Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.06.2002, Az.: L 3 KA 55/01
Arztgruppe; Arztpraxis; Berufsausübungsfreiheit; Berufsfreiheit; Budget; Budgetierung; Fachgruppe; Gesamthonorar; Honorar; Honorarbegrenzung; Honorierung; kleine Arztpraxis; kleine Praxis; Praxisanfänger; Umsatzniveau; unterdurchschnittlicher Punktzahlwert; Verfassungsmäßigkeit; Verfassungsverstoß; Verfassungswidrigkeit; Vergütung; Verstoß; Vertragsarzt; vertragsärztliche Leistung; Zusatzbudget; Zusatzbudget Psychosomatik; überdurchschnittlicher Punktzahlwert
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.06.2002
- Aktenzeichen
- L 3 KA 55/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43917
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BSG - 02.04.2003 - AZ: B 6 KA 38/02 R
Rechtsgrundlagen
- § 87 Abs 2 S 1 SGB 5
- § 87 Abs 2a S 1 SGB 5
- § 87 Abs 2a S 2 SGB 5
- § 87 Abs 2a S 8 SGB 5
- Kap A Abschn I Teil B Nr 4 EBM-Ä
- Art 12 Abs 1 GG
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. Mai 2001 wird aufgehoben.
Der Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal IV/1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 1998 wird geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, den Honoraranspruch des Klägers aus dem Quartal IV/1997 unter Zugrundelegung der Fallpunktzahl 40,2 für das qualifikationsgebundene Zusatzbudget ”Psychosomatik, übende Verfahren” erneut festzusetzen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte bei der Festsetzung seines Honoraranspruches für das Quartal IV/1997 bei der Berechnung des Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" lediglich eine Fallpunktzahl von 6,5 zu Grunde gelegt hat.
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verfügt über die Berechtigung, Leistungen aus dem Abschnitt G III des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) für Ärzte abzurechnen.
Von den im Abschnitt G III des EBM aufgeführten Leistungsziffern rechnete der Kläger in den Quartalen I/1996 bis IV/1997 lediglich die Gebühren-Ziffern (Geb.-Ziffn.) 850 ("differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände mit schriftlichem Vermerk über die ätiologischen Zusammenhänge, einschließlich Beratung, bis zu zwei Mal im Behandlungsfall", bewertet mit 250 Punkten) und Nr. 851 ("verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen unter systematischer Nutzung der Arzt-Patienten-Interaktion, je Sitzung -- Dauer mindestens 15 Minuten --", bewertet mit 450 Punkten) ab. Im Einzelnen entwickelte sich sein Abrechnungsverhalten in diesem Bereich wie folgt:
Quartal Gesamtzahl der Häufigkeit Häufigkeit angeforderte angeforderte |
budgetrelevanten der der Gesamtpunktzahl Punktzahlen |
Fälle Abrechnung Abrechnung für nach den |
der der Leistungen Geb.-Ziffn. |
Geb.-Ziff. Geb.-Ziff. nach den 850/851 je |
850 851 Ziffn. 850/851 Fall |
I/96 818 2 mal 25 mal 11.750 Punkte 14,4 |
II/96 723 0 mal 14 mal 6.300 Punkte 8,7 |
III/96 728 38 mal 13 mal 15.350 Punkte 21,1 |
IV/96 797 63 mal 63 mal 44.100 Punkte 55,3 |
I/97 793 58 mal 85 mal 52.750 Punkte 66,5 |
II/97 717 70 mal 60 mal 44.500 Punkte 62,1 |
III/97 663 62 mal 57 mal 41.150 Punkte 62,1 |
IV/97 775 67 mal 85 mal 55.000 Punkte 71,0 |
Vom 10. November 1993 bis zum 06. Februar 1997 befand sich der Kläger auf Grund einer Depression mit ausgeprägten Zwangsstörungen in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung bei dem Nervenarzt Dr. M. Vom 02. bis 03. Januar 1996 war seine Praxis krankheitsbedingt geschlossen.
Für die im Jahr 1997 erbrachten Leistungen gewährte die Beklagte dem Kläger ein Gesamthonorar in Höhe von 225.036,21 DM, wohingegen in diesem Jahr das durchschnittliche Gesamthonorar der Fachärzte für Allgemeinmedizin in Niedersachsen 355.167,14 DM betrug.
Mit Wirkung zum 01. Juli 1997 trat eine Neufassung des EBM in Kraft, die für eine Reihe von Arztgruppen, darunter auch für die Gruppe der Allgemeinärzte und Praktischen Ärzte, eine fallzahlabhängige Budgetierung vorsah. Die in den Budgets enthaltenen Leistungen sind je Arztpraxis und Abrechnungsquartal jeweils nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl abrechnungsfähig, wobei sich die Höhe der Budgets aus dem Produkt der Fallpunktzahl und der Zahl der budgetrelevanten Fälle ergibt. Dabei werden den betroffenen Ärzten neben dem allgemeinen Praxisbudget nach Maßgabe der Bestimmungen der Ziff. 4.1 der Allg. Bestimmungen A I Teil B des EBM auch gebietsbezogene Zusatzbudgets gewährt, wenn sie die zutreffende Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnung führen. Bezogen auf die Arztgruppe der Ärzte für Allgemeinmedizin/Praktische Ärzte ist als ein Zusatzbudget das Budget "Psychosomatik, übende Verfahren" betreffend die Leistungs-Ziffn. 850 bis 858 des EBM (Abschnitt G III des EBM) vorgesehen. Eine Gebiets- bzw. Schwerpunktbezeichnung Psychosomatik gibt es in Niedersachsen jedoch nicht. Die Beklagte billigt dieses qualifikationsgebundene Zusatzbudget daher denjenigen Ärzten für Allgemeinmedizin bzw. Praktischen Ärzten zu, die die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung der Leistungen nach Abschnitt G III des EBM von der jeweiligen Bezirksstelle erhalten haben. Der Kläger verfügt über diese Berechtigung seit seiner erstmaligen Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im 4. Quartal 1983.
Nach der Anlage 4 Abs. 1 zu den Allg. Bestimmungen des EBM berechnet sich die Fallpunktzahl insbesondere auch für das Zusatzbudget "Psychosomatik, übende Verfahren" nach folgender Formel:
"Punktzahlanforderung der für ein Zusatzbudget berechtigten Ärzte einer Arztgruppe aus den Leistungen des jeweiligen Zusatzbudgets der ersten beiden Quartale des Jahres 1996 dividiert durch die Zahl der budgetrelevanten Fälle... der ersten beiden Quartale des Jahres 1996."
Abweichend von der Vorgabe einer für alle berechtigten Ärzte einer Arztgruppe einheitlichen Fallpunktzahl können die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) nach der Anlage 4 Abs. 3 zu den Allgemeinen Bestimmungen des EBM eine Differenzierung in zwei Fallpunktzahlen vornehmen. In diesem Fall ist die Berechnung wie folgt festzulegen:
"Die berechtigten Ärzte werden jeweils in die Untergruppe der Ärzte mit unterdurchschnittlichem Punktzahlfallwert und in die Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert aus Leistungen des Zusatzbudgets unterteilt. Für jede dieser Untergruppen wird gemäß der unter (1) aufgeführten Berechnungsweise ein separater Mittelwert gebildet. Dieser zählt als Fallpunktzahl der Ärzte der entsprechenden Untergruppe für Leistungen des Zusatzbudgets."
Mit Wirkung zum 4. Quartal 1997 hat sich die Beklagte dazu entschlossen, von der vorstehend erläuterten Möglichkeit des Absatzes 3 der Anlage 4 zu den Allg. Bestimmungen des EBM Gebrauch zu machen (Vorstandsbeschluss vom 16. Juli 1997). Der Punktzahlfallwert für die Einstufung in die Untergruppe mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert betrug -- bezogen auf die Abrechnungsergebnisse in den Quartalen I und II/1996 -- 17,6 Punkte. Entsprechend den Vorgaben im Absatz 3 der Anlage 4 zu den Allg. Bestimmungen des EBM ermittelte die Beklagte die Höhe des Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" für Ärzte mit unterdurchschnittlichem Punktzahlfallwert mit 6,5 und für Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert mit 40,2 Punkten pro Fall. Im vorausgegangenen Quartal III/1997 hatte die Beklagte von einer solchen Differenzierung noch abgesehen und für alle Berechtigten des Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" bei der Berechnung des Zusatzbudgets eine einheitliche Punktzahl von 17,6 je Fall zu Grunde gelegt.
Da der Kläger unter Zugrundelegung seiner Abrechnungsergebnisse in den Quartalen I und II/1996 zu der Untergruppe der Ärzte mit unterdurchschnittlichem Punktzahlfallwert im Bereich des Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" zählte, legte die Beklagte im Honorarbescheid für das Quartal IV/1997 bei der Berechnung des Zusatzbudgets lediglich die für diese Untergruppe maßgebliche Punktzahl von 6,5 Punkten je Fall zu Grunde, was bei 775 budgetrelevanten Fällen einem Zusatzbudget im Gesamtumfang von 5.037,5 Punkten entsprach. Angefordert aus dem Bereich des Zusatzbudgets hatte der Kläger, wie dargelegt, 55.000 Punkte, die dementsprechend nur mit einer Quote von 9,1591 % vergütet wurden. Diesbezüglich konnte der Kläger auch im Bereich des allgemeinen Praxisbudgets keinen Ausgleich erzielen, da er das ihm zuerkannte Praxisbudget in einem Gesamtumfang von 644.805,9 Punkten mit einer angeforderten Punktzahl von 871.470,0 Punkten ebenfalls deutlich überschritten hatte.
Den gegen die unzureichende Vergütung der Leistungen aus dem Zusatzbudget "Psychosomatik, übende Verfahren" gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 1998 mit der Begründung zurück, dass eine Erweiterung des Zusatzbudgets nicht in Betracht komme. Eine Ausweitung sei weder zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung noch im Hinblick auf einen speziellen Praxisschwerpunkt des Klägers zuzulassen.
Mit der am 20. Juli 1998 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass die individuelle Versorgungsstruktur seiner Praxis, die auf die Betreuung von Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungen ausgerichtet sei, der Beklagten seit langem bekannt sei. Die Häufigkeit der Abrechnung der Geb.-Ziffn. 11, 18, 850 und 851 belege jedenfalls ab dem 1. Quartal 1996 die Bildung eines entsprechenden Leistungsschwerpunktes. Die ihm bislang zuerkannte unterdurchschnittliche Fallpunktzahl von 6,5 für das Zusatzbudget "Psychosomatik, übende Verfahren" sei völlig inakzeptabel. Es könne von ihm nicht erwartet werden, sich täglich mehr als 10 Stunden der Versorgung der Patienten zu widmen, solange er nicht angemessen honoriert werde.
Zudem sei zu berücksichtigen, dass bedingt durch seine eigene Erkrankung die Zahl der behandelten Fälle in seiner Praxis von 4.238 im Jahr 1992 auf 3.050 im Jahr 1997 zurückgegangen sei.
Die im ersten Halbjahr 1996 erzielten Abrechnungsergebnisse dürften in seinem Fall der Berechnung des Zusatzbudgets schon deshalb nicht zu Grunde gelegt werden, weil er seinerzeit krankheitsbedingt nur eingeschränkt habe arbeiten und abrechnen können.
Mit Urteil vom 16. Mai 2001, dem Kläger zugestellt am 06. Juli 2001, hat das Sozialgericht Hannover die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die Beklagte habe sachlich und rechnerisch zutreffend der Berechnung des Zusatzbudgets im Quartal IV/1997 die für Ärzte mit unterdurchschnittlichem Punktzahlfallwert maßgebliche Fallpunktzahl von 6,5 zu Grunde gelegt. Die Berücksichtigung der in der Folgezeit festzustellenden Leistungsausweitungen durch die vom Kläger angegebene Änderung der Behandlungsausrichtung ab dem 4. Quartal 1996 widerspräche ohne Nachweis einer wesentlichen atypischen Fallgestaltung der Intention der Einführung von Praxis- und Zusatzbudgets, nämlich der Begrenzung von Mengenausweitungen. Auch ein besonderer Versorgungsbedarf wegen eines fachgruppenuntypischen spezifischen Leistungsangebotes des Klägers sei nicht erkennbar. Inwieweit sich unter Berücksichtigung des am gleichen Tag ergangenen Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Mai 2001 (B 6 KA 47/00 R) eine abweichende Beurteilung ergebe, müsse offen gelassen und einer Klärung im Berufungsverfahren überlassen werden.
Mit der am 25. Juli 2001 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass die Beklagte die Einteilung in die Untergruppe der Ärzte mit unterdurchschnittlichem Punktzahlfallwert und in die Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert nicht allein von den Abrechnungsergebnissen in den Quartalen I und II/1996 abhängig machen dürfe. Darüber hinaus habe die Beklagte der sich aus seiner Erkrankung im ersten Halbjahr 1996 ergebenden Sondersituation nicht hinreichend Rechnung getragen. Auch wenn er seinerzeit den Praxisbetrieb nicht eingestellt habe, habe er sich in den Akutphasen seiner Erkrankung mehr um die somatischen Aspekte der Erkrankungen seiner Patienten gekümmert. Im Laufe seiner eigenen Behandlung habe er dann erfahren, welche Bedeutung auch die psychosomatischen Umstände entfalten könnten. Hieran anknüpfend habe er diesen Aspekt in der Folgezeit auch bei der Behandlung der Patienten in den Vordergrund gestellt, womit eine Änderung seines Patientenstammes einhergegangen sei.
Der Kläger ist der Auffassung, dass er nach Maßgabe der im Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Mai 2001 (a.a.O.) dargelegten Rechtsauffassung in die Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert hochzustufen sei.
Im Berufungsverfahren hat der Vorstand der Beklagten am 05. Dezember 2001 einen Beschluss gefasst, wonach der vorausgegangene Vorstandsbeschluss vom 16. Juli 1997 über die Differenzierung in zwei Fallpunktzahlen nach Abs. 3 der Anlage 4 zu den Allg. Bestimmungen des EBM wie folgt ergänzt worden ist:
"Auf Antrag überprüft die zuständige Bezirksstelle der KVN, ob bei geänderten Verhältnissen auch eine geänderte Einstufung in die differenzierten Zusatzbudgets vorzunehmen ist. Geänderte Verhältnisse liegen insbesondere bei folgenden Konstellationen vor: Erwerb einer Zusatzqualifikation, Änderung des Praxisstatus (z.B. Wechsel von Einzel- in Gemeinschaftspraxis etc.), Änderung der örtlichen Situation (z.B. lokaler Bedarf), begründete Erweiterung des Leistungsspektrums. Als neues Basisquartal ist jeweils das erste vollständig abgerechnete Quartal nach Änderung der Verhältnisse heranzuziehen, unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung..."
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. Mai 2001 aufzuheben und den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal IV/1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 1998 zu ändern und
2. die Beklagte zu verurteilen, bei der Festsetzung des Honorars für das Quartal IV/1997 bei der Berechnung des Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" die für die Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert maßgebliche Fallpunktzahl von 40,2 zu Grunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass auch unter Zugrundelegung des Urteils des BSG vom 16. Mai 2001 keine Höherstufung des Klägers in die Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert geboten ist. Insbesondere könne sich der Kläger nicht darauf berufen, dass er in nachfolgenden Quartalen überdurchschnittliche Punktzahlfallwerte im Bereich des Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" erzielt habe. Maßgeblich seien nach den Vorgaben des EBM allein die Abrechnungsergebnisse in den Quartalen I und II/1996, in denen der Kläger lediglich unterdurchschnittliche Punktzahlfallwerte erreicht habe. Abgesehen von einer Zunahme der abgerechneten budgetrelevanten Leistungen seien aus ihrer Sicht auch keine Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen festzustellen, auf Grund derer eine erneute Überprüfung geboten sein könnte. Namentlich sei seit dem den Bezugszeitraum bildenden ersten Halbjahr 1996 weder der Erwerb einer Zusatzqualifikation noch eine begründete Erweiterung des Leistungsspektrums durch Anschaffung neuer Gerätschaften festzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte abweichend von den angefochtenen Bescheiden bei der Festsetzung des Honorars für das Quartal IV/1997 der Berechnung des Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" die Fallpunktzahl für die Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert in Höhe von 40,2 anstatt der bislang herangezogenen Fallpunktzahl von 6,5 für die Untergruppe der Ärzte mit unterdurchschnittlichem Punktzahlfallwert zu Grunde legt. Bei richtiger Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse gehörte der Kläger in dem streitbefangenen Quartal IV/1997 bereits der Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert an.
Gegen das vom Bewertungsausschuss zum 01. Juli 1997 neu geschaffene System der Praxis- und Zusatzbudgets, das in § 87 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 a Satz 1, 2 und 8 Sozialgesetzbuch Buch V Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) die erforderliche Ermächtigungsgrundlage findet, bestehen keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken. Dies hat das BSG insbesondere in seinen Urteilen vom 08. März 2000 (B 6 KA 7/99 R -- SozR 3-2500 § 87 Nr. 23) und vom 16. Mai 2001 (a.a.O.) im Einzelnen dargelegt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Dabei war der Bewertungsausschuss namentlich auch befugt, die Frage des Ob der Differenzierung bei den Fallpunktzahlen durch die Regelung des Abs. 3 der Anlage 4 zu den Allg. Bestimmungen des EBM in der Form zu delegieren, dass die einzelnen KVen im Interesse einer größeren Verteilungsgerechtigkeit anstelle einer für alle berechtigten Ärzte einer Arztgruppe einheitlich geltenden durchschnittlichen Fallpunktzahl eine Differenzierung und Verfeinerung in zwei Fallpunktzahlen mit überdurchschnittlichen und unterdurchschnittlichen Abrechnern vorsehen durften. Von dieser hinreichend bestimmten Regelungsmöglichkeit hat der dafür zuständige Vorstand der Beklagten mit Beschluss vom 16. Juli 1997 mit Wirkung vom Quartal IV/1997 Gebrauch gemacht. Auch dies hat das BSG in seinem Urteil vom 16. Mai 2001 bereits im Einzelnen ausgeführt.
Allerdings verletzt die konkrete Umsetzung dieser differenzierenden Regelung den Kläger in seinen Rechten. Auch wenn es grundsätzlich den Vorgaben des EBM entspricht, die Punktzahlen für die Zusatzbudgets unter Heranziehung des Abrechnungsverhaltens der Vertragsärzte in den Quartalen I und II/1996 zu ermitteln (vgl. wiederum BSG, a.a.O.), so durfte die Beklagte es dabei im vorliegenden Fall nicht bewenden lassen. Die als Grundsatz im EBM vorgesehene Anknüpfung an das Abrechnungsverhalten in den Bezugsquartalen I und II/1996 für die Zuordnung der betroffenen Ärzte in die Untergruppe mit unterdurchschnittlichem und in die Untergruppe mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert ist nach der Rechtsprechung des BSG nur mit Einschränkungen zulässig: Ungeachtet der grundsätzlichen Unbedenklichkeit, für Honorarbegrenzungen an früheres Abrechnungsverhalten anzuknüpfen, muss insbesondere Praxisanfängern und sog. kleinen Praxen stets die Chance belassen werden, zumindest das durchschnittliche Umsatzniveau einer Arztgruppe zu erreichen (vgl. wiederum BSG, Urteil vom 16. Mai 2001 a.a.O. und Urteil vom 21. Oktober 1998 -- B 6 KA 71/97 R -- SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr. 28). Eine anderenfalls bewirkte schematische Gleichbehandlung aller Vertrags(zahn)ärzte trotz erheblicher Unterschiede im Hinblick auf die Patientenzahl würde kleine Praxen besonders stark belasten. Sie würden an einer Umsatzsteigerung auf das von ihnen angestrebte bzw. auf das durchschnittliche Umsatzniveau gehindert und auf diese Weise in einer betriebswirtschaftlich ungünstigen Umsatz- und Erlössituation festgehalten. Es ist empirisch nachweisbar, dass bei steigenden Umsätzen der Vertrags(zahn)ärzte der Einnahmeüberschuss in Prozent der Gesamteinnahmen steigt. Der Umstand einer bei einer schematischen Gleichbehandlung zu befürchtenden dauerhaften Festschreibung einer besonders ungünstigen Erlössituation als Folge unterdurchschnittlicher Umsätze muss für alle kleinen Praxen, also nicht nur für neu gegründete, berücksichtigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, a.a.O.). Damit wird insbesondere auch der Forderung des BVerfG entsprochen, wonach der Gesetz- und Normgeber Vorkehrungen zu treffen hat, dass nicht durch Satzungsregelungen im Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit zum Nachteil von Berufsanfängern und Außenseitern ein Übergewicht von Verbandsorganen oder ein verengtes Standesdenken begünstigt werden. Die Regelungen im EBM und in den ihn ausführenden Bestimmungen sind daher so auszugestalten, dass auch solche Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl, die nicht mehr als Praxisneugründer angesehen werden können, nicht gehindert werden, durch Erhöhung der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen (vgl. ebenfalls BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, a.a.O.). Solange ein Arzt im Vergleich zur Fachgruppe ein unterdurchschnittliches Gesamthonorar erzielt, dürfen die Regelungen des EBM und der Honorarverteilungsmaßstäbe nicht dazu führen, dass er bei gleichem gegenwärtigen Leistungsverhalten im Vergleich zu einem Facharztkollegen allein deshalb einen geringeren Honoraranspruch hat, weil er in früheren Abrechnungsperioden weniger Leistungen erbracht hat. Einer solchen Differenzierung würde der im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG erforderliche rechtfertigende Grund (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 31.01.1996 -- 2 BvL 39, 40/93 -- E 93, 386, 397, und Urteil vom 28.01.1997 -- 1 BvR 48/94 -- E 95, 267, 316) fehlen.
Der Kläger ist Inhaber einer solchen sog. kleinen, d.h. ein unterdurchschnittliches Gesamthonorar erzielenden, Praxis. Das von ihm im Jahr 1997 erzielte Gesamthonorar aus der vertragsärztlichen Versorgung in Höhe von 225.036,21 DM lag nachhaltig unter dem durchschnittlichen Gesamthonorar der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Fachärzte für Allgemeinmedizin in Niedersachsen in Höhe von 355.167,14 DM. Damit korrespondierte auch eine unterdurchschnittliche Fallzahl. Die Gesamtfallzahl des Klägers im Quartal IV/1997 betrug 790, wovon 775 budgetrelevant waren. Im Durchschnitt erzielte die Fachgruppe der Ärzte für Allgemeinmedizin eine Fallzahl von 963.
Nach der erläuterten Rechtsprechung des BSG sind die Vorgaben des EBM und dementsprechend auch die den EBM konkretisierenden Beschlüsse der Beklagten vom 16. Juli 1997 und vom 05. Dezember 2001 verfassungskonform in dem Sinn zu interpretieren, dass bereits die Zugehörigkeit des Klägers zur Gruppe der Praxen mit einem unterdurchschnittlichen Gesamthonorar für ihn den Anspruch begründete, jedenfalls durch eine Steigerung der Fallzahlen das durchschnittliche Umsatzniveau der Arztgruppe zu erreichen. Dies ist auch bei der Bemessung des qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" zu berücksichtigen: Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) muss dem Kläger auch die Chance belassen werden, durch eine Ausweitung speziell seiner vom Zusatzbudget Psychosomatik erfassten Leistungen von der Untergruppe der Ärzte mit unterdurchschnittlichem Punktzahlfallwert (bezogen auf Leistungen des Zusatzbudgets) in die Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert zu wechseln, um auf diesem Wege dem durchschnittlichen Gesamthonorar der Fachgruppe näher zu kommen. Zumindest, soweit dafür eine Steigerung der im Bereich dieses Zusatzbudgets behandelten Fälle maßgebend war, durfte der Kläger im Quartal IV/1997 nicht mehr daran festgehalten werden, dass er unter Zugrundelegung seiner Abrechnungsergebnisse in den Quartalen I und II/1996 zur Untergruppe der Ärzte mit unterdurchschnittlichem Punktzahlfallwert gehörte, obwohl er nach Maßgabe der im Quartal IV/1997 erreichten Abrechnungsergebnisse einen (deutlich) überdurchschnittlichen Punktzahlfallwert aufwies. Auch unter Zugrundelegung der für die Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert maßgeblichen Fallpunktzahl für das Zusatzbudget "Psychosomatik, übende Verfahren" von 40,2 hätte der Kläger in diesem Quartal nur ein unterdurchschnittliches Gesamthonorar erreicht. Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass die Steigerung des für das Zusatzbudget maßgeblichen Punktzahlfallwertes auf 71 im Quartal IV/1997 und damit auf einen weit oberhalb des für die Untergruppenzuteilung maßgeblichen Grenzwertes von 17,6 Punkten liegenden Wert zumindest in erster Linie auf eine Steigerung der Zahl der Patienten zurückzuführen ist, gegenüber denen der Kläger von dem Zusatzbudget erfasste Leistungen erbracht hat. Dies wird insbesondere auch durch einen nachhaltigen Anstieg der Abrechnungsfrequenz der Ziffer 850 EBM belegt, die höchstens zweimal in einem Behandlungsfall abgerechnet werden darf.
Bereits diese durch eine Steigerung der Fallzahl bedingte Zunahme der im Bereich des Zusatzbudgets erbrachten Leistungen stellte unter Berücksichtigung der Zuordnung des Klägers zu der Gruppe der Inhaber kleiner, d.h. ein unterdurchschnittliches Gesamthonorar aufweisender Praxen eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des Beschlusses des Vorstandes der Beklagten vom 05. Dezember 2001 dar. Dem steht nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall keine der in Satz 2 dieses Beschlusses ausdrücklich aufgeführten Konstellationen vorliegt. Abgesehen davon, dass auch der Vorstand der Beklagten an die vorstehend erläuterten letztlich aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) herrührenden Grundsätze über den Schutz der Erwerbschancen kleiner Praxen gebunden ist, sind die in Satz 2 des Beschlusses vom 05. Dezember 2001 genannten Fälle nach dem klaren Wortlaut lediglich beispielhaft zu verstehen.
Soweit die Beklagte gleichwohl der Auffassung ist, dass mangels einer "Änderung der Verhältnisse" kein Raum für eine Einordnung des Klägers in die Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert ist, verkennt sie die vorstehend erläuterten Vorgaben. Obwohl das BSG in seinen Urteilen vom 21. Oktober 1998 und 16. Mai 2001 ausdrücklich hervorgehoben hat, dass kleinen Praxen stets die Chance belassen werden muss (durch eine Fallzahlsteigerung) zumindest das durchschnittliche Umsatzniveau einer Arztgruppe zu erreichen, will die Beklagte im Ergebnis dem Kläger diese Chance gerade nehmen. Unter Zugrundelegung der Auffassung der Beklagten bestände für den Kläger gerade keine Möglichkeit, sich durch eine (durch eine Steigerung der Fallzahlen bedingte) Leistungsausweitung im Bereich des Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" dem durchschnittlichen Umsatzniveau seiner Arztgruppe zumindest etwas zu nähern. Namentlich kommt in diesem Zusammenhang keine der beiden von der Beklagten im Schriftsatz vom 28. Januar 2002 aufgezeichneten Möglichkeiten in Betracht: Die Qualifikation zur Erbringung von Leistungen nach dem Abschnitt G III des EBM besitzt der Kläger bereits seit 1983, diese Zusatzqualifikation kann er schon deshalb nicht erneut erwerben. Auch bedarf es zur Erbringung dieser Leistungen gerade keiner besonderen Gerätschaften, die der Kläger neu anschaffen könnte.
Unter Berücksichtigung des im EBM vorgesehenen Systems zur Berechnung des qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets und im Hinblick auf die im Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 05. Dezember 2001 getroffenen Regelungen über die Berücksichtigung geänderter Verhältnisse hat die Beklagte der dargelegten Zugehörigkeit des Klägers zu der Untergruppe der Ärzte mit überdurchschnittlichem Punktzahlfallwert im streitigen Quartal IV/1997 dadurch Rechnung zu tragen, dass sie der Berechnung des Zusatzbudgets "Psychosomatik, übende Verfahren" den für diese Untergruppe maßgeblichen Punktzahlfallwert von 40,2 zu Grunde legt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG zugelassen.