Vertretungsvollmacht vorläge. Die Vorlage einer Vollmacht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 VwVfG ist allerdings bereits nicht Voraussetzung der Vertretungsbefugnis, sondern dient nur dem Nachweis der Vollmacht; die Vollmacht kann deshalb auch durch konkludentes Handeln erteilt werden. Die Wirksamkeit einer Vollmacht hängt auch nicht von ihrer schriftlichen Erteilung ab; selbst Verfahrenshandlungen, die Fristen in Lauf setzen, sind ohne Vorlage eines schriftlichen Vollmachtsnachweises wirksam (vgl. bspw. Hess. VGH, U. v. 10.8.1992 - 12 UE 2254/89 -, juris Rn. 26; Birk, in: BeckOK VwVfG, Stand: 1.4.2024, § 14 Rn. 7 ff.). Abgesehen davon, dass zum 4. April 2023 eine schriftliche Vollmacht - soweit ersichtlich - noch nicht vorgelegen hatte, hatte die Antragsgegnerin zudem jedenfalls nicht hinreichend eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie die anwaltlich versicherte Bevollmächtigung nur akzeptieren und deren Geltung nur respektieren würde, sofern eine schriftliche Vollmacht beigebracht würde. Vielmehr hat die Antragsgegnerin die Bevollmächtigung im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens auch ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht durchgehend und ohne inhaltliche Einschränkung akzeptiert und beispielsweise über die Prozessbevollmächtigten mit dem Antragsteller kommuniziert bzw. Ausnahmen hiervon begründet. Dass die Antragsgegnerin die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigen inhaltlich akzeptiert hat, zeigt sich nicht zuletzt auch anhand Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023, in der die Antragsgegnerin ausgeführt hatte: "Ihr Rechtsanwalt erhält eine Durchschrift dieses Schreibens". Aufgrund der vorstehenden Erwägungen dringt die Antragsgegnerin auch nicht mit dem Einwand durch, es sei von einer lediglich beschränkt erteilten Prozessvollmacht auszugehen, weil die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in deren Schreiben vom 3. April 2023 angegeben hatten, Gegenstand ihrer Beauftragung sei die Begutachtungsanordnung vom 23. März 2023. Abgesehen davon, dass diese Einlassung der Antragsgegnerin in Widerspruch zu ihrem Verhalten und der vollumfänglichen Akzeptanz einer uneingeschränkten Bevollmächtigung während des gesamten Verwaltungsverfahrens steht, ergibt eine Auslegung der Erklärung der Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 3. April 2023, dass hiermit nicht eine - auf einen Teilaspekt eines Verwaltungsverfahrens - beschränkte Vollmacht bekanntgegeben, sondern lediglich der Anlass benannt wurde, auf den das anwaltliche Schreiben Bezug genommen hat.

Die Antragsgegnerin war nach § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG verpflichtet, die Bevollmächtigten des Antragstellers über die Begutachtungsaufforderung vom 26. September 2023 zu informieren. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG eine Information des Bevollmächtigten nur erfolgen "soll". Denn atypische Konstellationen, in denen eine Information unterbleiben darf, kommen in der Praxis kaum vor (vgl. bspw. Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: November 2023, § 14 Rn. 26). Dass aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls eine Information der Bevollmächtigten hinsichtlich der Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023 unterbleiben durfte, ist nicht ersichtlich; die Antragsgegnerin hat dies auch nicht geltend gemacht. Der sich so ergebenden Verpflichtung, die Bevollmächtigten des Antragstellers über die Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023 zu informieren, hat die Antragsgegnerin nicht genügt: Eine Information ist - obgleich sie von der Antragsgegnerin offenbar beabsichtigt gewesen ist - unstreitig nicht erfolgt. Weil die Antragsgegnerin jedenfalls der Informationspflicht der Bevollmächtigten nach § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG nicht genügt hat, kann offen bleiben, ob sie darüber hinausgehend verpflichtet gewesen ist, sich vorrangig an diese zu wenden, bzw. berechtigt gewesen ist, die Begutachtungsaufforderung unmittelbar an den Antragsteller zu versenden, was trotz des Grundsatzes gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 VwVfG, wonach sich die Behörde an einen ordnungsgemäß bestellten Bevollmächtigten wenden soll, im Hinblick auf die nach § 14 Abs. 3 Satz 2 VwVfG eröffnete Möglichkeit, sich direkt an den Beteiligten zu wenden, sofern dieser zur Mitwirkung verpflichtet ist, allerdings naheliegt.

(2) Der Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG zur Information der Bevollmächtigten des Antragstellers beinhaltet nach summarischer Bewertung des Gerichts einen im Grundsatz rechtlich relevanten Verfahrensfehler hinsichtlich des Bescheids vom 27. Februar 2024 und begründet dessen formelle Rechtswidrigkeit. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, welche Rechtsfolgen an einen Verstoß gegen § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG zu knüpfen sind. Während teilweise betont wird, dass ein Verstoß gegen die Vorgabe gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG die Wirksamkeit einer erfolgten Verfahrenshandlung nicht berühre und in der Regel auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs bewirke (vgl. bspw. VG München, B. v. 10.9.2012 - M 6a S 12.3894 -, juris Rn. 32; VG Mainz, B. v. 20.11.2020 - 4 L 789/20.MZ -, juris Rn. 6; Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: November 2023, § 14 Rn. 27; Ramsauer/Schlatmann, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 14 Rn. 29) ist nach anderer Auffassung, der sich das beschließende Gericht anschließt, ein Verstoß gegen die Vorgabe gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG nicht grundsätzlich unbeachtlich, sondern vielmehr als Verfahrensfehler grundsätzlich beachtlich, bewirkt die formelle Rechtswidrigkeit des zugrundeliegenden Bescheids und beurteilen sich die Folgen nach § 45 VwVfG bzw. insbesondere nach § 46 VwVfG (vgl. insoweit bspw. VG Göttingen, B. v. 15.1999 - 4 B 4009/99 -, InfAuslR 1999, 200 f. [VG Karlsruhe 16.11.1998 - 14 K 1806/98]; Dombert, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 14 Rn. 41; Birk, in: BeckOK VwVfG, Stand 1.4.2024, § 14 Rn. 21; Hoffmann, in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Aufl. 2021, § 14 Rn. 17). Hierfür spricht insbesondere, dass die Regelung neben dem öffentlichen Interesse an einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung auch dem Interesse und dem Schutz des Verfahrensbeteiligten dient, der durch Bestellung eines Bevollmächtigten zu erkennen gibt, dass dieser das Verfahren für ihn betreiben soll, und gewährleisten soll, dass der Bevollmächtigte den jeweiligen Verfahrensstand kennt und daher das Verfahren im Interesse des Beteiligten selbstständig und sachgerecht durchführen kann (vgl. bspw. BVerwG, U. v. 10.7.1984 - 1 C 155/79 -, juris Rn. 23; Huck, in: Huck/Müller, VwVfG, 3. Aufl. 2020, § 14 Rn. 28). Dies führt auch nicht zu im Ergebnis überhöhten Anforderungen an das Verwaltungshandeln, zumal § 45 und § 46 VwVfG einen sachgerechten Ausgleich der Fehlerfolgen ermöglichen. Die Bedeutung der Verfahrensregelung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG für die Wahrung subjektiver Rechte zeigt sich exemplarisch in der vorliegenden Konstellation, in der die Antragsgegnerin dem Antragsteller maßgeblich vorhält, er habe im Hinblick auf ihre Ankündigung einer erneuten Begutachtungsanordnung dafür Sorge tragen müssen, von einer solchen zeitnah Kenntnis erlangen zu können, der Antragsteller indes dem durch die erteilte Bevollmächtigung und im Hinblick auf die Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG jedoch gerade entsprochen hatte und davon ausgehen durfte, dass jedenfalls seine Bevollmächtigten auch im Fall seiner Ortsabwesenheit zeitnah über eine neuerliche Begutachtungsaufforderung informiert würden.

Der Verstoß gegen § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG betrifft, was schon dessen Stellung in Teil II, Abschnitt 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nahelegt, das auf den Erlass eines Entziehungsbescheids gerichtete Verwaltungsverfahren und mithin die formelle Rechtmäßigkeit bzw. formelle Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 27. Februar 2024 und nicht lediglich ein - neben den Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV weiteres - formelles Erfordernis einer Begutachtungsanordnung nach § 11 bzw. § 14 FeV.

(3) Der Verstoß gegen § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG ist nicht nach § 45 Abs. 2 VwVfG geheilt. Er ist auch nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der - wie vorliegend der Entziehungsbescheid vom 27. Februar 2024 - nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es muss demnach offensichtlich sein, dass die Verletzung von Vorschriften u. a. über das Verfahren die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, wobei Entscheidung hierbei die im angefochtenen Verwaltungsakt konkret getroffene Regelung ist. § 46 lässt eine Unbeachtlichkeit des Fehlers grundsätzlich unabhängig davon zu, ob der Behörde bei der Entscheidung ein Ermessensspielraum oder ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Regelung beruht vor allem auf dem Gedanken des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs. Es ist daher ausschlaggebend, dass der Fehler auf das Ergebnis der Entscheidung keinen Einfluss hatte und diese fehlende Ursächlichkeit offensichtlich ist (vgl. Schemmer, in: BeckOK VwVfG; Stand: 1.4.2024, § 46 Rn. 33 m. w. N.). Mangelnde Kausalität ist gegeben, wenn sich der Verfahrensfehler nicht auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Hierüber - über die fehlende Auswirkung des Verfahrensfehlers auf das Ergebnis - bedarf es Gewissheit. Es ist im Ergebnis zunächst von einem Einfluss der in §?46 genannten Fehler auf die Sachentscheidung auszugehen; die Vorschrift enthält damit eine von der Behörde zu widerlegende Vermutung (vgl. Schneider, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: November 2023, § 46 Rn. 50; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 46 VwVfG Rn. 24 m. w. N.). Offensichtlichkeit setzt hierbei voraus, dass die fehlende Kausalität zwischen dem formellen Fehler und der Sachentscheidung unschwer und unzweifelhaft zu erkennen ist. Das ist dann zu bejahen, wenn sie für einen objektiven, mit den Umständen des konkreten Einzelfalls vertrauten Beobachter ohne Weiteres erkennbar ist. Im Ergebnis muss jeder Zweifel ausgeschlossen sein, dass bei Vermeidung des jeweiligen Fehlers eine identische Entscheidung ergangen wäre, wobei gerade wegen der zentralen Bedeutung des Verfahrensrechts unter dem Aspekt effektiven Rechtsschutzes strenge Maßstäbe erforderlich sind (vgl. Schneider, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: November 2023, § 46 Rn. 53; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 46 VwVfG Rn. 29 m. w. N.). Da die Nichtbeeinflussung Voraussetzung dafür ist, dass die "Aufhebung eines Verwaltungsakts [...] nicht beansprucht werden [kann]" und damit als rechtsvernichtende Tatsache wirkt, ist insoweit die Behörde materiell darlegungs- und beweisbelastet, sodass im Fall der Unaufklärbarkeit (sog. non-liquet) von einer Rechtserheblichkeit des formellen Fehlers auszugehen ist (vgl. Schneider, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: November 2023, § 46 Rn. 55).

Nach diesem Maßstab ist der Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Informationsverpflichtung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG nach summarischer Bewertung als rechtserheblich zu bewerten. Es ist bereits nicht - mit hinreichender Gewissheit - feststellbar, der sich der Verfahrensverstoß nicht auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt hat; erst recht ist eine mangelnde Kausalität nicht offensichtlich. Denn der Antragsteller hat geltend gemacht, zu einer verkehrsmedizinischen Begutachtung bereit gewesen zu sein, von der Begutachtungsaufforderung mit Schreiben vom 26. September 2023 aber erst nach Ablauf der dort gesetzten Frist Kenntnis erlangt zu haben, weil er sich in dem in Rede stehenden Zeitraum nicht zu Hause aufgehalten habe und seine Prozessbevollmächtigten ihn mangels eigener Kenntnis nicht über die Begutachtungsaufforderung informieren konnten. Auf der Grundlage dieser Einlassung hat sich der Verstoß gegen die Informationspflicht gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG kausal auf den Entziehungsbescheid vom 27. Februar 2024 ausgewirkt, weil er im Ergebnis dazu geführt hat, dass der Antragsteller über die erneute Begutachtungsanordnung nicht informiert gewesen ist, sie nicht durchgeführt hat und die Antragsgegnerin deswegen gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung des Antragstellers geschlossen hat. Die Unrichtigkeit dieser Einlassung - insbesondere eine zeitnahe Kenntnisnahme des Antragstellers von der Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023, die fehlende Möglichkeit oder ein fehlender Wille seiner Prozessbevollmächtigten, ihn über die Begutachtungsanordnung vom 26. September 2023 zu informieren, sofern sie selbst hierüber nach § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG verständigt worden wären, oder eine grundsätzlich fehlende Bereitschaft des Antragstellers, sich begutachten zu lassen - ist nicht mit hinreichender Sicherheit belegt; es ist nach summarischer Bewertung auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin dies - im Hauptsacheverfahren - wird belegen können. Erst recht ist deswegen nicht von einer offensichtlich mangelnden Kausalität des Verfahrensverstoßes auszugehen.

bb) Auch hinsichtlich der zu Nummer 2 des Bescheids vom 27. Februar 2024 angeordneten Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins überwiegt das Interesse des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Klage 6 A 87/24 wiederherzustellen gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung. Nach summarischer Bewertung ist auch die Anordnung, den Führerschein abzuliefern, rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Wird - wie mit dem vorliegenden Beschluss - die aufschiebende Wirkung einer Klage hinsichtlich der Verfügung über die Entziehung der Fahrerlaubnis wiederhergestellt, entfällt in der Folge die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins und hat ein hierauf bezogener Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ebenfalls Erfolg (vgl. bspw. VG Ansbach, B. v. 28.8.2023 - AN 10 S 23.1022 -, juris Rn. 42; VG Koblenz, B. v. 18.6.2020 - 4 L 487/20.KO -, juris Rn. 28).

c) Schließlich ist aus materiell-rechtlichen Erwägungen auch hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung zu Nummer 4 des Bescheids vom 27. Februar 2024 die aufschiebende Wirkung der Klage 6 A 87/24 anzuordnen. Diese erweist sich nach summarischer Bewertung schon deshalb als rechtswidrig, weil es mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Abgabeverpflichtung zu Nummer 2 des Bescheids vom 27. Februar 2024 mit dem vorliegenden Beschluss an einer vollstreckbaren Grundverfügung im Sinne von § 64 Abs. 1 Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) fehlt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an den lfd. Nrn. 1.5 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach ständiger Rechtsprechung des beschließenden Gerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts bemisst sich der Streitwert für Hauptsacheverfahren in Fahrerlaubnisangelegenheiten nach dem höchsten Einzelwert der betroffenen Fahrerlaubnisklassen, der sich aus dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ergibt - vorliegend in Anlehnung an Ziffer 46.4 des Streitwertkatalogs in Höhe von 7.500 EUR. Der sich so für das Hauptsacheverfahren ergebende Betrag ist für das Eilverfahren wegen der Vorläufigkeit der in diesen Verfahren ergehenden Entscheidungen zu halbieren (vgl. zu allem Nds. OVG, B. v. 29.11.2013 - 12 ME 187/13 -, juris Rn. 10; B. v. 7.6.2005 - 12 OA 81/05 -, NVwZ-RR 2006, 220 f. sowie z. B. VG Braunschweig, B. v. 19.8.2005 - 6 B 420/05 - und v. 22.1.2014 - 6 A 51/13 -). Mithin ergibt sich der im Tenor festgesetzte Wert in Höhe von 3.750 EUR. Die Einbeziehung der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins in ein verwaltungsgerichtliches Verfahren bzgl. der Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt sich nach der Rechtsprechung der Kammer nicht streitwerterhöhend aus (vgl. VG Braunschweig, B. v. 14.1.2022 - 6 B 497/21 -, V. n. b.). Entsprechendes gilt in Bezug auf die Androhung von Zwangsmitteln (vgl. insoweit auch Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).