Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.09.2015, Az.: 14 K 48/14
Kraftfahrzeugsteuerpflichtigkeit des Betreibers eines gewerblich genutzten Reithallengrundstücks für einen zur Futtermittelgewinnung eingesetzten Traktor
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.09.2015
- Aktenzeichen
- 14 K 48/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 27848
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2015:0910.14K48.14.0A
Rechtsgrundlagen
- § 95 Abs. 1 BewG
- § 99 BewG
- § 3 Nr. 7a KraftStG
Fundstellen
- EFG 2015, 2224-2226
- StX 2016, 45-46
- UVR 2016, 79
Amtlicher Leitsatz
Die Befreiung nach § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG kann nicht gewährt werden, wenn der Stpfl. ein Reithallengrundstück, auf dem er eine Pferdepension betreibt, als gewillkürtes Betriebsvermögen seinem Gewerbebetrieb zuordnet, bewertungsrechtlich deshalb ein Betriebsgrundstück vorliegt und der Stpfl. ertragsteuerrechtlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Ein zur Futtermittelgewinnung eingesetzter Traktor wird in diesem Fall nicht in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verwendet.
Tatbestand
Der Kläger erzielt im Rahmen einer Betriebsaufspaltung (...unternehmen) Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zum Betriebsvermögen seines Besitzeinzelunternehmens gehört eine im Jahr 1998 fertiggestellte Reithalle mit 38 Pferdeboxen und Nebenräumen. Vorhanden ist des Weiteren ein Außenplatz, der sowohl dem Auslauf der Pferde dient als auch für reiterliche Belange genutzt wird. Die Reithalle sowie fünf Pferdeboxen werden von dem Kläger bzw. seiner Familie genutzt. Die übrigen Boxen sind, je nach Bedarf, an verschiedene Nutzer vermietet. Der Pensionspreis beträgt aktuell ... €. Weitere Leistungen neben der Überlassung der Pferdeboxen einschließlich der Lieferung von Stroh, Kraftfutter und Heu (wie Reitunterricht, Hufschmiedearbeit etc.) bietet der Kläger nach eigenen Angaben nicht an. Die Boxenbelegung schwankt nach Angaben des Klägers, teilweise --insbesondere in den Sommermonaten-- sind nur sieben bis zehn fremde Pferde eingestellt. Ein kleiner Bereich der Halle von ca. 12 % (444 qm von einer Gesamtnutzfläche von 3.760 qm) wird für Zwecke des ...-unternehmens genutzt. Gemäß Einheitswertbescheid vom 9. Juni 2005 ist für das Grundstück "Reithalle X" zum 1. Januar 2003 als Vermögensart "Betriebsgrundstück" und als Grundstücksart "Geschäftsgrundstück" festgestellt. In der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1999 gab der Kläger an, das Grundstück diene ganz oder teilweise gewerblichen Zwecken.
Zur Futtermittelbeschaffung bewirtschaftet der Kläger eine Fläche von 50,24 ha. Laut Beitragsbescheid der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Y vom 15. Februar 2011 handelt es sich um 4,74 ha Mähdruschfrüchte und um 45,50 ha Grünland. In den Kalenderjahren 2008 und 2009 erklärte der Kläger Erlöse aus Heu- und Strohverkäufen in Höhe von 420 € bzw. 0 €. Ausweislich der Ausführungen in der Einspruchsentscheidung besitzt er 1,4 ha landwirtschaftliche Flächen.
Zum Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs gehört auch ein Traktor (Zugmaschine) der Firma Fendt, Typ Favorit 926 Vario (...), mit einer zulässigen Gesamtmasse von 14.000 kg, zugelassen auf den Kläger am 29. März 2011. Aus einem in den Akten befindlichen Anlagespiegel des Wirtschaftsjahres 2009 ist ersichtlich, dass dem Betriebsvermögen des Besitzeinzelunternehmens sowohl diverse weitere Wirtschaftsgüter zugeordnet sind, die üblicherweise im land- und forstwirtschaftlichen Bereich eingesetzt werden ("550 Maschinen LuF" - so eine Rundballenpresse, eine Düngegabel, eine Förderstation, ein Wiesenmäher mit Antrieb, ein 3-Kreisel-Seitenschwader, ein Schlepper, ein 3-Achs-Tiefladeanhänger und ein Scheibenmähwerk mit Anschaffungskosten von insgesamt knapp 158.000 €) als auch das Inventar der Reithalle ("551 Inventar Reithalle" - insbesondere ein Futtersilo mit Antriebssteuerung und ein kompletter Parcours).
Unter Verweis auf die ausschließlich im Bereich der Grünlandbewirtschaftung erfolgende Nutzung des Traktors (Wiesen schleppen, Dünger streuen, mähen, wenden, Heu und Stroh schwaden, einpressen und abfahren) beantragte der Kläger, diesen nach § 3 Nr. 7 des Kraftfahrsteuergesetzes (KraftStG) von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien. Das für die Kraftfahrzeugsteuer seinerzeit zuständige Finanzamt (FA) lehnte den Antrag ab und setzte die Steuer mit Bescheid vom 22. Mai 2013 ausgehend von der Gesamtmasse (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d KraftStG) für die Zeit ab 29. März 2011 auf jährlich 1.197 € fest. Die Befreiung könne nicht gewährt werden, weil die Zugmaschine nicht in einem landwirtschaftlichen Betrieb verwendet werde.
Zur Begründung seines Einspruchs machte der Kläger u.a. geltend, die Bewirtschaftung der Grünflächen erfolge nicht lediglich mit dem Ziel der Futtergewinnung für die Pensionspferdehaltung, sondern vor allem zwecks Futtergewinnung zum Weiterverkauf an Dritte. Es werde nicht nur in erheblichem Umfang Heu an Dritte veräußert, sondern auch Stroh. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2014).
Zur Begründung stellte das seinerzeit noch zuständige FA insbesondere darauf ab, die Pensionspferdehaltung sei keine landwirtschaftliche Tätigkeit. Schon durch die Zuordnung zum Gewerbebetrieb "der GmbH" (gemeint ist offenbar das Besitzeinzelunternehmen des Klägers) komme eine Einstufung als landwirtschaftlicher Betrieb nicht in Betracht. Die bewirtschafteten Flächen stellten keinen eigenständigen landwirtschaftlichen Betrieb i.S. des KraftStG dar, sondern einen Nebenbetrieb, der dem Hauptbetrieb (gewerbliche) Pferdehaltung zur Beweidung und Futtergewinnung zu dienen bestimmt sei. Selbst wenn der Kläger die Ernte in nennenswertem Umfang verkaufen sollte, könne die Pferdehaltung auf Grund ihrer Größe nicht als Nebenbetrieb der Flächenbewirtschaftung angesehen werden. Würden gewerbliche Pferdehaltung und landwirtschaftliche Flächenbewirtschaftung als eigenständige Betriebe angesehen, wäre die Steuerbefreiung gleichwohl zu versagen, weil die Zugmaschine nicht ausschließlich im landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt werde.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger ist weiter der Ansicht, bei der mit Hilfe des streitgegenständlichen Traktors bestellten Nutzfläche handele es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb i.S. des § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG. Die gewonnenen Erzeugnisse würden zur Tierhaltung verwendet, wobei die Abgabe sowohl an die eigene Pensionspferdehaltung als auch in unterschiedlichem Umfang --abhängig von der Erntemenge-- an Dritte erfolge. Unerheblich sei, dass er, der Kläger, auch eingestellte Pferde betreue und versorge. Insbesondere stelle die Pensionspferdehaltung selbst eine landwirtschaftliche Tätigkeit dar. Sollte man dies anders sehen, sei die Betreuung der Pferde von der Bestellung der Felder getrennt zu beurteilen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer vom 22. Mai 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2014 aufzuheben und die Steuer für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... ab dem 29. März 2011 auf jährlich 0,00 € festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG sei nicht erfüllt. Bei den von dem Kläger bewirtschafteten Flächen handele es sich nicht um einen eigenständigen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern allenfalls um einen Nebenerwerbsbetrieb zur Pensionspferdehaltung, die wiederum keine landwirtschaftliche Tätigkeit darstelle.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger für seinen Traktor mit dem amtlichen Kennzeichen ... die Befreiung nach § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG nicht zusteht.
1. Gemäß § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG ist das Halten u.a. von Zugmaschinen von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, solange diese Fahrzeuge ausschließlich "in" land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.
a) Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb i.S. des § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG ist eine Wirtschaftseinheit, in der die Produktionsfaktoren Boden, Betriebsmittel und menschliche Arbeit zusammengefasst sind und, aufeinander abgestimmt, planmäßig eingesetzt werden, um Güter zu erzeugen und zu verwerten oder Dienstleistungen bereitzustellen (BFH-Urteil vom 6. März 2013 II R 55/11, BStBl II 2013, 518, m.w.N.). Da keine Anhaltspunkte für eine spezifisch kraftfahrzeugsteuerrechtliche Bestimmung des Begriffs "landwirtschaftlicher Betrieb" bestehen, können insoweit die Vorschriften des Bewertungsrechts herangezogen werden. Die bewertungsrechtlichen Festlegungen sind kraftfahrzeugsteuerrechtlich zwar nicht bindend; es können aber auch für die Auslegung des § 3 Abs. 7 Buchst. a KraftStG die allgemeinen Grundsätze zur Bestimmung des bewertungsrechtlichen Begriffs eines Betriebes der Landwirtschaft zugrunde gelegt werden (BFH-Urteil in BStBl II 2013, 518 [BFH 06.03.2013 - II R 55/11]).
b) In Abgrenzung zum Betrieb der Land- und Forstwirtschaft liegt ein einheitlicher Gewerbebetrieb vor, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die land- und forstwirtschaftliche Betätigung nur die untergeordnete Bedeutung einer Hilfstätigkeit hat und die gewerbliche Betätigung dem Betrieb das Gepräge gibt (BFH-Urteil in BStBl II 2013, 518 [BFH 06.03.2013 - II R 55/11], [BFH 06.03.2013 - II R 55/11] m.w.N.). Die getrennte Behandlung einer teils als landwirtschaftlich und teils als gewerblich anzusehenden Tätigkeit scheidet aus, wenn die Verbindung zwischen land- und forstwirtschaftlicher und gewerblicher Tätigkeit planmäßig im Interesse des Hauptbetriebs gewollt ist und sich beide Tätigkeitsbereiche gegenseitig bedingen und derart miteinander verflochten sind, dass der gesamte Betrieb nach der Verkehrsauffassung als einheitlicher Betrieb anzusehen ist (BFH-Urteil in BStBl II 2013, 518 [BFH 06.03.2013 - II R 55/11]).
c) Zwar dürfte bei Heranziehung dieser Grundsätze bei alleiniger (isolierter) Betrachtung der Pensionstierhaltung insoweit von einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auszugehen sein, da der Kläger nach seinen Angaben keine weiteren Leistungen wie insbesondere die reiterliche Ausbildung oder die ärztliche Betreuung der untergebrachten Pferde erbringt. Die reine Pensionstierhaltung, also das Unterstellen und Füttern fremder Tiere gegen Entgelt, ist bei Vorliegen der flächenmäßigen Voraussetzungen Tierhaltung und damit landwirtschaftlicher Betrieb (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 1978 IV R 191/74, BStBl II 1979, 246; vom 16. Juli 1987 V R 22/78, BStBl II 1988, 83; vom 23. September 1988 III R 182/84, BStBl II 1989, 111; vom 24. Januar 1989 VIII R 91/83, BStBl II 1989, 416; FG Bremen, Urteil vom 26. Oktober 1995 3 95 018 K 5, EFG 1996, 794). Eine andere Beurteilung ist (erst) dann geboten, wenn sich die vom Betriebsinhaber erbrachten Leistungen nicht auf das Unterstellen und Füttern fremder Pferde beschränkt, sondern den Eigentümern dieser Tiere darüber hinaus weitere wesentliche Leistungen erbracht werden, die nichts mehr mit der landwirtschaftlichen Urproduktion zu tun haben (BFH-Urteil in BStBl II 1979, 246 [BFH 16.11.1978 - IV R 191/74]).
d) Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Kläger das Reithallengrundstück als gewillkürtes Betriebsvermögen seinem Besitzeinzelunternehmen zugeordnet hat und er dementsprechend aus dem Betrieb der Pferdepension ertragsteuerrechtlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
aa) Unter welchen Voraussetzungen Grundbesitz bewertungsrechtlich zu einem Gewerbebetrieb gehört, richtet sich bei Einzelgewerbetreibenden nach § 95 BewG (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2004 II R 8/01, BStBl II 2005, 463).
Nach § 95 Abs. 1 BewG umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Ein Grundstück dient dem Gewerbebetrieb i.S. dieser Vorschriften, soweit es ertragsteuerrechtlich Betriebsvermögen ist. Ist ein Grundstück ertragsteuerrechtlich gewillkürtes Betriebsvermögen, kann nicht angenommen werden, es diene aus bewertungsrechtlicher Sicht nicht dem Gewerbebetrieb und sei deshalb kein Betriebsgrundstück (BFH-Urteil in BStBl II 2005, 463 [BFH 27.10.2004 - II R 8/01]).
bb) Bei Heranziehung dieser Grundsätze handelt es sich damit bei dem Reithallengrundstück bewertungsrechtlich um ein Betriebsgrundstück (§§ 95 Abs. 1, 99 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 des Bewertungsgesetzes --BewG--), bei dem Traktor um Betriebsvermögen i.S. des § 95 Abs. 1 BewG. Dies entspricht im Übrigen auch den Feststellungen im Einheitswertbescheid. Die auf dem Reithallengrundstück betriebene Pferdepension stellt mithin bewertungsrechtlich keinen (eigenständigen) land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dar, sondern rechnet zum Gewerbebetrieb des Klägers.
Eine Befreiung des Traktors kommt folglich nicht in Betracht, da nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG die tatsächliche --ausschließliche-- Verwendung des Fahrzeugs "in" einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb erforderlich ist. Handelt es sich --wie im Streitfall-- nicht um einen solchen Betrieb, ist der Tatbestand der Befreiungsvorschrift auch bei Einsatz des Fahrzeugs "wie von einem Landwirt" nicht erfüllt (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1995 II R 45/92, BStBl II 1996, 11).
Entgegen der Ansicht des Klägers kommt eine Befreiung auch nicht deshalb in Betracht, weil der Traktor zur Futtermittelgewinnung eingesetzt wird. Die Futtermittelgewinnung dient --wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt hat-- allein dem Betrieb der Pensionspferdehaltung, die wiederum aufgrund der vom Kläger getroffenen Zuordnungsentscheidung für das Reithallengrundstück zum Besitzeinzelunternehmen rechnet. Daran ändert auch der gelegentliche Verkauf von Futterüberschüssen an Dritte nichts.
Der Senat kann demnach offenlassen, ob der Kläger den streitgegenständlichen Traktor tatsächlich --wie er geltend macht-- ausschließlich für Zwecke der Pensionstierhaltung verwendet und nicht --was angesichts des ...-unternehmens jedenfalls nicht fernliegend ist-- gelegentlich auch für originäre gewerbliche Zwecke.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.