Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 25.10.2024, Az.: 3 B 3704/22

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.10.2024
Aktenzeichen
3 B 3704/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 25022
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2024:1025.3B3704.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 28.09.2022 - AZ: 3 B 3704/22

Amtlicher Leitsatz

Offensichtliche Unbegründetheit eines Asylantrags bei schwerwiegenden Gründen für die Annahme, dass der Antragsteller eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt

Zur Auslegung des § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 3. Kammer - vom 28.9.2022 wird abgeändert: Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23.8.2022 verfügte Abschiebungsandrohung wird abgelehnt.

Der Antragssteller trägt die Kosten des Abänderungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin begehrt die Abänderung eines Beschlusses, mit dem das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen asylrechtlichen Zweitantragsbescheid angeordnet hat.

Der 1989 geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und islamisch-sunnitischer Glaubenszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben verließ er den Irak im Februar 2016.

In der Republik Polen stellte er am 19.7.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, zu dessen Begründung er im Wesentlichen ausführte: Er habe zuletzt in dem Ort E. in der Nähe von Dohuk gelebt. Im Irak habe er sieben Jahre lang die Grundschule besucht und im Anschluss in einem Restaurant und in einem Supermarkt gearbeitet. Sein Verdienst habe ihm zum Leben gereicht. Seine Ausreise, die 6.000 Euro gekostet habe, habe er durch Ersparnisse finanziert. Ziel seiner Ausreise sei Deutschland gewesen, weil er dort Familie habe. Internationalen Schutz beantrage er, weil er in einem freien und sicheren Land leben wolle. Im Irak sei es gefährlich; dort begehe der sogenannte Islamische Staat (im Folgenden: IS) Selbstmordattentate. Der IS habe im August 2014 auch sein Heimatdorf angegriffen.

Am 4.1.2017 lehnte die Ausländerbehörde in Warschau den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz als unbegründet ab. Die hiergegen erhobenen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Überprüfung in der zweiten behördlichen Instanz am 28.6.2018; verwaltungsgerichtliche Entscheidung vom 17.8.2019).

Im Februar 2017 reiste der Antragsteller erstmals in die Bundesrepublik ein und stellte am 1.2.2017 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt als unzulässig ab, da ein anderer Mitgliedsstaat (Polen) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig gewesen sei. Am 8.8.2017 wurde der Antragsteller nach Polen überstellt.

Am 2.6.2022 reiste der Antragsteller erneut in die Bundesrepublik ein und stellte am 29.6.2022 einen weiteren Asylantrag beim Bundesamt.

Mit Schreiben vom 19.7.2022 lehnte Polen die Übernahme des Antragstellers ab.

Bei seiner Anhörung im Bundesamt machte der Antragsteller im Wesentlichen folgende Angaben: Er stamme ursprünglich aus dem Dorf F. (Distrikt Tal Afar der Provinz Ninive) in der Nähe der Stadt Mossul. Dort sei er sechs Jahre zur Schule gegangen. Er habe bis zum Beginn des Kriegs im Jahr 2014 zehn Jahre in der Gastronomie sowie später als Hilfskraft in einem Obst- und Gemüseladen gearbeitet. 2014 sei F. vom IS angegriffen worden. Er sei daher am 2.8.2014 Richtung Dohuk geflohen. Gemeinsam mit seinen Eltern, einem Bruder und drei Schwestern habe er bis zu seiner Ausreise in einem Flüchtlingslager in dem Ort E. nahe Dohuk gelebt. Seine Familie würde dort nun in einem Miethaus leben und einen Obst- und Gemüseladen betreiben. Seine Ausreise habe 7.500 USD gekostet. Das Geld habe er von seiner Familie und von Freunden erhalten. Polen habe er verlassen, weil er von dort in den Irak abgeschoben werden sollte. Grund für seinen Asylantrag sei, dass er sich ein normales, friedliches Leben in Deutschland wünsche. In Polen habe er Gelegenheit gehabt, seine Fluchtgründe vorzutragen; neue Gründe habe er nicht. Auf weitere Rückfrage erklärte der Antragsteller: Auch die Sicherheitslage in Dohuk sei schlecht, denn auch dort sei der IS aktiv. Er befürchte zudem, von der Regierung verhaftet und gefoltert zu werden, damit er Wehrdienst leiste. Er sei Ende 2015 und im Jahr 2016 mündlich dazu aufgefordert worden; eine schriftliche Einberufung habe er nicht erhalten. Gegenüber den Regierungsvertretern habe er erklärt, dass er keinen Wehrdienst leisten wolle. Ihm sei daraufhin vermittelt worden, dass er sich mit der Weigerung selbst schade. Etwa einen Monat nach der letzten Aufforderung habe er den Irak verlassen.

Mit Bescheid vom 23.8.2022 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und forderte den Antragsteller unter Androhung seiner Abschiebung in den Irak zur Ausreise innerhalb einer Woche auf (Ziffer 3). Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot ordnete es an und befristete es auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Zur Begründung heißt es, der Asylantrag sei als Zweitantrag nach § 71a AsylG unzulässig. Es seien keine Umstände vorgebracht oder ersichtlich, die im Vergleich zur polnischen Sachentscheidung geeignet wären, sich zu Gunsten des Antragstellers auszuwirken, sodass ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei. Abschiebungsverbote lägen nicht vor, weil der Antragsteller in der Vergangenheit aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse seinen Lebensunterhalt habe sicherstellen können.

Am 1.9.2022 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.

Mit Beschluss vom 28.9.2022 hat das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die in Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamtes vom 23.8.2022 verfügte Abschiebungsandrohung angeordnet, weil das Gericht ernstliche Zweifel an dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der ergangenen Unzulässigkeitsentscheidung hatte.

Mit Haftbefehl vom G.H. 2024 ordnete das Amtsgericht I. die Untersuchungshaft gegen den Antragsteller an, da er dringend verdächtig sei, am Vortag in J. einen Menschen getötet zu haben, ohne Mörder zu sein. Der Antragsteller sei hiernach mit dem Betreiber der Flüchtlingsunterkunft, die er selbst bewohne, in Streit geraten. Der Antragsteller habe diesen zunächst geschubst und ihm sodann ein mitgeführtes Messer in den Oberkörper in den Bereich des Herzens gestochen, um ihn zu töten. Unmittelbar nach der Ausführung sei der Antragsteller geflüchtet und der Betreiber der Flüchtlingsunterkunft verstorben.

Am 6.9.2024 hat die Antragsgegnerin einen Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 28.9.2022 gestellt und angekündigt, die Unzulässigkeitsentscheidung alsbald durch eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet zu ersetzen. Die Abschiebungsandrohung und deren sofortige Vollziehbarkeit würden hiervon nicht berührt.

Mit Bescheid vom 12.9.2024 hob das Bundesamt die in Ziffer 1 des Bescheids vom 23.8.2022 getroffene Unzulässigkeitsentscheidung auf (Ziffer 1) und lehnte den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2), auf Anerkennung als Asylberechtigten (Ziffer 3) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 4) jeweils als offensichtlich unbegründet ab. Zur Begründung heißt es, der Antragsteller habe keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorbringen können, dass ihm in seinem Herkunftsland Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden drohe. Der IS gelte im Irak seit dem Ende des Jahres 2017 als besiegt. Diese Veränderung der Umstände sei höchstrichterlich festgestellt worden. In Bezug auf den Einzug zum Militärdienst sei festzustellen, dass es im Irak, einschließlich der Region Kurdistan-Irak, keine Wehrpflicht (mehr) gebe. Der unbegründete Asylantrag sei nach § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG zudem als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Dieser Tatbestand setze keine strafrechtliche Verurteilung voraus. Ausreichend sei eine auf schwerwiegende Gründe gestützte Annahme, dass der Antragsteller eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle. Die Formulierung, dass "die Annahme gerechtfertigt ist", sei im Sinne einer Beweislastumkehr zu deuten: Werde der Ausländer etwa in Untersuchungshaft genommen, so müsse er glaubhaft darlegen, dass gerade ihn keine Verantwortung für die ihm zur Last gelegten Taten treffe. Die Tötung eines Menschen sei dabei die denkbar schwerste Verletzung der öffentlichen Ordnung. Soweit für die Erfüllung des Tatbestands nicht das ggf. strafbare Fehlverhalten in der Vergangenheit maßgeblich sei, sondern die zukünftige Gefährdung, sei festzuhalten, dass Straftaten die derart schwerwiegend seien, typischerweise mit einer weiterhin bestehenden Gefahr für besonders wichtige Rechtsgüter verbunden seien.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hannover vom 28. September 2022 (3 B 3704/22) den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 1.9.2022 erhobenen Klage gegen die Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23.8.2022 ausgesprochene Abschiebungsandrohung (3 A 3702/22) abzulehnen.

Der Antragsteller hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag der Antragsgegnerin auf Abänderung des Beschlusses vom 28.9.2022, über den nach § 77 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter entscheidet, ist begründet.

Es liegt ein Grund vor, mit dem die Antragsgegnerin die Abänderung der gerichtlichen Entscheidung verlangen kann (dazu unter 1.; zum Abänderungsgrund als Voraussetzung der Begründetheit des Antrags vgl. nur Schoch, in: Schoch/Schneider, 45. EL Januar 2024, VwGO § 80 Rn. 584; Hoppe, in: Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 80 Rn. 134) und der ursprüngliche Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen, ist nicht mehr begründet (dazu 2.).

1.

Ein Abänderungsgrund liegt vor.

Nach § 80 Abs. 7 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Gegenstand des Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO ist die Prüfung, ob eine zuvor im einstweiligen Rechtsschutzverfahren getroffene gerichtliche Entscheidung ganz oder teilweise geändert oder aufgehoben werden soll. Dabei geht es nicht um die ursprüngliche Richtigkeit der im vorangegangenen Verfahren getroffenen Entscheidung, sondern allein um die Fortdauer dieser Entscheidung. Das Abänderungsverfahren ist demzufolge kein Rechtsmittelverfahren, sondern ein gegenüber dem Ausgangsverfahren selbstständiges und neues Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem eine abweichende Entscheidung (nur) mit Wirkung für die Zukunft getroffen werden kann (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.11.1995 - 13 S 494/95 -, juris m.w.N.). Ein Anspruch eines Beteiligten auf eine erneute gerichtliche Sachentscheidung besteht dabei nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.1.1999 - 11 VR 13/98 -, juris Rn. 2; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 6.12.2001 - 13 S 1824/01 -, juris Rn. 5).

Durch die Aufhebung der Ziffer 1 des Bescheids vom 23.8.2022 liegen im Vergleich zur gerichtlichen Entscheidung vom 28.9.2022 veränderte Umstände vor. Denn die Entscheidung, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die fortbestehende Ziffer 3 des Bescheids vom 23.8.2022 anzuordnen, gründete sich auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ursprünglich getroffenen Unzulässigkeitsentscheidung, die auch der jetzt entscheidende Einzelrichter teilt. Diese Entscheidung besteht aber nicht fort, wodurch sich die Frage der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung erneut stellt. Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 AsylG wird die im Bescheid vom 12.9.2024 getroffene Entscheidung, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Diese im Vergleich zur Ursprungsentscheidung veränderte Sachlage rechtfertigt und erfordert mithin eine erneute gerichtliche Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

2.

Unter Berücksichtigung dieser veränderten Umstände ist der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, nicht mehr begründet.

Im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 23.8.2022.

Im Fall der durch das Bundesamt verfügten Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 30 AsylG ordnet das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der gemäß § 36 Abs. 3, § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung an, wenn das persönliche Interesse des Asylbewerbers, von der sofortigen Aufenthaltsbeendigung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Durchsetzung überwiegt. Die Aussetzung der Abschiebung darf gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Solche ernstlichen Zweifel liegen u.a. vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme - die der sofortigen Aufenthaltsbeendigung zugrunde liegende Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet - einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris Rn. 99). Darüber hinaus hat das Gericht zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an dem Bestehen der sonstigen Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung vorliegen. Dazu gehört nach § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auch, ob das Bundesamt die Feststellung von Abschiebungsverboten zurecht verneint hat (Pietzsch, in: BeckOK AuslR, 42. Ed. 1.4.2024, AsylG § 36 Rn. 42 f.).

Nach diesem Maßstab liegen keine ernstlichen Zweifel an dem angegriffenen Verwaltungsakt vor. Die Entscheidung des Bundesamts vom 12.9.2024, den Asylantrag des Antragstellers als offensichtlich unbegründet abzulehnen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Nach § 30 Abs. 1 AsylG in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung vom 26.2.2024 ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn einer der in der Norm abschließend aufgeführten Gründe für eine qualifizierte Ablehnung vorliegt (§ 30 Abs. 1 Nr. 1-9 AsylG). Das ist vorliegend nach summarischer Prüfung der Fall. Der Asylantrag des Antragstellers ist unbegründet (dazu a)). Dahinstehen kann, ob die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG vorliegen (zur auch in diesem Verfahren relevanten Problematik vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 13.8.2024 - 2 BvR 44/24 -, juris). Denn der Asylantrag ist nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (dazu b)) und nach § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG (dazu c)) als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Auch die Entscheidung, kein Abschiebungsverbot für den Irak festzustellen, ist voraussichtlich rechtmäßig (dazu d)).

a)

Der Asylantrag des Antragstellers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf die Anerkennung der Asylberechtigung, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes.

Auf das Asylgrundrecht kann sich der Antragsteller gem. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG bereits nicht berufen, da er nach eigenen Angaben über den Landweg aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union eingereist ist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (hier: Republik Polen).

Weiterhin hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Der Antragsteller hat bereits nicht geltend gemacht, aufgrund einer flüchtlingsspezifischen Eigenschaft (§ 3b AsylG) verfolgt worden zu sein oder eine solche Verfolgung zu befürchten. Soweit er auf die volatile Sicherheitslage durch den IS verweist, ist bereits nicht ersichtlich, dass eine Gruppenverfolgung von Sunniten durch den IS, der sich selbst auf ein sunnitisches Islamverständnis stützt, stattfindet oder stattfand. Individuelle Verfolgungsgründe trägt der Antragsteller diesbezüglich nicht vor. Auch sein Vorbringen, er sei zum Dienst in der Armee verpflichtet worden und ihm drohe im Fall der Weigerung Folter, lässt bereits nicht erkennen, ob er einen solchen Dienst aus politischen Gründen oder lediglich wegen seiner persönlichen Situation ablehnt. Es sind dem Einzelrichter auch keine Erkenntnisse darüber bekannt, dass der irakische Staat oder die kurdische Regionalregierung Menschen, die sich nicht bereiterklären, in der Armee oder bei den Peshmerga zu dienen, eine politische Überzeugung zuschreiben würde (§ 3 Abs. 2 AsylG).

Im Übrigen hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mehrfach entschieden, dass irakische Staatsangehörige sunnitischen Glaubens und kurdischer Volkszugehörigkeit aktuell im Irak nicht mit einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit mit einer Gruppenverfolgung im Sinne von § 3 AsylG rechnen müssen (Nds. OVG, Beschl. v. 27.1.2022 - 9 LA 29/20 -, juris Rn. 14; Beschl. v. 13.9.2021 - 9 LA 228/21 -, n.v.; Beschl. v. 6.11.2023 - 9 LA 82/23 -, n.v.). Auch wenn es häufige Anschuldigungen gegen schiitische Milizen wegen gewaltsamer Übergriffe auf Sunniten gibt (ACCORD, ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen im Irak v. 19.6.2024, Ziff. 2.2.; EASO, Country Guidance: Iraq, Common Analysis and Guidance Note, Januar 2021, S. 68), ist die Verfolgungsdichte nicht hoch genug, um mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak anzunehmen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 5.11.2020 - 9 LA 107/20 -, juris Rn. 9; Bayerischer VGH, Beschl. v. 29.4.2020 - 5 ZB 20.30994 -, juris Rn. 3-5 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 5.3.2020 - A 10 S 1272/17 -, juris Rn. 27 ff.; zuletzt ausführlich VG Hannover, Urt. v. 21.4.2023 - 6 A 2788/17 -, V.n.b. UA S. 8 f.). Dieser Einschätzung tritt der Einzelrichter bei. Zudem stünde dem Antragsteller mit der Region Kurdistan-Irak auch eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG zur Verfügung. Weil der Antragsteller ethnischer Kurde ist, unterliegt er hinsichtlich eines Aufenthalts in den kurdischen Autonomieprovinzen keinen Beschränkungen.

Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, während seiner Zeit in Europa einen westlichen Lebensstil angenommen zu haben, ist dies nicht ansatzweise substantiiert. Dem Einzelrichter sind auch keine Erkenntnisse darüber bekannt, dass nach "westlichen" Werten lebende Männer im Irak verfolgt werden würden. Entsprechende Quellen, die solches belegen würden, hat der Antragsteller auch nicht benannt.

Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes steht dem Antragsteller ebenfalls nicht zu. Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG (1.) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist bei einer nicht landesweiten Gefahrenlage in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird. Etwas Anderes gilt, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 100 ff. m.w.N. mit Bezug auf BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 13 f.).

Dem Antragsteller droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im vorgenannten Sinne.

Abzustellen ist dabei auf die ursprüngliche Herkunftsregion des Antragstellers, d.h. den Distrikt Tal Afar der Provinz Ninive. Zwar hat er bereits eine längere Zeit vor seiner Ausreise in der Provinz Dohuk gelebt. Seine Herkunftsregion hat er jedoch nicht freiwillig, sondern anlässlich des Krieges mit dem IS verlassen müssen.

Im Distrikt Tal Afar droht dem Antragsteller kein ernsthafter Schaden durch den IS oder durch eine andere Konfliktpartei im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. In der gesamten Provinz Ninive - einschließlich dem Distrik Tal Afar - ist das Gefährdungspotential nicht so hoch, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Der IS gilt im Irak in der Fläche als besiegt, gleichwohl werden immer noch zwischen 5.000 und 7.000 IS-Mitglieder und Unterstützer in Irak und Syrien vermutet. Trotz seiner stark geschwächten Kapazitäten führt der IS weiterhin Operationen durch, insbesondere in ländlichen Gebieten im Norden und Westen des föderalen Irak, wo die Präsenz der irakischen Sicherheitskräfte begrenzt ist (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformation der Staatendokumentation, Irak, 28.3.2024, S. 31 f. m.w.N.). Zwar wird insbesondere im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 5.6.2024 (S. 19) die Gegend um Kirkuk, Mosul, Diyala und Tal Afar als Gebiet genannt, in dem der IS besonders aktiv ist. Andere Berichte nennen den Distrikt Tal Afar dagegen nicht (s. BFA, a.a.O. S. 32 und die dortigen Nachweise; vgl. auch EUAA, Iraq - Security Situation, Mai 2024, S. 91 ff., 94). Auch der Lagebericht des Auswärtigen Amts spricht indes von einem Strategiewechsel des IS, der insbesondere auf Sprengfallen am Straßenrand setze, die sich gegen irakische Sicherheitskräfte richten würden (S. 19). Der Einzelrichter kann auch anderen Erkenntnismitteln keine im Vergleich zum Rest der Provinz Ninive besondere Gefährdungssituation für Zivilisten im Distrikt Tal Afar entnehmen. Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) verzeichnet in dem Zeitraum vom 1.1.2022 bis zum 16.8.2024 in dem Distrikt 64 sicherheitsrelevante Vorfälle mit insgesamt 27 Todesopfern, wobei nicht nur zivile Todesopfer gezählt werden. Beteiligung von Zivilisten bestand bei 33 Ereignissen. Im Zusammenhang mit dem IS standen dabei lediglich 14 Ereignisse (mit 3 Todesfällen), die alle entweder die Explosion von zurückgelassenen IEDs oder den Fund von Massengräbern zum Inhalt haben. Aktuelle Aktivitäten des IS finden sich in den ACLED-Daten zu Tal Afar darüber hinaus nicht. In der gesamten Provinz Ninive verzeichnet die Datenbank in dem genannten Zeitraum 941 sicherheitsrelevante Ereignisse (davon 202 mit Beteiligung von Zivilisten) mit insgesamt 348 Todesfällen. Diese Zahlen stehen im Ergebnis in Übereinstimmung mit der insgesamt rückläufigen Zahl der Anschläge des IS in der Provinz Ninive gegen Zivilisten (vgl. ausführlich OVG NRW, Urt. v. 5.9.2023 - 9 A 1249/20.A -, juris Rn. 72 ff.) und der allgemein relativ stabilen Sicherheitslage. Die UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI) nennt für den Zeitraum 1.2.2023 bis 31.3.2024 33 Todesfälle von Zivilpersonen, andere Auswertungen dagegen 2 (EUAA, Iraq - Security Situation, Mai 2024, S. 95). Diese Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen und Todesfällen ist bei einer Bevölkerungszahl von ca. 4 Millionen Personen in Ninive (EUAA, Iraq Security Situation, Country of Origin Information Report, Januar 2022, S. 162) und ca. 200.000 in Tal Afar auch bei wertender Betrachtung nicht geeignet, eine erhebliche individuelle Gefährdung zu begründen (vgl. für Ninive OVG NRW, Urt. v. 5.9.2023 - 9 A 1249/20.A -, juris Rn. 193 ff.). Unabhängig hiervon steht dem Antragsteller in dem Distrikt Dohuk der Provinz Dohuk, wo auch seine Eltern leben, interner Schutz nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG zur Verfügung. Aktivitäten des IS oder eine relevante Anzahl anderer Vorfälle verzeichnet die ACLED-Datenbank für diese Provinz nicht (vgl. EUAA, Iraq - Security Situation, Mai 2024, S. 107).

Dem Antragsteller droht auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden, weil er einen etwaigen Wehrdienst ablehnte. Unabhängig davon, dass seine Angaben hierzu schon unsubstantiiert und unglaubhaft sind (siehe dazu b)), steht die von ihm geäußerte Befürchtung im Gegensatz zu den Erkenntnismitteln. Im Irak gibt es seit 2003 keine Wehrpflicht mehr. Am 31.8.2021 beschloss die irakische Regierung die Annahme eines Gesetzesentwurfs zur Wiedereinführung der Wehrpflicht. Bisher wurde dieser Gesetzentwurf jedoch nicht vom Parlament verabschiedet (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 5.6.2024, S. 15). Auch in der Region Kurdistan-Irak herrscht keine Wehrpflicht (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Irak, 28.3.2024, S. 142). Berichte von Zwangsrekrutierungen im Irak beziehen sich entweder auf den IS zur Zeit seiner Territorialherrschaft, auf die Volksmobilisierungskräfte oder die PKK. Das Niederländische Außenministerium (General country of origin information report, Nov. 2023, S. 35) führt aus, dass keine Berichte über Zwangsrekrutierungen von Erwachsenen bekannt seien und dass die irakische Regierung gegen Zwangsrekrutierungen durch die Volksmobilisierungskräfte vorgehe. Im Bericht der EUAA von 2022 (Country Guidance, Irak, S. 101) heißt es, dass die Rekrutierung durch die Peshmerga auf freiwilliger vertraglicher Basis ablaufe und es keine Informationen über Zwangsrekrutierungen gebe. Die ACLED-Event-Liste (2020 bis heute) nennt lediglich einen Fall einer Zwangsrekrutierung (im Zusammenhang mit der PKK). Auch für den vom Antragsteller angegebenen Zeitraum 2015-2016 liegen diesbezüglich keine Erkenntnisse vor. Quellen, die über die Problematik der Zwangsrekrutierung sprechen, beziehen sich ausschließlich auf nichtstaatliche Akteure (vgl. etwa: EASO COI Meeting Report Iraq, April 2017, S. 14 f.; BFA, Länderinformationen der Staatendokumentation, Irak, 24.08.2017, S. 105 f.; Human Rights Watch, Iraq: Militias Recruiting Children, 30.8.2016).

b)

Der Asylantrag des Antragstellers ist darüber hinaus nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG offensichtlich unbegründet. Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesamt in seinem Bescheid vom 12.9.2024 lediglich den Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG geprüft und bejaht hat. Da es sich bei der in § 30 AsylG vorgesehenen Rechtsfolge um eine gebundene Entscheidung handelt, ist das Gericht nicht an die Begründung des Bundesamts gebunden (vgl. Heusch, in: BeckOK AuslR, 42. Ed. 1.7.2024, AsylG § 30 Rn. 56 m.w.N.).

Nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen, sodass die Begründung für seinen Asylantrag offensichtlich nicht überzeugend ist.

Die Angaben des Antragstellers zu einer drohenden oder befürchteten Zwangsrekrutierung sind eindeutig unstimmig. Sie sind bereits innerhalb der Anhörung beim Bundesamt als gesteigertes, asyltaktisches Vorbringen zu bewerten. In seiner Anhörung in Polen hat der Antragsteller lediglich den Wunsch nach einem freien und sicheren Leben in Deutschland und die Angst vor dem IS erwähnt. Zwangsrekrutierungsversuche hat er nicht geschildert. Auch bei seiner Anhörung in Deutschland begründete er seinen Asylantrag zunächst wörtlich wie folgt: "Ich möchte ein normales und friedliches Leben führen, das könnte ich in Deutschland machen. Das ist alles was ich zu sagen habe." Mehrfache Nachfragen, ob ihm oder seinen Angehörigen etwas zugestoßen sei, verneinte er. Erst bei der achten Frage des Entscheiders des Bundesamts, die auf den freien Vortrag zu seinen Verfolgungsgründen folgte, erwähnte der Antragsteller die Befürchtung "verhaftet und auch gefoltert zu werden". Wiederum bedurfte es fünf weiterer Nachfragen, bis der Antragsteller die vorgebliche Wehrdiensteinberufung schilderte. Diese Schilderung ist äußerst detailarm und ohne im Protokoll erkennbare Realkennzeichen. Der Antragsteller antwortete stets knapp und ausschließlich auf die konkrete Fragestellung. Für den Einzelrichter drängt sich auf, dass der Antragsteller seine Aussage an die Fragen des Entscheiders des Bundesamts angepasst hat, da er während der Anhörung gemerkt haben dürfte, dass sein Wunsch nach einem normalen und friedlichen Leben für einen Asylantrag nicht ausreichend ist. Es dürfte im Regelfall ausgeschlossen sein, dass ein einschneidendes Erlebnis wie ein Zwangsrekrutierungsversuch erst im Laufe einer Anhörung in Erinnerung gerät, zumal der Antragsteller in Polen bereits Erfahrungen mit der Anhörungssituation machen konnte.

Zudem schilderte der Antragsteller - selbst bei Wahrunterstellung - auch keine Verfolgung. Er hat lediglich angegeben, dass er zweimal zur Mitwirkung im Militär aufgefordert worden sei. Offenkundig ist, dass er gerade nicht unter Zwang stand, denn dann hätte er den Militärdienst nicht zweimal, ohne negative persönliche Konsequenzen zu erfahren, ablehnen und einen Monat nach der letzten Aufforderung unbehelligt ausreisen können. Die vom Antragsteller geschilderte Reaktion ("Sie haben mir daraufhin gesagt, dass ich mir mit der Weigerung selbst schaden würde.") lässt auch nicht erkennen, dass ihm damit Folter oder andersartige Verfolgung angedroht wurde. Das ist vielmehr eine Befürchtung des Antragstellers, die er nicht weiter substantiiert und die sich augenscheinlich nicht realisiert hat.

Sofern der zweite Halbsatz des § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ("[Angaben], die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen") sich auch auf die Tatbestandsvariante "unstimmige und widersprüchliche Angaben" bezieht (vgl. zu dieser Problematik Heusch, in: BeckOK AuslR, 42. Ed. 1.7.2024, AsylG § 30 Rn. 22), liegt ausweislich der oben ausgeführten Erkenntnismittel auch diese Voraussetzung vor.

Schließlich kann die Begründung für den Asylantrag des Antragstellers offensichtlich nicht überzeugen. Dafür müssen die Unstimmigkeiten, Widersprüchlichkeiten, die eindeutig falschen oder offensichtlich unwahrscheinlichen Angaben so gravierend sein, dass das Bundesamt oder das Gericht im Rahmen der von § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG geforderten Bewertung zu dem Schluss kommt, dass die Begründung für den Asylantrag im Ergebnis offensichtlich nicht überzeugend ist. Dies erfordert eine wertende Einschätzung der Defizite des Vorbringens. Betroffen muss dessen Kern sein. Es genügt nicht, wenn es nur in unwesentlichen Randbereichen nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht (VG Ansbach, Beschl. v. 2.12.2020 - AN 17 S 20.31058 -, juris Rn. 27; VG München, Beschl. v. 27.6.2022 - M 10 S 21.30729 -, juris Rn. 38, zu § 30 Abs. 3 Nr. 1 a.F.). Es kommt darauf an, ob ein für das Asylbegehren tragender Aspekt betroffen ist (zu § 30 Abs. 3 a.F.: VG Minden, Beschl. v. 30.10.2023 - 2 L 930/23.A -, juris Rn. 52). Stützt der Asylbewerber sein Vorbringen auf mehrere selbständige Verfolgungsgründe, so müssen sie nach vorherrschender Auffassung sämtlich in einer der in § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG genannten Formen mangelbehaftet sein, damit der Asylantrag insgesamt auf der Grundlage dieser Vorschrift als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden kann (VG Köln, Beschl. v. 20.6.2024 - 22 L 1105/24.A -, juris Rn. 20; zu § 30 Abs. 3 Nr. 1 a.F.; VG Sigmaringen, Beschl. v. 28.5.2021 - A 8 K 424/21 -, juris Rn. 28; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 9.8.1994 - 2 BvR 2831/93 -, juris Rn. 21; zum Vorstehenden insgesamt: Heusch, in: BeckOK AuslR, 42. Ed. 1.7.2024, AsylG § 30 Rn. 23).

Das ist hier der Fall. Die Angaben des Antragstellers hinsichtlich einer drohenden Zwangsrekrutierung sind derart abwegig, dass sich die Abweisung der Klage nahezu aufdrängt (zu diesem Maßstab: BVerfG, Beschl. v. 21.7.2000 - 2 BvR 1429/98 -, juris Rn. 3). Auch seine Furcht vor Anschlägen des IS ist nach gesicherten Lageinformationen eindeutig unbegründet. Dies entspricht zudem gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, die den IS in Ninive nicht einmal (mehr) als signifikante Gefahr für die Yeziden ansieht (vgl. nur OVG NRW, Urt. v. 5.9.2023 - 9 A 1249/20.A -, juris), an denen der IS nachweislich einen Genozid verübt hatte.

c)

Selbstständig tragend ist der Asylantrag des Antragstellers auch nach § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG offensichtlich unbegründet. Nach dieser Vorschrift ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen wurde oder es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellt.

Der Antragsteller ist zwar nicht ausgewiesen worden, aber es gibt schwerwiegende Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt.

§ 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG setzt in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung vom 26.2.2024 die Vorgaben von Art. 32 Abs. 2 i.V.m. Art. 31 Abs. 8 lit. j der Richtlinie 2013/32/EU (im Folgenden: Asylverfahrensrichtlinie) um. Hinsichtlich der hier einschlägigen Tatbestandsvariante wird in der Gesetzesentwurfsbegründung (BT-Drs. 20/9463, 56 f.) ausgeführt: "§ 30 Absatz 4 setzte für die schwerwiegenden Gründe für die Annahme, dass der Ausländer eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellt, voraus, dass die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Absatz 2 vorlagen oder, dass das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Absatz 1 AufenthG abgesehen hatte. Die Neufassung des § 30 Absatz 1 Nummer 7 entspricht somit der bisherigen Rechtslage." Diese Einschätzung zur Fortgeltung der alten Rechtslage hält der Einzelrichter in der hier maßgeblichen Tatbestandsvariante nicht für zutreffend (vgl. auch Waldvogel, NVwZ 2024, 871 (874)), worauf es vorliegend auch ankommt. Denn der Antragsteller dürfte derzeit weder den Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 AufenthG noch den des § 3 Abs. 2 AufenthG erfüllen.

§ 30 Abs. 4 AsylG a.F. rechtfertigte über den Verweis auf § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 und Satz 3 AufenthG nur im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung und dann, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen war (§ 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 1 AufenthG), eine Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in diesem Sinne gefährden aber keine allgemeinen, sondern vorranging terroristische Straftaten mit Auswirkungen auf die Funktionstüchtigkeit des Staats und seiner Einrichtungen (vgl. BVerwG Beschl. v. 16.1.2018 - 1 VR 12.17 -, juris Rn. 19; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60 Rn. 55). Damit dürfte der Tatbestand des § 30 Abs. 4 AsylG a.F. i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 1 AufenthG dem nun in § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG in Anlehnung an die Asylverfahrensrichtlinie gewählten Begriff der "Gefahr für die nationale Sicherheit" entsprechen. Die hier einzig relevante Tatbestandsvariante der "Gefahr für die öffentliche Ordnung" geht aber über die zuvor in § 30 Abs. 4 AsylG a.F. genannten Ausschlussgründe hinaus. Denn die Vorgängervorschrift verwies hierfür u.a. auf die in § 3 Abs. 2 AsylG genannten, hier nicht einschlägigen Gründe, aus denen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen ist (Begehung von Kriegsverbrechen, schweren Straftaten im Ausland oder Handlungen zuwider den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen). § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG bezieht sich aber nicht mehr auf § 3 Abs. 2 AsylG. Insofern reichen nach dem Wortlaut der Vorschrift auch allgemeine Gefahren für die öffentliche Ordnung aus, um ein Offensichtlichkeitsverdikt zu begründen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, den Anwendungsbereich der öffentlichen Ordnung nach der Neufassung des Gesetzes auf die in § 3 Abs. 2 AsylG genannten Handlungen zu beschränken. Diese Auslegung entspricht auch der Systematik der den §§ 3 und 30 AsylG zugrundeliegenden Richtlinien. Art. 12 der Richtlinie 2011/95/EU (im Folgenden: Qualifikationsrichtlinie) regelt die § 3 Abs. 2 AsylG entsprechenden Voraussetzungen, unter denen ein Ausländer von der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen ist. Den Begriff der öffentlichen Ordnung verwendet die Qualifikationsrichtlinie für die Ausschlussgründe nicht, sie benutzt ihn aber an anderer Stelle (z.B. Art. 23 Abs. 3, 24 und 25 Qualifikationsrichtlinie) in anderem Kontext (Rechtsfolgen des internationalen Schutzes). Zudem liegt auch der Asylverfahrensrichtlinie ersichtlich ein anderes (weiteres) Begriffsverständnis zugrunde. Deren Erwägungsgrund 24 lautet: "Der Begriff ,öffentliche Ordnung' kann unter anderem die Verurteilung wegen der Begehung einer schweren Straftat umfassen." All dies spricht für eine von der vorherigen Bezugnahme auf die Ausschlussgründe des § 3 Abs. 2 AsylG losgelösten Auslegung des Begriffs der öffentlichen Ordnung. Für die von § 30 Abs. 4 AsylG a.F. ebenfalls erfassten Konstellationen des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 und Satz 3 AufenthG gilt nichts anderes. Diese Vorschrift beruht auf Art. 14 Abs. 4 und 5 Qualifikationsrichtlinie, die hierfür ebenfalls andere Voraussetzungen regelt als die Asylverfahrensrichtlinie für die Ablehnung eines Antrags als offensichtlich unbegründet. Insofern ist der Begriffsinhalt des § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG selbstständig zu bestimmen.

Der Tatbestand der Gefahr für die öffentliche Ordnung (§ 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG) ist in Anlehnung an § 53 Abs. 3a AufenthG und § 6 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 FreizügG/EU auszulegen. Nach § 53 Abs. 3a AufenthG darf ein Ausländer, der u.a. als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt, nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden. § 53 Abs. 3a AufenthG dient der Umsetzung von Art. 24 Abs. 1 UA 1 und Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie. Nach § 6 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 FreizügG/EU darf der Verlust des Freizügigkeitsrechts nach dem Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit getroffen werden. Damit wird Art. 28 Abs. 2 der RL 2004/38/EG umgesetzt.

Weder für die Ausweisung eines Flüchtlings noch für den Verlust des Freizügigkeitsrechts ist die polizeirechtliche Bedeutung der öffentlichen Ordnung maßgeblich, sondern allein das unionsrechtliche Begriffsverständnis (vgl. zu § 53 Abs. 3a AufenthG: Thym, Stellungnahme für den Innenausschuss des Deutschen Bundestags, 3.6.2019, Ausschussdrucksache 19(4)286 B, 10; zu § 6 Abs. 1 FreizügG/EU: Nds. OVG, Urt. v. 11.7.2018 - 13 LB 50/17 -, juris Rn. 41 ff.). Dies gilt, weil § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG Unionsrecht umsetzt, auch für diese Norm.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setzt der Begriff der öffentlichen Ordnung jedenfalls voraus, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH Urt. v. 24.6.2015 - C-373/13 -, juris Rn. 77 und 79; Urt. v. 4.10.2012 - C-249/11- , juris Rn. 40). Die Gefahr muss im Falle des § 53 Abs. 3a AufenthG stets von dem Ausländer selbst ausgehen; eine Ausweisung ist nur aus spezialpräventiven, nicht aber aus generalpräventiven Gründen möglich (VG Bremen, Urt. v. 06.3.2023 - 4 K 1959/21 -, juris Rn. 23 ff.; Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 25.10.2023 - 11 B 4/23 -, juris Rn. 34 - 35; Katzer, in: BeckOK MigR, 18. Ed. 15.1.2024, AufenthG § 53 Rn. 89). § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG geht aber über § 53 Abs. 3a AufenthG hinaus. Während die Ausweisung eines Flüchtlings "zwingende" Gründe der öffentlichen Ordnung erfordert, genügen für das Offensichtlichkeitsverdikt in Übereinstimmung mit der Asylverfahrensrichtlinie "schwerwiegende" Gründe für die Annahme, dass der Ausländer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Diese Reduzierung des erforderlichen Schweregrads lässt sich bereits dem Wortlaut entnehmen, denn ein zwingender Grund ist gewichtiger als ein schwerwiegender Grund. Zudem entspricht diese Deutung auch dem abgestuften System des § 6 Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 5 FreizügG/EU (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 5.9.2019 - 13 ME 278/19 -, juris Rn. 10). Solche schwerwiegenden Gründe liegen nicht erst dann vor, wenn Straftaten nach dem Katalog des Art. 83 Abs. 1 UA. 2 AEUV oder ähnlich schwerwiegenden Straftaten begangen worden sind (vgl. Nds. OVG, a.a.O. juris Rn. 10). Jedenfalls Kapitalverbrechen wie Totschlag sind demnach hiervon erfasst. Wenn man die "schwerwiegenden Gründe" in § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG nicht als Qualifikation für die Gefahr, sondern als Maß der Gewissheit entsprechender Annahmen versteht, gilt dies erst recht.

Anders als im Rahmen des § 53 Abs. 3a AufenthG oder von § 6 Abs. 4 FreizügG/EU genügt für § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG die "Annahme" einer Gefahr für die öffentliche Ordnung. Damit lässt sich der Vorschrift entnehmen, dass es insoweit keiner Gewissheit bedarf und im Vergleich zur Ausweisung oder dem Verlust des Freizügigkeitsrechts abgeschwächte Anforderungen an die Tatsachengrundlage verlangt werden. Diese Differenzierung dürfte sich daraus rechtfertigen, dass § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG überwiegend verfahrensrechtliche Folgen hat und zudem einen unbegründeten Asylantrag voraussetzt, während die Ausweisung eines Flüchtlings nach § 53 Abs. 3a AufenthG in dessen materiell-rechtliche Stellung eingreift und zudem gerade Sachverhalte betrifft, in denen ein Schutzbedarf nach § 3 oder § 4 AsylG vorliegt (in diesem Sinne ist wohl Erwägungsgrund 20 Asylverfahrensrichtlinie zu verstehen). Auch im Falle des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU steht den Betroffenen eine starke Rechtsposition (Daueraufenthaltsrecht) zu. Jedenfalls setzt § 30 Abs. 1 Nr. 7 AsylG daher keine rechtskräftige Verurteilung aufgrund einer Straftat voraus. Die Unschuldsvermutung steht der Verwendung von Erkenntnissen aus einem nicht abgeschlossenen Strafverfahren dabei nicht entgegen, weil mit der gefahrenabwehrrechtlich begründeten Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet kein erneuter Schuldvorwurf verbunden ist (vgl. zur Ausweisung OVG Bremen, Beschl. v. 22.8.2023 - 2 LA 2/23 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Bloße Vermutungen genügen aber nicht. Vielmehr legt der Wortlaut der Norm ("schwerwiegende Gründe für die Annahme") nahe, dass es einer hohen Wahrscheinlichkeit bedarf, dass die Tatsachen, auf die sich die Gefahrprognose stützen, zutreffen.

Nach diesem Maßstab liegen schwerwiegende Gründe für die Annahme vor, dass der Antragsteller eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt.

Nicht entschieden werden muss, ob bereits das Vorliegen eines wirksamen Haftbefehls durch den zuständigen Ermittlungsrichter wegen eines hinreichend schweren Tatvorwurfs ausreichend ist und - wie die Antragsgegnerin meint - eine Beweislastumkehr bewirkt. Das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts, also einer hohen Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat, könnte insofern als Überzeugungsmaßstab und als Tatsachengrundlage ausreichen. Im vorliegenden Fall hat der Einzelrichter aber auch bei eigener Bewertung keine ernsthaften Zweifel daran, dass der Antragsteller hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Tat dringend tatverdächtig ist und insofern schwerwiegende Gründe die Gefahrprognose stützen. Die im Haftbefehl vom G.H. 2024 geschilderte Beweislage ist insofern eindeutig. Der Antragsteller wurde von mehreren Zeugen bei der Tat beobachtet und anschließend verfolgt. Nach seiner Flucht, die auf einer Videoaufzeichnung zu sehen sein soll, ist er mit blutverschmierten Kleidungsstücken und mit Blutanhaftungen an den Händen in einem Versteck aufgefunden worden. Zudem kannten sich der Antragsteller und das Opfer. Zu den Vorwürfen hat sich der Antragsteller in diesem Verfahren nicht geäußert.

Die schwerwiegenden Gründe für die Annahme, dass der Antragsteller die geschilderte Straftat begangen hat, genügen im vorliegenden Fall, um ihn aus spezialpräventiven Gründen als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung anzusehen. Angesichts der Schwere der Straftat sind an die drohende Wiederholungsgefahr keine hohen Anforderungen zu stellen. Hier genügt bereits die erst wenige Wochen zurückliegende wahrscheinliche Tatbegehung, um eine fortdauernde Gefahr durch den Antragsteller zu begründen. Der Einzelrichter hat keine ernsthaften Zweifel an der Annahme, dass im Regelfall auch das einmalige Überschreiten der dem menschlichen Normalverhalten innewohnenden Hemmschwelle zur Tötung eines anderen Menschen ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass auch künftig Straftaten drohen. Gründe, die eine positive Prognose rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

d)

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Dies umfasst das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Zwar können in besonderen Ausnahmefällen auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Abschiebungszielstaat ein Abschiebungsverbot begründen. Ein solcher Ausnahmefall ist aber nur gegeben, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 -, juris Rn. 11). Nicht entscheidend ist dabei, ob das Existenzminimum nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Maßstab ist vielmehr, ob der Ausländer nach seiner Rückkehr in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Zu prüfen ist, ob die Beeinträchtigung in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang zu der Rückkehr eintritt, dass bei wertender Betrachtung noch eine Zurechnung zu dieser - in Abgrenzung zu späteren Entwicklungen im Zielstaat oder Verhaltensweisen des Ausländers - gerechtfertigt ist (BVerwG, Urt. v. 21.4.2022 - 1 C 10.21 -, juris Rn. 19 ff.).

Dem Antragsteller droht im Falle einer Abschiebung keine Menschenrechtsverletzung. Er bringt als junger, gesunder und im Irak sozialisierter Mann, der zudem als sunnitischer Kurde in der Region Kurdistan-Irak der Bevölkerungsmehrheit angehört, die grundlegenden Voraussetzungen mit, um auch auf dem angespannten irakischen Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Zwar hat er angegeben, nach dem Angriff des IS nicht mehr gearbeitet zu haben. Gleichwohl ist es ihm nach eigenen Angaben im polnischen Asylverfahren gelungen, 6.000 Euro anzusparen. Soweit er dagegen im deutschen Asylverfahren angegeben hat, 7.500 USD von Freunden und Verwandten bekommen zu haben, würde dies auch bei Wahrunterstellung keine andere Entscheidung rechtfertigen. Denn der Antragsteller verfügt augenscheinlich über ein leistungsfähiges familiäres und freundschaftliches Netzwerk im Irak, auf dessen Unterstützung er bei einer Rückkehr zurückgreifen könnte. Hierzu hat er angegeben, dass seine Eltern auch im Ort E. einen Obst- und Gemüseladen betreiben würden und in einem Miethaus leben. Insofern könnte der Antragsteller im Falle einer Rückkehr bei seinen Eltern unterkommen und würde zweifelsfrei auch über einen absehbaren Zeitraum von ihnen versorgt werden.

Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ersichtlich nicht vor, da der Antragsteller nach eigenen Angaben "kerngesund" ist.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG. Die Kostenentscheidung des ursprünglichen Beschlusses bleibt für den Zeitraum bis zum Beginn des Änderungsverfahrens bestehen, da das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO kein Rechtsmittelverfahren ist, sondern die Fortdauer dieser Entscheidung für die Zukunft zum Gegenstand hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.11.1995 - 13 S 494/95 -, juris Rn. 5; OVG NRW, Beschl. v. 31.3.2020 - 15 B 66/20 -, juris Rn. 40; Gersdorf, in: BeckOK VwGO, 70. Ed. 1.1.2024, VwGO § 80 Rn. 198).