Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.2015, Az.: 14 K 10273/11
Ausübung des Wahlrechts zur Pauschalversteuerung von Zuwendungen bis zum Eintritt der Bestandskraft eines Nachforderungsbescheids über Lohnsteuer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.09.2015
- Aktenzeichen
- 14 K 10273/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 27843
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2015:0924.14K10273.11.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 15.06.2016 - AZ: VI R 54/15
Rechtsgrundlagen
- § 37b Abs. 3 S. 3 EStG
- § 40 EStG
Fundstellen
- BB 2015, 2645
- BBK 2016, 263-264
- EFG 2015, 2226-2229
- EStB 2016, 71
- GStB 2016, 103
- KSR direkt 2015, 12
- KÖSDI 2015, 19592
- LGP 2016, 99
- MBP 2016, 1
Amtlicher Leitsatz
Das Wahlrecht zur Pauschalversteuerung von Zuwendungen nach § 37b EStG ist grundsätzlich bis zum Eintritt der Bestandskraft auszuüben und die einmal getroffene Entscheidung zur Pauschalversteuerung bis zu diesem Zeitpunkt auch widerruflich.
Revision hinsichtlich des Streitjahrs 2008 zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Nachforderungsbescheids über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge, mit dem der Beklagte Aufwendungen der Klägerin nach § 37b EStG nachversteuert hat.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der durch formwechselnde Umwandlung aus der A entstandenen B.
Die Rechtsvorgängerinnen der Klägerin geben regelmäßig monatliche Lohnsteuer-Anmeldungen ab.
Wegen Nicht-Arbeitnehmern im Streitjahr 2008 zugewendeter Wein- und Blumenpräsente wählte die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der - im Januar 2009 eingereichten - Lohnsteuer-Anmeldung Dezember 2008 für das Streitjahr 2008 die Pauschalversteuerung nach § 37b EStG. Sie versteuerte einen Zuwendungsbetrag in Höhe von 870 €, so dass sich 261 € an Lohnsteuer (30 % von 870 €) sowie 14 € an Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer ergaben (5,5 % von 261 €). Die Klägerin unterrichtete, entgegen der Regelung in § 37b Abs. 3 Satz 3 EStG, die Zuwendungsempfänger von der Steuerübernahme nicht.
Diese nach § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehenden Steueranmeldungen wurden bestandskräftig.
Der Beklagte führte im Jahr 2010, die Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume Januar 2005 bis Dezember 2009 betreffend, bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Für die Kalenderjahre 2005 und 2009 kam es zu keinen Feststellungen, so dass sich die Klage nur gegen Feststellungen hinsichtlich der Streitjahre 2006 bis 2008 richtet. Dabei griff die Prüferin folgende Sachverhalte auf:
- Die Klägerin gewährte in den Streitjahren 2007 und 2008, hinsichtlich des Streitjahrs 2008 über die bisher schon unter Anwendung des § 37b EStG versteuerten Zuwendungen hinaus, an eine Vielzahl von Nicht-Arbeitnehmern Sachzuwendungen in Form von Wein- und Blumenpräsenten. Die Aufwendungen für diese Zuwendungen, die z.T. nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG wegen des Überschreitens der 35 €-Freigrenze nicht zum Betriebsausgabenabzug berechtigten, betrugen im Streitjahr 2007 5.812,67 € und im Streitjahr 2008 6.512,56 € (Weinpräsente).
Der Beklagte versteuerte diese Beträge nach § 37b EStG nach, wobei er in die Nachversteuerung auch die auf die Sachzuwendungen entfallenden Versand- und Verpackungskosten einbezog.
- In den Streitjahren 2006 bis 2008 hatte die Klägerin mit einem Eishockey-Team Werbeverträge abgeschlossen.
Laut Werbevertrag Saison 2006/07 zahlte die Klägerin für Werbung, 4 VIP-Karten und Parkausweise einen Gesamtpreis von 29.000 € brutto.
Laut Werbevertrag Saison 2007/08 zahlte die Klägerin für Werbung, 4 VIP-Karten, Parkausweise und 10 "normale" Karten (Preiskategorie 2) einen Gesamtpreis von 29.750 € brutto.
Laut Werbevertrag Saison 2008/09 zahlte die Klägerin für 5 VIP-Karten, 25 "normale" Karten (Preiskategorie 2, Einzelpreis/Karte 6 € netto, mithin 7,14 € brutto), das Tragen von Jubeltrikots und Bandenwerbung (5 Meter) einen Gesamtpreis von 30.000 € netto/35.700 € brutto, wobei die Rechnung einen Einzelausweis in folgender Weise erhielt:
5 VIP-Karten inkl. Parkausweis | 8.400 € netto (9.996 € brutto) |
---|---|
25 "normale" Karten | 8.400 € netto (9.996 € brutto) |
Tragen von Jubeltrikot/Bandenwerbung | 13.200 € netto (15.708 € brutto) |
30.000 € netto (35.700 € brutto) |
Bei VIP-Karteninhabern waren Speisen und Getränke im Leistungsumfang enthalten.
Der Beklagte ging, der Prüferin folgend, davon aus, dass für die Streitjahre 2006 und 2007 mangels gesonderten Ausweises der einzelnen Komponenten der Werbeverträge eine Aufteilung des Gesamtpreises auf die Bereiche Werbung, Bewirtung und Geschenke nach dem sog. VIP-Logen-Erlass (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BdF-Schreiben) vom 22. August 2005 IV B 2 - S 2144 - 41/05, BStBl I 2005, 845) vorzunehmen sei. Danach sei der Gesamtpreis wie folgt aufzuteilen und zuzuordnen:
40 % des Gesamtbetrags entfällt auf Werbung
30 % des Gesamtbetrags entfällt auf Bewirtung
30 % des Gesamtbetrags entfällt auf Geschenke
Nach § 37b EStG nachversteuert wurde nur der auf die Geschenke entfallende Anteil des Gesamtbetrags, mithin 30 % von 29.000 € = 8.700 € im Streitjahr 2006 und 30 % von 29.750 € = 8.925 € im Streitjahr 2007.
Im Einzelnen ergaben sich daraus folgende Nachforderungsbeträge:
Jahr | steuerpflichtig | Lohnsteuer | SolZ z LSt |
---|---|---|---|
2006 | 8.700,00 € | 2.610,00 € | 143,55 € |
2007 | 8.925,00 € | 2.677,50 € | 147,26 € |
2008 | 9.996,00 € | 2.998,80 € | 164,93 € |
- Im Streitjahr 2007 schloss die Klägerin für eine Motorsportveranstaltung einen Werbevertrag ab und erhielt dafür eine Rechnung über einen Betrag in Höhe von 14.018 € netto/16.681,42 € brutto. Der Beklagte versteuerte zunächst die volle Summe nach dem VIP-Logen-Erlass mit einem Geschenkanteil in Höhe von 30 % der Gesamtaufwendungen nach § 37b EStG, legte dabei aber nur den Nettobetrag zugrunde, so dass sich 4.205,40 € als Zuwendung i.S.d. § 37b EStG ergaben, was zu einer Festsetzung an Lohnsteuer in Höhe von 1.261,62 € (30 % von 4.205,40 €) und an Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer in Höhe von 69,38 € führte.
Während der Lohnsteuer-Außenprüfung traten auf Seiten der B Frau X und Herr Y auf. Herrn Y war ausweislich des Handelsregisters Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer erteilt.
Die Lohnsteuer-Außenprüferin ging davon aus, B wolle, wie für das Streitjahr 2008, auch für die Streitjahre 2006 und 2007 von der Anwendung des § 37b EStG Gebrauch machen, also das Wahlrecht zugunsten einer Anwendung des § 37b EStG ausüben und die Steuer übernehmen. Für das Streitjahr 2008 erstrecke sich die bereits von B gewählte Anwendung des § 37b EStG auf sämtliche Zuwendungen dieses Jahres, also auch auf die bisher unversteuert gebliebenen Weinpräsente.
Eine Schlussbesprechung fand nicht statt, weil sich aufgrund mehrerer Telefonate der Lohnsteuer-Außenprüferin mit der zuständigen Mitarbeiterin in der Steuerabteilung der Klägerin abzeichnete, dass die Prüfungsfeststellungen in einigen Punkten - insbesondere rechtlich - streitig bleiben würden, woran auch eine Schlussbesprechung nichts würde ändern können. Eine Klärung könne allenfalls im Rechtsbehelfsverfahren erreicht werden.
Mit dem Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 20. Juli 2010 setzte der Beklagte Pauschalsteuer nach § 37b EStG in Höhe von 13.245,48 € an Lohnsteuer und 728,47 € an Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer fest. Er gab den Bescheid an B bekannt und verwies zur Begründung auf den dem Bescheid beigefügten Prüfungsbericht vom 6. Juli 2010.
Die Klägerin legte Einspruch ein.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erging der Änderungsbescheid vom 21. Juni 2011. Grund für die Änderung war eine Änderung in der Nachversteuerung des Geschenkanteils der Motorsportveranstaltung. Die Klägerin hatte nachgewiesen, einen Teilrechnungsbetrag in Höhe von 9.345 € netto/11.120,55 € brutto an ein verbundenes Unternehmen weiterbelastet und nur den Restbetrag in Höhe von 4.583 € netto/5.453,77 € brutto selbst aufgewendet zu haben.
Diesen "Restbetrag" in Höhe von 4.583 € netto + 19 % = 5.453,77 € brutto versteuerte der Beklagte - rechnerisch nicht zutreffend - mit 5.560,87 € brutto nach dem VIP-Logen-Erlass mit einem Geschenkanteil in Höhe von 30 % der Gesamtaufwendungen nach § 37b EStG, mithin ergaben sich 500,47 € (30 % von 1.668,26 €) an Lohnsteuer und 27,52 € (5,5 % von 500,47 €) an Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer.
Dieser Bescheid wurde nach § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
Durch Teil-Einspruchsbescheid vom 21. Juni 2011, also vom selben Tag wie der Änderungsbescheid, wies der Beklagte, soweit er dadurch über den Einspruch entschied, den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Nicht entschieden hatte der Beklagte über die Frage der Pauschalierung nach § 37b EStG von Zuwendungen an ausländische Empfänger.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin wendet sich in mehreren Punkten gegen den angefochtenen Bescheid. So sei die Anwendung des § 37b EStG für das Streitjahr 2006, also in Bezug auf die Sponsoringkosten des Eishockey-Teams, nicht zulässig, da die Vorschrift erst ab dem Jahr 2007 gelte. Für das Jahr 2006 fehle also dem Bescheid insoweit schon die Rechtsgrundlage. Mangels Pauschalversteuerung nach § 37b EStG, bei der die Pauschalsteuer als Lohnsteuer gelte, sei für das Streitjahr 2006 die Zuständigkeit der Lohnsteuer-Außenprüfung nicht gegeben gewesen. Die Klägerin habe zudem zu keiner Zeit für das Streitjahr 2006 ihr Wahlrecht dahingehend ausgeübt, für Zuwendungen die Pauschalversteuerung nach § 37b EStG anzuwenden und die Steuer zu übernehmen. Hilfsweise, also für den Fall, dass eine Pauschalversteuerung stattfinde, sei die Bemessungsgrundlage mit 1.950 € brutto anzusetzen, weil eine Umrechnung der Kosten auf 4 VIP-Karten erfolgen müsse und zu berücksichtigen sei, dass 50 % der Kosten auf eigene Arbeitnehmer entfielen und nur die verbleibenden 50 % der Kosten auf Zuwendungen an Geschäftsfreunde entfielen.
Auch für das Streitjahr 2007 habe die Klägerin ihr Wahlrecht nicht dahingehend ausgeübt, für Zuwendungen die Pauschalversteuerung nach § 37b EStG anzuwenden und die Steuer zu übernehmen, so dass eine Pauschalversteuerung schon aus diesem Grund nicht in Betracht komme.
Die im Prüfungsbericht genannten Personen, Frau X und Herr Y seien Personal in der Buchhaltung der B und nicht befugt gewesen, das Wahlrecht zur Anwendung des § 37b EStG auszuüben. Sie hätten das Wahlrecht auch nicht ausgeübt, also nicht die Anwendung des § 37b EStG gewählt. Weiterhin sei, für den Fall der Wahlrechtsübung, die Lohnsteuer-Außenprüferin auf Seiten des Beklagten nicht befugt gewesen, diese Erklärung entgegenzunehmen. Hier seien die für eine tatsächliche Verständigung geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden. Mithin hätte es für die Wirksamkeit der Wahlrechtsausübung der Beteiligung des Vorstehers oder eines zuständigen Sachgebietsleiters bedurft, was nicht geschehen sei. Hilfsweise werde, wie schon für das Streitjahr 2006, geltend gemacht, die Bemessungsgrundlage für die Pauschalversteuerung dürfe nur den auf die VIP-Karten entfallenden Anteil der Gesamtkosten umfassen, mithin 4.000 €, wobei diese Kosten hälftig jeweils auf Arbeitnehmer und Geschäftsfreunde entfielen, so dass allenfalls der auf die Geschäftsfreunde entfallende Anteil in Höhe von 2.000 € brutto als Zuwendung nach § 37b EStG zu versteuern sei. Soweit die Kosten auf die Arbeitnehmer entfielen, müsse eine Versteuerung unterbleiben, weil den Arbeitnehmern nichts zugewendet worden sei. Die Teilnahme der Arbeitnehmer habe nämlich im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitsgebers stattgefunden. Ebenfalls hilfsweise, also für den Fall, dass eine Pauschalversteuerung vorzunehmen sei, seien auch die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Sponsoring der Motorsportveranstaltung aus der Bemessungsgrundlage auszunehmen. Bei diesen Zuwendungen an Geschäftsfreunde habe es sich um 4 Einzelkarten gehandelt, also um Geschenke im Wert von mehr als 35 €, bei denen ein Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen gewesen sei. Zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung dürfe bei Zuwendungen, die vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen seien, entgegen der Verwaltungsauffassung, eine Pauschalversteuerung nach § 37b EStG nicht stattfinden, was auch in Schmidt/Loschelder EStG § 37b Rz 9 so vertreten werde. Weiterhin hilfsweise werde geltend gemacht, die Bemessungsgrundlage im Bereich der Geschenke an Geschäftsfreunde insoweit zu ermäßigen, als der Beklagte die Versand- und Verpackungskosten in die Pauschalversteuerung einbezogen habe, mithin Kosten in Höhe von 947,82 €. Wie im Bereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG fielen auch bei Anwendung des § 37b EStG "echte" Verpackungs- und Versandkosten nicht unter den Begriff "Geschenk". Außerdem ergebe sich auch hier eine Übermaßbesteuerung, wenn die Geschenke über 35 € (Geschenke in Höhe von 1.868,74 € und Weinpräsente in Höhe von 2.546,28 €) in die Bemessungsgrundlage einbezogen würden. Anzusetzen seien also allenfalls die Geschenke im Wert bis 35 €, mithin ein Betrag in Höhe von 84,96 €.
Für das Streitjahr 2008 habe die Klägerin zwar im Lohnsteuer-Anmeldungsverfahren ihr Wahlrecht zur Anwendung des § 37b EStG ausgeübt und sich zur Übernahme der Steuer bereit erklärt. Nunmehr nehme sie die Entscheidung zur Anwendung des § 37b EStG jedoch ausdrücklich zurück. Denn der Beklagte gehe von einer unzutreffend zu hohen Bemessungsgrundlage für die Pauschalversteuerung aus. So seien, wie in den anderen Streitjahren, nur die auf die VIP-Karten entfallenden Kosten in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Dabei sei zu beachten, dass im Preis für die VIP-Karten umfangreiche Bewirtungsleistungen enthalten seien, was eine (nochmalige) Aufteilung erforderlich mache. Nur die Hälfte der auf die VIP-Karten entfallenden Kosten seien als Geschenk zu beurteilen und in die Pauschalversteuerung einzubeziehen, soweit Geschäftsfreunde Empfänger der VIP-Karten gewesen seien. Mithin sei der Gesamtbetrag in Höhe von 4.998 € brutto hälftig auf Arbeitnehmer und Geschäftsfreude aufzuteilen, und nur der auf die Geschäftsfreunde entfallende Anteil in Höhe von 2.499 € brutto als Zuwendung nach § 37b EStG zu versteuern. Soweit die Kosten auf die Arbeitnehmer entfielen, müsse eine Versteuerung unterbleiben, weil den Arbeitnehmern nichts zugewendet worden sei. Die Teilnahme der Arbeitnehmer habe nämlich im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitsgebers stattgefunden. Wie schon für das Streitjahr 2007 geltend gemacht, sei die Bemessungsgrundlage im Bereich der Geschenke an Geschäftsfreunde insoweit zu ermäßigen, als der Beklagte die Versand- und Verpackungskosten in die Pauschalversteuerung einbezogen habe, mithin Kosten in Höhe von 90,16 € + 1.482,90 € = 1.573,06 €. Wie im Bereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG fielen auch bei Anwendung des § 37b EStG "echte" Versand- und Verpackungskosten nicht unter den Begriff "Geschenk". Außerdem ergebe sich auch hier eine Übermaßbesteuerung, wenn die Geschenke über 35 €, nämlich die Weinpräsente in Höhe von 1.690,50 €, in die Bemessungsgrundlage einbezogen würden. Anzusetzen seien also nur die Weinpräsente im Wert bis 35 € an inländische Empfänger ohne Versand- und Verpackungskosten, mithin ein Betrag in Höhe von 3.207,30 €.
Zusammenfassend geht die Klägerin für den Fall der Pauschalversteuerung von folgender Bemessungsgrundlage nach § 37b EStG aus:
Sachverhalt | Jahr | Bemessungsgrundlage |
---|---|---|
Sponsoring Hannover Scorpions | 2006 | 0,00 € |
Sponsoring Hannover Scorpions | 2007 | 0,00 € |
Sponsoring Hannover Scorpions | 2008 | 2.499,00 € |
Sponsoring Motorrennen | 2007 | 0,00 € |
Geschenke Geschäftsfreunde | 2007 | 0,00 € |
Geschenke Geschäftsfreunde | 2008 | 3.207,30 € |
Gesamtbemessungsgrundlage | 5.706,30 € | |
Lohnsteuer | 5.706,30 € x 30 % | = 1.711,89 € |
Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer | 1.711,89 € x 5,5 % | = 94,15 € |
Die Klägerin beantragt,
die Nachforderungsbescheide über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge sowie von der Lohnsteuer abzusetzende Beträge für die Zeit vom Januar 2005 bis Dezember 2009 vom 20. Juli 2010 und 21. Juni 2011 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung, ebenfalls vom 21. Juni 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest und verweist zunächst auf seine Ausführungen im Teil-Einspruchsbescheid. Im Übrigen räumt der Beklagte ein, für das Streitjahr 2006, in dem die Vorschrift des § 37b EStG noch nicht unmittelbar gegolten habe, seien gemäß dem sog. VIP-Logen-Erlass nur aus Vereinfachungsgründen die Regelungen des § 37b EStG entsprechend anzuwenden. Dieses Verfahren habe die Prüferin während der Lohnsteuer-Außenprüfung mit den für B auftretenden Personen abgesprochen. Diese Personen seien damit einverstanden gewesen, dass die Lohnsteuer-Außenprüfung dies umsetze, da es ansonsten zu Gewinnerhöhungen im Rahmen der gleichzeitig durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung (FAfGBp) durchgeführten gewerblichen Prüfung gekommen wäre. Die Klägerin habe zudem keinerlei Auflistungen über diejenigen Geschäftsfreunde vorgelegt, die Zuwendungen von ihr erhalten haben. Die Wahlrechtsausübung nach § 37b EStG sei weder eine verbindliche Zusage noch eine tatsächliche Verständigung, so dass die Lohnsteuer-Außenprüferin derartige Erklärungen habe entgegennehmen dürfen. Für das Streitjahr 2006 sei der Klägerin darin zuzustimmen, dass der Arbeitnehmeranteil, mithin 50 % der bisher angesetzten 8.700 € = 4.350 €, nicht der Pauschalierung nach § 37b EStG in entsprechender Anwendung zu unterwerfen sei, was eine Herabsetzung der Nachforderungsbeträge um 1.305 € an Lohnsteuer und um 71,78 € an Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer zur Folge habe. Auch für das Streitjahr 2008 könne dem Klagebegehren der Klägerin teilweise abgeholfen werden. So sei der bisher wegen der VIP-Karten angesetzte Betrag in Höhe von 8.400 € netto (nochmals) aufzuteilen und nur zu 50 %, mithin mit einem Betrag in Höhe von 4.200 € netto, nach § 37b EStG nachzuversteuern, weil die übrigen 50 % auf Bewirtung entfielen. Der Nachforderungsbetrag vermindere sich dadurch um 8.400 € + 19 % Umsatzsteuer = 9.996 € brutto x 50 % = 4.998 € x 30 % = 1.499,40 € an Lohnsteuer und 82,47 € an Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer. Eine nochmalige Halbierung in der Weise, die Kosten auf Arbeitnehmer und Geschäftsfreunde aufzuteilen und nur den auf die Geschäftsfreunde entfallenden Teil anzusetzen, komme hingegen nicht in Betracht. Ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Teilnahme der Arbeitnehmer sei weder dargelegt noch bewiesen. Wenn die Klägerin nunmehr für das Streitjahr 2008 ihre im Lohnsteuer-Anmeldungsverfahren getroffene Entscheidung zur Anwendung des § 37b EStG zurücknehmen wolle, so sei dies nach der Verwaltungsauffassung nicht möglich.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
1. Der Senat geht davon aus, dass die Kirchensteuer nicht Gegenstand des Verfahrens ist. In Kirchensteuerangelegenheiten ist der Finanzrechtsweg in Niedersachsen nicht eröffnet (§ 10 Abs. 2 Kirchensteuerrahmengesetz). Darauf ist die Klägerin vorab durch Richterbrief vom 17. September 2015 hingewiesen worden. Sie hat dem nicht widersprochen.
Der von der Verwaltung herausgegebene VIP-Logen-Erlass (BdF-Schreiben vom 22. August 2005 IV B 2 - S 2144 - 41/05, BStBl I 2005, 845) kann weder ohne Rechtsgrundlage allgemein verbindliche Regelungen schaffen noch kann er selbst Rechtsgrundlage sein (so auch Schmidt/Loschelder EStG § 37b Rz 1).
2. a. Für das Streitjahr 2006 fehlt es dem angefochtenen Bescheid schon an einer gesetzlich verankerten Rechtsgrundlage. Denn die Vorschrift des § 37b EStG gilt erst ab dem 1. Januar 2007.
Im VIP-Logen-Erlass, insbesondere dort unter Rdnr. 16 und 18, sind "Vereinfachungsregelungen" im Hinblick auf die Besteuerung von Geschenken an Arbeitnehmer und Geschäftsfreunde formuliert. Im Falle von Geschäftsfreunden soll es dem Zuwendenden möglich sein, durch "zusätzlich der Besteuerung unterworfene 60 %" eine Abgeltungswirkung für die Besteuerung beim Zuwendungsempfänger zu erreichen. Im Falle von Arbeitnehmern als Zuwendungsempfängern soll die für Geschäftsfreunde geregelte Abgeltungswirkung entsprechend geltend, wenn der Arbeitgeber einen Pauschsteuersatz in Höhe von 30 % übernimmt. Da es für beide Fallgruppen für diese Abgeltungswirkung keine gesetzliche Grundlage gibt, bieten diese Regelungen bei rechtlichen Auseinandersetzungen weder für den Zuwendenden noch für den Zuwendungsempfänger eine Vereinfachung. Ebenso besteht keine Rechtssicherheit.
Dies erkannte die Verwaltung letztlich selbst, als sich im Jahr 2006 durch die Fußball-Weltmeisterschaft die Anzahl der Fälle, auf die der VIP-Logen-Erlass Anwendung finden konnte, stark erhöhte. Dies ließ es notwendig erscheinen, eine gesetzliche Regelung herbeizuführen.
Ab dem Jahr 2007 ermöglichte dann der § 37b EStG die Übernahme der Steuer durch den Zuwendenden. Die beiden Fallgruppen blieben erhalten.
So können nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG Steuerpflichtige die Einkommensteuer einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden (Nr. 1 der Vorschrift), und Geschenke im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nummer 1 (Nr. 2 der Vorschrift), die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erheben. Nach § 37b Abs. 2 Satz 1 EStG gilt Absatz 1 auch für betriebliche Zuwendungen an Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen, soweit sie nicht in Geld bestehen und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.
Durch die Anwendung des § 37b EStG und die Übernahme der Steuer durch den Zuwendenden tritt also eine abgeltende Wirkung ein, durch die die (nochmalige) Versteuerung der Zuwendung beim Zuwendungsempfänger entfällt. Damit lässt sich insbesondere das praktische Problem beseitigen, dass der Zuwendungsempfänger oft nicht weiß, was der Zuwendende für die Zuwendung aufgewendet hat, in welcher Höhe er also ggf. einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil erhalten hat. Nach § 37b Abs. 3 Satz 3 EStG hat der Steuerpflichtige, also der Zuwendende, allerdings den Empfänger von der Steuerübernahme zu unterrichten, wobei nicht geregelt ist, welche Folgen es hat, wenn der Zuwendende dies, wie im Streitfall für das Streitjahr 2008, nicht tut.
b. Für die Streitjahre 2006 und 2007 lässt sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalls keine Wahlausübung der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgängerinnen zur Anwendung des § 37b EStG bzw. des VIP-Logen-Erlasses feststellen. So hat H in diesen Streitjahren im Lohnsteuer-Anmeldungsverfahren keinen Gebrauch von der Pauschalierung gemacht, obwohl sie pauschalierungsfähige Zuwendungen erbracht hatte.
Zwar ist die Lohnsteuer-Außenprüferin in ihrem Prüfungsbericht vom 6. Juli 2010 davon ausgegangen, die Rechtsvorgängerin der Klägerin B habe während der Lohnsteuer-Außenprüfung die Pauschalierung nach § 37b EStG "beantragt", so dass die Nachversteuerung "antragsgemäß" durch Nachforderungsbescheid erfolge. Nicht dokumentiert ist allerdings, wer wann die Pauschalierung gewählt haben soll. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen. Denn wegen der durch die Pauschalierung eintretenden Rechtsfolgen, insbesondere die Übernahme der Pauschalsteuer mit abgeltender Wirkung für den Zuwendungsempfänger, muss die Ausübung des Wahlrechts in diesem Sinne eindeutig feststehen und festzustellen sein.
Das Wahlrecht muss der Steuerpflichtige ausüben. Im Streitfall, in dem sowohl B als auch die Klägerin juristische Personen sind, ist dieses Wahlrecht grundsätzlich durch eine entsprechend vertretungsberechtigte Person auszuüben, also im Regelfall durch die Geschäftsführung bzw. der Vorstand.
Die Wahlrechtsausübung wird in Anlehnung an die Formulierung in § 40 Abs. 1 EStG auch für andere Fälle der Pauschalierung wie den § 37b EStG z.T. als "Pauschalierungsantrag" bezeichnet (so z.B. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 31. Mai 2012 11 K 507/10, EFG 2012, 2015).
Der Antrag als Willenserklärung ist Verfahrensvoraussetzung für die Pauschalierung (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21. September 1990 VI R 97/86, BFHE 161, 557, BStBl II 1991, 262 [BFH 21.09.1990 - VI R 97/86]; vom 7. Februar 2002 VI R 80/00, BFHE 197, 554, BStBl II 2002, 438 [BFH 07.02.2002 - VI R 80/00]). Mit dem Pauschalierungsantrag ist zwar als Rechtsfolge nach § 40 Abs. 3 Satz 1 EStG, der nach § 37b Abs. 3 Satz 2 EStG entsprechend für die Anwendung des § 37b EStG gilt, die Übernahme der sich aufgrund der Lohnsteuer-Außenprüfung ergebenden Steuerschuld verbunden. Der Steuerpflichtige ist durch die beantragte Pauschalierung aber nicht daran gehindert, im Einspruchsverfahren und in einem daran anschließenden finanzgerichtlichen Verfahren seine abweichende Rechtsauffassung hinsichtlich einzelner - seiner Meinung nach zu Unrecht - der Pauschalierung unterworfener Tatbestände weiter zu verfolgen (BFH-Urteil vom 10. Oktober 2002 VI R 13/01, BFHE 200, 363, BStBl II 2003, 156 [BFH 10.10.2002 - VI R 13/01]). Durch diese Einwendungen wird der Pauschalierungsantrag also weder bedingt oder eingeschränkt.
Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass während der Lohnsteuer-Außenprüfung auf Seiten der damals noch existierenden B keine Personen aufgetreten sind, die für die B allein aufgrund ihrer (Organ-)Stellung vertretungsberechtigt gewesen wären. Zwar war der in der Buchhaltung beschäftigte Herr Y Prokurist der B, ihm war allerdings ausweislich des Handelsregisters nur Gesamtprokura gemeinsam mit einem Geschäftsführer erteilt. Ein Geschäftsführer hat jedoch zu keiner Zeit bei der Lohnsteuer-Außenprüfung mitgewirkt.
Allerdings ist in Bezug auf die Vertretung des Arbeitgebers gegenüber der Finanzbehörde im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung in der Rechtsprechung anerkannt, dass die herkömmlichen Rechtsscheinsgrundsätze eingreifen, wonach als Bevollmächtigter auch derjenige gilt, der ohne Vollmacht gegenüber den Finanzbehörden wie ein Bevollmächtigter auftritt, wenn der von ihm durch sein Auftreten erzeugte Rechtsschein der Bevollmächtigung dem Vertretenen zurechenbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Februar 1997 X B 146/96, BFH/NV 1997, 542; BFH-Urteil vom 28. Januar 1976 IV R 168/73, BFHE 118, 49, 54, BStBl II 1976, 344 [BFH 28.01.1976 - IV R 168/73]). Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln eines angeblichen Vertreters nicht bzw. nicht nachgewiesenermaßen kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn ferner der "Geschäftsgegner" nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene billige das Handeln seines Vertreters (BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120 [BFH 25.09.1990 - IX R 84/88], [BFH 25.09.1990 - IX R 84/88] unter B. IV. 1.).
Da jedoch schon nicht feststeht, dass die in der Buchhaltung der B tätigen Frau X oder Herr Y oder die in der Steuerabteilung der Klägerin tätige Sachbearbeiterin die Anwendung des § 37b EStG für die Streitjahre 2006 und 2007 gewählt bzw. beantragt haben, kommt es auf die Frage, ob diese Wahl bzw. der Antrag im Wege der Anscheinsvollmacht mit Bindungswirkung für die Klägerin erfolgte, nicht an.
Ferner hat nicht etwa erst das Gericht, sondern schon die Klägerin die Frage nach dem Pauschalierungsantrag aufgeworfen. Damit hat sie frühzeitig, nämlich schon in ihrer Einspruchsbegründung vom 2. September 2010 erkennen lassen, mit dem Pauschalierungsverfahren, insbesondere für das Streitjahr 2007, nicht einverstanden gewesen zu sein.
Nach alledem kann auch dahin stehen, ob hinsichtlich des Streitjahrs 2006 die Lohnsteuer-Außenprüfung überhaupt zuständig gewesen wäre.
c. Wegen der wirksamen Rücknahme der ursprünglich gewählten Anwendung des § 37b EStG ist hinsichtlich des Streitjahrs 2008 der Nachforderungsbescheid ebenfalls rechtswidrig (geworden).
Für das Streitjahr 2008 hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Lohnsteuer-Anmeldungsverfahren die Anwendung des § 37b EStG gewählt und sich zur Übernahme der Pauschalsteuer bereit erklärt.
Nach der Verwaltungsauffassung (BdF-Schreiben vom 19. Mai 2015 IV C 6-S 2297-b/14/10001, BStBl I 2015, 468, dort unter II. 1.) ist das Wahlrecht zur Anwendung der Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten Zuwendungen, mit Ausnahme der die Höchstbeträge nach § 37b Abs. 1 Satz 3 EStG übersteigenden Zuwendungen, auszuüben. Danach soll es allenfalls zulässig sein, § 37b EStG für Zuwendungen an Dritte (Absatz 1) und an eigene Arbeitnehmer (Absatz 2) jeweils gesondert anzuwenden.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte die Pauschalversteuerung nach § 37b EStG im Lohnsteuer-Anmeldungsverfahren nur für Zuwendungen an Nicht-Arbeitnehmer angewendet. Da, wie bereits zu den Streitjahren 2006 und 2007 ausgeführt, auch für das Streitjahr 2008 eine weitergehende, also eine sich auch auf die Zuwendungen an Arbeitnehmer erstreckende, Wahlrechtsausübung während der Lohnsteuer-Außenprüfung nicht feststellbar ist, wäre die Klägerin schon nach der Verwaltungsauffassung insoweit nicht ohne Weiteres an der Pauschalversteuerung nach § 37b EStG festzuhalten.
Ob die Ausübung des Wahlrechts auf Pauschalversteuerung nach § 37b EStG im Sinne der genannten Verwaltungsauffassung nach Zuwendungen an Arbeitnehmer und Nicht-Arbeitnehmer zu differenzieren ist, ist umstritten, im Streitfall jedoch nicht entscheidungserheblich. Denn die Klägerin hat ihre Entscheidung zur Anwendung des § 37b EStG (spätestens) in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Die Frage, ob und ggf. wann und wie die Entscheidung zur Anwendung des § 37b EStG zurückgenommen werden kann, also ein Widerruf eines "Pauschalierungsantrags" nach § 37b EStG wirksam vom Zuwendenden erklärt werden kann, ist ebenfalls umstritten und bislang höchstrichterlich nicht geklärt.
In der Literatur wird diese Widerrufsmöglichkeit - zum Teil unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen - bejaht (Schmidt/Loschelder, EStG § 37b Rz 13; Ettlich in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 37b Rz. 32; Stickan in Littmann Bitz Pust EStG § 37b Rn. 74; Urban, DStZ 2008, 309).
Die Verwaltungsauffassung (BdF-Schreiben vom 19. Mai 2015 IV C 6-S 2297-b/14/10001, BStBl I 2015, 468, dort unter II. 1, Rdnr. 4) und Teile der Literatur lehnen dies ab. Im Hinblick auf die Auswirkungen der Pauschalierung auf Seiten des Zuwendungsempfängers (Abgeltungswirkung durch die Pauschalsteuer) sei zum Schutz von dessen Rechtsposition sowie aus Gründen der Rechtssicherheit ein Widerruf nicht zuzulassen (Graw in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37b Rz. B 64; im Ergebnis ebenso auch Eisgruber in Kirchhof, EStG, § 37b Rz. 27; Steine in Lademann EStG § 37b Anm. 37, Hartmann, DStR 2008, 1419 Rz. 5; Niermann, DB 2006, 2307). In der Rechtsprechung des BFH wurde bisher zur Widerruflichkeit des möglicherweise vergleichbaren Pauschalierungsantrags nach § 40 EStG keine einheitliche Meinung vertreten (für einen Widerruf bis zur Wirksamkeit des Pauschalierungsbescheides BFH-Urt. v. 5. März 1993 VI R 79/91, BStBl. II 1993, 692; für einen Widerruf bis zur Unanfechtbarkeit BFH-Urt. v. 5. November 1982 VI R 219/80, BStBl. II 1983, 91; vgl. auch Urteil vom 3. Mai 1990 VII R 108/88, BStBl. II 1990, 767; Urteil vom 21. September 1990 VI R 97/86, BStBl. II 1991, 262). Die Rücknahme des Pauschalierungsantrags nach § 40 EStG findet in der Literatur ebenfalls Zustimmung (z.B. Heuermann, DB 1994, 2414; vgl. auch Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG § 40 EStG Rz. 15).
In der Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz (JStG) 2007 wird ein Widerruf der Wahlrechtsausübung zur Anwendung des § 37b EStG ebenfalls unter Verweis auf den Rechtsschutz des unterrichteten Empfängers abgelehnt (BT-Drucks. 16/2712, 55).
Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung an, die Entscheidung zur Anwendung des § 37b EStG sei widerruflich, und zwar bis zur Bestandskraft der Festsetzung der Pauschalsteuer. Damit war es im Streitfall der Klägerin möglich, noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung diesen Widerruf zu erklären. Dies hat sie getan.
Für die Ausübung des Wahlrechts zur Anwendung des § 37b EStG sieht das Gesetz keine Frist vor und enthält auch keine Vorschrift über eine Bindung an die einmal getroffene Wahl. Soweit die Wahl nach der Gesetzesbegründung unwiderruflich sein soll, hat dies im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden (so auch Ettlich in Blümich § 37b Rz. 32). Damit ist die Ausübung des Wahlrechts nach § 37b EStG in gleicher Weise möglich wie in den Fällen anderer steuerlicher Wahlrechte. So entspricht es z.B. für die Wahlrechtsausübung zur Ehegattenveranlagung ständiger Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil vom 28. August 1981 VI R 139/78 (BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156 [BFH 28.08.1981 - VI R 139/78]), dass das Wahlrecht bis zur Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung immer wieder neu ausgeübt werden kann.
Eine Bindungswirkung lässt sich insbesondere nicht der Vorschrift des § 37b Abs. 3 Satz 3 EStG entnehmen, nach der der Steuerpflichtige den Empfänger von der Steuerübernahme zu unterrichten hat. Denn bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine reine Ordnungsvorschrift ohne Sanktionscharakter (so auch Ettlich in Blümich § 37b Rz. 91). So ist allgemein anerkannt, dass es für die Anwendung des § 37b EStG nicht darauf ankommt, ob der Zuwendende den Zuwendungsempfänger unterrichtet hat oder nicht. So ist es im Streitfall ohne Belang, dass die Klägerin die Zuwendungsempfänger bislang nicht unterrichtet hatte.
Fraglich könnte allenfalls sein, ob im Falle des Widerrufs der Zuwendende entsprechend der Vorschrift des § 37b Abs. 3 Satz 3 EStG verpflichtet ist, quasi als actus contrarius, den bereits von der Pauschalierung unterrichteten Zuwendungsempfänger nunmehr vom Widerruf der Pauschalierung zu unterrichten (so Schmidt/Loschelder EStG § 37b Rz. 14). Denn es könnte problematisch sein, wenn der Zuwendungsempfänger in dem Glauben gelassen wird, er habe steuerlich nichts zu veranlassen, weil er wegen der Mitteilung des Zuwendenden auf die Abgeltungswirkung des § 37b EStG vertrauen kann. Im Streitfall hat die Klägerin jedoch schon deshalb nichts zu veranlassen, weil sie bisher die Zuwendungsempfänger nicht von der Pauschalierung unterrichtet hatte.
Mangels Unterrichtung der Zuwendungsempfänger im Streitfall besteht auch kein Bedarf, die Klägerin an der bisherigen Pauschalierung festzuhalten, weil die Zuwendungsempfänger ohne eine entsprechende Mitteilung kein Rechtsschutzbedürfnis haben (so auch Stickan in Littmann Bitz Pust EStG § 37b Rn. 74).
Der erkennende Senat hält es auch nicht für gerechtfertigt, zum Schutz der Rechtsposition des Zuwendungsempfängers oder aus Gründen der Rechtssicherheit einen Widerruf generell nicht zuzulassen. Wie ausgeführt, können steuerliche Wahlrechte grundsätzlich frei ausgeübt werden, die einmal getroffene Wahl grundsätzlich widerrufen werden. Gründe, dem Zuwendenden bei der Pauschalierung nach § 37b EStG diese Rechte abzusprechen oder einzuschränken, sind ohne gesetzliche Grundlage nicht ersichtlich.
Der Zuwendungsempfänger hat ohnehin keine starke Rechtsposition. So hat er keinen Anspruch darauf, dass der Zuwendende durch die Anwendung der Pauschalierung nach § 37b EStG für die Versteuerung der Zuwendung Sorge trägt. Aber selbst wenn ihn der Zuwendende darüber unterrichtet, die Pauschalierung nach § 37b EStG angewendet zu haben, gibt dies dem Zuwendungsempfänger in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Rechtsposition, wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist. Denn der Zuwendende wählt die Pauschalversteuerung nicht durch Unterrichtung des Zuwendungsempfängers, sondern durch eine entsprechende Erklärung gegenüber der Finanzbehörde.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist nicht ersichtlich, warum die Ausübung des Wahlrechts im Falle der Pauschalversteuerung nach § 37b EStG anders zu beurteilen sein sollte als in anderen Fällen der Ausübung von Wahlrechten. Letztlich tritt in allen diesen Fällen Rechtssicherheit erst durch die Bestandskraft oder die Festsetzungsverjährung ein.
Der Streitfall zeigt sogar in besonderer Weise, dass ein Steuerpflichtiger, der an der einmaligen Ausübung seines Wahlrechts festgehalten wird, dadurch erhebliche Nachteile erleiden kann. So hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Streitjahr 2008 zunächst nur Zuwendungen in Höhe von 870 € der Pauschalversteuerung unterworfen. Mit dem Nachforderungsbescheid aufgrund der Lohnsteuer-Außenprüfung fordert nun aber der Beklagte die Pauschalversteuerung weiterer Zuwendungen des Streitjahrs 2008 in Höhe von 16.508,56 €, also etwa dem 20fachen des bisherigen Betrags.
Ein Steuerpflichtiger, der einmal die Pauschalversteuerung nach § 37b EStG gewählt hat, muss also befürchten, aufgrund einer Außenprüfung mit Feststellungen zu weiteren Zuwendungen konfrontiert zu werden. Diese Zuwendungen wären dann durch die bisherige Pauschalierung "infiziert", und zwar in beliebiger Höhe und unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige dies im Vorfeld erkennen konnte oder nicht. Wenn man in einem solchen Fall den Steuerpflichtigen dann noch an der bisherigen Ausübung seines Pauschalierungswahlrechts festhalten wollte, so führte dies zu einer nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung des Steuerpflichtigen. Zumindest in einem solchen Fall muss sich der Steuerpflichtige von seiner bisherigen Wahl lösen können. So billigt die Verwaltung (BdF-Schreiben vom 19. Mai 2015 IV C 6-S 2297-b/14/10001, BStBl I 2015, 468, dort unter II. 2, Rdnr. 8a) dem Steuerpflichtigen ausdrücklich die Ausübung des Wahlrechts im Rahmen einer Außenprüfung zu, wenn die Lohnsteuer-Anmeldungen noch nicht materiell bestandskräftig sind, allerdings nur für den Fall der erstmaligen Wahlrechtsausübung in Richtung einer Pauschalversteuerung nach § 37b EStG, also nicht zurück von der bereits gewählten Pauschalversteuerung. Letzteres ist nicht gerechtfertigt.
Nach alledem war der Klage insgesamt stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 137 Satz 1 FGO. Soweit die Klägerin hinsichtlich der Streitjahre 2006 und 2007 obsiegt, fallen dem Beklagten die Kosten in voller Höhe zur Last. Hinsichtlich des Streitjahrs 2008 waren die Kosten allerdings der Klägerin in vollem Umfang aufzuerlegen, weil ihr Obsiegen insoweit auf Tatsachen beruht, die sie früher hätte geltend machen können und sollen. So hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung das ihr zustehende Wahlrecht zur Pauschalierung nach § 37 b EStG in der Weise neu ausgeübt, dass sie nun nicht mehr zur Übernahme der Steuer bereit sei, mithin die Entscheidung zur Anwendung des § 37b EStG zurückgenommen. Zu den Tatsachen i.S.d. § 137 FGO gehören auch Anträge oder Erklärungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind (Gräber/Ratschow FGO § 137 Rz 7, BFH-Beschluss vom 28. November 2007 X S 9/07, BFH/NV 2008, 585).
4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
5. Die Revision hinsichtlich des Streitjahrs 2008 wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), weil die Rechtsfrage, ob und inwieweit die Entscheidung zur Anwendung des § 37b EStG zurückgenommen werden kann, umstritten ist und höchstrichterlicher Klärung bedarf.