Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.2015, Az.: 14 K 232/14

Einkommensteuerliche Behandlung einer pauschalen Offshore-Zulage zur Abgeltung für die anfallende Mehr-, Wochenend-, Feiertags- und Nacharbeit als steuerfrei

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.09.2015
Aktenzeichen
14 K 232/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 27861
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2015:0924.14K232.14.0A

Fundstellen

  • EFG 2015, 2165-2167
  • IWB 2016, 123
  • StX 2015, 745-746

Amtlicher Leitsatz

Erhält der Steuerpflichtige eine pauschale Zulage zur Abgeltung für alle anfallende Mehr-, Wochenend-, Feiertags- und Nacharbeit und unterwirft der Arbeitgeber diese endgültig der Lohnversteuerung, so ist die Zulage im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung auch nicht insoweit als steuerfrei zu behandeln, als der Arbeitnehmer nun eine Aufstellung über die geleisteten - dem Grunde nach begünstigten - Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden vorlegt.

Tatbestand

Streitig ist, ob eine dem Kläger pauschal gewährte sog. Offshore-Zulage gemäß § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) teilweise steuerfrei ist.

Der Kläger ist Bauingenieur und bei der X in Y angestellt. Ab dem 1. August 2011 war er zur Niederlassung Z als Senior Offshore Engineer versetzt. In diesem Zusammenhang vereinbarte er mit der X im Rahmen einer "Vertragsergänzung Offshore" vom 4. August 2011 "zur Abgeltung für alle anfallenden Mehr-, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeiten" u.a. für Einsätze im Schichtbetrieb im Base Port, auf Hubinseln und Schiffen eine Schicht-Zulage i.H.v. 9.000 € brutto pro Jahr, d.h. 750 € brutto monatlich. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vertragsergänzung verwiesen.

Die X unterwarf die für den Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum 31. Dezember 2012 gezahlten Pauschalen in Höhe von 750 € monatlich der Lohnversteuerung. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2012 machte der Kläger unter Vorlage einer vom Arbeitgeber gegengezeichneten Aufstellung geltend, in diesen Monaten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit insgesamt wie folgt geleistet zu haben:

NachtstundenSonntagsstundenFeiertagsstundenFeiertagsstunden
20:00 - 24:00 (25 %) 00:00 - 24:00 (50 %) 00:00 - 24:00 (125 %) 150 %
August3 Stunden
September30 Stunden60 Stunden
Oktober22 Stunden12 Stunden
November20 Stunden12 Stunden
Dezember18 Stunden24 Stunden4 Stunden

Auf dieser Grundlage und einem von ihm selbst ermittelten Stundenlohn von 35,65 € errechnete der Kläger einen Betrag in Höhe von 3.289 €, der ihm steuerfrei hätte gewährt werden können.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die gezahlten Zulagen in Höhe von 3.750 € im Einkommensteuerbescheid 2012 vom 3. Januar 2014 insgesamt als steuerpflichtigen Arbeitslohn.

Der Einspruch blieb erfolglos. Die Zulagen seien nicht lediglich für solche Schichten gezahlt worden, die auf einen Sonntag, einen Feiertag oder eine Nacht entfielen, sondern für Wechselschichten schlechthin. Begünstigt nach § 3b EStG seien nur solche Zulagen, die ausschließlich eine ungünstig liegende Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit abgelten würden. Hier entfalle indes nur ein Teil der Wechselschichten auf die für die Begünstigung vorausgesetzte Zeit. Die Zulagen könnten auch nicht wenigstens anteilig steuerfrei belassen werden. Eine Aufteilung komme nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3b EStG nur dort in Betracht, wo in dem einem Steuerpflichtigen gezahlten Arbeitslohn Teile enthalten seien, die nach dem Tarifvertrag zwar pauschal, aber doch einzig und allein für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gewährt würden. Dies sei --wie ausgeführt-- vorliegend nicht der Fall.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger macht geltend, nach der Rechtsprechung (u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 2013 VI R 48/12, BFH/NV 2014, 341) seien pauschale Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit auch dann steuerfrei, wenn diese nach dem übereinstimmenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet würden.

Dies sei vorliegend der Fall. Bereits bei den Informationsveranstaltungen zu den Offshore-Verträgen sei darauf hingewiesen worden, dass der Anteil der pauschalen Zulage, der auf nachgewiesene Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfalle, steuerfrei ausgezahlt werden solle. In der Lohnbuchhaltung habe das aber nicht sofort umgesetzt werden können. Nachweise über tatsächlich geleistete und nachgewiesene Stunden sowie die geforderte Abrechnung lägen ebenfalls vor.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 3. Januar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2014 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag in Höhe von 3.289 € als steuerfreier Arbeitslohn berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung dargelegten Auffassung fest und weist ergänzend darauf hin, entgegen der Ansicht des Klägers lägen gerade keine Einzelabrechnungen vor. Die dem Schreiben der X vom 19. Dezember 2013 beigefügte Bescheinigung weise lediglich die Anzahl der Nacht-, Sonntags- und Feiertagsstunden aus.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in seinen Rechten.

Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass die dem Kläger im Streitjahr gezahlten Offshore-Zulagen in vollem Umfang steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen.

1. Nach § 3b Abs. 1 EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen.

a) Die Steuerbefreiung tritt nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1984 VI R 199/80, BStBl II 1985, 57), und setzt grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit voraus (BFH-Urteil vom 28. November 1990 VI R 90/87, BStBl II 1991, 293). Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass ausschließlich solche Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen. Hieran fehlt es jedoch, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit lediglich allgemein pauschaliert abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach %-Sätzen des Grundlohns) möglich ist.

b) Pauschale Zuwendungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit an den Arbeitnehmer leistet, sind nur dann nach § 3b EStG begünstigt, wenn sie nach dem übereinstimmenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. September 2013 VI R 48/12, BFH/NV 2014, 341; vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11, BStBl II 2012, 291).

c) Solche pauschalen Zuschläge sind allerdings nur dann und insoweit steuerfrei, als sie den im einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistete Stunden zu den nach § 3b Abs. 2 EStG begünstigten Zeiten entsprechen; die Zuschläge sind jeweils vor Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung, somit regelmäßig spätestens zum Ende des Kalenderjahres bzw. beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Dienstverhältnis, zu errechnen (zur Berechnung s. z.B. BFH-Urteil in BStBl II 2012, 288 [BFH 16.12.2010 - VI R 27/10], [BFH 16.12.2010 - VI R 27/10] m.w.N.).

d) Eine mindestens jährliche Abrechnung gemäß § 41b Abs. 1 Satz 1 EStG ist grundsätzlich unverzichtbar (BFH-Urteil in BStBl II 2012, 228 [BFH 12.10.2010 - I R 59/09], m.w.N.), es sei denn, die Pauschalzahlungen werden für tatsächlich erbrachte Arbeitsstunden zur Nachtzeit geleistet und sind so bemessen, dass sie auch unter Einbeziehung von Urlaub und sonstigen Fehlzeiten --auf das Jahr bezogen-- die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201).

2. Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze hat das FA die dem Kläger gezahlte Offshore-Zulage zu Recht als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen. Die Voraussetzungen des § 3b EStG liegen nicht vor.

a) Die Offshore-Zulage erhielt der Kläger allgemein für seinen Einsatz im Schichtbetrieb im Base Port, auf Hubinseln und Schiffen. Grundsätzlich wurde dort im Zwei-Schicht- und 14-tägigen Schichtsystem gearbeitet. Beim Kläger bestand insofern die Besonderheit, dass er als Construction Manager vom regelmäßigen Schichtbetrieb ausgenommen war und vielmehr --je nach Bedarf-- flexibel eingesetzt wurde, was sich auch in den in ihrem Umfang deutlich schwankenden Nacht- und Sonntagsstunden wiederspiegelt. Die Zulage belief sich gleichwohl pauschal auf 750 € brutto monatlich. Die entsprechende Vertragsergänzung erfolgte "zur Abgeltung für alle anfallenden Mehr-, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeiten".

b) Mehrarbeitsvergütungen und Schichtzulagen rechnen regelmäßig zum Grundlohn i.S. des § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG (Erhard in Blümich, § 3b EStG Rz 26), da sie nicht i.S. des § 3b EStG ausschließlich für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erbracht werden.

Darüber hinaus erfüllen Zuschläge, mit denen nicht nur die Erschwernis, die in der Leistung von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit liegt, sondern auch andere Erschwernisse abgegolten werden, wie z. B. die Erschwernis, die in der Leistung von Mehrarbeit oder in der Leistung von (Wechsel-)Schichtarbeit liegt, auch ansonsten nicht die Voraussetzungen des § 3b EStG. Nach der Rechtsprechung wird ein solcher Zuschlag nicht als Entgelt für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, sondern als Entgelt für ein Bündel verschiedener Erschwernisse gezahlt (BFH-Urteil vom 14. Juni 1967 VI R 226/66, BStBl - III 1967, 609).

c) Die Offshore-Zulage stellte --jedenfalls im Streitjahr 2012-- auch keine ausnahmsweise (teilweise) begünstigte Abschlags- oder Vorauszahlung (Vorschuss) dar. Denn der Kläger hat die Zulage endgültig erhalten. Eine Einzelabrechnung zum Abschluss des Lohnkontos nach § 41b Abs.1 Satz 1 EStG am Ende des Kalenderjahrs erfolgte gerade nicht. Entgegen der Ansicht des Klägers genügt es nicht, dass die geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitsstunden aufgezeichnet wurden (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 VI R 55/91, BStBl II 1993, 314 [BFH 23.10.1992 - VI R 55/91]).

Erforderlich wäre vielmehr gewesen, dass der Arbeitgeber aufgrund der Eintragungen im Lohnkonto oder auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers u.a. die Dauer des Dienstverhältnisses während des Kalenderjahres, für das die Lohnsteuerkarte gilt, die Art und Höhe des gezahlten Arbeitslohns und die einbehaltene Lohnsteuer auf der Lohnsteuerbescheinigung festhält. Zu diesem Zeitpunkt (bei Ausstellung der Bescheinigung) muss endgültige Klarheit darüber herrschen, ob und inwieweit im Laufe des Kalenderjahres erbrachte Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf Zuschläge i.S. des § 3b EStG den Vergütungen für die tatsächlich geleisteten Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeitsstunden entsprechen (BFH-Urteil vom 28. November 1990 VI R 90/87, BStBl II 1991, 293).

Unterbleibt --wie im Streitfall-- eine Abrechnung solcher Zuschläge vor Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung, so geben Arbeitgeber und Arbeitnehmer dadurch zu erkennen, dass es sich bei den im Kalenderjahr geleisteten Zuschlägen von vornherein nicht um Abschlagszahlungen oder Vorauszahlungen auf im Einzelnen zu ermittelnde Zuschläge für die jeweiligen Stunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtarbeit, sondern um --steuerpflichtige-- pauschale Zuschläge ohne Rücksicht auf die tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gehandelt hat (BFH-Urteil in BStBl II 1991, 293 [BFH 28.11.1990 - VI R 90/87]).

Die Bescheinigung der X über die im Streitjahr 2012 geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden datiert erst aus Dezember 2013 und stellt bereits deshalb keine Abrechnung im vorstehenden Sinn dar. Hintergrund war offensichtlich die Aufforderung an die betroffenen Mitarbeiter per E-Mail vom 30. September 2013, die ab 1. August 2012 geleisteten Stunden aufzulisten, um so einen "offiziellen Nachweis" zur Verwendung bei deren Steuererklärungen erstellen zu können.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.